Die Besonderheit von Stieffamilien


Referat (Ausarbeitung), 2005

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Die Besonderheit von Stieffamilien
1.1. Begriffserklärung
1.2. Die Unterschiede zwischen Kern- und Stieffamilien

2. Formen von Stieffamilien
2.1. Stiefmutterfamilien
2.2. Stiefvaterfamilien
2.3. Zusammengesetzte Stieffamilien
2.4. Stieffamilien mit einem gemeinsamen Kind
2.5. Teilzeit-Stieffamilien

3. Probleme von Stieffamilien
3.1. Situation der Kinder
3.2. Situation der Erwachsenen

4. Die Beziehung
4.1. zum außenstehenden Elternteil
4.2. zum früheren Partner

5. Schluss

6. Quellenangaben

1. Die Besonderheit von Stieffamilien

Weltweit nimmt die Zahl der Ehescheidungen langsam aber stetig zu. Allein in der Bundesrepublik wird statistisch gesehen jede dritte Ehe wieder geschieden, wobei sich mehr als die Hälfte der geschiedenen Ehepartner wieder neu verheiraten.[1]

Etwa 50% aller geschiedenen Ehen haben minderjährige Kinder. Die Hälfte aller Scheidungskinder werden durch eine Wiederheirat des Elternteils, bei dem sie leben, zu Stiefkindern. Von den übrigen Scheidungskindern leben zusätzlich etwa 65% mit ihrem leiblichen Elternteil und dessen Partner, die eine nichteheliche Lebensform praktizieren, zusammen.[2]

Stieffamilien gab es schon immer und waren früher sogar verbreiteter als heute. Aufgrund von Geburtskomplikationen, Kindbettfiber u. a. m. hatten Frauen in den vorigen Jahrhunderten nur eine geringe Lebenserwartung, so dass es damals mehr Stiefmutterfamilien gab als Familien mit einem Stiefvater. Heute ist die Verteilung genau umgekehrt.[3] Während Verwitwung und Nichtehelichkeit damals überwiegend der Ursprung einer Stieffamilie war, ist es heute Trennung und Scheidung.[4] In der Regel wird nämlich bei einer elterlichen Trennung das Sorgerecht für die Kinder auf die Mutter übertragen, es sei denn das Wohl des Kindes wird bei ihr als gefährdet angesehen. So bekamen beispielsweise 1995 nach einer Scheidung 73,8% der Mütter das alleinige Sorgerecht und nur 8,3% die Väter.[5] Auf diese Weise bilden sich mehr Stiefvaterfamilien als Familien mit einer Stiefmutter.

Von allen Familien in Deutschland sind schätzungsweise knapp 10% davon Stieffamilien – also mehr als zwei Millionen. Die große Zahl der Stieffamilien, die keine eheliche Grundlage haben, ist hier noch nicht mal inbegriffen.[6]

1.1. Begriffserklärung

Eine Stieffamilie, die auch Patchwork-, Zweit- oder Fortsetzungsfamilie genannt werden kann, stellt ein Familiensystem dar. Sie ist eine eigenständige Familienform, in die zumindest einer der Partner mindestens ein Kind in die neue Partnerschaft mitbringt. Dabei ist es nicht wichtig, ob die Partnerschaft eine eheliche Basis hat oder nicht.[7] Da so eine Fortsetzungsfamilie also aus zwei Erwachsenen und einem oder mehreren Kindern besteht, wirkt sie nach außen hin wie eine ganz normale und vollständige Kernfamilie.[8]

Allerdings unterscheiden sich Stieffamilien in vieler Hinsicht von Erstfamilien. Da ihr Dasein dem „veralteten“ traditionellen Verständnis von ‚Familie’ widerspricht, in der alle Familienmitglieder miteinander verwandt sind, unter einem Dach in einem Haushalt wohnen und aufgrund der Eheschließung alle einen gemeinsamen Namen haben, stoßen sie heute noch auf gesellschaftliche Probleme. So versuchen viele Stieffamilien den Schein einer „normalen“ Kernfamilie zu wahren, was aber – wie diese Arbeit noch zeigen wird – der falsche Weg ist.[9]

1.2. Die Unterschiede zwischen Kern- und Stieffamilien

Einen wesentlichen Unterschied stellen wohl die offenen Systemgrenzen von Fortsetzungsfamilien dar. Während in „Normal“-Familien grundsätzlich Klarheit darüber herrscht wer zur Familie gehört und wer nicht, herrscht diesbezüglich bei den Mitgliedern einer Stieffamilie (und Außenstehenden) oft kein Konsens; „… die einen mögen den außenstehenden Elternteil oder die in seinem Haushalt lebenden Geschwister zur eigenen Familie rechnen, die anderen nicht.“[10] Sind beide Partner geschieden, ergeben sich sogar weitere Haushalte, Stiefeltern, Stiefgroßeltern, Stieftanten usw.

Signifikant ist auch die Tatsache, dass ein Elternteil immer räumlich getrennt von der ursprünglichen Familie lebt (außer im Todesfall), in der Regel vermisst wird und allein deswegen immer Einfluss auf die neue Familie hat, weil eine Verschiebung der Paar- und Elternebene stattfindet. Sie beziehen sich nicht mehr auf die gleichen Personen: durch eine Heirat wird der Stiefelternteil kein Elternteil bzw. trotz einer Scheidung bleiben beide Elternteile die leiblichen Eltern.[11] Der außenstehende Elternteil bleibt also weiterhin für die Kinder mitverantwortlich und der Stiefelternteil hat juristisch gesehen immer noch keine elterlichen Rechte gegenüber den Kindern.

Da einer Stieffamilie immer eine elterliche Trennung vorausgeht, bedeutet das auch, dass sich alle Familienmitglieder schon mal mit Trennung und Verlust auseinandersetzen mussten, was ebenfalls die neue Beziehung beeinflussen bzw. belasten kann, da mit Verlustängsten oder Angst erneut zu scheitern gerechnet werden darf.

Außerdem gibt es immer mindestens einen Erwachsen im neuen Familiensystem, der die Entwicklung von geringstenfalls einem Kind nicht miterlebt hat. So besteht keine gemeinsame Geschichte oder Vergangenheit, was bedeutet, dass das Wir-Gefühl weniger ausgeprägt ist.

Zwischen einer Kern- und Fortsetzungsfamilie ist auch die Frage nach (weiteren) Kindern ungleich wichtig. In Kernfamilien ist dieses Thema oft von zentraler Bedeutung, während in Stieffamilien darüber kaum noch nachgedacht wird, da schon mindestens ein Kind im System vorhanden ist.[12]

Natürlich lässt sich die Liste der Unterschiede zwischen Kern- und Stieffamilien weiter fortführen. Besonders die strukturellen Besonderheiten von Stieffamilien sind kennzeichnend und sollen in den nächsten Kapiteln dargestellt werden.

2. Formen von Stieffamilien

Wie kompliziert der strukturelle Aufbau und die Gestaltung einer genauen Definition von Stieffamilien sind, lässt sich allein an der Vielzahl ihrer Formen erkennen.

Die verschiedenen Typen von Stieffamilien ließen sich theoretisch auch nach ihrer Vorgeschichte, wie Scheidung, Verwitwung oder ledige Mutterschaft unterscheiden. Oder man kategorisiert sie je nach Zusammensetzung der Partner: tut sich ein lediger Mann mit einer Alleinerziehenden zusammen oder eine geschiedene Mutter mit einem verwitweten Mann usw. Vielleicht wird der Kinderkonstellation auch Beachtung geschenkt, d.h. welcher Partner bringt wenn überhaupt wie viele Kinder mit und sind diese leiblich? Besitz er das alleinige Sorgerecht oder wird es mit dem außenstehenden Elternteil geteilt?[13] Dass in dieser Arbeit nicht auf alle relevanten oder interessanten Möglichkeiten eingegangen werden kann, erklärt sich von selbst. Aber die wesentlichste Unterscheidung soll hier nicht außer Acht gelassen werden.

2.1. Stiefmutterfamilien

Stiefmutterfamilien entstehen, wenn sich ein Mann, der sein leibliches Kind oder seine leiblichen Kinder allein erzieht, mit einer Frau zusammen tut, die keine eigenen Kinder hat.

Hier ist die Position der Kinder sehr labil, da sie den Kontakt zur leiblichen Mutter haben und somit als Bindeglied zwischen zwei Subsystemen fungieren (außer im Todesfall). Der Kontakt zur außerhalb lebenden Mutter hat Auswirkungen auf die Stieffamilie, da sie trotz der räumlichen Trennung zur Familie des Kindes dazugehört. Aber sie muss ihre elterliche Rolle neu definieren, basierend auf die neue Familienorganisation der Stieffamilie. Versucht sie ohne Rücksicht auf die neue Situation ihre Beziehung zum Kind zu gestalten oder zu behalten, kommt es zu unangemessenen Strukturbildungen und Konflikten.

In dieser Form von Stieffamilie trägt der Vater eine wichtige Schlüsselrolle, da er als der leibliche Elternteil, der mit dem Kind / den Kindern zusammenlebt auch zunächst die einzige Vertrauensperson in der neuen Lebensform darstellt. Vom Vater hängt überwiegend die weitere Entwicklung des Kindes und auch der Stieffamilie ab. Außerdem muss er sich zusammen mit der leiblichen Mutter des Kindes damit auseinandersetzen, wie nun die weitere gemeinsame Erziehung neu gestaltet werden kann.

Darüber hinaus muss der Stiefmutter klar werden, dass sie nicht den frei gewordenen Platz der Mutter auszufüllen hat, sondern eine eigenständige Rolle annehmen sollte, die von allen Beteiligten erst definiert werden muss. Da eine Stiefmutter immer zu einer längst bestehenden und gefestigten Vater-Kind(er)-Einheit stößt, hat sie zuerst die Aufgabe sich in diese Gemeinschaft langsam zu integrieren. Die insgeheim in den Köpfen der Gesellschaft schwirrenden Vorurteile von „bösen und hartherzigen Stiefmüttern“, die auch stark durch Märchen und andere Geschichten vermittelt werden, erschweren ihr zusätzlich den Prozess der Integration. Gerade der Zugang zu den Stiefkindern wird ihr dadurch erschwert. Hinzu kommt, dass die Kinder wahrscheinlich fast zeitgleich damit zu kämpfen haben, die neuerdings geteilte Aufmerksamkeit des Vaters zu akzeptieren.[14]

[...]


[1] KRÄHENBÜHL, V., et al.: Stieffamilien. Struktur – Entwicklung – Therapie, 5., veränderte Auflage, Freiburg im Breisgau 2001, S. 23.

[2] WALPER, S./ SCHWARZ, B. (Hrsg.): Was wird aus den Kindern? Chancen und Risiken für die Entwicklung von Kindern aus Trennungs- und Stieffamilien, 2. Auflage, Weinheim und München 2002, S. 7 ff.

[3] NAVE-HERZ, R.: Familie heute. Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung, 2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Darmstadt 2002, S. 111.

[4] a. a. O., S. 23.

[5] WALPER, S./ SCHWARZ, B. (Hrsg.): Was wird aus den Kindern? Chancen und Risiken für die Entwicklung von Kindern aus Trennungs- und Stieffamilien, 2. Auflage, Weinheim und München 2002, S. 9.

[6] KRÄHENBÜHL, V., et al.: Stieffamilien. Struktur – Entwicklung – Therapie, 5., veränderte Auflage, Freiburg im Breisgau 2001, S. 23.

[7] WILK, L., et al.: Die Patchwork-Familie oder Der Die Das Stief… Ein Ratgeber für Familien und solche die es noch werden wollen, Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (Hrsg. und Verlag), Wien 2001, S. 23.

[8] KRÄHENBÜHL, V., et al.: Stieffamilien. Struktur – Entwicklung – Therapie, 5., veränderte Auflage, Freiburg im Breisgau 2001, S. 25.

[9] URL: http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Teilfamilien/s_286.html .

[10] Ebenda.

[11] KRÄHENBÜHL, V., et al.: Stieffamilien. Struktur – Entwicklung – Therapie, 5., veränderte Auflage, Freiburg im Breisgau 2001, S. 21 f.

12 a. a. O., S. 25 ff.

[13] URL: http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Teilfamilien/s_286.html .

[14] KRÄHENBÜHL, V., et al.: Stieffamilien. Struktur – Entwicklung – Therapie, 5., veränderte Auflage, Freiburg im Breisgau 2001, S. 31 ff.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Besonderheit von Stieffamilien
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltung
Themen der Ausbildungs- und Familienpsychologie
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V40333
ISBN (eBook)
9783638388702
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Besonderheit, Stieffamilien, Themen, Ausbildungs-, Familienpsychologie
Arbeit zitieren
Charisma Capuno (Autor:in), 2005, Die Besonderheit von Stieffamilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40333

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