Die Richterwahlen am Bundesverfassungsgericht: Ist eine Revision der personellen Besetzung dieses Verfassungsorgans erforderlich und welche Maßnahmen sind sinnvoll?


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht
2.1 Formale Regelungen für die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht
2.1.1 Persönliche Voraussetzungen für die Wählbarkeit
2.1.2 Amtszeit
2.1.3 Wahlverfahren
2.1.3.1 Vorschlagslisten
2.1.3.2 Bundestag
2.1.3.3 Bundesrat
2.1.3.4 Besondere Fälle
2.1.4 Ernennung, Vereidigung und vorzeitige Entlassung
2.2 Informelles Vorgehen für die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht
2.2.1 Die Notwendigkeit für ein informelles Vorgehen bei den Richterwahlen
2.2.2 Das „Clearing“
2.2.3 Parteiinterne Kandidatensuche
2.2.4 Kandidatenkür zwischen den Parteien

3 Kritik, mögliche Verbesserungen und Fazit
3.1 Kritik am Modus der Richterwahlen
3.2 Bewertung von Verbesserungsvorschlägen für die Richterwahlen
3.3 Fazit

4 Literaturverzeichnis

1 Einführung

Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Status eines Verfassungsorgans genießt, es sich eines äußerst hohen Vertrauens in der Bevölkerung erfreut[1] und eine wichtige Rolle im Dreieck von Exekutive, Legislative und Judikative einnimmt, ist über seine Wahl und die Abläufe welche hinter der Besetzung der Karlsruher Richterposten sitzen in der Bevölkerung wenig bekannt. Die nur wenig interessierten Massenmedien tragen hierzu sicherlich einen Teil bei.[2]

Da der personellen Besetzung eines Verfassungsorgans in einem politischen System aber eine hohe Wichtigkeit zukommt, ist es für die Politikwissenschaft geboten, sich mit den gesetzlichen Bestimmungen für die Richterwahl und der gängigen Wahlpraxis zu beschäftigen. Während einer solchen Auseinandersetzung mit der Wahl der Verfassungsrichter drängen sich schon bald Kritikpunkte zum Verfahren und dem politischen Umgang mit den das Verfahren regelnden Normen auf.

Mit Blick auf diese Kritikpunkte sollen in dieser Arbeit zuerst die formalen Regelungen zur Richterwahl, also die zutreffenden Bestimmungen im Grundgesetz (GG) und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) betrachtet werden. Da dieser gesetzlich geregelte Vorgang aber von den Parteien durch ein informelles Verfahren ergänzt und teilweise ersetzt wurde, ist es unabdingbar auch dieses einer Untersuchung zu unterziehen.

Nach der Beschreibung der beiden Teile der Richterwahl folgt eine kritische Betrachtung des Vorgehens und der bestehenden Normen. Auf diese Kritik aufbauend, und sie um einen konstruktiven Part erweiternd, werden anschließend einige Reform- und Verbesserungsvorschläge erläutert und einer Bewertung unterzogen, um der Antwort auf die Frage nachzugehen, ob eine Reform der Wahl der Bundesverfassungsrichter nötig ist und welche Maßnahmen dieser Neugestaltung eine sinnvolle Weiterentwicklung der aktuellen Regelungen darstellen.

2 Die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht

2.1 Formale Regelungen für die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht

Der für die Inhalte des GG verantwortliche Parlamentarische Rat traf nur einige sehr wenige Bestimmungen über die Zusammensetzung des BVerfG. Im Art. 94 Abs. 1 GG ist lediglich die Unvereinbarkeit des Richteramtes mit der Zugehörigkeit zur Legislative oder Exekutive des Bundes oder eines Bundeslandes festgeschrieben. Ebenso ist in diesem Artikel aufgeführt, dass die Richter je zur Hälfte vom Bundestag und Bundesrat gewählt werden und dass das BVerfG aus „Bundesrichtern und anderen Mitgliedern“[3] besteht. Weiterführende, detaillierte Regelungen überließen die Väter des GG dem Gesetzgeber. Mit dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) füllte dieser im Jahr 1951 die Lücken, die das GG ließ aus und traf in den §§ 3-12 Regelungen für die personelle Besetzung der Richterämter am BVerfG.[4] Diese formalen Regelungen für die Wahl der Bundesverfassungsrichter werden in den folgenden Abschnitten behandelt.

