Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern. Ein situationsspezifisches Gruppentraining

Entwicklung, Durchführung und Evaluation


Bachelorarbeit, 2005

87 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

TABELLENVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern
2.1 Die Prävention
2.2 Die Organisation des Gruppentrainings
2.3 Die Gruppe
2.4 Der situationsspezifische Ansatz
2.5 Erfahrungen im Gruppentraining

3 Die Evaluation
3.1 Die Methode der Stimmfeldmessung
3.2 Die Methode der Lernzielkontrolle
3.3 Die Methode des Voice Handicap Index
3.4 Die Methode der Teilnehmerbefragung

4 Die Ergebnisse
4.1 Stimmfeldmessung
4.2 Lernzielkontrolle
4.3 Voice Handicap Index
4.4 Teilnehmerbefragung

5 Diskussion

6 Fazit/ Ausblick

7 Literaturverzeichnis

8 Anhang

TABELLENVERZEICHNIS

Tab.1: Lernzielkontrolle im Prä-Post-Vergleich (Frage 1)

Tab.2: Lernzielkontrolle im Prä-Post-Vergleich (Frage 2)

Tab.3: Lernzielkontrolle im Prä-Post-Vergleich (Frage 3)

Tab.4: Lernzielkontrolle im Prä-Post-Vergleich (Frage 4)

Tab.5: Lernzielkontrolle im Prä-Post-Vergleich (Frage 5)

Tab 6: Schweregrad der Stimmbeschwerden

Tab. 7: Teilnehmerbe fragung nach Abschluss des Seminars

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb.1: Stimmfeldmessung Person 1. Tonumfang und Lautstärke im

Abb.2: Stimmfeldmessung Person 2. Tonumfang und Lautstärke im

Abb.3: Stimmfeldmessung Person 3. Tonumfang und Lautstärke im

Abb. 4: Stimmfeldmessung Person 4. Tonumfang und Lautstärke im

1 Einleitung

Menschen, die zur Ausübung ihres Berufes auf ihre Stimme angewiesen sind, werden in ihrer Berufstätigkeit und in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt, wenn sie sich auf ihre Stimme nicht mehr verlassen können. Dies betrifft neben vielen Berufsgruppen z.B. die Gruppe der Lehrer. (Die Bezeichnungen sind im Folgenden, zugunsten der besseren Lesbarkeit, als geschlechtsunspezifisch zu bewerten). Ihre Stimmbelastung ist infolge der notwendigen Stimmstärke, der Stressbelastung und der ungünstigen Akustik in Klassenräumen sehr hoch. Häufig wird in dieser Situation versucht, die mangelnde Stimmkraft zu kompensieren. Typisch dafür ist unphysiologisches Verhalten im Bereich Atmung, Haltung, Artikulation und Stimmgebung. So kommt es zu einer Fehlbelastung der Stimme, aus welcher sich eine Stimmstörung entwickeln kann.

Wenn durch dauerhaften Fehlgebrauch der Stimme eine funktionelle oder organische Dysphonie entstanden ist, wird neben ärztlicher Behandlung auch eine Stimmtherapie notwendig. Diese erfordert eine Finanzierung durch die Krankenversicherungen, Eigenbeteiligung seitens der Patienten und, neben diesen monetären Aspekten, eine hohe Bereitschaft des Stimmpatienten, das gewohnte Verhalten zugunsten einer gesunden Stimmerzeugung abzulegen.

Wirth vertritt die Auffassung, dass ein angehender Sprecher den bewussten Einsatz stimmlicher Mittel lernen muss, um bestimmte Wirkungen zu erreichen (vgl. Wirth, 1995, S.153). Geeignete Ansprechpartner für diese Aufgabe nennen Schönweiler et al. in ihrem Artikel „Neue Wege in der Behandlung chronischer Stimmkrankheiten“. Diesem ist zu entnehmen, dass die Pflege und das Training professioneller Stimmen in den Aufgabenbereich der Gesangspädagogik und der medizinischen Berufe, also Phoniater, Pädaudiologen und Logopäden, fallen (vgl. Schönweiler, Pahn, Müller, Spiecker-Henke, Rosanowski, Nawka, 2004, S.109). Laut Experteneinschätzung müssen demzufolge angehende Berufssprecher ihre Stimme trainieren und gehören hierbei in das logopädische Fachgebiet.

Ein präventives Stimmtraining für Berufssprecher könnte dem Fehlgebrauch vorbeugen und den Umgang mit der eigenen Stimme schulen, so dass das notwendige „Arbeitswerkzeug“ optimiert werden kann. Aus diesem Bedürfnis leitet sich das hier vorgestellte Thema ab: „Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern - Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines situationsspezifischen Gruppentrainings“. Somit wird die bereits existierende Bachelor-Arbeit „Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern - Entwicklung eines logopädischen Gruppentrainings“ (Menzel, 2003) fortgesetzt, die sich mit der Entwicklung eines nutzerorientierten Präventivprogrammes befasst.

Eingebettet in das hochspannende Thema „Neue Handlungsfelder in der Logopädie“ sollen in der vorliegenden Bachelor-Arbeit zwei Hypothesen überprüft werden: Die erste Hypothese (H1) lautet „Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern ist in Form eines Gruppentrainings durchführbar.“ Mit dieser Aussage befassen sich hinsichtlich der Organisation des Stimmtrainings, der Gruppenzusammensetzung, der Methode und der Erfahrungen im Gruppentraining, die Kapitel 2.2 bis 2.5. Es schließt sich das Kapitel 3 an, in dem das Thema Evaluation erörtert wird.

