Verhaltensökonomik. Kritik am Homo Oeconomicus. Abweichende Überzeugungen, Präferenzen und Entscheidungen


Akademische Arbeit, 2018

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Geschichte

Kritik am Homo Oeconomicus

Verhaltensökonomik

Abweichende Überzeugungen

Abweichende Präferenzen

Abweichende Entscheidungen

Anwendungsfelder

Kritik

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der an der Universität Chicago lehrende Amerikaner Richard H. Thaler (geb. 1945), erhält heuer den Wirtschaftsnobelpreis[1]für seine Beiträge zur Verhaltensökonomik. In der Begründung der Königlich-Schwedischen Wissenschaftsakademie heißt es, Thaler habe gezeigt, dass begrenzte Rationalität, soziale Vorlieben und ein Mangel an Selbstbeherrschung systematisch Entscheidungen und Marktergebnisse beeinflussen. Die wichtigste Erkenntnis aus seiner Forschung ist nach Ansicht Thalers der Umstand, dass Ökonomen menschlich sind und wirtschaftliche Modelle dies berücksichtigen müssen.[2]Wie ein Blick in die Geschichte der Ökonomik zeigt, ist diese Erkenntnis jedoch nicht neu.

Geschichte

Während der Ära der klassischen Nationalökonomik besteht zunächst noch eine enge Verbindung zwischen der Wirtschaftstheorie und der Psychologie. So basiert das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens auf Ideen der Psychologie, Jeremy Bentham schreibt ausführlich über die psychologischen Fundamente der Nützlichkeit. In der „Theorie der ethischen Gefühle“[3]aus dem Jahr 1759 beschreibt der Moralphilosoph Adam Smith, dass Menschen nicht nur von Eigennutzen getrieben werden, sondern auch Sympathie für andere und für Rechtschaffenheit empfinden. Er befasst sich u.a. mit dem hyperbolischen Diskontieren[4]sowie mit den Phänomenen Selbstüberschätzung, Verlustaversion, Altruismus und Fairness.[5]Smith ist demnach der erste Verhaltensökonom lange bevor er durch sein Werk „Der Wohlstand der Nationen” aus dem Jahr 1776 zum Vater der modernen Wirtschaftswissenschaften wird.[6]

Anfang des 20. Jahrhundert wenden sich die Ökonomen jedoch von der Psychologie ab, indem sie versuchen, ihre Disziplin nach dem Vorbild der Physik als Naturwissenschaft zu positionieren. 1900 veröffentlicht Vilfredo Pareto eine Arbeit, in der er einen neuen Ansatz für die Entscheidungstheorie vorstellt, der als wichtigste Errungenschaft jede psychologische Analyse eliminiert.[7]Menschlich agierende Subjekte werden durch das Konzept des stets rational handelnden Homo Oeconomicus ersetzt. Obwohl die Psychologie zunächst noch die Entwicklung der neoklassischen Theorie beeinflusst, ist sie bald weitgehend aus der ökonomischen Diskussion verschwunden. Ökonomen interessieren sich fortan nur mehr dafür, wie sich Menschen entscheiden, nicht mehr dafür, warum sie es tun. Die vorherrschende Idee dabei lautet, dass rationale Menschen ihre Präferenzen durch Entscheidungen ausdrücken. Die Fokussierung auf die Entscheidung als solche ohne Berücksichtigung der dahinter stehenden Motive erleichtert das wissenschaftliche Arbeiten.[8]Das Konzept des Homo Oeconomicus ist so erfolgreich, dass es unter dem Schlagwort „ökonomischer Imperialismus“ auch auf andere Bereiche (Politik, Familie, Recht, Kriminalität) ausgedehnt wird.[9]

Eine Vielzahl von Faktoren trägt dazu bei, dass Mitte des 20. Jahrhunderts die Psychologie wieder Einzug in die Ökonomik hält: Beobachtete Anomalien stellen alte Hypothesen in Frage, die kognitive Psychologie beginnt das Gehirn als Informationsverarbeitungsgerät anzusehen[10]und Psychologen wie Edwards, Tversky und Kahneman beginnen damit, ihre kognitiven Modelle des Entscheidungsprozesses unter Risiko und Unsicherheit an wirtschaftlichen Modellen zu erproben. Die Erkenntnisse der wiederentdeckten Verhaltensökonomik finden entsprechende Beachtung, was sich auch durch die mehrfache Vergabe des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an Verhaltensökonomen zeigt: Herbert A. Simon[11]erhält den Preis 1978 für seine „bahnbrechende Forschung in den Entscheidungsprozess innerhalb von Wirtschaftsorganisationen“.[12]Vernon L. Smith erhält den Preis 2002 für „die Integration von Laborexperimenten als Werkzeug in den empirischen ökonomischen Analysen, insbesondere in Studien zur Erforschung unterschiedlicher Marktmechanismen”. Im selben Jahr wird auch Daniel Kahneman gewürdigt für „das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaft, besonders bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit“.[13]Die nunmehrige Vergabe an Richard H. Thaler zeigt, wie etabliert die Verhaltensökonomik mittlerweile als eigenes Forschungsfeld ist.

Kritik am Homo Oeconomicus

Der stets rationale, eigennützige, emotionsfreie, willensstarke und vollständig informierte Homo Oeconomicus der Neoklassik erinnert nicht nur stark an Mr. Spock aus der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“, er ist vermutlich auch so realistisch wie dieser.[14]In der realen Welt handelt nämlich nicht der Homo Oeconomicus sondern der Homo Sapiens und dieser ist kein Nutzenmaximierer sondern ein Satisfizierer: Er sucht nicht das Optimum sondern ein für ihn befriedigendes, leicht erreichbares Ergebnis.[15]Im Unterschied zum Homo Oeconomicus sind Menschen eben nur begrenzt rational. Die Begrenzung bezieht sich dabei auf die zur Verfügung stehenden Informationen, die Fähigkeit diese zu verarbeiten sowie die dafür erforderliche Zeit. Dies führt dazu dass Menschen beispielsweise sich und ihre Fähigkeiten überschätzen, nach Bestätigung ihres Weltbildes suchen oder zu stark an unwahrscheinliche aber stark emotionalisierende Ereignisse (Lottogewinn, Terrorgefahr) glauben.[16]Spätestens seit der Finanzkrise lässt sich die massive Diskrepanz zwischen ökonomischer Theorie und ökonomischer Realität nicht mehr wegleugnen.[17]Während in der klassischen Ökonomik Probleme mit Logik und Eintrittswahrscheinlichkeiten gelöst werden, verwenden Menschen in der Praxis aufgrund von Ressourcenknappheit und Unsicherheit meist mentale Abkürzungen (Daumenregeln), so genannte Heuristiken, wie die Repräsentativitätsheuristik[18], die Rekognitionsheuristik[19], die Verfügbarkeitsheuristik[20]oder mentale Anker.[21]Zu Handeln wie der Homo Oeconomicus ist angesichts der Informationsfülle aber nicht nur unmöglich sondern in vielen Fällen auch gar nicht zielführend.[22]

Verhaltensökonomik

Kaum eine andere Wissenschaft ist so stark von einem einzigen Paradigma beherrscht wie die Wirtschaftswissenschaft von der Neoklassik. Ihre Vormachtstellung zeigt sich unter anderem darin, dass alle anderen Ansätze[23]als „heterodox“ bezeichnet werden. Die Verhaltensökonomik (engl. Behavioral economics) ist der Versuch einer (Wieder-)Vereinigung der Ökonomik mit der Psychologie[24]und untersucht Abweichungen menschlichen Verhaltens vom Homo Oeconomicus. Diese Abweichungen werden als „non-standard“ (Standard = Neoklassik) oder „biased“ (bias engl. = Verzerrung) bezeichnet. Die Ursachen für abweichendes Verhalten liegen entweder im Individuum selbst (z.B. Limitierungen menschlichen Denkens) oder im Entscheidungskontext (z.B. soziale Normen).

Mittels Experimenten werden Theorien und Hypothesen getestet und menschliches Verhalten beschrieben (deskriptive Orientierung). Der Homo Oeconomicus dient dabei als Benchmark bzw. als normatives Ideal, an dem beobachtbares Verhalten gemessen wird. Die Verhaltensökonomik stellt keine eigenen theoretischen oder normativen Annahmen auf und ist somit (zumindest derzeit noch) kein in sich geschlossenes Theoriegebäude wie beispielsweise der Keynesianismus oder die Österreichische Schule. Innerhalb der Ökonomik nimmt die Verhaltensökonomik eine Art Zwischenposition ein: Sie ist weder neoklassischer Mainstream noch eine eigenständige heterodoxe Schule. Dementsprechend ist sie sowohl Objekt- als auch Theorie-getrieben: Sie untersucht menschliches (= Objekt) Verhalten in ökonomischen Entscheidungs-Situationen und versucht, diese Ergebnisse dann in das neoklassische Theoriengebäude einzuordnen. Mittlerweile ist die Verhaltensökonomik ein anerkanntes Feld der Volkswirtschaftslehre. Die folgende Tabelle gibt einen kleinen Einblick in zentrale Unterschiede zwischen traditioneller Ökonomik und Verhaltensökonomik.[25]

Ziel der Verhaltensökonomik ist nicht die Widerlegung der Neoklassik sondern deren Weiterentwicklung.[26]Sie möchte mehr Wissen über menschliches Entscheidungsverhalten gewinnen, um gesellschaftliche Entscheidungen (Altersvorsorge, Gesundheit, Finanzen, Bildung) besser gestalten zu können und irrationales Verhalten durch Eingriffe zu reduzieren.[27]Schwerpunkt der Verhaltensökonomik liegt auf der Mikroebene in Form von Labor- und Feldexperimenten, deren Grundstein Vernon Smith legt.[28]Hinzu kommen zunehmend auch neurowissenschaftliche Messungen sowie vereinzelte qualitative Untersuchungen. Die Hypothesengewinnung erfolgt sowohl induktiv als auch deduktiv.[29]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Verhaltensökonom Metthew Rabin (2002) unterteilt die Abweichungen von der neoklassischen Erwartungsnutzentheorie in die drei Gruppen „abweichende Überzeugungen“, „abweichende Präferenzen“ und „abweichende Entscheidungen“, wobei nicht unerwähnt bleiben sollen, dass die Grenzen zwischen diesen verschwimmend sind und somit eine eindeutige Klassifizierung nicht möglich ist. So führt eine andere Überzeugung auch zu einer veränderten Präferenz, was sich wiederum auf das individuelle Entscheidungsverhalten auswirkt.

Abweichende Überzeugungen

In die Gruppe der abweichenden Überzeugungen fallen alle Verzerrungen, die zu einer falschen Vorstellung von der Wirklichkeit führen. Viele dieser systematischen Fehler („bias“) betreffen das Selbstbild.

Overconfidence-bias: Menschen tendieren dazu, sich und ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Davon betroffen sind Manager von großen Unternehmen ebenso wie Börsianer oder Autofahrer.

Self-Control-bias: Menschen setzen beispielsweise bei einem Würfelspiel mehr, wenn der Würfel noch nicht geworfen ist, als wenn er bereits geworfen aber noch unter dem Becher verdeckt ist. Lose, die man sich selber zieht, werden höher bewertet, als Lose, die man zugeteilt bekommt. Hierin zeigt sich der menschliche Glaube, das Ergebnis irgendwie beeinflussen zu können. (Kontrollillusion)[30]

Self-Serving-bias: Erfolge werden als Resultat eigener Leistung angesehen, während Misserfolge auf äußere Ursachen zurückgeführt werden.

Overoptimistic-bias: Menschen überschätzen nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten sondern auch ihr Schicksal. So wird die Wahrscheinlichkeit Opfer negativer Ereignisse zu werden als geringer eingeschätzt als die Wahrscheinlichkeit Nutznießer positiver Ereignisse zu sein.

Endowment-effect (Besitztums-Effekt): Eigener Besitz wird höher bewertet als fremder. Daraus folgt, dass Menschen beispielsweise beim Hausverkauf eine Preisvorstellung über dem Marktpreis haben oder dass sie für die Erhaltung eines Naturschutzgebietes weniger zu zahlen bereit sind, als sie für die Erlaubnis zu dessen Zerstörung fordern.

Confirmation-bias (Bestätigungsirrtum): Menschen interpretieren Fakten im Sinne der bereits gefassten Meinung (Vorurteil). Vor allem das, was man oft hört, wird irgendwann auch geglaubt. Das vertraute Gefühl gibt Sicherheit und verringert Kritik („kognitive Leichtigkeit“). Vertrautheit wird dann mit Wahrheit gleichgesetzt.[31]So werden beispielsweise Befürworter der Todesstrafe nach dem Lesen eines Beitrags über deren Wirkung ebenso in ihrer Meinung bestärkt wie Gegner der Todesstrafe.[32]

[...]


[1]Der „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“ gilt als renommiertester Preis im Bereich der Wirtschaftswissenschaften und wird jährlich zusammen mit den Nobelpreisen verliehen.

[2]Das Preisgeld von rund einer Million Euro wird Thaler, nach eigener Angabe und auf sein Spezialgebiet der „geistigen Buchhaltung“ anspielend „so unvernünftig wie möglich ausgeben“. In der Fachwelt erhielt die Akademie für ihre Entscheidung Zustimmung, da Thalers Arbeit nicht nur aktuell ist und neue Einsichten bietet, sie liefert darüber hinaus auch praktische Lebenshilfen. Vgl. http://science.orf.at/stories/2871017/ (27.10.2017)

[3]In dem Werk wird die berühmte „unsichtbare Hand des Marktes“ erstmalig erwähnt.

[4]Konflikt zwischen kurzfristigen Leidenschaften und den langfristig vernünftigen Absichten

[5]Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 9f

[6]Vgl. Vienna Behavioral Economics Network , Was ist Behavioral Economics / Verhaltensökonomie?

[7]Schon schreibt Pareto 1897 in einem Brief: „Reine politische Ökonomie hat daher ein großes Interesse sich so wenig wie möglich auf das Gebiet der Psychologie berufen zu müssen.” (Vgl. Vienna Behavioral Economics Network , Was ist Behavioral Economics / Verhaltensökonomie?)

[8]Vgl. Vienna Behavioral Economics Network , Was ist Behavioral Economics / Verhaltensökonomie?

[9]Vgl. Döring, Öffentliche Finanzen und Verhaltensökonomik, S. 16

[10]Dieser Ansatz steht im Gegensatz zu Modellen des vorherrschenden Behaviorismus.

[11]Herbert A. Simon gilt als Begründer der Verhaltensökonomik und prägte den Begriff der eingeschränkten Rationalität („bounded rationally“). Menschen können unmöglich alle Informationen verarbeiten bzw. kann ein zu viel an Information sogar schaden („information overload“). Deshalb verwenden Menschen verschiedene Hilfskonstrukte: Heuristiken, Salienz (= Aufmerksamkeit wird auf auffällige Eigenschaft gerichtet, Selbstüberschätzung (Vgl. Enste, Dominik et.al., Verbraucherschutz und Verhaltensökonomik, S. 12)

[12]Sein Aufruf, den Homo Oeconomicus durch etwas Menschlicheres zu ersetzen, blieb jedoch unbeachtet.

[13]Kahnemann und Tversky können aufzeigen, dass Menschen nicht per se rational sind und vom klaren Denken nur durch ihre Gefühle abzubringen sind, sondern dass ein solches Verhalten auf den Aufbau des kognitiven Systems zurückzuführen ist. Kahnemans Forschungskollege Amos Tversky erhält den Preis nicht, weil er bereits 1995 verstirbt. (Vgl. Prinzhorn, Lisa, Die Effekte der Verhaltensökonomie und ihre Nutzbarkeit für das Marketing, S. 4)

[14]Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 1

[15]Vgl. Mankiw, / Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 381

[16]Vgl. Mankiw, / Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 171ff

[17]Vgl. Enste, Dominik et.al., Verbraucherschutz und Verhaltensökonomik, S. 7ff

[18]Je ähnlicher ein Ereignis oder Gegenstand einer Kategorie ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es dieser Kategorie angehört. Beispiel: Ein Menschen in Lederkluft auf einem Motorrad ist vermutlich kein Investmentbanker ist, weil sein Erscheinungsbild für einen Banker nicht repräsentativ ist. (Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 28ff)

[19]Diese stellt einen Zusammenhang zwischen dem Wiedererkennen und dem gesuchten Kriterium her. Beispiel: Welche Stadt hat mehr Einwohner? Sand Diego oder San Antonio? Deutsche Studenten, die San Antonio nicht kennen und deshalb San Diego tippen, liegen zu 100% richtig. Amerikanische Studenten kennen auch San Antonio und liegen deshalb öfter falsch. (Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 86f)

[20]Man schätzt die Wahrscheinlichkeit danach ein, wie sehr man sich an etwas erinnern kann. Beispiel: Probanden werden gefragt, ob der Buchstabe „K“ öfter als erster oder als dritter Buchstabe eines Wortes vorkommt. Da man die Antwort nicht weiß, sucht man nach Wörtern. Dabei fallen einem leichter solche ein, die das K am Anfang haben als solche, bei denen das K an dritter Stelle steht. Die Abrufleichtigkeit bewirkt, dass man eher auf den Wortanfang tippt, wobei die Antwort falsch ist. (Vgl. Prinzhorn, Lisa, Die Effekte der Verhaltensökonomie und ihre Nutzbarkeit für das Marketing, S. 13) Nach demselben Prinzip wird auch die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlages oder Lottogewinns durch die damit verbundene mediale Berichterstattung überschätzt. (Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 38ff)

[21]Menschen gehen von Vertrautem oder ihrem bestehenden Wissen aus. Hat man beispielsweise einmal ein Produkt zum Preis X gekauft, so ist dieser Preis der Anker. Kauft man das Produkt später zu einem anderen Preis, erscheint dieses als teuer oder billig. (Vgl. Mankiw, / Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 173)

[22]Wie realitätsfern rationales Handeln sein kann, zeigt folgendes Gedankenexperiment: Mehrere in einem Raum befindliche Personen werden aufgefordert, eine Zahl zwischen Null und 100 auf einen Zettel zu schreiben. Abschließend wird der Durchschnitt aller aufgeschriebenen Zahlen ermittelt. Sieger ist, wer mit seiner Zahl am nächsten an zwei Dritteln des Durchschnitts liegt. Wenn nun jeder eine Zahl zwischen 0 und 100 nach dem Zufallsprinzip wählt, so liegt der Durschnitt bei 50. Zwei Drittel des Durchschnitts wären 33. Demnach wäre es sinnvoll, die Zahl 33 zu wählen. Da das aber auch die anderen tun werden, liegt der Durschnitt bei 33, wovon zwei Drittel wiederum 22 wären, usw. Wenn man annimmt, dass alle Gäste vollkommen rational handeln und all diese Schritte zu Ende denken, müsste man die Zahl Null angeben. Das tut aber kaum jemand und diejenigen, die es tun, werden mit ihrem Tipp kaum gewinnen. (Vgl. Nienhaus, Verhaltensökonomik – Die Ökonomie entdeckt die Menschlichkeit, S. 46)

[23]Evolutionär-institutionelle Ökonomie, feministische Ökonomie, marxistische Ökonomie, ökologische Ökonomie, straffianische Ökonomie, Post-Keynesianismus, Österreichische Schule, Regulationstheorie, Freiwirtschaftslehre, Ordoliberalismus, Komplexitätsökonomie, etc.

[24]Weiterhin werden Erkenntnisse angrenzender Disziplinen wie Sozialwissenschaften, Neurowissenschaft, Kognitionswissenschaft etc. genutzt und auf die ökonomische Disziplin übertragen.

[25]Vgl. Camerer, Behavioral Economics, S. 10576

[26]Vgl. Vienna Behavioral Economics Network , Was ist Behavioral Economics / Verhaltensökonomie? Brandstätter und Güth bezeichnen die Verhaltensökonomie deshalb auch als „Neo-classical repair shop“, da Standardmodelle durch verhaltensökonomische Erkenntnisse erweitert werden, aber das rationale Maximierungskalkül erhalten bleibt. So bleibt bspw. das Nutzenmaximierungskonzept in der Prospekt-Theorie (= Neue Erwartungstheorie) von Kahneman und Tversky grundsätzlich bestehen, allerdings werden Verluste doppelt so stark gewichtet wie Gewinne.

[27]So gelten Experimente auch in der Politik als geeignete Methode, um zwischen verschiedenen Optionen abzuwiegen. Das Behavioral Insights Team in Großbritannien, das der Regierung zuarbeitet, hat für Behörden eine Anleitung entwickelt, um Experimente auch lokal durchzuführen. Damit einher geht auch eine Verschiebung hinzu der konkreten Situation als Ansatzpunkt für Politikmaßnahmen.

[28]Smiths Ziel ist die Entwicklung von Experimenten, in denen Teilnehmer eine feste Auswahl an Entscheidungsmöglichkeiten und Präferenzen verinnerlichen. Er entwickelt daraus die Theorie induzierter Präferenzen und wird dafür mit dem Nobelpreis bedacht. Während zu Beginn Laborexperimente dominierten, gewinnen heute Feldexperimente immer mehr an Bedeutung.

[29]Vgl. Netzwerk Plurale Ökonomik e. V., online unter: https://www.exploring-economics.org/de/

[30]Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 58ff

[31]Vgl. Mankiw, / Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 176

[32]Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 47ff

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Verhaltensökonomik. Kritik am Homo Oeconomicus. Abweichende Überzeugungen, Präferenzen und Entscheidungen
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Philosophie und Wissenschaftstheorie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V412451
ISBN (eBook)
9783668634343
ISBN (Buch)
9783668634350
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ökonomik, Verhaltensökonomik, Behavioral Economics, Ökonomie, Verhaltensökonomie, Homo Oeconomicus, Alternative ökonomische Theorien, Edwards, Tversky und Kahneman, Psychologie, Overconfidence-bias, Self-Control-bias, Self-Serving-bias, Overoptimistic-bias, Endowment-effect, Besitztums-Effekt, Confirmation-bias, Bestätigungsirrtum, Hindsight-bias, Rückschaufehler, Gesetz der kleinen Zahlen, Trugschluss des Spielers, Soziale Präferenzen, Ultimatumspiel, Zeitpräferenzen, Zeitinkonsistenzen, Easterlin-Paradox, Status-Quo-bias, Omission-bias, Prospect-Theory, Neue Erwartungstheorie, Mental accounting, Mentale Buchführung, Framing, Anchoring, Behavioral Finance, Liberaler Paternalismus, Klassik, Neoklassik, Adam Smith, Rainer Krottenthaler, Rainer, Krottenthaler
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Mag. Dr. MA Rainer Krottenthaler (Autor:in), 2018, Verhaltensökonomik. Kritik am Homo Oeconomicus. Abweichende Überzeugungen, Präferenzen und Entscheidungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412451

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