Sollten die Entwicklungsländer im GATT (WTO) eine Sonderbehandlung erfahren?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vom GATT zur WTO
2.1 Entstehung des GATT
2.2 Grundprinzipien und Ziele des GATT
2.3 WTO- die Uruguay-Runde und danach
2.4 Sonderrechte der Entwicklungsländer im GATT (WTO)
2.5 Grundidee hinter der Sonderbehandlung

3. Nutzen und Kostenbilanz der Sonderbehandlung
3.1 Art. XVIII: Freihandel versus Protektionismus
3.2 Entbindung vom Prinzip der Reziprozität: ein wirklicher Vorteil?
3.3 Präferenzsysteme: eine Diagnose

4. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1947 waren 11 der 23 Vertragsländer des GATT Entwicklungsländer (EL). Heute im Jahr 2005 sind circa 100 der 147 Mitglieder der WTO Entwicklungsländer. Dabei belegt der starke Anstieg der teilnehmenden Entwicklungsländer die hohe Attraktivität des Abkommens bzw. der Organisation. Diese Attraktivität ist auch auf die vom GATT gewährten Sonderrechte für EL zurückzuführen. Im Folgenden soll nun erörtert werden, ob und in wie- fern diese Sonderbehandlung einen Nutzen für die EL stiften, und ob es für sie erstrebenswert ist, dass diese ihnen unter allen Umständen zugestanden werden. Kapitel 2 erklärt hierfür die Entstehung, die Bestandteile sowie die Prinzipien von GATT und WTO, und geht ausführlich auf die bestehenden Sonderrechte und ihre Hintergründe ein. In Kapitel 3 werden die wesentlichen Sonderrechte der EL auf ihren ökonomischen und politischen Nutzen hin untersucht. Eine Schlussfolgerung der zusammengetragenen Informationen erfolgt schließlich in Kapitel IV.

2. Vom GATT zur WTO

2.1 Entstehung des GATT

Die Geschichte des GATT geht bis auf das Jahr 1941 zurück, in dem sich die Alliierten innerhalb der sogenannten „Atlantik-Charta“ darauf einigten, in der Nachkriegszeit ihren Fokus auf die Bekämpfung von protektionistischen Tendenzen zu richten. Neben der darauffolgenden erfolgreichen Gründung des IWF und der Weltbank, sollte als dritte Institution zur Festigung der Weltwirtschaftsordnung die ITO errichtet werden. Zurückzuführen ist dieses Vorhaben auf die von den USA vorgeschlagenen „Proposals for Expansion of World Trade and Employment“, welche im März 1948 als Grundlage für die von 54 Staaten unterzeichnete „Havanna Charter for an International Trade“ dienten. Bestimmungen dieser Charter waren neben dem Abbau von Einführzöllen auch solche zur Beschäftigung, wirtschaftlicher Entwicklung, Wiederaufbau und der Handelspolitik, zu restriktiven Handelsmaßnahmen, zwischenstaatlichen Produktabkommen, wie auch zur Errichtung einer Internationalen Handelsorganisation. Ziel dieser Bestimmungen sollte die Eindämmung von privaten Wettbewerbsbeschränkungen sein sowie die Schaffung eines günstigen Umfeldes für ausländische Direktinvestitionen. Das GATT an sich war eigentlich nur ein Teilabkommen, welches Bestandteil der ITO werden sollte. Am 1. Januar 1948 trat das GATT, welches nur wenige institutionelle Bestimmungen beinhaltete, in Kraft. Die ITO blieb jedoch nur ein theoretisches Konstrukt, da die Havanna Charter sich ausgerechnet im US-Kongress einer starken Ablehnung ausgesetzt sah. Infolgedessen scheiterten die Bemühungen um eine internationale Handelsorganisation, und auf das GATT mit seinem deutlich reduzierten Regelumfang und seiner weitaus geringeren institutionellen und organisatorischen Basis kam die historische Aufgabe zu, das erste multilaterale Handelsabkommen zu sein. Zu den damaligen Vertragsparteien gehörten auch 11 Entwicklungsländer (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 7 ff., Senti (1986) S. 10 ff.; Srinivasan (2000), S. 8 ff.).

2.2 Grundprinzipien und Ziele des GATT

a) Ziele des GATT

Die Ziele des GATT, die auch in der Präambel aufgezählt werden, sollen für dessen Mitglieder folgendermaßen aussehen: Verwirklichung der Vollbeschäftigung, ein hohes und kontinuierlich steigendes Realeinkommen, die Erhöhung des Lebensstandards sowie die gänzliche Erschließung der Hilfsquellen der Welt und die Steigerung der Produktion und des Austauschs von Waren. Als Motor für diese ambitionierten Ziele, speziell für wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung wurde der internationale Handel angesehen, in dem das GATT hauptsächlich zum Tragen kommen sollte (vgl. Glissmann et al. (1986), S. 96 f.).

b) Prinzipien des GATT

Da das GATT keine internationale Organisation darstellt, sondern nur ein multilaterales Abkommen ist, können die Prinzipien des GATT höchstens als handelspolitischer Verhaltenskodex angesehen werden. Dabei sollen die Prinzipien zum Erreichen der gesteckten Ziele beitragen. Diese wesentlichen Prinzipien des GATT hierfür sind:

b1) Prinzip der Nicht-Diskriminierung

Das Prinzip der Meistbegünstigung (MFN-Clause) besagt, dass jeder Vertragspartner, der mit einem anderem Land Handelsvorteile oder Begünstigungen aushandelt, diese „unverzüglich und bedingungslos“ auch allen anderen Vertragspartnern des GATT zu gewähren hat. Damit wird z.B. auch gewährleistet, dass bilaterale Zollvergünstigungen multilateral wirksam werden. Das Prinzip der Meistbegünstigung ist jedoch lediglich auf den Güterhandel bezogen, FDI und Dienstleistungen bleiben außen vor. Zum Prinzip der Nicht-Diskriminierung gehört auch das Prinzip der Inländerbehandlung, welches sicherstellen soll, dass nach überschreiten der Zollgrenze die importierten Güter gleich behandelt werden wie die konkurrierenden inländischen Güter (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 11 f.).

b2) Prinzip des Freihandels

Im GATT-Vertrag ist festgelegt, dass handelshemmende Maßnahmen auf Zölle, Abgaben und sonstige Belastungen einzugrenzen sind (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 17). Die Vertragsparteien verpflichten sich nach Artikel II, Absatz 1b, die für sie ausgehandelten gebundenen Zölle nicht über das vorgeschriebene Niveau hinaus anzuheben (vgl. Senti (1986), S. 137 f.). Nach Artikel III, VIII und XI sind alle NTHH grundsätzlich verboten, dies gilt insbesondere für mengenmäßige Beschränkungen, die besonders diskriminierend und handelshemmend wirken. Jedoch sind diese generellen Verbote durch einige Ausnahmen beschränkt (vgl. Senti (1986), S. 145; Hauser/Schanz (1995), S. 20).

b3) das Prinzip der Reziprozität

Jenes Prinzip fordert gleichwertige Gegenleistungen von Vertragsländern, welche durch Liberalisierungsmaßnahmen anderer Vertragsländer begünstigt werden. Das Regelwerk des GATT versucht damit, die anhand eines Zollabbaus entstehenden Probleme eines Landes mit einer nahezu ebenbürtigen Gegenleistung der Partnerstaaten und einer daraus resultierenden Exportsteigerung zu entschädigen (vgl. Frenkel/Bender (1996), S. 122; Senti (1986), S. 63 ff.).

2.3 WTO- die Uruguay-Runde und danach

Ausgangspunkt der Entstehung der WTO ist die achte Welthandelsrunde im Rahmen des GATT, die im September 1986 in Punta del Este (Uruguay) einberufen wurde. Schon 1980 wurde seitens der USA die Forderung nach einer neuen Verhandlungsrunde laut, da die 1979 abgeschlossene Tokio-Runde allgemeine Unzufriedenheit hervorgerufen hatte (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 50). So konnte sie weder der Erosion der Weltwirtschaftsordnung, sprich dem Aufkommen nicht-tarifärer und diskriminierender Formen des Protektionismus Einhalt gebieten, noch den Entwicklungsländern ein zufriedenstellendes Ergebnis liefern. Die Sonderrechte (auf die unter 2.4 noch genauer eingegangen wird), die ihnen innerhalb des GATT zugesprochen wurden, waren durch diverse Ausnahmen und Schutzklauseln zugunsten der IL faktisch wertlos (vgl. Beise (2001), S. 64). Folglich war die Uruguay-Runde die erste Runde, bei der sich die EL aktiv an den Verhandlungen beteiligten. Dabei sollten solche, für die EL wichtigen Themen, wie der Agrar- und der Textilsektor verstärkt in den Fokus der Verhandlungen gerückt werden (vgl. Hamilton/Whalley (1995), S. 32). Am 15. Dezember wurde ein für alle tragbarer Kompromiss gefunden, der dazu führte, dass nach siebenjährigem hin und her die Uruguay-Runde erfolgreich abgeschlossen wurde. 4 Monate später, am 15. April 1994 kam es dann zur Ratifizierung der neuen Welthandelsordnung in Marrakesch (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 52). Von den 123 Unterzeichnerstaaten waren allein 89 wirtschaftlich schwache Länder (vgl. Senti (1994), S.23). Zu den wichtigsten Neuerungen, die neben dem GATT-Vertrag von 1947 die Grundlage der neuen Welthandelsordnung bilden, gehören die ausgehandelten Zollsenkungen und 5 weitere Bereiche:

