Rhythmisches Sich-Bewegen zur Musik im Sportunterricht der Grundschule

Eine qualitative Analyse des rhythmischen Bewegungsverhaltens von Schülerinnen und Schülern einer vierten Klasse


Masterarbeit, 2017

67 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung
1.1 Aspekte der Verbindung von Bewegung und Musik
1.2 Rhythmische Bewegungsqualität und rhythmisches Bewegungsverhalten
1.3 Praktische Umsetzung
1.4 Körpersprachliches Bewegungsverhalten

2 Aktionsforschung
2.1 Motive
2.2 Ausgangspunkt für die Forschung
2.3 Videoaufzeichnung
2.4 Beobachtung

3 Falldarstellung
3.1 Beschreibung des Unterrichtsvorhabens
3.2 Fragestellung
3.3 Beobachtungsbogen
3.4 Eigene Vorgehensweise

4 Qualitative Analyse der Unterrichtsstunden
4.1 Stunde 1: Aufwärmspiel – Stopptanz
4.1.1 Beschreibung Szene 1
4.1.2 Analyse Szene 1
4.1.3 Beschreibung Szene 2
4.1.4 Analyse Szene 2
4.1.5 Beschreibung Szene 3
4.1.6 Analyse Szene 3
4.1.7 Ergebniszusammenstellung Stopp-Tanz
4.2 Stunde 1: Rhythmisches Ballprellen
4.2.1 Beschreibung Szene 1
4.2.2 Analyse Szene 1
4.2.3 Beschreibung Szene 2
4.2.4 Analyse Szene 2
4.2.5 Ergebniszusammenstellung Rhythmisches Ballprellen
4.3 Stunde 2: Aufwärmspiel und Gruppenarbeit
4.3.1 Beschreibung Szene 1
4.3.2 Analyse Szene 1
4.3.3 Beschreibung Szene 2
4.3.4 Analyse Szene 2
4.3.5 Beschreibung Szene 3
4.3.6 Analyse Szene 3
4.3.7 Ergebniszusammenstellung Gruppenarbeit und Präsentationsphase
4.4 Stunde 3: Klassentanz und Präsentationsphase
4.4.1 Beschreibung Szene 1
4.4.2 Analyse Szene 1
4.4.3 Beschreibung Szene 2
4.4.4 Analyse Szene 2
4.4.5 Ergebniszusammenstellung Klassentanz und Präsentationsphase

5 Kategorienbildung
5.1 Kategorie 1: Reproduktives Bewegen
5.2 Kategorie 2: Intuitiv-autonomes Bewegen
5.3 Kategorie 3: Emotional-deskriptives Bewegen
5.4 Kategorie 4: Bewegungsgeschichte
5.5 Kategorie 5: Vermeidung
5.6 Kategorie 6: Kreativ-reproduktives Bewegen
5.7 Kategorie 7: Darbietendes Bewegen

6 Evaluation der praktischen Umsetzung

Fazit

Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang 1
Tabelle zur Analyse der Videosequenzen

Anhang 2

Einleitung

Die ersten Lebensjahre unserer Kinder sind schon seit langer Zeit großen Veränderungen ausgesetzt. Neben den unterschiedlichsten Formen von Familienkonstellationen und einer bereits vorschulisch institutionalisierten Erziehung, befindet sich besonders die Bewegungserziehung im Wandel. In dieser veränderten Kindheit stehen sich zwei Extreme gegenüber: auf der einen Seite verbringen Kinder ihre Freizeit vor oder mit digitalen Medien wie dem Computer, dem Fernseher, Handy oder Spielkonsolen; auf der anderen Seite wird Sport überwiegend in institutionalisierten Räumen betrieben. Diese Versportung beschreibt die Flucht in Sportvereine in denen angeleitetes Sportmachen betrieben wird. Gerade die in Deutschland großen Sportarten wie Fußball oder Handball ziehen Kinder und besonders Jungen an. Für eine kreative und rhythmische Bewegungserziehung bleibt hier kaum Platz, Zeit oder Motivation. Sollte nicht aber gerade Kindern der Raum gegeben werden, sich kreativ mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen? Wie reagieren Kinder auf die Aufgabe sich rhythmisch zu bewegen? Sind sie in der Lage rhythmische Bewegungsabläufe zu reproduzieren, sie zu verändern oder gar auf einer kreativen Basis neue Bewegungen / Bewegungskombinationen zu erschaffen?

Die veränderten Lebensverhältnisse von Kindern bilden den Ansatzpunkt für den Sportunterricht. Gerade in der Grundschule kann Kreativität noch im frühen Kindesalter gefördert werden und ein Bewusstsein für kreative Bewegungsgestaltung geschaffen werden. In dieser Arbeit wird es um das rhythmische Bewegungsverhalten von Grundschülern einer vierten Klasse gehen. Wie äußert sich ihr Bewegungsverhalten und ihre Bewegungsqualität als Reaktion auf unterschiedliche Musikstile, auf spielerische Aufgaben oder auch auf unterschiedliche Materialien? Spielt die Aufgabenstellung der Lehrkraft eine Rolle bei der Umsetzung der Bewegungen durch die Schülerinnen und Schüler? In welche Kategorien lässt sich das Bewegungsverhalten einordnen?

Zunächst soll dafür der wissenschaftliche Hintergrund erläutert werden. Basis der Überlegungen sind die Ansätze der Ziele und der Bedeutung der rhythmisch-musikalischen Bewegungserziehung, sowie deren praktische Umsetzung, eine Definition des rhythmischen Bewegungsverhaltens und der Bewegungsqualität und Anlehnung dazu gesondert das körpersprachliche Bewegungsverhalten. Darauf aufbauend, wird anschließend das methodische Design dieser Arbeit, insbesondere die Videoaufzeichnung und die Beobachtung, anhand der Methodik der Aktionsforschung dargestellt. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet anschließend die Darstellung des Unterrichtsvorhabens und die qualitative Analyse der Aufzeichnung der ausgewählten Unterrichtsstunden. Hierzu werden relevante Situationen der Unterrichtsstunden zunächst anhand eines Beobachtungsbogens vorsortiert, um sie anschließend genauer zu analysieren. Anhand dieser Analyse werden anschließend Kategorien entworfen, nach denen sich die unterschiedlichen Reaktionen gliedern lassen. Abschließend werden die Kategorien und Ergebnisse mit der Theorie in Verbindung gesetzt, um neben den Erkenntnissen über die unterschiedlichen Variationen des Bewegungsverhaltens und der Bewegungsqualität, auch Auskunft über den Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der praktischen Umsetzung zu erhalten.

1 Rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung

Unter einer rhythmisch-musikalischen Bewegungserziehung im Sportunterricht ist ein ganzheitlicher Ansatz gemeint, der die Verknüpfung von Bewegung und Musik beinhaltet. Hauptziel ist die Förderung des rhythmischen Sich-Bewegens zur Musik und somit die Weiterentwicklung der individuellen rhythmisch-musikalischen Bewegungsqualität einzelner Schülerinnen und Schüler[1]. Im Unterricht steht das gemeinsame rhythmische Bewegen, aber auch das kreative individuelle Bewegen zur Musik im Mittelpunkt und kann beispielsweise mithilfe von Gestaltungsaufgaben umgesetzt werden. Die rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung wird beispielsweise nach Reuter (2010, S. 15) in der Sportpädagogik mit Argumenten zur ästhetischen Erziehung und aus lerntheoretisch-methodischer Sicht vertreten.

Nach Glathe und Krause-Wichert (1981, S. 6) ist die „rhythmisch-musikalische Erziehung - auch Rhythmische Erziehung oder „Rhythmik“ genannt - […] eine Erziehung durch Bewegung mit dem Medium Musik“. Durch diese Formulierung unterscheidet sie sich einmal von der klassischen Bewegungserziehung, in deren Fokus die Entwicklung motorischer Fähigkeiten steht, sowie von der Musikerziehung, die auf Fähigkeiten im Bereich des Musizierens abzielt. Die rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung nach Glathe und Krause-Wichert konzentriert sich auf die Ausbildung kognitiver, affektiver und motorischer Fähigkeiten, die den zuvor erwähnten ganzheitlichen Ansatz beschreiben. Durch ihre Betrachtung des „Einzelnen als Teil seiner Umgebung“ werden die „sinnlichen Wahrnehmungen, über die der Mensch den Kontakt zu seiner Umwelt herstellt, besonders entwickelt“ (vgl. ebd., S. 8). Durch diese Betrachtung der Wahrnehmung der menschlichen Umgebung über seine sinnlichen Fähigkeiten Hören, Sehen, Tasten, Schmecken und Riechen im Zusammenwirken mit Raum, Zeit und Kraft ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten der Bewegungsgestaltung. Dadurch werden Lernprozesse gleichermaßen im kognitiven, affektiven und motorischen Bereich angesprochen.

Glathe und Krause-Wichert (1981, S. 9) haben, basierend auf diesem ganzheitlichen Ansatz, Lernziele für die rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung entwickelt:

- Sensibilisierung der Sinne
- Schulung der Konzentrationsfähigkeit
- Erfahren der Grundelemente der Musik
- Vertrautwerden mit den Elementarbewegungen
- Schulung der Bewegungsgeschicklichkeit (Groß- und Kleinmotorik, Reaktion, Koordination)
- Förderung der Eigenpersönlichkeit
- Förderung des sozialen Verhaltens
- Anregung zur Kreativität
- Begriffsbildung (Glathe und Krause-Wichert, 1981, S. 9)

In diesem Sinne verfolgt die rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung neben den affektiven und kognitiven Lernzielen auch das Ziel, rhythmisch-musikalische Bewegungsqualität zu verbessern, das heißt, die SuS zu einer optimalen Verknüpfung von Bewegungsmerkmalen zur Musik hinzuführen. Zu den Bewegungsqualitäten gehören neben dem Rhythmus auch Bewegungsfluss, Dynamik oder Bewegungsharmonie (siehe 1.2). Diese spiegeln sich nicht nur bei tänzerischen Bewegungen, sondern auch in anderen Bewegungsformen, zum Beispiel aus der Leichtathletik, wider. Eine rhythmische Bewegungsschulung sollte so gestaltet sein, dass es den SuS bestimmte Situationen, wie beispielsweise eine offen gehaltene Bewegungsanregung, bereitstellt, die das Bewegungsverhalten der SuS herausfordert. Daher eignet sich eine offene musikalisch-rhythmische Bewegungserziehung hier vor einem geschlossenen Konzept, damit die SuS nicht auf bestimmte Techniken oder Stile festgelegt werden. Sie sollten ein Körper- und Bewegungsbewusstsein erlangen, das es ihnen ermöglicht, sich in unterschiedlichen Situationen künstlerisch-gestaltend zur Musik auszudrücken (vgl. Bünner und Röthig, 1971, S. 85). Den SuS sollen Aufgaben gestellt werden, die sie mithilfe von Bewegung selbstständig lösen können und die in ihrem subjektiven Empfinden richtig sind (vgl. Glathe et. al., S. 6). Rhythmisch-musikalische Bewegungserziehung mit dem Ziel, rhythmisch-musikalische Bewegungsqualität zu verbessern, heißt, den SuS eine optimale Synthese aus bewegungsschulenden und gestalterischen Aufgaben anzubieten.

1.1 Aspekte der Verbindung von Bewegung und Musik

Bewegung, in diesem Sinne das Tanzen, und Musik sind seit Menschengedenken Bestandteil aller Völker und Kulturen. Tanzen wird als körperliche Ausdrucksweise gesehen, eine sich stets weiterentwickelnde und in keinem starren Zustand verharrende Form der kreativen Bewegung zur Musik. Durch das spielerisch oder künstlerisch rhythmische Bewegen, soll „Musik oder Geräusche körperlich interpretiert werden“ (Gulden & Scheer, 2011, S. 7). Palm-Scheel (1976, S. 13) sieht tänzerisches Bewegen als eine harmonische Verbindung von Bewegung und Musik und versteht tänzerisches Bewegungslernen nicht als eine Aneignung von Fertigkeiten, sondern als Realisierung kreativ-kommunikativen Tanzens in Verbindung mit Kenntnissen über dieses Tanzen (vgl. ebd., S. 14).

Die engen Beziehungen zwischen Bewegung und Musik werden allerdings nicht nur durch das Tanzen deutlich. Sowohl Bewegung, als auch Musik lassen sich in „rhythmische Grundvariablen“ gliedern: zeitlich, dynamisch und formal. Durch variable Nutzung des Bewegungstempos werden Bewegungen zeitlich-rhythmisch gegliedert, sowie der zeitliche Faktor auch in der Musik durch das Tempo bestimmt wird. Die Dynamik wird in der Bewegung durch verschiedene Komponenten wie Krafteinsatz, Intensität oder muskuläre Spannung erzeugt, in der Musik zeichnet sich sie sich durch Klang- und Tonstärke aus. Die Form einer Bewegung kann gradlinig, kurvig, rund oder eckig sein. Die Form der Musik wird durch eine variable Verarbeitung gewonnen: sie kann gekürzt, wiederholt, (un-) rhythmisiert oder erweitert werden (vgl. Falk, 1979, S. 33). Reuter (2007, S. 144) sieht im Ausdruck der Form der Bewegung die Umsetzung des Bewegungsfluss, der Bewegungsharmonie und der Akzentuierung. Der Bewegungsfluss kann entweder fließend oder nicht fließend, und stockend sein. Die Akzentuierung äußert sich durch die Gewichtung beziehungsweise Betonung einzelner Bewegungsausführungen. Hier stehen sich strukturiert-rhythmische und zwischen Spannung und Entspannung wechselnde Bewegungen, eher weniger strukturiert-rhythmischen und wenig zwischen Spannung und Entspannung wechselnden Bewegungen gegenüber (vgl. ebd.) Außerdem sollte die Synchronität auch als bedeutende Beziehung zwischen Bewegung und Musik gesehen werden. Bewegung kann sowohl synchron als auch asynchron zur Musik ausgeführt werden. Reuter (2007, S. 145) sieht auch viele Gemeinsamkeiten in der Bewegungsgeschwindigkeit, bzw. dem Tempo, zur Musik einige Gemeinsamkeiten. Sowohl das Tempo der Musik, sowie der Bewegung, kann daher über einen längeren oder auch kürzeren Zeitraum gleichbleibend (stabil), aber auch wechselnd (instabil) sein.

Diese Beziehungen beschränken sich jedoch nicht nur auf den Rhythmus. Der Körper agiert in der Bewegung als Gegenstück zum Instrument in der Musik, er ist das Instrument mit dem gespielt, dargestellt beziehungsweise getanzt wird (vgl. Neuber, 2000, S. 81).

An diesen Auffassungen über die Kombination von Bewegung und Musik wird deutlich, dass durch das Bewegen zur Musik etwas nach außen kommuniziert werden kann. Dies geschieht nicht nur durch festgelegte Tanzformen, sondern auch durch alltägliche und sportliche Bewegungen, die in Verbindung mit Musik verändert, oder gestaltet werden können.

1.2 Rhythmische Bewegungsqualität und rhythmisches Bewegungsverhalten

Um sportliche Bewegungen beschreiben und nach ihrer Qualität bewerten zu können, ist es notwendig, die unterschiedlichen Merkmale von Bewegungen zu betrachten. Da im empirischen Teil Bewegungen untersucht und grob bewertet werden, ergibt sich die genauere Betrachtung der Bewegungsqualität. Besonderer Fokus wird in diesem Kapitel dabei allerdings auf den Bewegungsrhythmus gelegt, aufgrund der Tatsache, dass diese im Zuge der Arbeit untersucht werden soll. Meinel / Schnabel (1977) haben diese Bewegungsmerkmale ausdifferenziert:

- Bewegungsstärke
- Bewegungstempo
- Bewegungsumfang
- Bewegungskonstanz
- Bewegungspräzision
- Bewegungsfluss
- Bewegungskopplung
- Bewegungsrhythmus

Die Bewegungsstärke beschreibt den Krafteinsatz beim Vollzug der Bewegung. Das Bewegungstempo orientiert sich einerseits an der Frequenz und Geschwindigkeit von Gesamt-, aber auch von Teilbewegungen. Der Bewegungsumfang wird durch die räumliche Ausdehnung eines Bewegungsablaufs definiert. Der optimale Bewegungsumfang wird durch die Bewegungsaufgabe vorgegeben, bei der beispielsweise ein möglichst geringer Bewegungsumfang, einem möglichst hohen Bewegungsumfang vorgezogen wird. Die Bewegungskonstanz beschreibt eine konstante Übereinstimmung im Vergleich von regelmäßigen Bewegungsabläufen. Die Bewegungspräzision wird durch einen Vergleich von Soll- und Istwert definiert, welche jeweils an der Bewegungsaufgabe orientiert sind. Der Bewegungsfluss beschreibt den optimalen Verlauf der Bewegung, der sich durch das Verhältnis von Weg, Zeit und Kraft äußert. Die Bewegungskopplung beschreibt das Zusammenspiel einer Anzahl von Teilbewegungen, welche in den Dimensionen Raum, Zeit und Dynamik aufeinander abgestimmt werden müssen.

Der Bewegungsrhythmus beschreibt die zeitliche Ordnung eines Bewegungsablaufs, welche sich ebenfalls durch die Dimensionen Raum, Zeit und Dynamik auszeichnet. Meinel / Schnabel (1977, S. 177) verstehen unter Bewegungsrhythmus:

„die dynamisch-zeitliche Struktur der sportlichen Bewegung, den fließenden Wechsel von Spannung und Entspannung. Der Bewegungsrhythmus spiegelt die Verteilung der Kraftimpulse im räumlich-zeitlichen Ablauf wider.“

Martin / Bantz (1992, S. 18) leiten zusätzlich ab, dass der Rhythmus diesen zeitlichen Ablauf ordnet. Ebendiese „Ordnung erleichtert dem Kind, Bewegungen zu strukturieren“ (ebd.).

Rhythmisches Bewegungsverhalten ist als Reaktion auf eine Art von Musik oder Rhythmus zu verstehen. Hierbei stellt sich die Frage, wie auf Musik reagiert wird und wie diese Reaktion geäußert wird. Vent / Drefke (1981, S. 140) beschreiben unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten des Körpers, die als Bewegungsimprovisation zu verstehen sind. Dazu gehören die Auswahl und Verbindung von Bewegungsgrundformen, wie etwa Laufen, Federn, Springen, sowie etwa Drehungen in unterschiedlichen Höhenstufen; Bewegungsformen diverser Körperbereiche und Bewegungsmöglichkeiten bestimmter Körperteile (vgl. ebd.). Diese Bewegungsmöglichkeiten können jeweils unter den zuvor genannten Bewegungsmerkmalen, als Kennzeichen der Bewegungsqualität, verändert oder erweitert werden.

Rhythmische Bewegungsqualität zeichnet sich also durch eine optimal abgestimmte dynamisch-zeitliche Struktur der Bewegung aus. Im Bezug auf das vorliegende Unterrichtsvorhaben bedeutet dies, dass die SuS in der Lage sind, einen Bewegungsrhythmus für unterschiedliche Bewegungen zu finden und ihn gemeinsam mit weiteren Mit-SuS und der Lehrkraft möglichst optimal zu reproduzieren.

Rhythmisches Bewegungsverhalten äußert sich durch auf die Musik oder den Rhythmus abgestimmte Bewegungskompositionen, die basierend auf den Merkmalen der Bewegungsqualität, auf die Musik abgestimmt sind. Hier besteht die Möglichkeit die Bewegungen ganz unterschiedlich auf die Musik abzustimmen, etwa kontrastierend oder begleitend.

1.3 Praktische Umsetzung

Betrachtet man sich die vorangegangenen Kapitel, so stellt sich anschließend die Frage, wie man Bewegung und Musik durch rhythmisches Bewegungsverhalten unter Beachtung der Bewegungsmerkmale und der Bewegungsqualität für den Sportunterricht zugänglich macht. Es bietet sich an, sich hier an den Bewegungsgrundformen zu orientieren und beispielsweise anhand der Bewegungsmerkmale oder der in 1.1 erläuterten Beziehungen von Bewegung und Musik auf diese einzugehen.

In Anlehnung an den Lehrplan NRW von 2008 (S. 127f.), wird im Bezug auf die Förderung des rhythmischen Bewegungsverhaltens zur Musik empfohlen, die Bewegungsgrundformen allein, in Partner- oder Gruppenarbeit variationsreich auszuführen und zu erproben und anhand von Materialien sich vielfältig und im Bezug auf räumliche, dynamische und zeitliche Aspekte zu bewegen. Als weiterer Schritt sollte die Bewegung auf die Musik bezogen werden. Die Umsetzung ist hier vielfältig möglich, etwa durch Anpassung des Tempos der Bewegung auf das wahrgenommene Tempo der Musik oder auch durch die Darstellung von Emotionen oder einer bestimmten Stimmung durch die Bewegung. Von Bedeutung ist hier außerdem die Bewegungsqualität, die in 1.2 bereits erläutert wurde.

Falk (1979, S. 33f.) schlägt vor, beispielsweise in einem ersten Schritt den „oppositionelle[n] Charakter rhythmischer Bewegungsmuster“ zu erarbeiten, da Bewegungsqualitäten somit differenziert wahrgenommen werden können. Falk nennt hier zunächst oppositionelle Bewegungsqualitäten der Zeit (schnell – langsam; gehen – laufen), des Raumes (weit – eng; hoch – tief), der Dynamik (schwer – leicht; laut – leise) und der Form (rund – eckig; gerade – gebogen). Darauf aufbauend sollten anschließend die „Elemente in der Musik, die in Oppositionen dargestellt werden können“ thematisiert werden“ (ebd.). Genannt werden hier:

- Klangstärke (laut – leise, lauter werden – leiser werden)
- Klangdauer (lang – kurz)
- Klanghöhe (hoch – tief)
- Klangfarbe (hell – dunkel)
- Klangdichte (dicht – weniger dicht)
- Klangablauf (langsam – schnell)

Diese Vorgehensweise ermöglicht es den SuS, die Musik, sowie ihre eigenen Bewegungen (Bewegungsmöglichkeiten) differenziert wahrzunehmen und sie miteinander zu verbinden. Hier finden sich dann auch enge Beziehungen zu den in 1.2 beschriebenen Bewegungsmerkmalen wieder, welche Auskunft über die Bewegungsqualität geben. Außerdem kann die Musik, zu der sich die SuS bewegen sollen, auch von den SuS produziert werden und muss nicht zwingend von Medienträgern abgespielt werden (vgl. ebd.).

Nach Falk (1979, S. 34) sollten die SuS demnach unter anderem:

- „Bewegungsoppositionen wie oben – unten erkennen und gestalten;
- unterschiedliche Ausdrucksformen der Musik erfassen und in Bewegung zum Ausdruck bringen;
- unterschiedliche Materialien (Stock, Tuch) dem Ausdruckscharakter musikalischer Vorgänge zuordnen;
- musikalische Vorgänge, die deutlich Akzente in Tonhöhe oder Tonstärke aufweisen, in improvisierte Bewegungshandlungen umsetzen können“

Um das rhythmische Bewegungsverhalten und die rhythmische Bewegungsqualität im Sportunterricht zu behandeln, bietet es sich demnach an, die SuS anhand von unterschiedlichen Materialien (Stock, Tuch, etc.) und mithilfe von verschiedenen Herangehensweisen (spielerisch, gestalterisch, etc.), Bewegungsgrundformen durch die unterschiedlichen Elemente der Musik darstellen zu lassen und zu variieren. Hierbei ist es nicht zwingend notwendig auf „fertige“ Musik zurückzugreifen, sondern durchaus von Vorteil, die Musik, bzw. bestimmte Rhythmen, durch die SuS selbst zu erzeugen, um das Bewusstsein für den Zusammenhang von Bewegung und Musik zu stärken.

1.4 Körpersprachliches Bewegungsverhalten

Körpersprachlicher Ausdruck zeichnet sich durch die Unterscheidung zum sprachlichen Ausdruck aus. Wo verbale Kommunikation begrenzt ist, funktioniert die nonverbale Kommunikation häufig sehr viel effektiver und aussagekräftiger. Beispielsweise bei der Beschreibung von Gegenständen, dem Ausdruck von Gefühlen oder spontanen Reaktionen, die man verbal deutlich zurückhaltender äußern würde, sind nonverbale Signale kraftvoller. Aus wissenschaftlicher Sicht bietet die Körpersprache ein breites Spektrum an Theorie. Da im Zuge dieser Arbeit beobachtend, neben dem rhythmischen Bewegungsverhalten, das körpersprachliche Bewegungsverhalten untersucht werden soll, wird Bezug auf die Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation genommen. Kaiser (1998, S. 33) benennt hier acht Kanäle des körpersprachlichen Ausdrucksverhaltens:

1. visuell
2. auditiv-akustisch
3. vegetativ
4. Proxemik
5. olfaktorisch
6. gustatorisch
7. taktil
8. thermal

An dieser Stelle muss man besonders betonen, dass der visuelle und der vegetative Kanal, sowie die Proxemik für diese Arbeit hervorzuheben sind, da der besondere Fokus auf dem Beobachten des Bewegungsverhalten liegt.