2.1.1 Persönliche Voraussetzungen für die Wählbarkeit

Im § 3 BVerfGG sind die Voraussetzungen für die Wählbarkeit geregelt. Hierbei wird noch einmal die Unvereinbarkeit mit Legislative und Exekutive aus dem GG aufgegriffen. Für den Fall der Zugehörigkeit zu einem dieser Organe ist das Ausscheiden aus diesem vorgesehen. Darüber hinaus regelt der Gesetzgeber im selben Paragraphen weitere Details. So müssen Richter am BVerfG für den Deutschen Bundestag wählbar sein, schriftlich ihr Einverständnis zur Wahl erklärt haben und zur Ausübung eines Richteramtes nach dem Deutschen Richtergesetz befähigt sein. Fischer erläutert ergänzend, dass für Richter aus dem Gebiet der ehemaligen DDR die Qualifikation als Diplomjurist ausreichend ist.[5] Die einzige, wenn auch untergeordnete Nebentätigkeit, die ein Richter am BVerfG ausüben darf, ist die eines Hochschullehrers, andere Tätigkeiten sind ihm untersagt. Als Mindestalter für die Richtertätigkeit ist das vollendete 40. Lebensjahr vorgesehen, das Höchstalter wird im folgenden Paragraphen auf 68 festgesetzt.

Im § 2 ist zusätzlich geregelt, dass drei Richter je Senat zuvor an einem obersten Bundesgericht tätig gewesen sein müssen, von der nicht verpflichtenden 3-jährigen Tätigkeit an diesem Gericht wird in Ausnahmefällen aber abgewichen.[6]

2.1.2 Amtszeit

Nachdem es in der Anfangszeit des BVerfG abweichende Regelungen, wie etwa unterschiedliche Amtsdauer oder eine mögliche Wiederwahl gab, wählte der Gesetzgeber später eine einheitliche Amtsdauer für die Richter.[7] So werden alle Richter nach § 4 BVerfGG für eine Dauer von zwölf Jahren gewählt, eine etwaige Wiederwahl ist ausgeschlossen. Von dieser Regelung unberührt bleibt die Regelung für das Höchstalter der Richter, sie scheiden zu Monatsende nach ihrem
68. Geburtstag aus dem Amt aus. Eine Fortführung des Amtes über die Amtszeit hinaus ist nur für die Zeit bis zur Ernennung des Nachfolgers vorgesehen.

2.1.3 Wahlverfahren

Wie oben bereits erwähnt sieht das GG vor, dass Bundestag und Bundesrat je die Hälfte der Richter am BVerfG wählen. Diese Regelung nimmt auch § 5 Abs. 1 BVerfGG wieder auf. Hier ist ebenfalls geregelt, dass der Bundestag zwei der Bundesrichter in einem Senat und einen im anderen Senat wählt, der Bundesrat übernimmt jeweils die Wahl der komplementären Bundesrichter. Auch die Wahl der restlichen fünf Richter je Senat wird auf diese Weise zwischen den beiden Organen aufgeteilt. Bei Ausscheiden eines Richters ist nach Absatz 2 jeweils das Organ für die Neuwahl zuständig, welches den ausscheidenden Richter in das BVerfG gewählt hatte. Auch die Wahl des Präsidenten und dessen Stellvertreter, welche aus unterschiedlichen Senaten stammen müssen, teilen sich der Bundesrat und der Bundestag auf und wechseln sich in deren Wahl ab.[8]

In welcher Weise das BVerfGG die nur sehr vagen Vorgaben des GG zu den Wahlverfahren innerhalb beider Organe komplettiert, soll in den nächsten Punkten erläutert werden.

