Politik der Biomacht - Die Entfaltung & Kontrolle organischer Energie


Hausarbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Inhaltsverzeichnis

2. Natur vs. Technik

3. Begriffliches - Definitionen

4. Arbeit als Freisetzung organischer Energie
4.1 Produktive Formen
4.1.1 Materielles
4.1.2 Immaterielles
4.2 Reproduktive Formen
4.2.1 Die “Gender“-Problematik
4.2.2 Sexualität
4.2.3 “population-control”

5. Exkurs: Gentechnik & Bioethik

6. Kontrolle als Schlüssel zur Macht
6.1 Konzept
6.2 Anwendung

7. Die “Gaia-Hypothese”

8. Fazit

9. Bibliographie

2. Natur vs. Technik

Die Welt ist im Wandel. Eigentlich war sie es schon immer, jedoch niemals zuvor in derart exorbitanter Geschwindigkeit. Die Konsequenzen davon sind allumfassend. Jeder Wandel beherbergt aber auch ein Quantum an Kontinuität, Strukturen die weitgehend stabil und unveränderlich sind.

Eine dieser systemischen Schranken ist die Natur, etwas wissenschaftlicher formuliert, die Biologie. Darin bereits liegt eine erste Erkenntnis: das Natürliche von einst ist nicht mehr so natürlich wie es früher einmal erschien, es hat nämlich seit einigen Jahrhunderten Konkurrenz bekommen - die Technik, oder heutzutage besser, die Technologie. Paradoxerweise aber und das erhellt ebenfalls ganz wesentlich, entkleidet eben diese, in der Menschheitsgeschichte zwar schon immer vorhandene, aber niemals zuvor in solchem Ausmaße, die Natur ihrer Natürlichkeit und zeigt ihren technischen Charakter auf, während gleichzeitig die Technologie selbst zur neuen Natur des “homo faber” wird. Eine klare Unterscheidung von Technik und Natur, künstlich Geschaffenem und schon immer Dagewesenen wird zunehmend unmöglicher, die vormals strikten Grenzen verschwimmen, die vermeintlich unvereinbaren Extreme nähern sich an.

An diesem Punkt nun tritt die Biopolitik ins Spiel, die eben jenes durchschaut hat: das letztlich alles organisch oder technisch ist, je nachdem welches Dogma man seinen Betrachtungen zu Grunde legt, welche Weltanschauung man favorisiert, was mehr dem eigenen Gusto entspricht. Um sich aber nicht ganz von den Konventionen zu lösen bzw. um zumindest eine für eine Untersuchung gemäße relative begriffliche Schärfe zu wahren, sollte man vorläufig eine traditionelle Trennung von Organischem und Mechanischem aufrechterhalten.

Der Begriff “Biopolitik” ist folglich einem Diamant vergleichbar, dessen zahlreiche Facetten das einströmende Licht auf die mannigfaltigste Weise in allen Variationen schillerndster Regenbogenfarben bricht und so in der Lage ist, einen weiten Bereich unterschiedlichster Themenkreise und Seinsgebiete zu erfassen und dadurch zu illuminieren, beansprucht er doch kein geringeres als das Leben an sich in seiner Gesamtheit zu umfangen. Der konkreten Aufklärung seiner hier intendierten Bedeutungen bedarf es trotzdem noch.

3. Begriffliches - Definitionen

Hohe Ansprüche stellt also das Wort “Biopolitik” hier und es lässt sich zeigen, dass es sie größtenteils erfüllt. Um das “Leben” zu betreffen, sollte man aber zunächst eine Überlegung anstellen, was denn damit überhaupt gemeint ist.

Die Eigenschaften, die jedes Biologie-Schulbuch aufzählt, können dabei getrost zu Rate gezogen werden. Neben Wachstum, Reaktion auf Reize, Bewegung und der Notwendigkeit genetischer Information wären die wichtigsten: Stoffwechsel & Fortpflanzung. Dabei ist Organisation freilich selbstverständlich, stellt Ordnung ja eine fundamentale Vorbedingung dar, generelle Erkenntnis erlangen zu können. Die beiden anderen Faktoren, die u. a. "Leben" konstituieren, erhalten im Folgenden tragende Relevanz. Entscheidend ist allerdings, ganz Allgemein gesehen, welches Potential dieses sagenumwobene Leben beinhaltet, nämlich rohe, wilde und ungezügelte Energie1 - aber nur im Vorfeld, wie noch deutlich werden wird, wenn von deren Kontrolle die Rede ist. Ambivalent bleibt dabei, ob dies zu bedauern oder zu befürworten ist, vermutlich eine Frage der eingangs angesprochenen Perspektive. Diese Kräfte in ihrer originären, später in ihrer polaren Ausprägung seien unter der Bezeichnung “Biomacht” verstanden.

4. Arbeit als Freisetzung organischer Energie

Auf eines ist in diesem Kontext noch ganz besonders zu verweisen. Eben jene Energie nutzt schließlich nichts, solange sie ungeformt vorliegt, es gilt vielmehr, sie zu kanalisieren, indem man ihr explizit Ziele zu setzen vermag. Auf selbigem Wege also kommt der Begriff der Arbeit ins Spiel, der an gegenwärtiger Stelle als Energie aufgefasst werden will, die organischen Ursprungs ist, soweit die Differenzierung noch Sinn macht und über die gleichsam bewusst verfügt wird, um spezifische Absichten zu erfüllen. Hervorheben muss man dabei noch, dass eben dieser Prozess eines Aufwands an Anstrengung zur Veränderung bestehender Verhältnisse als Kernelement des Lebens angesehen werden sollte, da diese ständigen energetischen Transformationen nichts anderes als Stoff-Wechsel bewirken und sich eben darin, in der Arbeit, von toter Materie abheben.

Der Übersichtlichkeit halber lohnt es sich zwischen materieller und immaterieller Arbeit zu unterscheiden, wobei vor allem letztere neuerdings exponential an Bedeutung gewinnt.

4.1 Produktive Formen

4.1.1 Materielles

Ein guten historischen Abriss über die Entstehung des modernen Arbeitsbegriffs infolge des Siegeszugs des Kapitalismus im Zeichen der Industrialisierung bietet “Das Kapital” von Marx. Obwohl dessen Schilderungen von immenser Tragweite, wie die Wertbildung im Allgemeinen oder die desolaten Zustände des “Proletariats” im England des 19. Jahrhunderts, für die Geschichte der Arbeit eine immanente Stellung einnehmen, interessiert hier vielmehr die grundliegende Formel,2 die Kapitalismus und Arbeit derart verknüpft das letztere den zentralen Bezugspunkt modernen Lebens ausmacht.3 In der Konsequenz definiert sich die Gesellschaft vorwiegend über das Prestige des jeweiligen Berufes, der darüber hinaus soziales, kulturelles und ökonomisches Umfeld des Individuums wenigstens tendenziell determiniert und dem Einzelnen so seinen Platz in der Hierarchie zuweist. Mit dem Eintritt in die Postmoderne jedoch kommt es zu einer erneuten Revolution des anfangs rein biologisch, hier dann handwerklich-technisch- industriell, also material aufgefassten Arbeitsbegriffes.

4.1.2 Immaterielles

Mit dem Übergang von einer Wirtschaft, die ihren Schwerpunkt von industrieller Produktion auf Dienstleistungen verlagert, wechselt auch das vorherrschende Paradigma für weite Teile der betroffenen Gesellschaft durch eine veränderte Reflexion bezüglich der Definition von Arbeit. Zunehmend spielt sich die “Arbeit”, die im klassischen Sinn noch gar keine ist und gerne von “richtigen Arbeitern” bespöttelt wird, im Kopf ab. Den Beitrag dazu leisten die maßlos angewachsenen Anforderungen an Verwaltung, Organisation, Wissens-Management u. ä., hervorgerufen sowohl von Seiten des Staates als auch der Konzerne, die im Verlaufe der voranschreitenden Globalisierung enormen Bedarf obiger Art entfalten. Dabei kommt insbesondere Kommunikationsunternehmen sämtlicher Variationen eine hegemoniale Position zu. Die Folge ist ein Umschwenken ganzer Betätigungsfelder, unterstützt durch Automatisierung, Robotik und Computerisierung, auf überwiegend kognitive & informationelle Herstellungsverfahren, also aus dem alten Blickwinkel sozusagen "abstrakte" Arbeit. Ebenfalls große Aufmerksamkeit sollte man der lange Zeit unterschätzten affektuellen Arbeit zollen,4 die vor allem bei Erziehung, Betreuung & Seelsorge eine Rolle spielt und gleichzeitig in der Lage ist, die Brücke zum anschließenden Themenkomplex zu schlagen, wird sie ja häufig lapidar als selbstverständliche “Frauensache” abgetan.

4.2 Reproduktive Formen

Bekanntlich gehören zur arterhaltenden Fortpflanzung (zumindest bei "höheren" Lebewesen fast) immer zwei und in diesem Zusammenhang von Arbeit zu sprechen ist dem gemeinen Verständnis nicht unbedingt naheliegend. Nichtsdestotrotz wird sich im Weiteren herausstellen das sowohl erstere Tatsache in der Rezeption der Bevölkerung verzerrt ist, als auch aus einer biopolitischen Heuristik heraus, man durchaus von Arbeit, oder vielleicht besser, von der wichtigsten kausal vorgeordneten Ursache effektiven “Ressourceneinsatzes”, so bizarr dies klingt, sprechen kann. Was damit gemeint ist, wird hoffentlich noch deutlich.

4.2.1 Die “Gender“-Problematik

Ohne großflächig auf feministische wissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen, welche jedoch nichtsdestoweniger einen substantiellen Beitrag zu sukzessive Angeführtem geleistet haben, steht im Fokus der Betrachtung die Rolle der Frau bei der Vermehrung, profan das “Kinderkriegen”. Foucault sieht nämlich darin einen der vier Angriffspunkte staatlicher Intervention, in diesem Falle also Ausübung von Bio-Macht. Konkret bezieht er sich auf die Reduktion der Frau zur Mutter, die als wichtigster Bezugspunkt des Kindes für das Engagement biopolitischer Bestrebungen unabdingbar ist, da die Zukunft der jeweiligen Nation, im wahrsten Sinne des Wortes, mit deren Erfolg steht und fällt. Daraus resultiert des weiteren die Überbetonung der sexuellen Komponente, samt medizinischer “Umzingelung” und ein Oszillieren der Frau zwischen der biologisch- emotionalen Arbeiterin (liebevolle Mutter) und der “nervösen Hysterikerin”.5

Ein hervorragendes Beispiel hierfür ereignete sich nach der Wende in der ehemaligen DDR. Der “Sterilisationsskandal” bzw. “Gebärstreik” vom Anfang der 90er Jahre in Kurzfassung: ein sprunghafter Anstieg durchgeführter Sterilisationen und vorgebliche Auflagen von Arbeitgebern bei Vorstellungsgesprächen lösten ihn aus. Trotzdem nicht bewiesen werden konnte, dass Unternehmer Sterilisationen forderten und mit Sicherheit die Einschätzung ökonomischer Unsicherheit durch die weibliche Bevölkerung und das Ende der Repression durch das DDR-Regime neben anderen ausschlaggebende Faktoren waren, zeigt sich eben am medialen Echo, dass die darin verwendeten Klischees exakt mit Foucaults Annahmen korrespondieren, während die Resonanz der Rezipienten verständlicherweise ein breites Spektrum von “unerhört” bis “unverantwortlich” abdeckte, die sich aber merkwürdigerweise auch an den beteiligten Frauen entlud, welche durch ihr Handeln, unabhängig von ihren Motiven ja dadurch die Zukunft ganz Ostdeutschlands gefährden.6 Abgesehen von anderen Einzelheiten, wie “Ossi”- Ressentiments, noch nicht verheilte Systemfeindschaft, u. ä. wird exemplarisch ersichtlich, wie tief die vorurteilsbeladene Frauenrolle in weiten Bereichen des Publikums verwurzelt ist, wie sie zu sein hat und was nicht sein darf.

Ergo, so schien es schon mehrmals durch, ist es unabkömmlich, ein präziseres Schlaglicht auf den vermeintlichen Kern der Biomacht zu werfen: das Sexuelle.

[...]


1 vgl. Daumer & Schuster, loc. cit., S. 9

2 vgl. Marx, loc. cit., das ganze Buch beschreibt diesen Sachverhalt aufs Akribischste

3 Anzumerken wäre hierbei, überspitzt dargestellt, dass auch in sozialistischen Gesellschaften Arbeit das herausragende Element bildet; lediglich durch den Zweck, der Förderung des Gemeinwohls & der Gemeinschaft, differenziert sich der ideale Sozialismus vom an reinem Geld- und Gewinnstreben orientierten Kapitalismus.

4 vgl. Hardt & Negri, loc. cit., S. 300-305

5 vgl. Foucault, loc. cit., S. 103 f. Man denke auch an die Vergötterung der Urmutter und das militärische Wiederaufgreifen im NS-Regime zur "Mehrung des Volkes". Auch Missbrauch, Zweckentfremdung und schamlose Verkehrung der Swastika in ihr Gegenteil als Symbol des Todes, Schreckens und der unfassbaren Grausamkeit "leuchtet" hier mehr als ein.

6 Genaueres hierzu bei Dölling, Hahn & Scholz, loc. cit., S. 9-61; die Tatsache, dass viele betroffene Frauen Berichten zufolge später ihre Entscheidung angeblich bereuten, verstärkt noch zusätzlich das Moment der Hysterie, also "das Bild der Irrationalen, die nicht wirklich weiß was sie tut".

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Politik der Biomacht - Die Entfaltung & Kontrolle organischer Energie
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut)
Veranstaltung
Technokratie & Mediokratie
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V40246
ISBN (eBook)
9783638388061
ISBN (Buch)
9783638790574
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, die verschiedenen Implikationen und Anwendungen des Begriffspaars "Biomacht/Biopolitik" anhand eines knappen Überblicks darzustellen. Dabei wir insbesondere auf die Erkenntnisse Foucaults Rücksicht genommen.
Schlagworte
Politik, Biomacht, Entfaltung, Kontrolle, Energie, Technokratie, Mediokratie, Biopolitik
Arbeit zitieren
Oliver Köller (Autor:in), 2005, Politik der Biomacht - Die Entfaltung & Kontrolle organischer Energie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40246

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