Die zweite Hypothese (H2) bezieht sich auf die Aussage „Das Stimmtraining bewirkt eine stimmliche Verbesserung für die Teilnehmer.“ Ob eine stimmliche Verbesserung erreicht wurde, ist im vierten Kapitel zu lesen, dort werden die jeweiligen Ergebnisse der verwendeten Messverfahren erläutert. Im anschließenden Kapitel 5 werden alle Untersuchungsergebnisse zusammenfassend diskutiert. Dabei werden auch die verwendeten Messmittel zur Effektivitätskontrolle bezüglich ihrer Relevanz zur Evaluation des Präventionskurses reflektiert. Fazit und Ausblick dieser Arbeit finden sich in Kapitel 6.

Um die beiden Hypothesen H1 und H2 zu überprüfen, kommen subjektive und objektive Messmethoden zur Anwendung. Sie sollen den Beweis liefern, dass Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern möglich und sinnvoll ist. Das Projekt wird in einer Kleingruppe durchgeführt. Erstmalig findet der situationsspezifische Ansatz Anwendung. Als „Nebenschauplatz“ soll dieses Konzept erprobt werden, um zukünftig Berufssprechern direkt und effizient zu einer belastbaren Stimme zu verhelfen.

2 Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern

Funktionelle Stimmstörungen treten häufig in der Gruppe der Berufssprecher auf. Dies betrifft z.B. Rundfunksprecher, Anwälte, Pfarrer, Beamte und Angestellte im Publikumsverkehr, Verkäufer, Politiker, Lehrer und Sporttrainer. Eine chronische Erkrankung der Stimme kann eine Bedrohung der Existenzgrundlage bedeuten, denn Stimmstörungen zählen nicht zu den Berufskrankheiten.

Wirth begründete 1995 dieses Problem wie folgt: „Als Berufskrankheit können derartige Stimmstörungen nicht gelten, da keine von außen einwirkende berufsbedingte Schädigung vorliegt. Sie sind vielmehr nur der Ausdruck dafür, daß der Stimmapparat den besonderen Anforderungen, die der Beruf mit sich bringt, nicht gewachsen ist, oder daß er nicht genügend dafür ausgebildet worden ist“ (Wirth, 1995, S.439).

Die Situation stellt sich demnach folgendermaßen dar: Bei Berufssprechern ist eine anerkannt hohe Stimmbelastung zu verzeichnen. Diese Belastung birgt das Risiko, bei ungenügender Vorbereitung auf den sprechintensiven Beruf an einer Stimmstörung zu erkranken. Diese Stimmstörung führt bei besagten Berufsgruppen zur Unfähigkeit, dieser Tätigkeit weiterhin nachzugehen (zweifelsfrei ist ein Politiker oder eine Erzieherin ohne Stimme undenkbar). Eine eingetretene Berufsunfähigkeit wird jedoch nicht als Berufskrankheit anerkannt, da funktionelle Stimmstörungen nicht in der Liste der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt sind. Auch der sog. Härteparagraph (§ 551, Absatz 2) findet keine Anwendung (vgl. Wirth, 1995, S.439).

Schönweiler und Ptok sehen ebenfalls den Zusammenhang zwischen der unvorbereiteten Stimme auf den Sprechberuf und der ponogenen Dysphonie: „Durch unzweckmäßigen Gebrauch im Beruf bedingt, Überforderung des Stimmapparates durch das Mißverhältnis zwischen Trainingszustand und stimmlicher Anforderung im Beruf“ (Schönweiler; Ptok, 2000, S.358).

In Irland widmet sich die School of Communication, University of Ulster, diesem Problem. In der Studie „The impact of preventive voice care programs for training teachers: a longitudinal study“ wurden die Stimmleistungen von 55 angehenden Lehrern untersucht. Zu diesem Zweck wurden drei Gruppen gebildet, von denen nur eine Gruppe ein direktes Training erhielt. Eine Gruppe wurde indirekt behandelt, die dritte fungierte als Kontrollgruppe. Messungen wurden direkt vor und nach dem Training und zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt. Die akustischen Messungen der Stimmen und die eigenen Beurteilungen der Probanden zeigten, dass sich nur die direkt behandelte Versuchsgruppe nach der Behandlung in der Stimmleistung verbesserte. Diese Studie soll Lehrern, ihren Ausbildern und Stimmtherapeuten zugute kommen, weil davon ausgegangen wird, dass Lehrer einem höheren stimmlichen Risiko ausgesetzt sind als andere Berufsgruppen. Es besteht der Bedarf nach Primärprävention, um eine „Berufsdysphonie“ zu verhüten (vgl. Duffy; Hazlett, od.duffy@ulst.ac.uk, 28.03.2004). Gemäß dieser Aussage soll bei gefährdeten Berufsgruppen der Entstehung von Stimmproblemen vorgebeugt werden. Die Lösung des Problems könnte lauten, an der erwähnten ungenügenden Vorbereitung auf den sprechintensiven Beruf anzusetzen.

Genau diese Lösung wurde in einer Abschlussarbeit der Fachhochschule Hildesheim, Bachelor-Studiengang für Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie, thematisiert. In der Bachelor-Arbeit „Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern - Entwicklung eines logopädischen Gruppentrainings“ (Menzel, 2003) wurde, auf der Basis von Interviews mit Berufssprechern, ein Rahmenkonzept zur Prävention von Stimmstörungen entwickelt. Im Ausblick ihrer Arbeit erachtet die Autorin weitere Schritte für sinnvoll: Die Ausformulierung des methodisch-didaktischen Vorgehens ebenso wie die Evaluation eines solchen Stimmtrainings. Die vorliegende Bachelor- Arbeit dient der Fortsetzung und hat sich zum Ziel gesetzt, dieser Aufforderung Folge zu leisten. So wurde ein präventives Gruppentraining für eine spezifische Berufsgruppe entwickelt, durchgeführt und evaluiert. Das Thema soll geleitet werden von den Hypothesen H1 („Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern ist in Form eines Gruppentrainings durchführbar“) und H2 („Das Stimmtraining bewirkt eine stimmliche Verbesserung für die Teilnehmer“). In Kapitel 5 sollen die beiden Aussagen bezüglich ihrer Gültigkeit überprüft werden.

Da Menzel das oben beschriebene Konzept bereits bei einer Gruppe von angehenden Lehrern angewendet hatte, konnten ihre Erfahrungen in das hier vorgestellte Stimmtraining einfließen. Es ergab sich eine effektive Zusammenarbeit in der Planung und Durchführung des Gruppentrainings. Widhalm bestätigt, dass sich bei einer Behandlung durch zwei Logopäden ein erheblich erweiterter Handlungsrahmen ergibt, der sich bei untereinander gut kooperierenden Therapeuten sehr positiv auf die Behandlungsqualität auswirkt (Widhalm, 2004, S.70).

2.1 Die Prävention

Das Thema „Prävention von Stimmstörungen“ ist in der Literatur erstaunlich unterrepräsentiert. Es existieren zwar Ratgeber zum Stimmgebrauch, aber Studien, welche die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen betreffen, sind kaum zu finden. Oates bestätigt, dass zwar Literatur über die Effektivität von Stimmtherapie veröffentlicht ist, dasselbe aber nicht für Programme gilt, die Stimmprobleme verhüten. Diesen Mangel an Aufmerksamkeit hält Oates für um so verwunderlicher, als doch bekannt ist, dass eine Vielzahl von Stimmstörungen vermeidbar wäre. Über Primärprävention, Präventionsstrategien, Implementierung und Evaluation präventiver Programme ist zwar berichtet worden, es fehlen jedoch kontrollierte, randomisierte Studien zu präventiven Stimmprogrammen (vgl. Oates, 2004, S.131 f.).

Kommen gesundheitserzieherische Programme zum Einsatz, so ist ihr Ziel, verhaltensbedingte konkrete Störungen bei Risikogruppen (z.B. hohe Stimmbelastung in pädagogischen Berufsgruppen) zu vermeiden. Es gibt drei Formen der Prävention: Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention soll Risiken ausschalten; in diesem Fall sind Krankheiten noch nicht eingetreten. Hingegen befindet sich die Erkrankung zum Zeitpunkt der Sekundärprävention im Entstehungsprozess, während sie im Fall einer Tertiärprävention bereits manifestiert ist (vgl. Mathe, 2003, S.129).

Prävention rückt zunehmend in das gesundheitspolitische Blickfeld. In einem Brief der Deutschen Gesellschaft für Public Health e.V. an Bundeskanzler Gerhard Schröder heißt es im Februar 2003: „Wir empfehlen dringend einen besseren Schutz der Bürger vor Erkrankung durch energischen Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention - auch zur Kostendämpfung in unseren Sozialversicherungssystemen.“ (Vgl. Stöckmann-Bosbach, SS 2004, S.66 ff.). Ebenso erachtet der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Prävention als notwendig und legt in seinem Gutachten 2003 dar, dass die Politik Prävention zu einer eigenständigen Säule im deutschen Gesundheitswesen entwickeln will, neben Therapie und Rehabilitation. Die Idee der Erweiterung des Sozialgesetzbuches um ein zwölftes Buch ist ein möglicher Lösungsansatz für mehr Prävention (vgl. www.svr -gesundheit.de, 11.11.2004).

In dem Skript „Gemeinsame und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 Absatz 1 und 2 SGB V, in der Fassung vom 12.09.03“ erhebt der Gesetzgeber die Primärprävention als Sollvorschrift zu einer gesetzlichen Aufgabe der Krankenkassen mit stark verpflichtendem Charakter. Gemäß Absatz 2 können die Krankenkassen den Arbeitsschutz ergänzende Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung durchführen. Grundsätzlich müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen dabei nicht überschreiten (vgl. http://www.vdak.de/download/leitfaden_20_sgbv_12_09_2003.pdf).

Neben den gesundheitspolitischen Bestrebungen sind Logopäden in verschiedenen Bereichen bereits präventiv tätig. Als Beispiel sei hier das Konzept zur Prävention kindlicher Sprachstörungen genannt. Meiwald und Hude blicken auf neun Jahre Präventionsarbeit zurück. Sie sehen den Erfolg ihrer Bestrebungen daran, dass die zu behandelnden Kinder immer jünger werden. Dies ist für sie ein Zeichen der zunehmenden Sensibilisierung bezüglich der Sprachentwicklung (vgl. Meiwald; Hude, 1997, S.61).

Neben gesundheitsvorsorgenden Angeboten zur Stimmhygiene existiert z.B. die Broschüre „Heiserkeit und Stimmschwäche“ (Gundermann, 1995, 4.Aufl.) als Programm prophylaktischer Maßnahmen für Lehrerstimmen. Auch das „Übungsprogramm für eine gesunde Stimme“ (Hammann, 2001) wurde veröffentlicht, um z.B. beruflich genutzte Stimmen zu trainieren.

Der deutsche Bundesverband für Logopädie e.V. sieht ebenfalls Präventionsmöglichkeiten in der logopädischen Arbeit und entdeckt die Weiterentwicklung der Logopädie z.B. in Beratung, Unterstützungs- und Präventionsangeboten (vgl. Forum Logopädie, 2004, Beilage S.20). Die Tätigkeitsgebiete werden erweitert und es ergeben sich neue Handlungsfelder. Für das Selbstverständnis der Logopäden sind neue Kompetenzen wichtig; es bietet sich die Chance, Neues zu entwickeln. Die Annahme dieser Herausforderung bedeutet auch, sich den ständig ändernden Bedingungen zu stellen. So sind neben Flexibilität, Offenheit und Kreativität auch Qualitätssicherung, Evidenzbasierung und Multiprofessionalität gefragte Schlüsselqualifikationen, die zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden. Zusammenfassend ergibt sich für dieses Kapitel das Fazit, dass die Prävention ein zunehmend wichtiger werdendes Gebiet in der Logopädie darstellt. Es ergeben sich neue Schwerpunkte in der logopädischen Tätigkeit und somit neue Herausforderungen. Auch aus gesundheitspolitischer Sicht ist der präventive Bereich als eine weitere Säule im Gesundheitswesen anzusehen. Es gilt nun durch evaluierte Konzepte den Beweis zu erbringen, dass Prävention sinnvoll und kostensparend ist.

2.2 Die Organisation des Gruppentrainings

Das Stimmtraining erfolgte im September/Oktober 2004 innerhalb des Zeitraumes von fünf Wochen. Die Treffen fanden einmal wöchentlich statt und umfassten jeweils drei Zeitstunden. Da es die Möglichkeit gab, die Räumlichkeiten eines Gesundheitszentrums zu nutzen, stand ein großer Bewegungsraum zur Verfügung, welcher für theoretische Anteile, für Gruppenübungen und für Übungen in Partnerarbeit geeignet war. Darüber hinaus konnten für die Berücksichtigung des situationsspezifischen Ansatzes Trainingsgeräte des Gesundheitszentrums genutzt werden.

2.3 Die Gruppe

Warum wurde die Form des Gruppentrainings gewählt?

Davon ausgehend, dass ein Präventionskurs zur verbesserten Stimmbelastungsfähigkeit angesichts des Kostendrucks kostengünstig gehalten werden muss, gilt es, den Preis adäquat zu gestalten. Das Konzept einer Gruppenbildung ermöglicht dies. Des Weiteren erlaubt die Methode des situationsspezifischen Ansatzes, v.a. bei berufshomogenen Gruppen, das „stimmgesunde Verhalten“ in der Gruppe zu erlernen: Erfahrungswerte können ausgetauscht werden, Probleme lassen sich gemeinsam lösen, neben der Eigenwahrnehmung wird gleichzeitig die Fremdwahrnehmung geschult und das Beobachtungslernen/Lernen am Modell wird ermöglicht. Zimbardo geht davon aus, dass die Möglichkeit, durch Zuschauen oder Beobachten zu lernen, von großem Nutzen ist (Zimbardo, 1999, S.232).

Weshalb wurde die Gruppe in dieser Konstellation gebildet?

Es wurde eine homogene Gruppe mit zwei Physiotherapeutinnen und zwei Diplom-Sportwissenschaftlerinnen gebildet. Die Zusammensetzung wurde durch soziale und persönliche Voraussetzungen bestimmt: Alle Probandinnen litten nach eigenen Angaben schon mehrfach unter der berufsbedingten Stimmbelastung und Heiserkeit und wünschten sich eine stabilere Stimme. Alle Stimmen waren durch geschultes Gehör als „auffällig“ in ihrem Gebrauch zu bewerten. Zu beobachten waren z.B. thorakale Atmung, erhöhte Sprechstimmlage, schnelles Sprechtempo, ungenaue Artikulation und unangemessene Dynamik der Stimme. Auf eine ärztliche Diagnostik, um die Stimmen vor und nach dem Stimmtraining analysieren zu können, musste aus organisatorischen und zeitlichen Gründen verzichtet werden.

Ähnliche Merkmale der Gruppenmitglieder finden sich in ihrem Gesundheitsbewusstsein (Nichtraucherinnen, körperliche Fitness.) Keine der Teilnehmerinnen erhielt zuvor eine Stimmtherapie oder musikalischen Unterricht. Im Rahmen der Präventionsarbeit waren auch das junge Lebensalter (23-32 Jahre) und die Dauer der Berufserfahrung (1-6 Jahre) Kriterien, um diese Gruppenkonstellation zu wählen.

Auch überschneiden sich die Gruppenmerkmale hinsichtlich der Erfahrungen in Gruppenleitung und Vorkenntnissen in Physiologie und Anatomie, denn alle Probandinnen stammen aus Gesundheitsberufen. Hier bot sich der Vorteil, wichtige Gebiete wie geschulte Eigenwahrnehmung und physiologische Körperhaltung mit angemessenem Körpertonus, als grundsätzlich bekannt voraussetzen zu dürfen. Erfahrungsgemäß ist dieser Bereich in Stimmtherapien sehr zeitintensiv.

Die berufliche Tätigkeit ähnelt sich bei dieser Probandengruppe darin, dass zum Berufsfeld sowohl die Anleitung von Gruppen als auch die individuelle Betreuung der Patienten/Klienten gehören. Die Stimmbelastung bezieht sich demzufolge auf den Einsatz der Rufstimme, das kontinuierliche Sprechen, die Notwendigkeit von Stimmstärke in geräuschintensiver Umgebung und auf den intentionalen Einsatz der Stimme z.B. Motivation von Gruppen oder Entspannungskurse.

Persönlichkeitsmerkmale wie Bereitschaft zur Mitverantwortung, Kooperationsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit und intellektuelle Fähigkeiten, Neues rasch zu verstehen und schnell umsetzen zu können, sind weitere Gemeinsamkeiten, die diese Gruppe prägten.

Es wurde eine ausschließlich weibliche Gruppe gebildet, da signifikant mehr Frauen als Männer an funktionellen Stimmstörungen leiden (vgl. Hammann, 2004, S.173). Zudem zeigt die Erfahrung, dass Frauen in ihrer Eigenwahrnehmung besser geübt sind als Männer, so dass mit schnelleren Erfolgen zu rechnen war. Des Weiteren ist nach eigenen Erfahrungen der Autorin davon auszugehen, dass in der weiblichen Kleingruppe rascher eine vertraute Atmosphäre entsteht, welche für die Stimmbildung wichtig ist.

Es galt einen wöchentlichen Termin zu finden, der für alle verbindlich einzuhalten war. Da der zeitliche Rahmen zur Planung, Durchführung und Evaluation des Stimmtrainings sehr eng gefasst war, musste die Teilnahme der vier Personen absolut zuverlässig sein.

Um welche Form der Prävention handelt es sich bei dieser Gruppe?

Es handelt sich um eine spezifische und zielgruppenorientierte Prävention (Zielgruppe sind Berufssprecher mit ähnlicher Stimmbelastung), die verhaltenspräventiv ist, da am Erleben und Verhalten einzelner Individuen angesetzt wird. Von einer rein primären Prävention ist hier nicht mehr auszugehen, da Risikofaktoren am Arbeitsplatz auf die Stimmen wirken (lange Sprechdauer, Störlärm) und die Stimmen im Vorfeld als auditiv auffällig beurteilt wurden. Zudem wurden alle vier Kursteilnehmerinnen bereits im Berufsalltag mit Funktionseinbußen ihrer Stimmen konfrontiert. Dies lässt auf Sekundärprävention schließen, denn es sind Frühzeichen von Krankheit (z.B. Rauhigkeit der Stimme) und Risikofaktoren (langes Sprechen bei Störlärm) bekannt. Es gilt krankheitsauslösende Faktoren zu vermeiden und Risiken zu verringern.

2.4 Der situationsspezifische Ansatz

In einem Artikel der Zeitschrift „Forum Logopädie“ wird die Methode des situationsspezifischen Gruppentrainings vorgestellt: „Automatisierten, situationsgebundenen, aber stimmlich ungünstigen Verhaltensweisen des Berufsalltags sollen Alternativen geboten werden, die die Gesundheit der Stimme erhalten“ (Beushausen; Menzel, 2004, S.10). Besonderes Augenmerk ist hier auf die Situationsgebundenheit zu richten. In der bereits erwähnten Durchführung eines präventiven Stimmtrainings für Lehrer kristallisierte sich heraus, dass die herkömmliche therapeutische Vorgehensweise zu zeitaufwendig war. (Die Übungen der „klassischen Stimmbereiche“ bauten aufeinander auf und mündeten erst zum Schluss des Trainings in den Transfer des Geübten in den Alltag.) Die so wichtige Transferleistung in die Alltagssituation konnte nicht ausreichend berücksichtigt werden, die Umsetzung fiel den Teilnehmern sehr schwer. Da ein Präventionskurs jedoch schnell und effektiv zum verbesserten Umgang mit der Stimme führen soll, ist ein „Umdenken“ notwendig. Gefragt sind hier Flexibilität des Gruppenleiters, Berücksichtigung der Individualität des Einzelnen, Beobachtungsgabe, Sicherheit in der Anwendung der individuell notwendigen Stimmbausteine und ihr gezielter Einsatz in der Berufssituation.

Der situationsspezifische Ansatz wurde an der Fachhochschule Hildesheim im Bachelor-Studiengang für Logopädie entwickelt und basiert auf der Annahme, dass ein Lerneffekt besonders dann gegeben ist, wenn das Lernen im praktischen Kontext erfolgt und der Lernende einen Bezug zu den Inhalten herzustellen vermag. Gudjons vertritt die Auffassung, dass bei fehlendem Bezug zum relevanten Kontext, die neue Information für den Lernenden wenig bedeutsam ist. Es handelt sich dann um „träges Wissen“, um Wissen, welches nicht angewendet wird und in das bestehende Vorwissen nicht integriert werden kann. Es wird nicht ausreichend vernetzt und ist damit zusammenhanglos. Weiterhin schreibt Gudjons, dass sich die Anwendungsqualität von Wissen bei der aktiven Auseinandersetzung mit Problemen erhöht (vgl. Gudjons, 1999, S.226).

Diese Erkenntnis kann im Rahmen des Stimmtrainings besonders effektiv in der beruflichen Situation genutzt werden. In der Situation der beruflichen Tätigkeit werden die verschiedenen Stimmbereiche in Teilmodulen erarbeitet. Dies bietet den Vorteil, dass sich der Sprecher in einer ihm vertrauten Situation befindet und mit Korrekturen direkt im Alltag begonnen werden kann. Zudem ist der Praxisbezug gegeben. Er wirkt sich motivierend auf die Mitarbeit aus, denn der Lernende spürt, dass es hier tatsächlich um eine Verbesserung seiner individuellen Situation geht. An dieser Stelle kann zwischen Berufssprecher und Stimmtrainer eine gemeinsame Zielsetzung und Zielerreichung nach partnerschaftlichen Grundsätzen erfolgen, denn die Anforderungen seines Arbeitsplatzes kennt der Berufssprecher am besten. Seine Kenntnisse sind gefragt, damit das Stimmtraining exakt auf seine spezifische Situation zugeschnitten werden kann. Die stimmbezogenen Probleme, die dem Sprecher vermutlich nur undeutlich bewusst sind, lassen sich im Berufsalltag eruieren und konkret lösen.

Es geht aber nicht allein um den Einsatz stimmentlastender Techniken. Da die erlebte Situation untrennbar mit der Person und ihren Emotionen verbunden ist, muss sie sich auf die Qualität der Stimme auswirken. Diese Interaktion zwischen Person und Situation muss im Präventionskurs aufgegriffen und den Berufssprecherinnen bewusst gemacht werden (vgl. Beushausen; Menzel, 2004, S.9).

Um diese theoretischen Annahmen in der Praxis umzusetzen, wurde zunächst ein Pretest durchgeführt, allerdings mit einer Einzelperson die als Lehrerin berufstätig ist. Hier erwies sich der situationsspezifische Ansatz als sehr geeignet, um in der (simulierten) Berufssituation effektiv an den individuellen Stimmproblemen ansetzen zu können. In dem hier vorgestellten situationsspezifischen Stimmtraining sollte der Präventionskurs mit vier Berufssprecherinnen durchgeführt werden, deren Stimmbelastung in ähnlichen Berufssituationen erfolgt: in Beratungsgesprächen, in Teambesprechungen, bei Gruppenanleitung, beim Sprechen trotz Störlärms und bei stimmungünstiger Körperhaltung.

Nach einem Vorgespräch zwischen Autorin und Probandinnen, dass die täglichen Belastungsschwerpunkte der Berufssprecherinnen konkretisierte, wurde das Konzept erstellt. Pro Treffen sollte je eine berufliche Sprechsituation herangezogen werden, um die notwendigen Teilmodule einer ökonomischen Stimmgebung zu erarbeiten. Im ersten Treffen des Präventionskurses sollte die Situation „Beratungsgespräch“ erarbeitet werden, da diese in ruhiger Atmosphäre stattfindet. Die zweite und dritte Sitzung wurden für „Teambesprechung“ und „Gruppenleitung“ veranschlagt. Die berufsspezifische Stimmbelastung bei der Gruppenleitung sollte v.a. der Erarbeitung der Rufstimme und der Stimmkräftigung dienen. Diesem Modul war besonders hohe Bedeutung beizumessen, da die Probandinnen häufig in lauter Umgebung sprechen müssen. Dies beinhaltet Störlärm durch die Trainingsgeräte, Radio, Stimmengewirr, Verkehrslärm und laute Musik. Der physiologische Stimmgebrauch trotz einer ungünstigen Körperhaltung (z.B. bei der Klienten-Einweisung in die Bedienung von Trainingsgeräten) sollte im vorletzten Termin geübt werden. An dieser Stelle sollten Wahrnehmung und Umgang mit der eigenen Stimme dahingehend verbessert sein, dass komplexere Anforderungen bewältigt werden konnten. Das fünfte und letzte Treffen der Gruppe wurde reserviert für die Wiederholung aller berufsspezifischen Situationen. Somit wurde der Übergang des Schwierigkeitsgrades vom Leichten zum Schweren beachtet.

In Anlehnung an die klassische Stimmtherapie sollten neben Wahrnehmungsschulung und Stimmhygiene die Bereiche Körperhaltung/Tonus, Atmung, Artikulation, Resonanz, Indifferenzlage, Einsatz, Ansatz und Absatz der Stimme, Stressbewältigung und intentionales Sprechen erarbeitet werden. Es war davon auszugehen, dass die Teilnehmerinnen sich in einigen - aber nicht allen - Bereichen unphysiologisch verhalten und dass diese Stimmbereiche von Person zu Person divergieren. Ein wichtiges Ziel lag somit darin, die individuellen Probleme zu erkennen und, trotz der Gruppenarbeit, die einzelne Probandin optimal zu unterstützen.

Im Folgenden wird das erste Treffen exemplarisch für die weiteren Termine des Präventionskurses skizziert.

Nach der Vorstellung der beteiligten Personen wurde ein Kursüberblick gegeben, die Anatomie und Physiologie der Stimme erklärt, über stimmhygienisches Verhalten informiert und eine gemeinsame Zielabsprache getroffen.

Bei diesem ersten Treffen wurde die Körperhaltung erarbeitet. Dies geschah zunächst durch den Präventionsbaustein Intention. Anhand der eingenommenen Körperhaltung wurde deren Auswirkung auf die Stimmqualität untersucht. Die Vorkenntnisse der Gruppe in Physiologie und Anatomie bezüglich der Aufrichtung und angemessenem Tonus erwiesen sich als sehr günstig. Neu waren jedoch die Aspekte der Stimmgebung, z.B. ist hier die Kopfhaltung zur optimalen Schallabstrahlung des Tones zu nennen. Auch der sichere Stand mit bewusstem Bodenkontakt war, bezüglich Präsenz der eigenen Person und Stimmfestigkeit, für die Teilnehmerinnen neu.

Nachdem die optimale Haltung erarbeitet worden war, folgte sofort der Transfer in die Beratungssituation. Im Rollenspiel zu zweit wurde ein Dialog zwischen Therapeut und Kunde entwickelt, in dem auf die angemessene Haltung geachtet werden sollte. Augenblicklich stellten sich Schwierigkeiten in der Umsetzung ein, wie z.B. ungleiche Augenhöhe der Gesprächspartner, ungeeignete Sitzmöbel, fehlende Möglichkeit zum Blickkontakt und rasches Aufgeben der Haltung, sobald sich stärker den Gesprächsinhalten zugewendet wurde. Sofort und direkt in der berufsspezifischen Situation ansetzen zu können, rechtfertigte sehr schnell die Wahl des situationsspezifischen Vorgehens. Die Probleme konnten gemeinsam in der Gruppe gelöst werden. Die Gruppe nahm am Problemlösungsprozess sehr aktiv und kreativ teil, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass diese Schwierigkeiten im eigenen Berufsalltag entstehen und die Identifikation mit der Situation sehr hoch ist. Vermutlich ist die Wahrnehmung dieses alltäglichen Problems erst zu diesem Zeitpunkt entstanden.

Anschließend wurden die costoabdominale Ruheatmung und die Sprechatmung (reflektorische Atemergänzung nach Coblenzer) erarbeitet: Nach der Wahrnehmung der Ruhe- und der Sprechatmung wurden diese Prinzipien erläutert und anschließend in der Gruppe und in Partnerarbeit geübt. Auch hier schloss sich unmittelbar die Anwendung des neuen Atemmusters in der Beratungssituation an. Da die reflektorische Atemergänzung intensivere Übung erfordert, waren die Sprechabschnitte bewusst nur auf Phrasenebene angesiedelt. Es wurden deshalb z.B. die Begrüßung, Vorstellung und Verabschiedung geübt. In den noch ausstehenden Treffen sollte dieser Bereich erweitert und gefestigt werden.

Die Artikulation wurde zuerst durch das Bewusstmachen der beteiligten Organe erfahrbar. Dann wurde die Artikulation mit zuviel/zuwenig Nutzspannung ausprobiert und nach kurzer Übung, mit optimaler Kieferweite, schließlich im Rollenspiel angewendet. Das Rollenspiel zwischen jeweils zwei Teilnehmerinnen bot die Chance, gleichzeitig Fremd- und Eigenwahrnehmung zu verbessern.

Da Körperhaltung, Atmung und Artikulation sehr zufriedenstellend und zügig erarbeitet werden konnten, ergab sich der Übergang zum Gebiet des Stimmvordersitzes. Der unterschiedliche Klang einer physiologisch gebildeten Stimme und eines pharyngeal verlagerten Stimmsitzes wurde von allen Kursteilnehmerinnen sicher identifiziert. Die eigene Stimme „vorne zu bilden“ fiel jedoch allen schwer und wurde deshalb auf das nächste Treffen verschoben, in welchem der Resonanzerarbeitung eine bedeutende Rolle zukam.

In den folgenden Treffen wurde diese Vorgehensweise beibehalten. Anhand der oben dargestellten Situationsvorgaben wurde die ökonomische Stimmerzeugung in Teilmodulen erarbeitet. Aufgrund der überschaubaren Gruppengröße und der Anzahl von zwei Stimmtrainerinnen erhielt jede Kursteilnehmerin die Möglichkeit, gezielt in ihren individuellen Problembereichen verbessert zu werden.

Die Zusammenstellung der Übungen richtete sich insbesondere nach deren Effektivität, Umsetzbarkeit und Verständlichkeit. Zum täglichen Üben wurden sowohl Arbeitsblätter verteilt als auch die eigenen Aufzeichnungen herangezogen. Die jeweilig erarbeitete Berufssituation sollte in der entsprechenden Woche trainiert werden. Begonnen wurden die Treffen mit einem Feedback bezüglich der Umsetzbarkeit des letzten Stimmtrainings in die Berufspraxis. An dieser Stelle konnten Probleme aufgegriffen und gezielt bearbeitet werden.

