Die Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung bei Luhmann veranschaulicht an der Organisation des Gefängnisses


Seminararbeit, 2003

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1. Kurze Geschichte des Strafvollzugs

2. Begriff der Prisonisierung

3. Zusammenfassung einer Gefängnisforschung über den offenen Strafvollzug: Die Strafanstalt Saxerriet
3.1. Zielkatalog für das Zusatzprogramm
3.2. Gründe der Leistungsschwäche und Delikte der Teilnehmer des Zusatzprogramms
3.3. Klassifizierungen bestimmter Typen in der Strafanstalt
3.4. Erwerbstätigkeit im Gefängnis als Abbild zur Realität
3.5. Auswirkungen des Zusatzprogramms
3.6. Bedingungen an das Zusatzprogramm um eine erfolgreiche Organisation zu gewährleisten

4. Die Organisation Gefängnis veranschaulicht anhand Luhmanns Systemtheorie
4.1. Die Begriffe Zweck und Systemrationalität bezogen auf die Strafanstalt Saxerriet
4.2. Zweckprogrammierung
4.3. Kausalität
4.4. Motivation
4.5. Selbstzweck der Angestellten
4.6. Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

EINLEITUNG

Diese Hausarbeit schreibe ich auf Grundlage des Systemtheorie Seminars von Prof. Kieserling mit dem Titel: „Handlung, Zweck, System“.

Das Seminar verstand sich als Lektürekurs zu Luhmanns Buch „Zweckbegriff und Systemrationalität“. Ich möchte mich mit dem Buch insofern näher befassen, indem ich mich mit der Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung auseinandersetze. Dieses Thema möchte ich in meiner Arbeit anhand der Organisation des Gefängnisses erläutern. Dafür liegt mir eine Gefängnisforschung von Christoph Maeder zu Grunde, die sich mit dem offenen Strafvollzug in der Kantonalen Strafanstalt Saxerriet beschäftigt. Anhand dieser Forschung möchte ich die Begrifflichkeiten, die Luhmann in seinem Werk zum Zweckbegriff verwendet, veranschaulichen. Ich möchte das Gefängnis als System auffassen, dass sich über Zwecke definiert.

Im ersten Teil meiner Arbeit gebe ich einen kurzen Überblick über die Geschichte des Strafvollzugs. Dann möchte ich den Begriff der Prisonisierung erläutern, weil die gesamte Rehabilitationsforschung eng mit ihm verknüpft ist.

Schließlich möchte ich eine Zusammenfassung über die Forschung in Saxerriet verfassen, um danach Luhmanns Begrifflichkeiten zu Organisationen veranschaulichen zu können. Dann werde ich mich ausführlich mit der Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung bezogen auf die Gefängnisforschung von Maeder auseinandersetzen.

1. Kurze Geschichte des Strafvollzugs

Die Geschichte des Strafvollzugs ist eng verknüpft mit der Entwicklung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Sehr frühe Inhaftierungen sahen vor, die Straftäter in Kerker wegzusperren um sie dort auf ihre Hinrichtung vorzubereiten.

Im 17. Jahrhundert gab es viel Armut. Vor allem in den Städten wurde das zum Problem. Es entstanden sogenannte Zucht- und Arbeitshäuser. Hier steht der Sozialisationsaspekt und nicht die Verwahrung im Vordergrund. Der Insasse ist zu Arbeit verpflichtet.

Dieser Gedanke findet im 19.Jahrhundert keine Berechtigung mehr. Im Sinne des liberalen Rechtsstaats werden Straftäter eingesperrt und ihre Inhaftierung stellt auch einen Zweck als Abschreckung dar.

Dieser Wandel des Zwecks ließ auch das Aussehen von Gefängnissen verändern. War doch das Zucht- und Arbeitshaus eine fabrikähnliche Organisation, so wurde das Gefängnis in mehrere Zellenhäuser gegliedert. Es gab keine erwerbswirtschaftlich orientierte Produktion mehr, sondern es wurde die Zwangsarbeit, die zum Teil völlig nutzlose Arbeit vorsah, eingeführt.

Erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden allmählich Änderungen vollzogen.

Vor allem in Deutschland und der Schweiz kommt der Resozialisierungsgedanke wieder auf. In der Schweiz werden sozialpädagogische Vollzugskonzepte eingeführt und Reformen in Deutschland setzen die Sozialtherapie durch. (Keller 1998:2)

2. Begriff der Prisonisierung

Die Anstaltsmitarbeiter verfolgen dieselben Zwecke wie die Organisation Gefängnis auch verfolgt – nämlich Bewachung, Kontrolle und Resozialisierung der Insassen. Dennoch verfolgen sie auch andere Zwecke und zwar ihre eigenen. Denn sie sind Angestellte, die ihren Berufsalltag zufriedenstellend meistern wollen.

„Der Begriff der Prisonisierung bezeichnet die Normen und Verhaltenscodes, denen Insassen zur Bewältigung der mit der Inhaftierung verbundenen Anpassungsprobleme folgen.“ (Ortmann 1993:402)

Die Geschichte der Prisonisierungsforschung beginnt mit einer Arbeit von Hans Reimer über die Sozialisation in Gefängnissen 1937. Er beschrieb damals eine Insassenkultur, die er mit ausdrucksstarken Klassifizierungen umschrieb. Er kreierte aussagekräftige Typen und sprach z.B. von „Gorilla“ oder von „richtigen Männern“. Mit Gorilla meinte er die Personen, die sich mittels Gewalt im Gefängnis durchsetzen. Unter „richtigen Männern“ versteht er jene, die sich solidarisch zu ihren Mithäftlingen verhalten. (Ortmann 1993:402)

Aus diesen Grundüberlegungen entstanden in der Gefängnisforschung mehrere Klassifizierungen von Insassen. In der funktionalistischen Forschung haben sich zwei theoretische Hauptrichtungen herauskristallisiert.

„Die erste, funktionalistische Theorie erklärt die Insassenkultur als „Gefängniskultur“ oder „Insassenkultur“, die vollständig aus der Funktion, Struktur und Gestaltung der Gefängnisse zu verstehen sei.“ (Ortmann 1993:402)

Eine zweite Theorierichtung geht aus der Arbeit von Irwin und Cressey (1963) hervor.

„Ihre „kulturelle Übertragungstheorie“ besagt, dass die spezifischen Anpassungsmuster der Insassen an die deprivierenden Haftbedingungen weitgehend übereinstimme mit den Verhaltensmustern, Normen und Maximen der Kultur der Unterschicht im allgemeinen und der „kriminellen Kultur“ im besonderen.“ (Ortmann 1993:403)

Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine Resozialisierung nur erfolgen kann, wenn man sich nicht nur auf die Behandlungsforschung, sondern auch auf die Prisionierungsforschung konzentriert. Denn „der Effekt des gesamten Strafvollzugs auf Resozialisierung und Rückfall muss untersucht werden.“ (Ortmann 1993:408)

3. Zusammenfassung einer Gefängnisforschung über den offenen Strafvollzug: Die Strafanstalt Saxerriet

Ich möchte mich im folgenden Teil meiner Arbeit auf eine Gefängnisforschung von Christoph Maeder beziehen, die er und andere in der kantonalen Strafanstalt Saxerriet durchgeführt haben. Es ist eine ethnographische Forschung, die sich über vier Jahre erstreckte.

Die Strafanstalt Saxerriet ist für die Methode des offenen Strafvollzugs bekannt. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass die Insassen nicht eingesperrt sind, sondern sich innerhalb des Gebäudes frei bewegen können. Sie werden nur nachts eingesperrt, oder als Disziplinarmaßnahme. Die Insassen arbeiten untertags in Erwerbsbetrieben. Sie haben also einen typischen Alltag, wie ihn Erwerbstätige außerhalb der Organisation auch nachgehen.

Maeder widmet sich in seiner Forschung vor allen denen, die aufgrund von psychischen und medizinischen Faktoren nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten können. Für diese Gruppe wurde eine neue Art der Beschäftigung konzipiert. Es wurde als „Zusatzprogramm für leistungsschwache Insassen“ betitelt, „das für diese Zielgruppe an den Werktagsnachmittagen eine besondere Beschäftigung unter gestalterisch, pädagogisch und/oder therapeutisch ausgebildeter Leitung vorsieht“. (Maeder 1997:9)

3.1. Zielkatalog für das Zusatzprogramm

Es gab einen Zielkatalog, der festlegte, was mit dem Zusatzprogramm erreicht werden sollte.

Folgende Ziele wurden dabei festgelegt:

"a) das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Gefangenen sollen erhöht

werden;

b) die Integration der 'leistungsschwachen Insassen' in die Insassengemeinschaft der Anstalt soll gefördert werden;

c) die Trag- und Leistungsfähigkeit der Anstalt soll erweitert werden." (Salez 1991:3)

Maeder war mit der Evaluation der Forschung betreut und hat einen umfangreichen Methodenkatalog angewendet. Er bediente sich qualitativen Methoden wie: Beobachtungen, Interviews, Expertengesprächen, Gruppendiskussionen und Rückmeldungsrunden, Dokumentenanalysen. Er setzte am Ende aber auch standardisierte Fragebögen ein.

An der Forschung waren involviert: „die Teilnehmer am Zusatzprogramm, nahezu alle Betreuer und BetreuerInnen des Zusatzprogramms einschließlich deren (ursprünglicher) Supervisor, die Leitung und stellvertretende Leitung des Zusatzprogramms, die gesamte Anstaltsleitung, diverse Verantwortliche aus dem übrigen Leitungskreis des Saxerriet, einige Werkmeister der anstaltseigenen Betriebe, der Anstaltsarzt und -psychiater, diverse Insassen des Normalvollzuges (u.a. auch Vertreter des Insassenrates).“ (Maeder 1997:16)

Das Programm sah ein verringertes Arbeitspensum für die schwächeren Insassen vor, außerdem wurden die Insassen am Nachmittag pädagogisch betreut. (Maeder 1997:19)

Das Betreuungspersonal wurde psychologisch geschult und hatte Erfahrung mit der Arbeit im sozialen Feld.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung bei Luhmann veranschaulicht an der Organisation des Gefängnisses
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
SE Seminar aus Systemtheorie. Handlung, Zweck, System
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V40853
ISBN (eBook)
9783638392679
ISBN (Buch)
9783640386154
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Widersprüchlichkeit, Zwecksetzung, Luhmann, Organisation, Gefängnisses, Seminar, Systemtheorie, Handlung, Zweck, System
Arbeit zitieren
Mag. B.A. Priska Lautner (Autor:in), 2003, Die Widersprüchlichkeit der Zwecksetzung bei Luhmann veranschaulicht an der Organisation des Gefängnisses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40853

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