Kritische Aspekte einer konstruktivistischen Didaktik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Konstruktivismus
2.1. Begriffe, Definitionen und Geschichte
2.2. Der Konstruktivismus als Lerntheorie
2.3. Konstruktivistische Didaktik

3. Bewertung des Konstruktivismus / der konstruktivistischen Didaktik
3.1. Folgerungen aus dem Konstruktivismus / der konstruktivistischen Didaktik Seite
3.2. Kritik am Konstruktivismus
3.3. Kritische Aspekte einer konstruktivistischen Pädagogik / Didaktik
3.4. Bewertung der Konstruktivistischen Didaktik aus studentischer Sicht

4. Fazit

5. Quellenangaben

6. Bildquellenachweis

„Nichts ist so unglaubwürdig wie die Wirklichkeit.“
Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-81), russ. Schriftsteller

1. Einleitung

Bewusstsein, Wahrnehmung und Kommunikation, wie zum Beispiel die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung durch unsere Sinnesorgane, sind für uns heutzutage so selbstverständlich, dass dies nicht weiter hinterfragt wird. Unser alltagstheoretisches Verständnis setzt all diese Phänomene als gegeben voraus, ohne sie jedoch näher zu betrachten. Um zu überprüfen, wie viel bzw. wie wenig wir über diese doch so selbstverständlichen Phänomene wissen, sollten wir uns fragen, wie eigentlich die Strukturen, Prozesse und Operationen, die diesen Phänomenen zugrunde liegen, aussehen, worin sie sich ähnlich sind und worin sie sich unterscheiden. Genau hier setzen der Konstruktivismus und die ihm verwandten Arbeiten und Theorien an, indem sie postulieren, dass die Welt bzw. die Wirklichkeit nur eine Konstruktionsleistung des Gehirns sei.

In der vorliegenden Seminararbeit soll nun versucht werden, den Konstruktivismus und insbesondere die Konstruktivistische Didaktik ansatzweise zu beleuchten. Vor allem möchten wir kritisch auf deren Ansätze eingehen, indem die Vor- sowie die Nachteile einer Konstruktivistischen Didaktik aufgezeigt werden.

2. Konstruktivismus

2.1 Begriffe, Definitionen und Geschichte

Im Zusammenhang mit der konstruktivistischen Didaktik gibt es noch keine offizielle Definition für den Konstruktivismus. In der bildenden Kunst wird eine Kunstrichtung des frühen 20. Jahrhunderts. als Konstruktivismus bezeichnet, die eine Bildgestaltung mit rein geometrischen Formen vornimmt. Konstruktivismus spiegelt sich in dem Wort „Konstruktion“ wider: In den verschiedensten Bereichen kann man das aus dem Lateinischen stammende Wort „konstruieren“ mit entwerfen, bauen, zeichnen, zusammensetzen, aufbauen, herstellen etc. übersetzen. Durch eine Auswahl von Definitionen verschiedener Konstruktivisten oder deren Anhänger kann man einen näheren Bezug zu dem Wort „Konstrukt“ erkennen:

„Arbeitshypothese oder gedankliche Hilfskonstruktion für die Beschreibung von Dingen oder Erscheinungen, die nicht konkret beobachtbar sind, sondern nur aus anderen beobachtbaren Daten erschlossen werden können.“[1]

Der Konstruktivismus ist eine Gegenbewegung zum Wissensverständnis in der Tradition des Empirismus. Während hier Erkenntnis auf Sinneserfahrung beruht und die Aufgabe des Wissens die Repräsentation dieser Realität ist, glauben die Konstruktivisten, dass es keine objektiv existierende Außenwelt gibt und ,,das Subjekt (als lebendes System) alleiniger Urheber des Wissens" ist.[2]

Der Konstruktivismus ist eine Art Erkenntnistheorie für kognitive Systeme. Er geht davon aus, dass Wissen und Wahrnehmung kognitive Konstrukte sind. Demnach gibt es auch keine objektive Wirklichkeit, also keine allgemeingültige Struktur der Wirklichkeit bzw. der Welt. Der Mensch erzeugt selbst unwillkürlich die Welt, in der er lebt, durch seine kognitiven Leistungen. Im Konstruktivismus ist die ,,[...] Welt, wie wir sie sehen, [...] ist Erfahrungswirklichkeit".[3] „Dabei wird das kognitive System als empirischer Ort der Sinn- bzw. Wissensproduktion angesehen [...]", wobei man aber berücksichtigen muss, dass „[...] Sinn- und Wissensproduktion für das Individuum nur möglich ist durch die stammesgeschichtliche und die soziokulturelle Prägung kognitiver Operationen und deren ständigen Rückbezug auf kollektives Wissen“.[4]

Obwohl der Begriff des Konstruktivismus erst im letzten Jahrhundert geprägt wurde, finden sich konstruktivistische Ansätze schon viel früher. Bereits die Sophisten im antiken Griechenland waren der Meinung, dass eine objektive Erkenntnis der Wirklichkeit nicht möglich sei.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Konstruktivismus wird nicht als einheitliche Theorie verstanden, sondern als ,,äußerst dynamischer interdisziplinärer Diskussionszusammenhang"[5], der zunehmend belegt, was Giambattista Vico (1668-1744) und Immanuel Kant (1724-1804) schon im 18. Jahrhundert wussten, dass wir es nämlich nie mit der Wirklichkeit direkt zu tun haben, ,,sondern stets mit unseren Erfahrungswirklichkeiten."[6]

Dieser Grundgedanke verbindet die unterschiedlichen konstruktivistischen Konzeptionen der letzten 50 Jahre und ist der gemeinsame Nenner der Forschungen in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts schrieb Giambattista Vico über das „facere“, das Komponieren und Zusammenfügen allen Erkennens:

„Ebenso wie die Wahrheit Gottes das ist, was Gott erkennt, indem er es zusammenfügt und schafft, ist die menschliche Wahrheit das, was der Mensch erkennt, indem er es handelnd aufbaut und durch sein Handeln formt. Darum ist Wissenschaft (scientia) Kenntnis (cognitio) der Entstehung, der Art und Weise, wie die Dinge hergestellt wurden."

„...wenn die Sinne (aktive) Fähigkeiten sind, so folgt daraus, dass wir die Farben machen, indem wir sehen, die Geschmäcke, indem wir schmecken, die Töne, indem wir hören, das Kalte und Heiße, indem wir tasten."[7]

Vico war somit Vorreiter Kants sowie des Konstruktivismus. Vor Kant wurde Sehen als passives Abbilden der objektiven Realität durch das Auge verstanden. Kant dagegen erklärte die Bilderzeugung als eigenschöpferische Leistung des erkennenden Subjekts. Er betonte die aktive Rolle des Bewusstseins bei der Wahrnehmung und legte damit den Grundstein für den Konstruktivismus:

„Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt?“[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den 70er Jahren begründeten Paul Lorenzen (1915-1994) und Wilhelm Kamlah (1905-1976) an der Universität Erlangen den methodischen Konstruktivismus, dessen Grundgedanken sie 1967 in dem Buch ,,Logische Propädeutik" veröffentlichten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unabhängig davon entstand in den 80er Jahren der Radikale Konstruktivismus, ausgehend von Humberto R. Maturana (geb. 1928) und Francisco J. Varela, (1946 - 2001) die die biologische und neurophysiologische Begründung für den Konstruktivismus lieferten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ernst von Glaserfeld (geb. 1917) beschrieb die wissenschaftstheoretische Variante. Darüber hinaus hat der Konstruktivismus Eingang in die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen gefunden unter anderem in die Sozialwissenschaften, die Literaturwissenschaft, Psychologie, Mathematik und die Erziehungswissenschaften.

[...]


[1] Deutsches Universalwörterbuch 1989, S. 875.

[2] Gudjons 1999, S. 47.

[3] Schmidt 1992, S. 18.

[4] Schmidt 1996, S. 43.

[5] Schmidt 1992, S. 7.

[6] ebd., S. 7.

[7] Vico 1710, S. 29, zitiert nach http://www.uni-stuttgart.de/pae/edl/index.php.

[8] Kant 1787, S. 45, zitiert nach http://www.uni-stuttgart.de/pae/edl/index.php

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kritische Aspekte einer konstruktivistischen Didaktik
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Lehrstuhl für Geistigbehinderten- und Verhaltensgestörtenpädagogik)
Veranstaltung
Konstruktivistische Didaktik als Ermöglichungsdidaktik im Kontext Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
Note
1,3
Autoren
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V41282
ISBN (eBook)
9783638395748
ISBN (Buch)
9783638776387
Dateigröße
760 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kritische, Aspekte, Didaktik, Konstruktivistische, Didaktik, Ermöglichungsdidaktik, Kontext, Förderschwerpunkt, Entwicklung
Arbeit zitieren
Tim Tengler (Autor:in)Maria Ehlen (Autor:in)Korbinian Müller (Autor:in), 2005, Kritische Aspekte einer konstruktivistischen Didaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41282

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