2.5 Erfahrungen im Gruppentraining

In diesem Kapitel sollen die Erfahrungen festgehalten werden, die der Präventionskurs ermöglichte. Einen wesentlichen Faktor stellte die Motivation der Probandinnen dar. Es wurde zwar die Gruppenkonstellation in der beschriebenen Weise gebildet, weil die Berufssprecherinnen schon unter Stimmeinschränkungen litten, jedoch bestand noch keinerlei akuter Leidensdruck. Gundermann äußert in seinen Gedanken zur Prävention von Stimmstörungen (Gundermann, 1997, S.110): “Es ist vermutlich eine anthropologische Grunderfahrung, daß sich der Mensch immer erst zum Handeln genötigt sieht, wenn er bereits in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist“. Auch Gundermanns Ansicht, dass Leidensdruck erst entsteht, wenn die Behinderungen beim Sprechen im beruflichen Einsatz auf die psychische Befindlichkeit zurückschlägt und Stimmungslage und Lebensgefühl zunehmend beeinträchtigt werden, ist aus Sicht der Autorin bemerkenswert. Im Präventionskurs schien anfangs die Motivation recht gering ausgeprägt. Dies spiegelte sich im Feedback nach der ersten Woche wieder, denn die Probandinnen hatten kaum geübt. Aus unterschiedlichen Gründen waren die täglich anberaumten Übungen zu kurz gekommen. Erst die Erfahrung der Veränderbarkeit der eigenen Stimme und der Vergleich der Stimmaufnahmen mittels digitalem Aufnahmegerät (DAT-Rekorder) direkt vor und nach dem jeweiligen Treffen weckten zunehmend Interesse und Motivation, denn der Stimmklang veränderte sich deutlich hörbar. Auch die Information über die Folgen einer permanent falsch belasteten Stimme und die ungenügende Versicherung im Falle einer stimmlich bedingten Berufsunfähigkeit erhöhten die Teilnahmebereitschaft.

Nach der anfänglichen Zurückhaltung war eine Zunahme der Motivation und ein bewussterer Umgang mit der Stimme zu beobachten. Dies zeigte sich neben den akustischen Aufnahmen daran, dass die Inhalte des Kurses auf neue Situationen übertragen werden konnten.

Ein weiteres Problem entstand durch die Schwierigkeit, das soeben Gelernte innerhalb einer Situation anzuwenden. Sobald sich die Aufmerksamkeit dem Gesprächsinhalt zuwandte wurde der Phonationsprozess von den Teilnehmerinnen vernachlässigt. Insbesondere die Beibehaltung mehrerer Stimmbausteine verursachte Probleme in der Umsetzung. Dies fiel in der Endphase des Stimmtrainings auf. Anfangs handelte es sich um weniger komplexe Berufssituationen und um leicht umsetzbare Teilmodule der Stimmbildung. Im Laufe des Seminars erhöhte sich jedoch der Anspruch. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Anzahl von fünf Terminen wirklich sehr gering ist, um eine gesunde, belastbare Stimme zu formen. Stünde mehr Zeit zur Verfügung oder handelte es sich um Einzeltraining, ließe sich dieses Problem vermutlich besser lösen. Dass der Kurs dennoch so erfolgreich verlief, ist auf die Ressourcen der Gruppe zurückzuführen. Neben Vorkenntnissen und gut ausgebildeter Eigenwahrnehmung hat sich die Motivation innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens sehr zufriedenstellend entwickelt. In Kapitel 5 werden die hier angeführten Probleme vertieft und im Hinblick auf Lösungsvorschläge diskutiert.

Im Einzelgespräch des letzten Treffens wurde einer Kursteilnehmerin geraten, sich weiterhin intensiv um die eigene Stimmentwicklung zu bemühen oder eine Stimmtherapie zu beginnen. Hier bestand die Vermutung, dass das fünfwöchige Programm nicht ausreichend sei, um die physiologische Stimmgebung 100%ig zu festigen. Die kontinuierliche Fehlbelastung der Stimme hatte sich nachhaltig in das gewohnte Verhalten integriert. Zum Ausschluss eines organischen Befundes wurde ein Arztbesuch angeraten. Käme eine Stimmtherapie in Frage, würde sich diese wahrscheinlich verkürzen lassen, da Kenntnisse über Anatomie, Physiologie, Stimmhygiene und Übungen in den grundlegend wichtigen Stimmbereichen bereits bestanden. Außerdem kannte die Teilnehmerin nach Abschluss des Kurses ihre individuellen Probleme der Stimmgebung. Hier ergibt sich ein bedeutsamer Vorteil des präventiven Stimmtrainings: Durch einen Präventionskurs zur Vermeidung von Stimmstörungen bei Berufssprechern können persistierend auffällige Stimmen frühzeitig an den Facharzt vermittelt werden, bevor ein Fehlgebrauch der Stimme jahrelang fortgesetzt wird bzw. pathologische Befunde unentdeckt bleiben. Sollte eine Stimmtherapie notwendig sein, da bereits stärkere Stimmprobleme existieren, lässt sich der Therapiezeitraum verkürzen. Die Vorteile einer solchen Reduktion der Stimmtherapie beinhalten Kostendämpfung im Gesundheitswesen, Effizienz der Maßnahmen und Informiertheit des Klienten, um nur einige zu nennen.

In erster Linie handelt es sich allerdings um einen Präventionskurs, der während der Berufsausbildung oder begleitend zum Berufsstart erfolgen sollte, damit Stimmprobleme vermieden werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern. Ein situationsspezifisches Gruppentraining
Untertitel
Entwicklung, Durchführung und Evaluation
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen  (Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
87
Katalognummer
V40572
ISBN (eBook)
9783638390637
ISBN (Buch)
9783638790628
Dateigröße
2398 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Prävention, Stimmstörungen, Berufssprechern, Entwicklung, Durchführung, Evaluation, Gruppentrainings
Arbeit zitieren
Ines Klämbt (Autor:in), 2005, Prävention von Stimmstörungen bei Berufssprechern. Ein situationsspezifisches Gruppentraining, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40572

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