Arbeitsrecht und Beschäftigung - Eine institutionenökonomische Analyse des Kündigungsschutzes in Deutschland und den USA


Bachelorarbeit, 2005

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Institutionenökonomische Grundannahmen
2.1 Begrenzte Rationalität, Faktorspezifität, opportunistisches Verhalten
2.2 Institutionenökonomische Grundannahmen im Kontext des Arbeitsvertrags
2.3. Differenzierter Kündigungsschutz
2.3.1 Arbeitnehmer mit Jedermannsqualifikationen
2.3.2 Arbeitnehmer mit allgemeinen Qualifikationen
2.3.3 Arbeitnehmer mit betriebsspezifischen Qualifikationen

3. Kündigungsschutz in Deutschland und den USA
3.1. Kündigungsschutz in Deutschland
3.1.1 Personenbedingte Kündigung
3.1.2 Verhaltensbedingte Kündigung
3.1.3 Betriebsbedingte Kündigung
3.2. Kündigungsschutz in den USA
3.2.1 Tarifverträge
3.2.2 Anti-Diskriminierungsgesetze
3.2.3 Common Law – