Mythen und Symbole in Ronja Räubertochter


Hausarbeit, 2002

33 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Produktion

3. Der Inhalt

4. Das narrative Programm

5. Der Hauptmythos

6. Die Hauptsymbole

7. Weitere Symbole

8. Filmische Mittel

9. Schluss

11. Sequenzprotokoll der wichtigsten Szenen

12. Literatur

1. Einleitung

´Ronja Räubertochter` ist ein Märchen, dessen Aktualität auch heute noch eine Orientierungsmöglichkeit im Prozess des Erwachsenwerdens gibt. Der Prozess der Loslösung vom Elternhaus und der eigenen Kindheit, wie er in dieser Geschichte beschrieben wird, ist als elementarer Mythos für alle Kinder in der Pubertät ein wichtiges Thema, das auch im Schulunterricht seine Beachtung finden sollte. Die Schule hat nicht nur den Auftrag zu erziehen, Wissen zu vermitteln und Lehren zu erteilen, sondern soll den Kindern auch Hilfestellung beim Abschied von der Kindheit und beim Eintritt in das Erwachsenenleben geben.

Durch die märchenhafte Darstellung des Lebens der Räubertochter ist es leichter, den Kindern diese Thematik nahe zu bringen. Die Symbolik wird von ihnen unbewusst aufgenommen und verstanden ohne dass der Eindruck einer Belehrung vermittelt wird.

Astrid Lindgren schreibt Märchen, weil sie weiß, dass Kinder in einer polarisierten Welt leben, Böse von Gut trennen. Gleichzeitig ist ihr auch bewusst, dass „ Kindheit tatsächlich kein Kinderspiel ist[1] und dass auch Kinder inneren Konflikten ausgesetzt sind.

Trauer, Schrecken und Gewalt: Seitdem es Märchen gibt, sind sie der gemeinsame Besitz von Kindern und Erwachsenen. [... ] Das Lesen sollte Kindern nicht nur Vergnügen bereiten, sondern es sollte sie ganz allgemein in Erregung versetzten. Denn sie brauchen die Aufregung, und wenn sie weder übersensibel noch krank sind, verstört sie eine solche Lektüre auch nicht, sondern lässt sie friedlich und ohne Alpträume schlafen. [... ] Nein, Kinder sind nicht leicht zu verängstigen, sie stellen sich vielmehr unerschrocken gegen das Böse und identifizieren sich mit denen, die gut sind.“[2]

Was können nun Kinder aus dem Film für sich verwerten? Gibt der Film ihnen Hilfestellung für ihr Leben?

Wir sind überzeugt, dass er sich für zumindest zwei Themenbereiche als Impuls, Modell und Trost für Kinder und Jugendliche zwischen dem circa 8. und 14. Lebensjahr eignet.

Es gibt zwei thematische Schwerpunkte, die sich bereits aus dem Titel ´Ronja Räubertochter` ableiten lassen: zum einen geht es um eine Tochter, also um eine Person die einen Ablöseprozess aus der Welt ihres Vaters vollziehen muss und zum andren verweist der Titel auf die Räuberhandlung. Aus diesen beiden Themenkomplexen leiten sich weitere thematische Schwerpunkte ab: die Freundschaft zweier Kinder, die verfeindeten Familien entstammen und die Beziehung zwischen Mensch und Natur, eine Beziehung, die sich zum einen durch Bedrohung und Angst, zum anderen durch das Erlebnis der Selbstbestimmung auszeichnet, verdeutlicht durch naturmagische Wesen und Märchengestalten. Damit sind für den Zuschauer verschiedene Identifikations- und Interpretationsmöglichkeiten gegeben. Gerade diese Möglichkeit der Identifikation werden durch eine Vielzahl von Symbolen unterstützt.

2. Die Produktion

Die Regie dieser aufwendigen (Gesamtkosten über 5 Millionen DM) schwedisch-norwegisch-deutschen Co-Produktion war ursprünglich Astrid Lindgrens Hausregisseur Olle Hellborn übertragen.[3] Da dieser jedoch im Juni 1982, während der Vorarbeiten zum Dreh verstarb, musste Tage Danielsson die Fertigstellung übernehmen. Er war Schauspieler und Buchautor, schrieb Fernsehspiele und Hörspiele und war von 1959 bis 1962 Chef der Unterhaltungsabteilung des schwedischen Rundfunks.

Das Drehbuch stammt wie bei den meisten Verfilmungen ihrer Bücher von Astrid Lindgren selbst. „ Astrid Lindgren ist nicht nur Schriftstellerin, sie denkt auch in Bildern. Sie sieht die Bildwirkung voraus, schon beim Schreiben. Sie hält es für wichtig, nicht nur die Bücher, sondern auch die Filme zu gestalten.“[4] Da für sie aber vor allem die kindgetreue Wiedergabe des natürlichen Dialogs[5] wichtig ist, konzentriert sie sich in ihrer Arbeit besonders darauf und überlässt die konkrete filmische Umsetzung dem Regisseur.

Gedreht wurde von August 1983 bis Juni des folgenden Jahres. Dies war notwendig, um die Vielfalt der Jahreszeiten authentisch darzustellen.

Die Außenaufnahmen fanden in den tiefen Wäldern des schwedischen Dalsland statt, die Mattisburg wurde in der Nähe der Norsk-Filmstudios aufgebaut. Außerdem war Ronja Räubertochter einer der ersten Filme, die Computeranimationen einsetzten.

Parallel zum Kinofilm entstand eine dreiteilige Fernsehversion die zwanzig Minuten länger ist.

In Schweden schlug Ronja Räubertochter alle bisherigen Publikumserfolge: In den ersten zehn Wochen sahen 1,3 Millionen Zuschauer den Film (insgesamt waren es über 2 Millionen). Bei den Internationalen Berliner FilmFestspielen 1985 wurde er mit dem Silbernen Bären und dem Publikumspreis der „Berliner Morgenpost“ ausgezeichnet.

3. Der Inhalt

Ronja Räubertochter erzählt die Geschichte eines starken Mädchens, das als einziges Kind des Räuberhäuptlings Mattis und seiner Frau Lovis inmitten von zwölf Räubern auf der Mattiburg heranwächst.

Als sie elf Jahre alt ist, halten ihre Eltern die Zeit für gekommen, dass ihre Tochter die Welt draußen, den Mattiswald, kennenlernen sollte. Bis dahin hat Ronja nur die Mattisburg gekannt.

Mattis gibt Ronja, wie es alle Eltern tun, gut gemeinte Ratschläge mit auf den Weg, aber Ronja hat keine Angst: „ Her mit den Gefahren !“[6] und zieht los.

Auf einem ihrer Streifzüge trifft sie Birk, den gleichaltrigen Sohn von Borka, den Anführer der verfeindeten Borkasippe. Nach anfänglicher Abneigung erfahren die Kinder, dass sie einander helfen können und werden Freunde. Sie wollen einander sogar Bruder und Schwester sein.

Da ihre Eltern jedoch Erzfeinde sind, muss diese Freundschaft geheim bleiben und sie können sich nur heimlich treffen.

Als Mattis erfährt, dass sein Erzfeind mit der gesamten Sippe in den unbewohnten Teil der durch einen Blitz gespaltenen Burg gezogen ist,

kommt es zum offenen Streit zwischen den Räuberbanden. Der Höhepunkt des Streits ist Mattis Geiselnahme von Birk, den er als Pfand gegen Borka auszuspielen versucht.

Um Birk zu befreien, springt Ronja über den Höllenschlund (der Spalt, der beide Teile der Burg voneinander trennt) auf die Seite des verhassten Konkurrenten ihres Vaters und wird daraufhin von Mattis verstoßen.

Von nun an ist es ihr unerträglich auf der Mattisburg weiter zu leben, da ihr Vater sie schneidet und keinen Ton mehr mit ihr spricht. Auch Birk kann „ das ewige Gemaule[7] seiner Eltern nicht mehr ertragen und die Kinder beschließen, heimlich in eine verlassene Bärenhöhle zu ziehen, um dort gemeinsam zu leben.

Obwohl sie den schönsten Sommer ihres Lebens erleben, sehnt sich Ronja oft nach der Mattisburg, den Räubern und ihren Eltern zurück.

Als Mattis sie am Ende des Sommers bittet, zurück zu kommen, ist sie erleichtert.

Mattis akzeptiert von nun an Birks und Ronjas Freundschaft, und da die Zeiten für Räuber ungemütlich geworden sind, schließen sich letztendlich die beiden Sippen zusammen, um sich gemeinsam gegen die Landsknechte zu wehren.

Für Ronja und Birk steht jedoch fest: Sie wollen niemals Räuber werden!

Im kommenden Sommer machen sich die zwei, diesmal mit dem Einverständnis ihrer Eltern, wieder auf, um bis zum Winter in der Bärenhöhle zu wohnen.

4. Das narrative Programm

Der Anfang eines Films dient meist der Einführung des Schauplatzes und der Personen und macht den Zuschauer mit der zentralen Thematik vertraut. Der Anfang erklärt die Vorgeschichte und vermittelt dem Zuschauer damit Wissen, das für das weitere Verständnis des Films notwendig ist.

So sieht man zu Beginn von ´Ronja Räubertochter` die Räuber durch den Wald zur Burg reiten und wird damit in die beiden zentralen Schauplätze – dem Mattiswald und die Mattisburg – eingeführt.

Dass es sich um eine Räubergeschichte handelt, versteht man spätestens, wenn Mattis seine Räubersippe um sich scharrt, um die Geburt Ronjas zu verkünden. Damit sind auch die wichtigsten Protagonisten (Mattis, Lovis, Ronja und Glatzen Per) eingeführt. Die Begeisterung aller und Mattis liebevolle Blicke zeigen jetzt schon den besonderen Stellenwert, den Ronja später im Leben der Räubersippe einnehmen wird. Dass dieses Leben nicht völlig gefahrlos ablaufen wird, wird durch die Anwesenheit der Wilddruden angedeutet, die Lovis mit Singen (das Wolfslied) und Mattis mit Pfeil und Bogen zu verscheuchen suchen. Diese unterschiedliche Herangehensweise der beiden Eltern an Gefahren und Probleme stellt die unterschiedlichen Charaktere so schon zu Beginn klar da.

Nach Ronjas Geburt freut sich Matttis nicht nur über sein Kind, sondern auch darüber, Borka eins ausgewischt zu haben. Damit wird schon in der ersten Szene der Antagonist der Geschichte eingeführt. So werden die Konstellationen der Figuren untereinander begreifbar und machen das darauf folgende Geschehen verständlich.

Basierend auf Kellers und Hafners Überlegungen zur Makrostruktur des Märchens[8] lassen sich die Ereignisse der Geschichte von ´Ronja Räubertochter` wie folgt ordnen:

Die Ausgangsopposition, nach Keller und Hafner die Gegenüberstellung zweier Terme[9], besteht in dem Gegensatz der Freundschaft der Kinder Ronja und Birk zu der Feindschaft der Väter Mattis und Borka. Diese Ausgangsopposition führt zu Spannungen und damit zu einer Mangelsituation: Durch den Konflikt der Väter untereinander, ist es für die Kinder unmöglich ihre Freundschaft öffentlich auszuleben. Sie müssen sie geheim halten. Das ist für die heranwachsende Ronja die erste Situation, in der sie ihren Eltern nicht mehr alles anvertraut, sondern beginnt, ihr eigenes Leben zu leben.

Verschärft wird dies durch Ronjas Eintritt in die Pubertät: Ronja wird erwachsen, will ihren eigenen Willen durchsetzen und ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Ihrem Vater hingegen fällt es schwer, ihr die dafür notwendige Freiheit zu geben. Die bis dahin bestehende Symbiose innerhalb der Familie bricht dadurch auseinander. Dieser Aspekt wirkt sich lösungshemmend auf die Situation aus.

Die herrschende Mangelsituation treibt den Konflikt auf seinen Höhepunkt, als Ronja durch ihre offenkundige Loyalität Birk gegenüber die Gunst ihres Vaters verliert. Sie entscheidet sich für Birk, also gegen Mattis. So wird das narrative Programm in Gang gesetzt: Ronja und Birk machen sich auf den Weg in die Bärenhöhle, um dort ihren eigenen Weg zu finden.

Lovis hingegen wirkt in ihrer Rolle und ihrem Handeln lösungsfördernd. Sie ist das Verbindungsglied in der Familie und in der Mattisburg zugleich. Sie ist Mutter, Ehe- und Häuptlingsfrau und Mittlerin zwischen Vater und Tochter: Nachdem Mattis Ronja verstoßen hat, will Lovis sie in den Arm nehmen und später probiert sie ein paar mal, die beiden wieder an einen Tisch zu setzen. Außerdem versucht sie mehrfach, Ronja davon zu überzeugen, zurück auf die Mattisburg zu kommen und wirkt auf beiden Seiten um Verständnis für die Situation des jeweils anderen.

Der Sommer mit Birk in der Bärenhöhle lässt Ronja Zeit Erfahrungen zu sammeln. Sie muss mit den Problemen des alltäglichen Lebens kämpfen und Abenteuer gegen Naturgewalten und Fabelwesen bestehen und so lernen, ihren eigenen Weg zu gehen und unabhängig vom Einfluss ihres Vaters erwachsen zu werden.

Drei Boten (Klein-Klipp, Lovis und Mattis), die wie im Märchen kommen, um Ronja zu prüfen, stellen ihre Standhaftigkeit auf die Probe. Der dritte Bote ist der Vater selbst. Beide Parteien haben sich geändert. Mattis hat erkannt, dass er das Erwachsenwerden seiner Tochter akzeptieren muss. Er springt über seinen Schatten und bittet Ronja, zurück zu kommen. Ronja hingegen hat zu sich selbst gefunden und gelernt selbstständig, und nicht unter dem Einfluss ihres Vaters zu denken und zu handeln.

Die Mangelsituation ist behoben, Ronja und Birk dürfen ihre Freundschaft ausleben und ihr eigenes Leben führen. So ändert sich auch die Ausgangsopposition. Die jahrelange Feindschaft der beiden Räuberhäuptlinge wird niedergelegt und steht somit der Freundschaft der beiden Kinder nicht mehr entgegen.

5. Der Hauptmythos

Nach Röll rufen Filme durch ihren Symbolismus Gefühle hervor[10]. Um diese klar darzustellen, ist es notwendig, den Subtext eines Filmes zu analysieren. Der Subtext ist „ die Information, die nicht über den manifesten Inhalt vermittelt wird, sondern hauptsächlich über (audio-) visuelle Botschaften. [ ... ] Mit Hilfe von Bildern können symbolische Kontexte aktiviert werden, die entweder archetypisch, gesellschaftlich oder biographisch codiert sind.“[11]

Filme greifen oft auf Mythen zurück. Es werden Muster verwendet, die über alle Kulturen hinweg vertraut sind und die die Allgemeingültigkeit eines Themas darstellen. Campbell prägte in diesem Zusammenhang den Begriff ´Monomythos` und meint damit einem Mythos, der „ von Menschen aller Kulturen dieses Planeten als psychologisch überzeugend und emotional glaubhaft anerkannt“ [12] wird.

Mythische Geschichten folgen häufig dem selben Schema: Zu Beginn steht ein zentrales äußeres oder inneres Ereignis, das den Protagonisten aus seiner Lebenswirklichkeit herausreißt. Er begibt sich auf eine Reise, auf der er Abenteuer bestehen und Aufgaben lösen muss. Begleitet wird er von Personen, die ihn entweder in seinem Tun unterstützen oder seinen Erfolg verhindern wollen. Durch diese Erfahrungen lernt er sich in seiner neuen Umwelt zurecht zu finden. In Konfrontation mit lebensbedrohlichen Gefahren und deren Überwindung findet er zu sich selbst und ermöglicht sich so die Aufnahme in eine neue Welt.[13]

Dieses Prinzip des Monomythos lässt sich auch auf die Geschichte von Ronja Räubertochter übertragen.

[...]


[1] Schönfeldt. S. 123

[2] Lindgren. In: Schönfeldt. S. 93 f.

[3] Diese und die übrigen Informationen über die Produktion des Films stützen sich auf: Exner. S 179-184

[4] Lange-Fuchs. S. 16

[5] ebenda. S, 16

[6] Film. Ca. 13. Min.

[7] ebenda. Ca.71. Min.

[8] Keller/Hafner. S. 57 ff.

[9] ebenda. S. 57 ff.

[10] Röll. S. 152

[11] ebenda. S. 152

[12] Röll. S. 152

[13] ebenda. S. 154

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Mythen und Symbole in Ronja Räubertochter
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Deutsche Sprache und ihre Didaktik)
Veranstaltung
Mythen und Symbole in Film und Fernsehen
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
33
Katalognummer
V40451
ISBN (eBook)
9783638389617
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mythen, Symbole, Ronja, Räubertochter, Mythen, Symbole, Film, Fernsehen, Thema Ronja Räubertochter
Arbeit zitieren
Lea Gregor (Autor:in), 2002, Mythen und Symbole in Ronja Räubertochter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40451

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