1) der Güterhandel: dort wurden Bestimmungen zu technischen Handelshemmnissen, zu Subventionen und zu Anti-Dumping-Maßnahmen präzisiert. Außerdem wurden der Agrar- und Textilsektor in das multilaterale System integriert.
2) TRIMs-Abkommen: handelsbezogene Investitionsmaßnahmen werden in das Nicht-diskriminierungsgebot des GATT eingebettet.
3) GATS-Abkommen: mit dem allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen soll dieser dadurch ähnlich liberalisiert werden wie der Güterhandel durch das GATT.
4) TRIPs-Abkommen: das Übereinkommen zum Schutz des geistigen Eigentums soll vor den handelsverzerrenden Folgen von unzureichendem geistigen Eigentumsschutz bewahren.
5) Streitschlichtungsverfahren: Er soll bilaterale handelspolitische Streitigkeiten multilateral schlichten (vgl.Liebig , S. 6).

Mittelpunkt des WTO- Abkommens ist unbestritten der “Single-Package-Ansatz“. Anstelle des „GATT à la carte“ der Tokio-Runde sind nun alle GATT-Mitglieder verpflichtet auch sämtliche Abkommen der Uruguay-Runde anzunehmen und sind damit nicht mehr in der Lage, nur das für sie Vorteilhafte herauszugreifen (vgl. Hauser/Schanz (1995), S. 56).

2.4 Sonderrechte der Entwicklungsländer im GATT (WTO)

Eine erste Einbindung der Entwicklungsländer in das System, nachdem 1947 die Entwicklung der „dritten Welt“ nicht explizit in die GATT-Verträge aufgenommen worden war, erfolgte 1955. Dieser erste entscheidende Schritt war die Modifizierung des Artikel XVIII, mit dem es den EL möglich ist, Schutz- und Importmaßnahmen zu ergreifen (vgl. Fukasaku (2000), S. 3). Nach Abschnitt A des Artikels XVIII können EL eigenmächtig und nach eigenem Ermessen die gebundenen Zölle ändern, um damit sogenannte „Infant-Industries“, d.h. im Aufbau befindliche Industrien, Schutz zu gewähren. Teil B erlaubt den EL speziell auch mengen- und wertmäßige Beschränkungen zu ergreifen, wenn Zahlungsbilanzschwierigkeiten seitens der EL vorliegen. In Teil C und D des Artikels XVIII ist es den EL gestattet, quantitative Restriktionen wie z.B. Importquoten anzuwenden, um damit ein weiteres Werkzeug zur Verfügung zu haben, junge Industrien zu schützen. (vgl. Whalley (1999), S. 1066 ff. ). Zur gleichen Zeit wurde jedoch in den 50er Jahren der Agrarsektor aus dem GATT und somit von den GATT-Prinzipien ausgeklammert. Folglich standen Agrarexportsubventionen und mengenmäßigen Beschränkungen wieder alle Tore weit offen. Hat man mit dem Artikel XVIII den EL eventuell einen gewissen Vorteil ermöglicht, so wurde mit der Herausnahme des Agrarhandels, in dem die EL meist komparative Vorteile gegenüber IL besitzen, ein gewichtiger Nachteil für die EL geschaffen (vgl. Minhorst (1998), S. 176 f.).

Der Einfluss der EL nahm 1964 aufgrund der Gründung, der von ihnen einberufenen UNCTAD zu. Ziel der UNCTAD war die Schaffung einer „New International Economic Order“ (NIEO). Der Inhalt dieser NIEO enthielt mehrere Forderungen zugunsten der EL. Die wesentlichen Argumente, auf denen diese Forderungen aufbauten, waren:

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Sollten die Entwicklungsländer im GATT (WTO) eine Sonderbehandlung erfahren?
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1.3
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V40729
ISBN (eBook)
9783638391764
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sollten, Entwicklungsländer, GATT, Sonderbehandlung
Arbeit zitieren
Michael Gerlach (Autor:in), 2005, Sollten die Entwicklungsländer im GATT (WTO) eine Sonderbehandlung erfahren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40729

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