Der visuelle Kanal beinhaltet Augensprache, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Pantomimik und Haare. Durch die Augensprache können andere Personen erfahren, „ob etwas erfreut, ängstigt oder erschreckt“ (ebd., S. 51). Durch die Mimik können in einem Gesicht unterschiedliche Gesichtsausdrücke (und damit Gefühle) dargestellt werden, während die Gestik, die auch als „Sprache der Hände“ (ebd., S. 58) bezeichnet wird, beispielsweise zusätzliche Informationen vermitteln kann. Die Körperhaltung wird im Gegensatz zum Gesichtsausdruck, der für aktuelle Emotionen steht, häufig „als Ausdruck manifestierter emotionaler Zustände und Einstellungen“ (ebd., S. 64) interpretiert. Sie zeichnet sich durch drei Haupthaltungen (Stehen, Sitzen, Liegen) und ergänzend durch den Einsatz der Glieder, sowie des Kopfes aus. Die Pantomimik beschreibt die Nachahmung, etwa von Tieren, Personen oder Vorgängen, welche häufig eine andere Botschaft vermitteln sollen, meist Verspottung (vgl. ebd., S. 69). Das Berühren der Haare wird häufig als beruhigende Selbstberührungsgeste, aber auch zum Trost verwendet.

„Der vegetative Kanal umfaßt jene körpersprachlichen Äußerungen, die nervlich gesteuert werden“ (Kaiser, 1998, S. 80). Zu diesen Äußerungen gehören: Erröten, Schwitzen, Erblassen und Zittern. Das Erröten kann unter anderem das Resultat einer intensiven Bewegungsphase, aber auch einer emotionalen Erregung (Scham, Wut, etc.) sein. Ähnlich wie das Erröten, kann auch das Schwitzen, das Erblassen und das Zittern durch eine intensive Bewegungsphase oder durch emotionale Erregung, wie Angst, Zorn, Wut oder Stress ausgelöst werden (vgl. ebd., S. 81-82).

Die Proxemik beschreibt die Bereiche, in denen das räumliche Nähe- und Distanzverhalten dargestellt wird. Diese wird durch Sprechdistanz, Verhalten / Bewegung im Raum, sowie der Sitzordnung gegliedert. Die Sprechdistanz beschreibt die Distanz zwischen Personen bei einer Sprechhandlung, welche bei Ansprachen beispielsweise drei bis vier Meter beträgt und bei einem Intimgespräch bis auf 50-60 Centimeter verringert wird. Das Verhalten / Bewegung im Raum beschreibt beispielsweise Schutzhaltungen in Situationen in denen „fremde“ Personen in den persönlichen Raum eintreten. Diese Schutzhaltungen äußern sich etwa durch das Kreuzen der Hände und Arme vor dem Körper oder durch die Errichtung eines Hindernisses (Tasche, Koffer,) zu der „fremden“ Person. Auf der anderen Seite kann aber auch die Positionierung im Raum Ausdruck einer kooperativen Orientierung sein, sollten Personen Seite-an-Seite stehen. Auch bei der Wahl des Sitzplatzes spielt die persönliche Zone eine Rolle. So ist bei der Wahl des Sitzplatzes häufig zu beobachten, dass die persönliche Zone, aber auch die persönliche Zone der anderen Personen, beispielsweise durch die Vermeidung von frontalem Gegenübersitzen, gesichert wird (vgl. ebd., S. 82-88).

In der Schule nehmen SuS eine durch die Gesellschaft determinierte Sozialfunktion ein, zu lernen, während der Lehrer die Funktion des Lehrens einnimmt. Durch diese Funktionen entsteht automatisch ein Spannungsverhältnis, welches sich durch die Körpersprache im Unterricht auszudrücken vermag. Das ständige Belehrtwerden (auch Aufgabenstellungen) durch die Lehrkräfte, kann unter anderem zu einem wehrhaften Verhalten der SuS führen. Neben einer ablehnenden Haltung, kann körpersprachliches Verhalten in der Schule auch an ablenkenden Merkmalen festgemacht werden, wie etwa einer Ablenkung durch / von andere(n) SuS, einer Ablenkung von Außen oder einem der persönlichen Imagepflege dienendem Verhalten. Ablehnendes Verhalten kann sich durch Verschränkte Arme äußern, ähnlich der Schutzhaltungen (s.o.), während Ablenkungen sich beispielsweise durch Träumen, Blickkontakt oder verbaler Kontakt mit Mit-SuS äußert. Ein der persönlichen Imagepflege dienendem Verhalten äußert sich durch schulisch nonkonformes und häufig überzogenes Verhalten, wie betonte Lässigkeit in der Sitzhaltung oder beispielsweise durch eine bestimmte Mimik zum Ausdruck der persönlichen Empfindung einem neuen Thema gegenüber (vgl. Kaiser 1998, S. 104f.).

Grundsätzlich lässt sich also erkennen, dass auch ein nonverbales oder körpersprachliches Verhalten im Unterricht zu interpretieren ist. Situationen in den SuS sich nicht verbal äußern (können) und auch nicht aktiv die Aufgabenstellung bearbeiten, geben also dennoch Interpretationsspielraum, ganz im Sinne von Watz-Lawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“ auf das Kaiser (1998, S. 37) Bezug nimmt.