2.1.3.1 Vorschlagslisten

Um einen Überblick über alle möglichen Kandidaten für das Amt eines Richters am BVerfG zu ermöglichen, werden Listen mit allen möglichen Kandidaten geführt. Für die Erstellung dieser Listen ist das Bundesministerium der Justiz verantwortlich. In einer ersten Vorschlagsliste führt das Ministerium alle Bundesrichter auf, welche die Voraussetzungen zur Wahl erfüllen. In einer zweiten Liste werden alle Personen zusammengefasst, die von einer Bundestagsfraktion oder einer Regierung auf Bundes- oder Landesebene für das Amt vorgeschlagen werden und die Voraussetzungen erfüllen. Beide Listen werden laufend ergänzt und spätestens eine Woche vor der Wahl an den Präsidenten des entsprechenden Wahlorgans weitergeleitet.[9]

In der Praxis besitzen beide Liste aber wohl eine eher untergeordnete Bedeutung.[10]

2.1.3.2 Bundestag

Obgleich das GG klar vorsieht, dass die „Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes […] je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt“[11] werden, weicht das BVerfGG von dieser Regelung ab. Nach seinen Bestimmungen werden die „vom Bundestag zu berufenden Richter […] in indirekter Wahl gewählt.“[12] Im wertenden Teil dieser Arbeit wird dieses Missverhältnis noch umfangreicher behandelt, die Ausgestaltung dieser indirekten Wahl soll aber hier beschrieben werden.

Zur Durchführung dieser indirekten Wahl bildet der Bundestag einen Wahlausschuss[13] aus zwölf Bundestagsmitgliedern. Zur Wahl dieses Ausschusses darf jede Fraktion einen Wahlvorschlag (Liste) einbringen. Die Mitglieder des Wahlausschusses werden nun nach dem Verhältniswahlsystem gewählt und durch das Verfahren nach d´Hondt ermittelt. Bei Ausscheiden oder Verhinderung eines Mitglieds rückt das nächste auf der Liste vorgeschlagene Mitglied nach. Nachdem der Älteste im Wahlausschuss den Wahlfrauen und Wahlmännern – unter Beachtung der Wochenfrist – einberuft, wählen diese die Richter. Gewählt wird mit einer 2/3-Mehrheit, was einer Summe von acht Stimmen entspricht. Die Mitglieder des Wahlausschusses sind zu Verschwiegenheit verpflichtet.[14]

[...]


[1] Vgl. Lamprecht, Rolf: Vom Mythos der Unabhängigkeit: Über das Dasein und Sosein der deutschen Richter, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 19962, S. 71.

[2] Vgl. Geck, Wilhelm Karl: Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1986, S. 33.

[3] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 mit Ergänzungen und Änderungen bis 1. Mai 2003, Art. 94 Abs. 1.

[4] Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) in der Fassung vom 22. August 2002.

[5] Vgl. Fischer, Claudia: Die Bestellung der Verfassungsrichter, in: Großfeld, Bernhard/Roth, Herbert (Hrsg.): Verfassungsrichter. Rechtsfindung am U.S. Supreme Court und am Bundesverfassungsgericht, Münsteraner Studien zur Rechtsvergleichung, Münster 1995, S. 73.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. § 9 Abs. 1 BVerfGG.

[9] Vgl. § 8 BVerfGG.

[10] Vgl. Geck: S. 22.

[11] Art. 94 Abs.1 GG.

[12] § 6 Abs. 1 BVerfGG.

[13] In älteren Publikationen ist auch der Begriff „Wahlmännerausschuss“ zu finden, der geschlechtsneutrale Begriff „Wahlausschuss“ wurde durch eine Novellierung eingeführt.

[14] Vgl. § 6 BVerfGG.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Richterwahlen am Bundesverfassungsgericht: Ist eine Revision der personellen Besetzung dieses Verfassungsorgans erforderlich und welche Maßnahmen sind sinnvoll?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Verfassungsgerichtsbarkeit und politisches Prozess
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V40950
ISBN (eBook)
9783638393355
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Richterwahlen, Bundesverfassungsgericht, Revision, Besetzung, Verfassungsorgans, Maßnahmen, Proseminar, Verfassungsgerichtsbarkeit, Prozess
Arbeit zitieren
Diplom-Politologe Martin H. Hetterich (Autor:in), 2005, Die Richterwahlen am Bundesverfassungsgericht: Ist eine Revision der personellen Besetzung dieses Verfassungsorgans erforderlich und welche Maßnahmen sind sinnvoll?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40950

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Richterwahlen am Bundesverfassungsgericht: Ist eine Revision der personellen Besetzung dieses Verfassungsorgans erforderlich und welche Maßnahmen sind sinnvoll?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden