Die Schlossplatzdebatte, Entwürfe zur Gestaltung des Berliner Schlossplatzes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

59 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.0 Die Schlossplatzdebatte

2.0 Entwürfe zur Gestaltung des Berliner Schlossplatzes
2.1 Bernd Niebuhr
2.2 Axel Schultes und Charlotte Frank
2.3 Ingenhoven, Overdiek und Partner
2.4 Sir Norman Foster
2.5 Verein zur Erhaltung des Palastes der Republik
2.6 Tim Heide, Verena von Beckerath, Andrew Alberts
2.7 Meinhard von Gerkan

Resümee

Literaturverzeichnis

Internetseiten

Abbildungsverzeichnis

Abbildungen

Einleitung

Wie soll mit zerstörten Bauwerken umgegangen werden? Ist es legitim vergangene Architektur mit neuen Materialien wiederzuerrichten? Kann die Kopie das Original ersetzen?

Das Berliner Schloss soll wieder aufgebaut werden, nachdem es 1950 zerstört wurde. Ähnliche Beispiele für die Rekonstruktion historischer Architektur finden wir bei der Dresdener Frauenkirche, Groß St. Martin in Köln oder der Michaeliskirche in Hamburg, um nur einige deutsche Beispiele zu nennen. Doch schon seit ~1900 geht es nicht mehr nur um das schöne Erscheinungsbild, sondern auch um den richtigen Umgang mit dem Baudenkmal. Georg Dehio und Alois Riegel setzten sich um die Jahrhundertwende für den Erhalt, die Konservierung der Bausubstanz ein. Das Motto hieß „Konservieren, nicht Restaurieren.“[1] Es wurde auf den Alterswert des Gebäudes hingewiesen, den nur das Original inne habe und der nicht künstlich erzeugt werden könne und somit den Wert des Gebäudes ausmache.[2]

Sollte der Wiederaufbau, die Kopie eines Gebäudes wirklich durchgeführt werden? Gibt es keine anderen Lösungen den Platz würdig zu gestalten? Und ist es gerechtfertigt das Schloss wiederentstehen zu lassen, wenn dafür ein anderes Gebäude, der Palast der Republik, das diesen, wenn auch jungen Alterswert inne hat, nur wegen seines äußeren, wenig ansprechenden Erscheinungsbildes, abgerissen werden soll?

Diesen Fragen nach einer alternativen Lösung stellten sich viele Architekten in verschiedenen Wettbewerben. Vertreten waren Liebhaber des Schlossbaus, Befürworter einer modernen Architektur und Verfechter des Palastes der Republik. Einige Entwurfsbeispiele werden in dieser Hausarbeit vorgestellt werden. Dabei wird darauf zu achten sein, welche Prioritäten der jeweilige Architekt setzt. Ob dabei die Denkmalpflege berücksichtigt oder ob der äußere Eindruck dem historischen Wert vorgezogen wurde.

1.0 Die Schlossplatzdebatte

Seit 1991 wird der Wiederaufbau des Berliner Schlosses diskutiert (Abb.1). Am 7. September 1950 war das vom Krieg zerstörte Bauwerk gesprengt worden und die DDR richtete sich im Laufe der Zeit auf dem entstandenen Platz eine Bühne zur Schaustellung ihrer Macht und Politik ein. Mitte der siebziger Jahre wurde der Palast der Republik auf einem Part des ehemaligen Schlossareals errichtet. Nach dem Fall der Mauer und dem Ende der DDR 1989-90 wurde der Ruf nach einem neuen Berliner Schloss, welches die Mitte Berlins wieder aufwerten solle, laut.[3] Aus diesem Wunsch entstand die Diskussion um das Megaprojekt der Neugestaltung der Berliner Mitte, welche die Experten die nächsten Jahre beschäftigen sollte.[4]

Zur Verwirklichung des Wiederaufbaus wurde der „Förderverein Berliner Stadtschloss“ gegründet, der das historische Zentrum rekonstruiert sehen wollte. 1993 entstand in dessen Auftrag eine Schlossattrappe im Maßstab 1:1 als Werbung für den Wiederaufbau, die auf dem ehemaligen Grundriss des Stadtschlosses ihren Platz fand. Anhand dieser handgemalten 10.000 m² großen Fassadenattrappe war es dem Förderverein möglich den städtebaulichen Kontext zu veranschaulichen (Abb.2).

Im Jahr 1994 fand die erste Ausschreibung eines Architekturwettbewerbes statt, der die Gestaltung des Schlossplatzes mit einband. Beim Spreeinselwettbewerb wurden die Architekten aufgefordert das neue Außen- und das Innenministerium zu entwerfen und in ihre Umgebung an sie anzupassen. Es war vorgegeben, dass das Außenministerium im Bereich Breite Strasse liegen sollte. Dabei wurde dem Architekten die Entscheidung über den Erhalt oder Abriss des denkmalgeschützten Staatsratsgebäude überlassen. Als Bereich für das Innenministerium war der Friedrichswerder vorgesehen, wobei es Vorgabe war das alte DDR Außenministerium abzureißen, um die Rekonstruktion der Schinkelschen Bauakademie zu ermöglichen. Auf dem ehemaligen Schlossplatz sollte ein Konferenzzentrum, Ausstellungsräume, das Bibliotheks- und Medizinzentrum, sowie weitere Räume zur wissenschaftlichen und kulturellen Nutzung entstehen. Der Palast der Republik musste diesem Vorhaben weichen, sein Abriss war gewünscht.[5] Gewinner des Wettbewerbes wurde Bernd Niebuhr, dessen Entwurf in Kapitel 2.1 vorgestellt wird.[6]

Doch der Zwist zwischen Rekonstruktion des ehemaligen Schloss und dem Erhalt des Palastes der Republik bzw. weiterer unter Denkmalschutz gestellter Gebäude (Staatsratsgebäude) vereitelten die Umsetzung des Entwurfes.

1996 wurde vom „Tagesspiegel“ erneut ein Wettbewerb ausgeschrieben, der neue Ideen in die festgefahrene Debatte bringen sollte. 24 Architekten und Architektinnen beteiligten sich an dem Wettbewerb. Die Entwürfe wurden, nach einer seriellen Vorstellung in der Zeitung, in der GrundkreditBank an der Budapesterstasse ausgestellt.[7] Vorgaben gab es keine, allein die Rücksichtnahme auf die Schlosskubatur und die Wiederherstellung der historischen Umgebung waren gewünscht.[8]

Ein weiteres Projekt, um eine Lösung zur Gestaltung des Areals zu erreichen, war die „Perspektivenwerkstatt Schlossplatz“. Alle Interessenten und alle an der Diskussion Beteiligten wurden eingeladen, um in einer geleiteten Diskussion zu einem Ergebnis zu gelangen. Einig waren sich die Mitwirkenden in den Punkten, dass der Schlossplatz ein zentraler Ort für die Berliner sein solle, es keine Verlierer oder Gewinner bei seiner Gestaltung geben dürfe und Geschäfte und Dienstleistungen, also private und öffentliche Nutzungsangebote anzusiedeln seien. Des weiteren müsse das zukünftige Gebäude das städtebauliche Umfeld mit einbinden, dabei seien vorhandene Blickachsen zu berücksichtigen (Unter den Linden). In der weiteren Debatte sollten Polarisierungen vermieden werden, da sie eine Lösung verhinderten. Mit einem vorhandenen Nutzungskonzept könne die Bebauung des Schlossplatzes daraufhin abgestimmt werden. Die Kubatur des Schlosses könne, müsse sich aber nicht in der neuen Architektur wiederauffindbar sein. Um Vertrauen aufzubauen solle die Debatte der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden und Zwischenlösungen könnten dem entgültigen Projekt Zeit zur Vorbereitung verschaffen.[9]

Ein aus diesen Vorgaben entstandener Entwurf wurde beim Interessenbekundungsverfahren im Januar 1998 eingereicht. Vorgaben dafür waren ein internationales Konferenzzentrum, welches ebenfalls über ein Hotel verfügen sollte und des weiteren verschiedene Räume für eine große Bibliothek, Ausstellungen, Geschäfte und Restaurants. Es wurden jedoch keiner der eingereichten Entwürfe, auch nicht der der Perspektivenwerkstatt, für umsetzungswürdig befunden, so dass in der Diskussion auch jetzt noch kein Ende in Sicht kam.[10]

Um endlich einem Ergebnis näher zu kommen beriefen der Bund und die Stadt Berlin im Oktober 2000 die Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“, auch genannt „Schlossplatzkommission“, ein, um ein Konzept für das betreffende Areal zu erarbeiten. Diese Kommission wurde aus qualifizierten Fachleuten, wie Historikern, Philosophen, Bau- und Kunsthistorikern, Urbanisten, Denkmalpflegern, Stadtplanern und Architekten gebildet. In dem am 18. Januar 2002 erstellten Bericht wurden Empfehlungen und ihre Begründungen vorgestellt, an dem sich die weitere Entwicklung orientieren konnte. Einig war man sich, dass die Nutzung des Schlossplatzes von gesellschaftlich herausragender Bedeutung sein müsse. Um dies zu gewährleisten solle das Humboldt-Forum entstehen, in dem Kunst und Kultur, Wissenschaften und Veranstaltungen ihren Raum fänden. Namentlich solle dort die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Zentral- und Landesbibliothek beherbergt werden. Das Zusammenspiel aller dieser Institutionen und ihre Belebung durch die Nutzer erhielt die Bezeichnung „Agora“ (griechisch Marktplatz). 100.000 m² HNF (Hauptnutzfläche) stünden für dieses Vorhaben zur Verfügung, der Neubau würde über einer HNF von ca. 80.000 m² errichtet. Weitere auf dem Schlossplatz nicht unterzubringende Nutzungen sollten in der nächsten Umgebung ihren Platz finden (Breite Strasse, Schlossfreiheit). Um dem Bürger die Geschichte des Schlosses und des Palastes der Republik näher zu bringen könne zusätzlich ein kleines Museum als Teil des Humboldt-Forums installiert werden. Bis zur Realisierung würde das Staatsratsgebäude als Vorläufer des Humboldt-Forums genutzt werden und die Bundeszentrale für politische Bildung sowie Einrichtungen, die sich mit Schinkels Bauakademie befassen, beherbergen.[11]

Da sich die umliegenden Strassen und Gebäude auf das ehemalige Schloss beziehen sei es laut der Expertenkommission empfehlenswert den Grundriss des Schlosses in dem neuen Gebäude aufzunehmen (Abb.3, 4, 5).[12]

In Frage gestellt wird dabei, ob dies wirklich mit der Rekonstruktion der Schlossfassaden geschehen solle oder ob ein Neubau, über den ein Wettbewerb ausgeschrieben würde, die bessere Lösung sei. Eine Minderheit, gebildet aus Peter Conradi, dem Präsidenten der Bundesarchitektenkammer, Franziska Eichstädt-Bohlig, baupolitische Sprecherin der Grünen und Bruno Flierl, einem Architekturtheoretiker, trat gegen die Rekonstruktion der Fassaden ein, da sie der Meinung war, das Nutzungskonzept ließe sich nicht mit der Rekonstruktion der genannten Teile in Einklang bringen. Wenn die Priorität im Wiederaufbau liege, müsse sich das Nutzungskonzept anpassen. Ein weiterer Einwand sei die Unvereinbarkeit des Palastes der Republik mit dem Schloss. Die gewünschten Teile der beiden Gebäude, der Volkskammersaal und der Schlüterhof, würden sich gegenseitig ausschließen. Eine bessere Lösung sei in diesem Falle eine Fusion zwischen neuer, alter und rekonstruierter Architektur.[13]

Ein weiterer Streitpunkt lag in der Rekonstruktion der Innenräume. Wenn der Entschluss gefasst würde des Schloss wieder aufzubauen, sollten dann auch die Innenräume in ihrer alten Lage wiederhergestellt werden oder wären diese Räume für die vorgesehene Nutzung unzweckmäßig und das Innenleben müsse neugestaltet werden?[14]

Mehrheitlich entschied die Expertenkommission, dass die Nordwestfassade des Schlosses in ihrer Originalgröße als würdiger Abschluss der Linden wiederaufgebaut werden müsse, genauso wie die am Lustgarten, dem alten Museum gegenüberliegende Front und ihr Pendant an der Werder- bzw. Rathausstrasse. Zusätzlich sollten die Fassaden des im ehemaligen Schloss gelegenen Schlüterhofes rekonstruiert werden, da die Hälfte der Originalplastiken erhalten seien (Abb.6). Diese könnten, im Falle einer Überdachung des Schlüterhofes, wieder aufgestellt werden und der Raum wäre für Veranstaltungen nutzbar.[15] Eine vollständige Rekonstruktion, inklusive der Innenräume, schlossen die Experten aus. Allerdings könnten einige wichtige Innenräume, die mit der Nutzung in Einklang zu bringen seien, in ihrer ursprünglichen Geschosshöhe wiederhergestellt werden.[16]

Auch über den Umgang mit dem Palast der Republik herrscht bei der Expertenkommission Uneinigkeit (Abb.7). Vieles spräche für einen Abriss, da der Palast zu nahe am Dom stünde und, unterstützt durch seine Tiefe, eine Trennung zwischen Ost und West bilde (Karl Liebknecht Strasse bzw. Alexanderplatz, Unter den Linden).[17] Die Kommission sei sich jedoch der historischen Bedeutung des Palastes, als eines der wichtigsten Bauwerke der DDR-Architektur, und besonders des Volkskammersaals, in dem 1990 der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschlossen wurde, bewusst.[18]

Im Jahr 2002, also im Jahr in dem der Bricht der Expertenkommission erschien, wurde die fünf Jahre andauernde (1997-2002) Asbestsanierung des Palastes der Republik abgeschlossen. Der Keller, das Stahlskelett, die Treppen, sowie die Dach-, Wand- und Außenkonstruktion könnten unter erheblich weniger Kosten, verglichen mit einer Rekonstruktion des Schlosses, eine Wiederverwendung bei der Gestaltung des Schlossplatzes finden.[19] Trotzdem sprach sich die Mehrheit der Expertenkommission gegen den Erhalt des Gebäudes aus,[20] da sie der Meinung ist, dass „nachdem das Gebäude im Zuge der Asbestsanierung in den Zustand einer Ruine versetzt worden ist, deren Wiederaufbau, bei begrenztem Nutzungswert, äußerst aufwendig wäre, ...“[21] Allerdings wurde eine Rekonstruktion des Volkskammersaals nicht ausgeschlossen, wenn dieser in die Nutzungsbedingungen eingegliedert werden könne.[22]

Die Schlossfreiheit, einige Wohnhäuser der Nordwestfassade des Schlosses gegenüberliegend, wurden 1892 abgerissen, um dem Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. Platz zu schaffen (Abb.8). An dieser Stelle empfiehlt die Kommission neue Wohneinheiten entstehen zu lassen, um ein privates Flair in das von öffentlichen Gebäuden dominierte Humboldt-Forum einzubringen. Der unter Denkmalschutz stehende Sockel des Wilhelmdenkmals solle bei dieser Maßnahme erhalten bleiben und integriert werden (Abb.9).[23]

Beim Staatsratsgebäude und dem daran angeschlossene Staatsratsgarten, ist sich die Kommission, im Gegensatz zum Palast der Republik, einig, dass diese erhalten bleiben sollten (Abb.10). Das ehemalige Portal IV oder Liebknecht-Portal des Schlosses wurde zu DDR-Zeiten in die Gebäudefront integriert.[24] Im Abschlussbericht wird das Staatsratsgebäude als „wichtigstes Zeugnis des Nachkriegsmoderne der DDR“[25] beschrieben. Da es unter Denkmalschutz stehe und es aus städtebaulichen und architektonischen Gründen erhaltenswert sei würde die Kommission dessen Erhalt begrüßen.[26] Auf die mögliche Nutzung wurde im Text bereits hingewiesen.

Die Breite Strasse, die das Areal nach Südosten hin abgrenzt sieht die Kommission für privaten Investoren vor. Die Breite Strasse solle wieder ihren historischen Verlauf nehmen, woran vorwiegend Wohnbauten anzusiedeln seien, sowie Bestandteile des Humboldt-Forums, die dort nicht mehr untergebracht werden könnten.[27]

Das Marx-Engels-Forum betreffend empfiehlt die Kommission dieses als Grünfläche zu gestalten und das Marx-Engels-Denkmal zu erhalten. Über eine umschließende Wohnbebauung könne dabei nachgedacht werden.[28]

Die letzte Empfehlung zum baulichen Umfeld des Schlossplatzes betrifft die Bauakademie Schinkels (Abb.11). Diese solle wiedererrichtet und somit Bestandteil des neuen Zentrums werden.[29]

Am 2. Juli 2002 beschloss der Deutsche Bundestag eine Rekonstruktion der drei genannten Fassaden und des Schlüterhofes.[30] Ein vom Bund und der Stadt ausgeschriebener Wettbewerb solle die Lösung zur Gestaltung des Schlossplatzes, im Sinne der Expertenkommission, bringen.[31] Für diesen Vorschlag stimmten 388 Abgeordnete. Für die Alternative B, einen Architekturwettbewerb auszuschreiben in dem die Gestaltung offen gewesen wäre, der Architekt nicht die Auflage gehabt hätte sich an den Schlossfassaden orientieren zu müssen, votierten nur 133 Abgeordnete. Dieser Beschluss wurde am 13. November 2003 erneut bekräftigt.[32] Die Auslobungen des Wettbewerbs laufen voraussichtlich bis Mai 2005. Einladungen zur Erstellung von Entwürfen sollen an ca. 15 Teilnehmer verschickt werden. Der Siegesentwurf wird voraussichtlich im Frühjahr 2006 bekannt gegeben. Der Baubeginn ist auf 2008 angesetzt, so dass mit der Fertigstellung im Jahr 2015 gerechnet werden könne.[33]

2.0 Entwürfe zur Gestaltung des Berliner Schlossplatzes

Mit den „modernen Lösungen“ zur Gestaltung des Schlossplatzes wurde sich ebenfalls im Abschlussbericht befasst, obwohl die Kommission mehrheitlich für eine Teilrekonstruktion des Schlosses plädierte. Für eine moderne Architektur spräche, dass sich das Umfeld des Schlossplatzes verändert habe und die Rekonstruktion im Widerspruch zum „Aufbruch in das 21. Jahrhundert“ stünde.[34] Verschiedene Lösungsansätze habe man in den vergangenen Wettbewerben gesehen. Allein die Tatsache, dass ein Nutzungskonzept fehlte, habe keinen brauchbaren Entwurf hervorgebracht. Prof. Hannelore Deubzer (Architektin) sprach sich gegen einen solitären Block, der den Grundriss des Schlosses aufnähme aus und plädierte für einen Baukörper der sich zum Lustgarten hin öffne. Prof. Dr. Vittorio Magnago Lampugnani, Professor für Geschichte des Städtebaus und Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, verwies darauf, dass moderne Architektur genauso monumental sein könne wie historische und ebenfalls eine „anspruchsvolle öffentliche Nutzung in einem ebenso anspruchsvollen städtischen Raum baulich zum Ausdruck bringen“ könne.[35]

Hingewiesen muss darauf werden, dass alle hier folgenden Entwürfe bei Wettbewerden in den Jahren vor 2002 eingereicht wurden. Keiner der Teilnehmer arbeitete mit den Vorgaben der Expertenkommission, sondern reichte sein Konzept beim den vorangegangenen Ausschreibungen, wie dem Spreeinselwettbewerb oder den „Visionen zur Gestaltung der Berliner Mitte“, ein.

2.1 Bernd Niebuhr

Bernd Niebuhr, ein im Vergleich zu anderen Teilnehmern unbekannter Berliner Architekt, erhielt 1994 den 1. Preis im Spreeinselwettbewerb und ging so als Sieger aus über 1000 Mitbewerbern hervor.

Das Auswärtige Amt sieht Niebuhr in seinem Entwurf südlich des Schlossplatzes, an der Stelle des ehemaligen Staatsratsgebäudes. Im Spreeinselwettbewerb war den Teilnehmern offen gelassen, ob sie das denkmalgeschützte Gebäude erhalten wollten oder es durch ein neuen Gebäudes ersetzten. Die repräsentative Front des Außenministeriums orientiert sich zum Schlossplatz hin. Um den gebotenen Sicherheitsstandard zu erfüllen, ist der Baukörper nach außen hin geschlossen und gliedert sich erst im Inneren in Höfe und Arkaden auf. Auch eine temporäre Sperrung des Empfangsbereichs im Gebiet der Schlossfreiheit sei hier möglich.[36] Das Innenministerium erhielte die gleiche nach außen geschlossene, nach innen offene Struktur auf der dem Auswärtigen Amt gegenüberliegenden Spreeseite. Der Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie an den „Linden“ gegenüber dem Innenministerium sei in dieser neuen Raumordnung, wünschenswert (Abb.12 und 13).

Niebuhrs Stadthaus, das die Kubatur des Schlosses aufnimmt, um den historischen Stadtraum wiederherzustellen, ist das größte und auffälligste Gebäude des Entwurfes. Den Palast der Republik berücksichtigt Niebuhr dabei nicht. Er wird abgerissen, um seinem Gebäude den angemessenen Platz zu schaffen. Das Zentrum des rechteckigen Komplexes bildet ein ovaler Innenhof, der das Vorbild des Theaters in sich aufnimmt. Niebuhr sieht diesen zentralen Raum nicht nur als Mitte des Gebäudes, sondern auch als Mitte Berlins und als Mitte der Gesellschaft an, die zu früheren Zeiten durch das Schloss gebildet wurde.[37] Dieser Innenhof solle an die beiden Höfe, den Schlüterhof und den Hof Eosanders von Göthe, innerhalb des ehemaligen Schlosses erinnern.[38] Von allen Seiten führen vier Zugänge in diese arkadenumgebene Arena. Bei Veranstaltungen würden die Arkaden als „Vertikaltribünen“ dienen, von denen aus die Konzerte, Versammlungen und Feste beobachtet werden könnten.[39]

Als Nutzungskonzept des Gebäudes schlägt Niebuhr einen Raum für Ausstellungen, die Beherbergung einer Bibliothek und ein Kongresszentrum vor. Die Bibliothek, die sich m 2. und 3. Obergeschoss befände würde ergänzt durch das Buchmagazin im Sockel des Gebäudes und dem Freihandmagazin, das sich wie ein Ring um den Innenhof schließe. Die Ausstellungshalle, die das gesamte Erdgeschoss für sich einnähme, könne bei Bedarf als Foyer für das Kongresszentrum unterteilt und genutzt werden. (Abb.14)[40]

Die Beurteilung des Preisgericht viel vorwiegend positiv aus. Die Arbeit setze sich in hervorragender Weise mit der historischen Topographie auseinander. Indem der Verfasser an die Stelle des alten Schlosses einen neuen, in sich geschlossenen Baukörper setze, stelle er die städtebauliche Dominanz an diesem Ort wieder her und bringe wirkungsvoll den Mittelpunkt zurück.[41]

Ob bei einem Abriss zweier historischer Gebäude, dem Palast der Republik und dem Staatsratsgebäude, die Auseinandersetzung mit der historischen Topographie in diesem Maße lobenswert ist sei dahingestellt. Fakt ist, dass es aufgrund dessen massive Kritik zu diesem Entwurf gab. Eine Gruppe von ca. 100 Architekten und Historikern um den Berliner Bauhistoriker Harald Bodenschatz forderten architektonische Lösungen in denen der Abriss der ehemaligen DDR-Bauten umgangen werden könnte.[42]

Eines wird an diesem ersten Entwurf schon klar: „Historisch“ wird mit verschiedenen Maßen gemessen. Anscheinend haben alte Gebäude oder Stadtgrundrisse eine höhere historische Bedeutsamkeit als jüngere, selbst wenn die alten Bauwerke nur noch in Einzelteilen erhalten sind und durch eine Replik ersetzt werden müssten.

[...]


[1] Dehio, Georg/Riegel, Alois: Konservieren, nicht restaurieren, Streitschriften zur Denkmalpflege um 1900. Aus der Reihe: Bauwelt Fundamente 80, Denkmaltheorie. Braunschweig 1988.

[2] Riegel, Alois: Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen, seine Entstehung (1903). In: Alois Riegel: Gesammelte Aufsätze. Hrsg.: Karl Maria Swoboda. Augsburg/Wien 1929, S. 144-191.

[3] Eisentraut, Wolf R.: Der Palast der Republik, was er war und wie er sein könnte. In: Der Schlossplatz in Berlin, Bilanz einer Debatte. Hrsg.: Hannes Swoboda, Berlin 2002, S. 103.

[4] Altrock, Uwe: Die unendliche Geschichte vom Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin im Licht der Grossprojektforschung. In: Planungsrundschau 8, Mega-Projekte und Stadtentwicklung. Hrsg.: Uwe Altrock, Simon Güntner, Sandra Huning, Deike Peters. Berlin 2003, S. 191-217.

[5] Zur Orientierung siehe Abbildung 3, 4 und 5.

[6] Hauptstadt Berlin, Stadtmitte Spreeinsel, Internationaler Städtebaulicher Ideenwettbewerb 1994. Hrsg.: Arbeitsgruppe Berlin-Wettbewerbe, Berlin 1994, S. 180-183.

[7] Lessen, Christian van: Ein Kreis von Ideen, Die Ausstellung der Schlossplatz-Visionen im Kunstforum des GrundkreditBank. In: Der Berliner Schlossplatz, Visionen zur Gestaltung der Berliner Mitte, Berlin 1997

[8] http://www.schlossberlin.de/gestaltung_berliner_mitte/ (17.03.2005)

[9] http://www.schlossberlin.de/perspektivenwerkstatt/ (17.03.2005)

[10] http://www.schlossberlin.de/interessenbekundungsverfahren/ (18.03.2005)

[11] Abschlussbericht der Internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“, Die Empfehlungen mit Begründung und Erläuterung (18.01.2002), I. 1. - I. 9. Veröffentlicht in: Der Schlossplatz in Berlin, Bilanz einer Debatte. Hrsg.: Hannes Swoboda, Berlin 2002, S. 135-171 oder unter http://www.bmvbw.de/Anlage9105/Abschlussbericht-der-Internationalen-Expertenkommission.pdf (18.03.2005).

[12] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 30.

[13] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 29.

[14] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 32 (Minderheitsvotum).

[15] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I.33 und II. 3.3.1.

[16] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002,I. 32.

[17] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 2.2.

[18] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 3.3.2.

[19] Eisentraut 2002, S. 107.

[20] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 14.

[21] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 3.3.1.

[22] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 34.

[23] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 16, I. 17, II. 2.3

[24] Meuser, Philipp: Schlossplatz 1, Vom Staatsratsgebäude zum Bundeskanzleramt. Berlin 1999, S. 31-32.

[25] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 2.5.

[26] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 2.5.

[27] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 2.6.

[28] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 25, I. 26, II. 2.7.

[29] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 27, II. 2.8.

[30] Deutscher Bundestag: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien. 14. Wahlperiode, Drucksache 14/9660, 2.7.2002. Veröffentlicht in: Der Schlossplatz in Berlin, Bilanz einer Debatte. Hrsg.: Hannes Swoboda, Berlin 2002, S. 172-173.

[31] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, I. 36, II. 3.5.

[32] http://www.berliner-schloss.de/start.php?navID=121&typ=main&PHPSESSID=f57b52f09cbfbda473bbaafa224bf902 (21.03.2005)

[33] http://www.berliner-schloss.de/start.php?navID=135 (21.03.2005)

[34] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 3.3.3.

[35] Abschlussbericht „Historische Mitte Berlin“, 2002, II. 3.3.3.

[36] Niebuhr, Bernd: Spreeinsel, Berlin, 1994. In: Centrum, Jahrbuch Architektur und Stadt 1994, S. 200-201.

[37] Hauptstadt Berlin, Stadtmitte Spreeinsel, S. 48.

[38] Dieckmann, Friedrich: Schloss, Palast, Humboldt-Forum – Anmerkungen zu einem Votum. In: Der Schlossplatz in Berlin, Bilanz einer Debatte. Hrsg.: Hannes Swoboda, Berlin 2002, S. 92.

[39] Niebuhr: Spreeinsel, Berlin, 1994, S. 200.

[40] Hauptstadt Berlin, Stadtmitte Spreeinsel, S. 48.

[41] Hauptstadt Berlin, Stadtmitte Spreeinsel, S. 50.

[42] Meuser: Schlossplatz 1, 1999, S. 63

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Die Schlossplatzdebatte, Entwürfe zur Gestaltung des Berliner Schlossplatzes
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Kunsthistorisches Institut)
Veranstaltung
Das Berliner Schloss
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
59
Katalognummer
V41160
ISBN (eBook)
9783638394864
Dateigröße
3025 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schlossplatzdebatte, Entwürfe, Gestaltung, Berliner, Schlossplatzes, Berliner, Schloss
Arbeit zitieren
Patricia Weckauf (Autor:in), 2005, Die Schlossplatzdebatte, Entwürfe zur Gestaltung des Berliner Schlossplatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41160

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