2 Aktionsforschung

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Methodik der Aktionsforschung, wie sie in dieser Arbeit durchgeführt wird. Zunächst sollen allgemeine, aber auch spezifische Ziele, die diese Arbeit betreffen, erörtert werden und der Ausgangspunkt für die Forschung geklärt werden. Anschließend werden die Methoden der Videoaufzeichnung und der einhergehenden Beobachtung vorgestellt und kritisch betrachtet. Zuletzt wird der Beobachtungsbogen vorgestellt, der für die Beobachtung der Videosequenzen verwendet wird.

2.1 Motive

Zunächst sollte der Begriff der Aktionsforschung geklärt werden. Altrichter und Posch (1998, S. 13) beziehen sich auf die Definition von John Elliott (1981), der die Aktionsforschung als „systematische Untersuchung beruflicher Situationen, die von Lehrerinnen und Lehrern[2] selbst durchgeführt wird, in der Absicht, diese zu verbessern“ (ebd.) versteht. In dieser Definition ist zugleich auch eines der wesentlichsten Ziele der Aktionsforschung enthalten: eine qualitative Verbesserung der Lehr- und Lernsituationen im schulischen Alltag. Dies bedeutet außerdem, neue Handlungsstrategien zu entwickeln und diese auch überprüfen zu können, um schulische und gesellschaftliche Entwicklungen auf den Schulalltag zu übertragen (vgl. ebd. S. 13-14). Diese Forschungsergebnisse sollen außerdem der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um „damit dem eigenen Denken und Handeln Öffentlichkeit zu verleihen“ (ebd. S. 14).

Die Motive der Aktionsforschung liegen also in der Untersuchung und Bearbeitung von schulischen und gesellschaftlichen Problemen in der schulischen Praxis, die als Ausgangspunkt dafür dienen sollen, Innovationen voranzutreiben, sie wissenschaftlich mit Kollegen zu diskutieren und anschließend zu verwirklichen.

2.2 Ausgangspunkt für die Forschung

Nach Altrichter und Posch (1998, S. 52) haben Forschungsausgangspunkte eine Entwicklungsperspektive und setzen „typischerweise bei der Erfahrung von Diskrepanzen an.“ Diskrepanzen können beispielsweise Unterschiede zwischen Erwartungen an einen Unterrichtsablauf und der schließlich eingetroffenen Realität oder auch zwischen einer präsenten Situation und den eigenen Wertvorstellungen sein. Altrichter und Posch (1998, S. 53) beziehen sich dabei auf die drei Typen von Ausgangspunkten für Forschung nach Dadds (1985):

- Interesse
- Schwierigkeit
- unklare Situation

Mit Interesse ist dabei beispielsweise an die Umsetzung einer neuen Idee im Unterricht gedacht. Schwierigkeit behandelt die Bearbeitung einer schwierigen Situation oder der Lösung eines Problems. Sollte für die LehrerInnen eine unklare Situation bestehen, so soll diese durchleuchtet und verstanden werden. Bei unklaren Situationen sind die Konsequenzen zunächst weder positiv, noch negativ erkennbar und bieten daher einen idealen Ansatzpunkt für die Forschung.

Inhaltlich können also alle Situationen aus dem beruflichen Alltag von LehrerInnen als Ausgangspunkte gesehen werden, die deutlicher erfasst und möglicherweise verändert werden wollen (vgl. Altrichter und Posch, 1998, S. 53).

2.3 Videoaufzeichnung

Es eignet sich wohl kaum eine andere Methode zur Analyse von Schülerverhalten im Sportunterricht besser, als die Videografie. Sie dient dazu, den Unterricht aus einem oder mehreren Winkeln aufzuzeichnen, sodass er wiederholt abrufbar ist und damit Ereignisse und Situationen mehrfach zu beobachten sind. Bild und Ton stehen außerdem sofort nach der Aufzeichnung zur Verfügung. Die Bedingungen und Auswirkungen der festgehaltenen Ereignisse können somit erfasst werden. Besonders das nonverbale Verhalten kann hier erfasst und mit weiteren Aufzeichnungen verglichen werden. Für den objektiven Beobachter möglicherweise langweilig erscheinende Szenen, die auf einen größeren Ausschnitt der Klasse, bzw. des Raumes ausgerichtet ist, können für die Lehrkraft jedoch möglicherweise sehr informativ sein. Die Videoanalyse wird bereits im Sport als Kinematographie verwendet, um z.B. bestimmte Bewegungen in bewegten Bildern für eine Bewegungsanalyse festzuhalten. Im Sportunterricht kann die Videografie beispielsweise dazu verwendet werden, Störungen, Schüler- / Lehrerverhalten, bestimmte Bewegungen oder auch Choreographien festzuhalten. Die Absicht, die hinter der Aufzeichnung steckt, kann ebenfalls unterschiedliche Gründe haben. Diese reichen von Sozial- oder Kindheitsforschungszwecken, über Bewertungsabsichten bis hin zu Aufnahmen von z.B. tänzerischen Einlagen für die Schüler selbst (vgl. Altrichter und Posch, 1998, S. 141).

