Tierschutz und politische Akteure am Beispiel der Massentierhaltung


Hausarbeit, 2018

17 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Aktuelle Situation der Nutztierhaltung: Massentierhaltung

2. Das Wesen des Tiers: Speziesismus

3. Tierschutz: Positionen

4. Politische Akteure im Bereich Tierschutz
4.1 Der Staat: Tierschutzpolitik
4.1.1 Aktuelle Rechtslage
4.1.2 Eine politische Theorie: Zoopolis
4.1.3 Zeitgemäße politische Positionen
4.2 Das Individuum: Politischen Einfluss nehmen
4.2.1 NGOs und Verbände
4.2.2 Bewusster Konsum

5. Fazit und Schlussgedanken

Literaturverzeichnis

1. Aktuelle Situation der Nutztierhaltung: Massentierhaltung

„‘Economies of Scale‘: Vorteile der Massenproduktion. Die Fixkosten, die unabhängig von der Produktionsmenge anfallen (Festkosten), verteilen sich bei gegebenen Produktionskapazitäten umso besser auf die Gesamtproduktion, je näher diese an der Kapazitätsgrenze liegt. In der Folge sinken die Durchschnittskosten der Produktion. Bei gegebenen Preisen steigt der Gewinn.“ (Langosch, 2012, p. 57)

So schreibt Herr Langosch als Professor für Unternehmensführung in seinem Ratgeber für Landwirte. Es gilt das Prinzip: Je mehr produziert wird, desto günstiger kann dies getan werden, was letztendlich einen niedrigen Kaufpreis für den Konsumenten ermöglicht. Hierbei wird nicht unterschieden, dass es sich bei dem ‚Produkt‘, anders als beispielsweise in der Automobilindustrie, um ein lebendiges Wesen handelt. Doch sind es nicht die Halter selbst, die für Massentierhaltung verantwortlich sind. Tatsächlich kam diese Art der Nutztierhaltung nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts auf. Die Menschen hatten Jahre der Entbehrung hinter sich und ein großes Ziel war es, die Bevölkerung mit den Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Damit sich jeder Bürger Fleisch und andere tierische Produkte wie Milch und Eier leisten konnte, mussten die Preise auf ein niedriges Niveau sinken (Bündnis 90, o. A.). Hier kam der technische Fortschritt zur Hilfe, zusätzlich wurde die Produktivität der Tiere durch Verabreichung von Medikamenten gesteigert (Bruijnis, 2016, p. 149). Die so beginnende Massentierhaltung ermöglichte nun täglichen Konsum von Tieren sowie deren Erzeugnissen, machte ihn zum Standard in reichen Ländern wie Deutschland (Bündnis 90, o. A.). Diese Entwicklung hielt an:

„Weltweit hat sich die Fleischproduktion seit 1980 verdreifacht, so daß die Menschen heute 56 Milliarden Tiere pro Jahr zu Nahrungszwecken töten.“

(Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 9)

Und das ohne der Zahl der im Wasser lebenden Tiere. Zum Vergleich kann man sich vorstellen, die gesamte Menschheit – derzeit knapp sieben Milliarden an der Zahl – würde alle eineinhalb Monate ausgelöscht, oder anders formuliert: „Wir schlachten in anderthalb Jahren so viele Tiere, wie je Menschen auf der Welt gelebt haben.“ (Sezgin, 2014, p. 233) Doch was bedeutet Massentierhaltung für die sogenannten Nutztiere, wie Schweine, Kühe und Hühner? Diese werden in großen Zahlen auf engstem Raum gehalten, sind somit stark eingeschränkt in ihrer Bewegungsmöglichkeit. Sie werden genetisch optimiert und erhalten Futter, das nicht ihrer Art entspricht und zudem meist mit Medikamenten angereichert ist (Foer, 2011, p. 45). Dazu steigern künstlich produzierte Tag- und Nachtrhythmen Wachstum und Produktivität der Tiere (ebd., p. 67).

Insgesamt hat die Lebensspanne der gehaltenen Tiere erheblich abgenommen. Während Zuchtsäue in den 1970er Jahren noch bis zu acht Jahren gehalten wurden, werden sie heute nach etwa zweieinhalb Jahren ersetzt – und somit getötet. Kann die Zuchtsau nicht mehr genug Ferkel produzieren, bringt sie schlichtweg nicht mehr den erforderten Nutzen (ebd.). Ähnlich sieht es bei Hühnern aus: Hatten sie noch in den 1980er Jahren eine natürliche Lebenserwartung von etwa zwanzig Jahren, leben Legehennen in Deutschland heute höchstens eineinhalb Jahre, Masthähnchen sogar nur fünf bis sechs Wochen (Foer, 2011, p. 382). Neben der intensiven Zucht, die ein längeres Leben gar nicht möglich macht (Anhäuser, 1999), zeigt das auch, dass die massenhafte Haltung der Tiere nicht selten zu Krankheiten führt, vor allem Fälle von Lähmung innerhalb der Masse der Tiere werden oft lange nicht erkannt (Bruijnis, 2016, p. 153).

Ob ein längeres Leben in Massentierhaltung für ein Tier wünschenswert ist, sei dahingestellt. Die Zahlen verdeutlichen jedoch den vermeintlich wahrgewordenen Traum der Nutztierhalter, “möglichst wenig Aufwand für ihre [die Tiere] Erhaltung betreiben zu müssen und dennoch maximalen Profit zu erreichen.“ (Tischler, 2013, p. 21) Dabei sind diese wirtschaftlich dazu gezwungen, denn während in den vergangenen 50 Jahren die Preise für die meisten Güter bedeutend – Eigenheime um fast 1500 Prozent, Autos um 3400 Prozent – gestiegen sind, kosten tierische Produkte unter Einbezug der Inflation heute so wenig wie noch nie (Foer, 2011, p. 130).

Die negativen Auswirkungen, die Massentierhaltung auf Mensch und Umwelt hat (Tischler, 2013, p. 22), sind längst keine neue Erkenntnis mehr und sollen nicht expliziter Inhalt dieser Arbeit sein. Die Umschreibungen der Situation der Tiere machen deutlich:

„Industrielle Massentierhaltung und Tierschutz sind ein unauflösbarer Widerspruch.“ (Hofreiter, 2016, p. 222)

Da gerade Nutztiere „in variablen Beziehungen zu politischen Institutionen und Praktiken der staatlichen Hoheits- und Territorialgewalt, der Kolonisierung, Migration und Zugehörigkeit“ (Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 36) stehen, muss ihr Schutz Kontext politischer Diskussionen sein. Inwieweit sich dies in Deutschland äußert und Möglichkeiten der Veränderung sollen folgende Ausführungen aufzeigen. Dass darin die männliche Form verwendet wird, soll eine einfachere Lesbarkeit ermöglichen. Dennoch ist stets jedes Geschlecht angesprochen.

2. Das Wesen des Tiers: Speziesismus

Die Frage, wie das Tier zu schützen ist, hängt erheblich davon ab, welches Wesen ihm in der Gesellschaft zugesprochen wird. Wie also sieht der Mensch das Tier und in welchem Verhältnis sieht er sich selbst zu ihm. Die beschriebenen Umstände der Massentierhaltung unterstreichen die Sonderstellung, die sich der Homo sapiens einräumt. Diese Distanz “has been fueled by both religious and scientific ideologies.” (Linzey, 2009, p. 45) Die jüdisch-christliche Religion löste eine animistisch, mythische Weltansicht ab, die Tieren in einer heiligen Natur noch Persönlichkeit zusprach. Gemäß dem Alten Testament begründeten die Gläubigen ihr Recht, über die Natur zu regieren und somit auch Tiere zu ihrem Vorteil zu nutzen, durch ihre Existenz als Abbilder Gottes. Auch in der griechischen Philosophie waren ähnliche Ansichten verbreitet, vorherrschend war das „Postulat der unveränderbaren, archetypischen Essenz aller Lebewesen“ (Corbey, 2007, p. 54). Das rationale Prinzip der Seele, das die Menschen essentiell von Tieren unterscheiden sollte, unterstrich die „Überzeugung der menschlichen Einzigartigkeit“ (ebd.).

Später bestätigte Descartes als Rationalist in seinem Denken jene Sonderstellung: Weil Tiere keine unsterbliche Seele besäßen, könnten sie nicht denken, seien sich ihrer selbst nicht bewusst sowie keinerlei Sprache und könnten somit auch keinen Schmerz empfinden. Stattdessen seien sie maschinenähnliche Kreaturen, die lediglich ihren Instinkten folgten. Eine Theorie also, die dem Menschen erlaubt, Schmerzäußerungen von Tieren zu ignorieren, „calling their screams the noise of breaking machinery.“ (Linzey, 2009) Es handelt sich um eine „reine ‚Instrumentalisierung‘…, die Würdeverletzung besteht hier darin, es zu einer Maschine zu erniedrigen.“ (Kunzmann, 2007, p. 131) Diese theoretische Ansicht ist mit der Massentierhaltung in die Tat umgesetzt worden (Foer, 2011, p. 129).

Doch die Wissenschaft hat sich weiterentwickelt, durch systematische Untersuchungen können Biologen heute sehr plausibel darlegen, dass viele Tiere Schmerz empfinden. Ein Beispiel ist das Huhn: Löst man durch Natriumurat akute Entzündungen in ihren Fußgelenken aus, hinken sie, was jedoch auch automatisch erfolgen könnte. Setzt man die Hühner jedoch nach der Behandlung einer neuen Umgebung aus, gehen jene Schmerzreaktionen stark zurück. Der Biologe Hanno Würbel erklärt die verminderte Schmerzreaktion mithilfe der Ablenkung – ist die Aufmerksamkeit auf etwas anderes als den Schmerz gerichtet, reduziert dies die bewusste Schmerzwahrnehmung (Würbel, 2007, p. 22). Die dennoch gegebene starke Abgrenzung des Menschen gegenüber dem Tier – einer folglich willkürlichen Diskriminierung der Tiere - bezeichnet man als Speziesismus (ebd. p. 16).

“Die moralische Abgrenzung des Menschen von den übrigen Tieren läßt sich biologisch nicht begründen. Sie ist willkürlich, genauso willkürlich wie Rassismus oder Sexismus.“ (Würbel, 2007, p. 16)

Autor Jonathan Foer berichtet von einer Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, die sich mit der Frage nach dem Wesen des Tieres auseinandersetzten. Auf eine Antwort konnte man sich nicht einigen. Klarheit herrschte stattdessen darüber, dass eine kritische Prüfung dieser Frage es mit sich bringt, „äußerst sensible und weitgehend unerforschte Aspekte unseres Verständnisses vom Menschsein freizulegen.“ (Foer, 2011, p. 88) Eine Angst also, dem Tier näher zu sein, als wir zugeben wollen. Denn feststeht: Tiere „…empfinden Schmerz, Leid und Angst in ähnlicher Weise wie wir.“ (Tischler, 2013, p. 17)

3. Tierschutz: Positionen

Tierschutz kann viele Gesichter annehmen, laut den Tierrechtlern Sue Donaldson und Will Kymilcka lassen sich Tierschützer in ihrem Denken drei moralischen Grundsystemen zuordnen. Jene, die akzeptieren, dass das Wohl des Tieres in moralischer Hinsicht von Bedeutung ist, es jedoch den Interessen des Menschen unterordnen, gehen von einem Fürsorge-Begriff des Tierschutzes aus. Sie sehen in Tieren keine Maschinen, sondern leidensfähige Lebewesen und gestehen diesem Leid moralisches Gewicht zu. Dieser Ansicht nach kann der Mensch das Tier jedoch zu seinem persönlichen Vorteil nutzen, solang man von einer „humanen Nutzung“ sprechen kann, also sie begrenzt ist. Innerhalb dieser Theorie wird der Schutz des Tieres also wiederholt „durch eigennützige und konsumistische Zwänge …, außer Kraft gesetzt“ (Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 16).

Die ökologische Theorie rückt die Gesundheit des Ökosystems in den Fokus. Im Umgang mit Tieren stellt sich hierbei stets die Frage nach den Auswirkungen auf das große Ganze, das Ökosystem unseres Planeten. AnhängerInnen lehnen so nicht das Leiden der Tiere in der Massentierhaltung ab, sondern die negativen Auswirkungen dieser auf die Umwelt, wie Luftverschmutzung durch übermäßige Methangasproduktion oder einhergehende Belastung durch Treibhausgase. Haben Haltung und Tötung von Tieren hingegen keine oder gar positive Effekte auf die Umwelt, steht dem gemäß dem ökologischen Begriff von Tierschutz nichts im Wege (ebd. p.15).

Die beiden aufgeführten Ansätze zeigen deutliche Mängel auf, da jeweils andere Interessen dem Wohl der Tiere übergeordnet werden. Im Bewusstsein dieser Defizite entstand eine weitere, radikalere Theorie, nach der Tiere „ebenso wie Menschen, als Lebewesen gelten, denen unverletzliche Rechte zukommen.“ (ebd. p. 16) Damit ist gemeint, dass Tieren moralische Grundrechte zugesprochen werden sollten, welche nicht durch übergeordnete menschliche oder ökologische Interessen außer Kraft gesetzt werden könnten, ähnlich den bereits existierenden Menschenrechten. Doch öffentliche Meinung und die Theorie der Tierrechte weichen derzeit noch weit voneinander ab (ebd. p. 17). Letztlich konnte also noch keiner der drei Ansätze „grundlegende Veränderungen des Systems der Tierausbeutung herbeiführen.“ (Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 12)

4. Politische Akteure im Bereich Tierschutz

4.1 Der Staat: Tierschutzpolitik

4.1.1 Aktuelle Rechtslage

1872 wurde Immanuel Kants Prämisse, Tieren Leid zuzufügen ließe den Menschen verrohen und vermindere somit sein Mitgefühl dem Mitmenschen gegenüber, im deutschen Reichsstrafgesetzbuch rechtlich umgesetzt. Dies zählt als erste bekannte Erwähnung von Tierschutz im deutschen Gesetz, auch wenn der Anlass eher Sorge um das menschliche Miteinander statt um das Tier war. Leider entwickelten sich daraus keine Besserungen für das Wohl der Tiere (Brensing, 2015, pp. 191-201). Denn obwohl die Evolutionstheorie sehr plausibel belegte, dass wir Menschen selbst dem Tier einst gleich waren und uns lediglich weiterentwickelten, „blieb [die] kantische Sonderstellung des Menschen unangetastet.“ (ebd. p. 193)

Im Jahr 1933 wurde das Reichstierschutzgesetz erlassen, Tieren Leid zuzufügen sowie eine vorsätzliche Qual dieser wurde nun als einem Vergehen entsprechend geahndet (Gervers, o. A. ). Gleichzeitig würde das Schächten verboten, was jedoch eher einen Angriff auf Anhänger der jüdischen Religion darstellte, als einen tatsächlichen Einsatz zum Tierwohl (ebd.). Die Bundesrepublik Deutschland verfügt erst seit 1972 über ein Tierschutzgesetz (ebd.). Dieses umfasst aktuell 22 Paragraphen, wobei im Hinblick auf die in dieser Arbeit fokussierte Nutztierhaltung und -tötung besonders die ersten drei Abschnitte der Gesetzgebung von Bedeutung sind. Im ersten Abschnitt, dem Paragraph eins des Tierschutzgesetzes, wird der Grundsatz festgehalten, nach dem sich der allgemeine Umgang mit Tieren richten soll. Dieser lautet wie folgt:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ (Tierschutzgesetz, o. A.)

So wird einerseits festgestellt, dass das Leben sowie das Wohlbefinden, welches „ungestörte, artgemäße und verhaltensgerechte Abläufe der Lebensvorgänge voraussetzt“ (Würbel, 2007, p. 23), des Tieres zu schützen ist. Gleichzeitig wird dieser Schutz im zweiten Absatz eingeschränkt, indem der Gesetzgeber die Möglichkeit des Zufügens von Schmerzen, Leid und Schäden – also alle Variablen, die Angriff auf Leben und Wohlbefinden eines Geschöpfes ermöglichen – unter Vorweisen eines „vernünftigen Grundes“ erlaubt. Diese Formulierung lässt viel Spielraum: Was ist nun ein vernünftiger Grund? Kann es als vernünftiger Grund gelten, Tiere in Massentierhaltung dauerhaft leiden zu lassen – nämlich über den gesamten Zeitraum ihres Lebens – um der Bevölkerung ständigen, dauerhaft günstigen Fleischkonsum zu garantieren?

An diesem Punkt zeigt sich eine gesellschaftliche Ambivalenz:

Auch wenn wir grundsätzlich der Ansicht sind, dass es nicht rechtens ist, einem anderen Lebewesen mehr Leid als unbedingt nötig zuzufügen, so kommt der Pragmatismus oftmals durch die Hintertür.“ (Tischler, 2013, p. 21)

Seit 2002 ist der Schutz von Tieren durch die Verankerung im Grundgesetz ein Staatsziel (Gervers, o. A. ), wie es dazu kam und welche Vorteile die Entwicklung für Tiere brachte, wird im Punkt 4.2.1 kurz dargestellt.

4.1.2 Eine politische Theorie: Zoopolis

Die beim Punkt „Tierschutz“ bereits kurz dargestellte Theorie der Tierrechte, kurz TTR, bildet die Basis der von Sue Donaldson und Will Kymlicka entwickelten politischen Theorie der Tierrechte. Sie gehen also grundlegend davon aus, dass alle Tiere, die mit Bewusstsein bzw. Empfindungsvermögen ausgestattet sind, als Rechtssubjekte mit unverletzlichen Rechten zu betrachten sind. Im Mittelpunkt steht das unverletzliche Recht auf Leben, welches nicht durch Interessen anderer außer Kraft gesetzt werden kann. Um diese These zu stützen, werden sodann Argumente dargelegt, deren Ausführung jedoch an dieser Stelle zu weit gehen würde.

Der Kern ihrer Theorie ist nun die Erweiterung der TTR durch eine Theorie der Staatsbürgerschaft für Tiere. Gefordert werden eine Staatsbürgerschaft für domestizierte Tiere, zu welchen Nutztiere zählen (ebd. p. 143), Souveränität für nicht domestizierte Tiere, sowie ein Einwohnerstatus für im Schwellenbereich lebende Tiere. Da sich die Inhalte dieser Arbeit weitgehend auf Nutztiere beschränken, wird im Folgenden nur die Forderung der Staatsbürgerschaft explizit erläutert. Dabei gebe es laut Donaldson und Kymlicka nicht die zwingende Devise, Tiere müssten ein Wahlrecht besitzen, wenn ihnen eine Staatsbürgerschaft zugesprochen wird. Tatsächlich sei das nur ein Aspekt, nämlich der Aspekt der politischen Handlungsfähigkeit. Hinzu kämen jedoch das Recht auf Staatsangehörigkeit sowie die Volkssouveränität, die jeweils im Rahmen der politischen Theorie genauso zum Begriff der Staatsbürgerschaft zählen. So wären sonst schließlich auch Kinder oder Menschen mit geistiger Behinderung ihrer Staatsbürgerschaft beraubt, denn „auch innerhalb der Kategorie der Menschen werden viele Rechte auf der Basis von Fähigkeiten und wechselseitigen Verhältnissen differentiell zugebilligt.“ (Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 54) Selbst ohne den Part der politischen Handlungsfähigkeit spricht ihre Argumentation also für eine Staatsbürgerschaft von domestizierten Tieren. Tatsächlich aber sehen die Autoren eine Möglichkeit der politischen Teilhabe. Indem sie auf die aktuelle Behindertenbewegung verweisen, die mit dem Slogan „Nothing about us without us“, also „Nichts, was mit uns zu tun hat, soll ohne uns geschehen“ für ein modernes Modell politischer Beteiligung kämpfen. Im Bewusstsein der Tatsache, dass ab einem gewissen Grad der Behinderung ein eigenständiges Wählen keinen Sinn macht, da die Voraussetzung des Verständnisses der Inhalte und der Vorwegnahme möglicher Folgen politischer Wahlprogramme schlichtweg nicht gegeben sein könnte, verweisen sie auf eine Art „unterstützten Entscheidens“ (Donaldson & Kymlicka, 2013, p. 137). Dritte Personen könnten ein Skript der Interessen des Betroffenen verfassen, die dieser ihm durch sowohl verbale als auch nonverbale Äußerungen mitteilt. Dieses Verfahren übertragen sie sodann auf Tiere:

„Domestizierte Tiere sollten, …, in diesem Sinne als Mitbürger angesehen werden, denen das Recht zukommt, durch Formen des abhängigen Handelns im Rahmen unserer politischen Entscheidungsverfahren repräsentiert zu werden.“ (ebd. p. 140)

Diese Teilhabe schließe eine Nutzung der domestizierten Tiere allerdings nicht aus, da auch Menschen sich gegenseitig zu einem gewissen Grad nutzen würden. Donaldson und Kymlicka bezeichnen das als Geben und Nehmen, was schlichtweg Regeln voraussetzt, „die gewährleisten, daß die Nutzung wechselseitig von Vorteil ist“ (ebd. p. 202). Es handelt sich hierbei um eine moderne politische Theorie, die so noch keine Umsetzung in modernen Gesellschaften erzielen konnte. Vor dem Hintergrund der gegebenen Problematiken im Umgang mit Nutztieren, sollte jedoch ein Denkanstoß gegeben werden, wie eine andere Ordnung in unsere Beziehung zu Tieren gebracht werden könnte, die unter Einbezug der eigentlichen Beschaffenheit von Tieren, welche in Punkt zwei kurz erläutert wurde, sowie der genannten Überlegungen, eine gewisse Plausibilität vorweisen kann.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Tierschutz und politische Akteure am Beispiel der Massentierhaltung
Hochschule
Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
Note
1.0
Autor
Jahr
2018
Seiten
17
Katalognummer
V412083
ISBN (eBook)
9783668633698
ISBN (Buch)
9783668633704
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Arbeit über den Tierschutz in der Nutztierhaltung und Möglichkeiten zur Verbesserung. Die angegebene Literatur ist wärmstens zu empfehlen. Lasst uns die Welt ein Stück besser machen.
Schlagworte
Tierschutz, Politikwissenschaft Massentierhaltung, Massentierhaltung
Arbeit zitieren
Regina Polster (Autor:in), 2018, Tierschutz und politische Akteure am Beispiel der Massentierhaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412083

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