Den deutlichen Vorteilen der Videoaufzeichnung stehen allerdings auch einige Nachteile gegenüber. Ähnlich wie bei der Beobachtung (s. 2.4), ist den SuS bewusst, dass sie gefilmt werden, was zu Auswirkungen auf das Verhalten der SuS führen kann. Hierbei wirkt sich eine fest installierte Kamera weniger störend aus, als eine mobile, durch eine Person bediente Kamera. Ein weiteres Problem stellt häufig die Aufzeichnung des Tons dar, da in großen Räumen (besonders in der lauten Sporthalle), zusätzliche Mikrophone notwendig sind. Wichtige verbal geäußerte Informationen, die für Forschungszwecke bedeutsam sind, könnten ansonsten untergehen. Außerdem sollten, bei dieser Art der Dokumentation, ethische Gesichtspunkte in besonderem Maße gelten (vgl. Altrichter und Posch, 1998, S. 141f.).

In dieser Arbeit hat die Verwendung der Videografie von mehreren Unterrichtsstunden die Absicht, das rhythmische Bewegungsverhalten der SuS zu beobachten.

2.4 Beobachtung

Beobachtungsprozesse im Unterricht sind nichts außergewöhnliches, sie gehören, im Gegenteil, zum Alltag von Lehrerinnen und Lehrern, die ihre Handlungen auf die beobachteten Prozesse abstimmen. Dabei geht es um veränderte Erwartungen an Unterrichtssituationen oder auch variierende Bedingungen. Altrichter und Posch (1998, S. 116) sprechen hier von „eine[r] Art intuitives “Sehen“ im Unterschied zum gezielten „Hinschauen““. Dies birgt natürlich einige Nachteile im Vergleich zum zielgerichteten Beobachten, wie zum Beispiel der fehlende Blick fürs Detail, durch eine zu große Aufmerksamkeitsspanne. Durch eine methodisch durchdachte, zielgerichtete Beobachtung von Unterrichtsprozessen ist es möglich, diese Nachteile zu kompensieren, auch wenn dadurch das intuitive “Sehen“ eingeschränkt wird. „Prozeßbeobachtung sollte daher das intuitive “Sehen“ nicht ersetzen, sondern es ergänzen und korrigieren“ (ebd. S. 117).

Die Beobachtungsmethode der Lehrkraft ist zunächst einmal eine teilnehmende Beobachtung, da sie sich in die zu beobachtende Situation einbringt und in ihr interagiert. Die Notwendigkeit dieser Methode resultiert aus der Annahme, dass Grundschulkinder zwar in der Gesellschaft von Erwachsenen, aber in ihrer eigenen Kultur leben. Um die Komplexität dieser Kultur zu verstehen, muss man sie aus der Perspektive der Grundschulkinder erfahren (vgl. Heinzel, 2000, S. 147). Friederike Heinzel führt weiter aus, dass die Verhaltensweise des Kindes stark vom Setting abhängt, in dem es beobachtet wird. Sie nennt als Beispiel eine Mutter, die mit ihrem Kind zu Forschungszwecken in ein Labor gebracht wird. Dort werden sie in einem Raum durch eine Glasscheibe in verschiedenen Situationen beobachtet. Ein auftretendes Problem ist (ähnlich wie bei der Videoaufzeichnung), dass sich Mutter und Kind bewusst sind, dass sie beobachtet werden und sich nicht so verhalten wie in ihrer gewohnten räumlichen und sozialen Umgebung. Bei dieser naturwissenschaftlichen Methode des Beobachtens wird außerdem, durch die räumliche Trennung, auf bestimmte Wahrnehmungsformen verzichtet. Der Beobachtende beschränkt sich nur auf seine audio-visuelle Wahrnehmung, während man bei der teilnehmenden Beobachtung auch Gefühle, Sympathie und Antipathie einfließen lässt (ebd., S. 148f.).

Nach Topsch (2002, S. 32) ist vor einer wissenschaftlichen Beobachtung zu klären, wer wen oder was beobachtet und unter welchen Bedingungen und in welchen zeitlichen Strukturen diese Beobachtung stattfindet. Als grundlegende Merkmale einer wissenschaftlichen Beobachtung nennt Topsch: „Zielgerichtetheit, Planmäßigkeit, methodische Reflexion und […] die Deskription der Beobachtung“ (ebd.). Die Deskription kann formlos, teilformalisiert, formalisiert, aber auch in Tabellenform realisiert werden. Ziele der Beobachtung im Unterricht können Unterrichtsprozesse (z.B. zeitliche Abläufe) oder Lehrer- (z.B. Körpersprache oder Variation der Unterrichtsmethoden) und Schülerhandlungen (z.B. Mitarbeit oder Kooperationsverhalten) sein (ebd. S. 34ff.)

[...]


[1] Ab hier nur noch kurz: SuS

[2] Ab hier nur noch kurz: LehrerInnen

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Rhythmisches Sich-Bewegen zur Musik im Sportunterricht der Grundschule
Untertitel
Eine qualitative Analyse des rhythmischen Bewegungsverhaltens von Schülerinnen und Schülern einer vierten Klasse
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,8
Autor
Jahr
2017
Seiten
67
Katalognummer
V413305
ISBN (eBook)
9783668642836
ISBN (Buch)
9783668642843
Dateigröße
770 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bewegung, Musik, Stopptanz, Rhythmik
Arbeit zitieren
Matti Prüßner (Autor:in), 2017, Rhythmisches Sich-Bewegen zur Musik im Sportunterricht der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413305

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Rhythmisches Sich-Bewegen zur Musik im Sportunterricht der Grundschule



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden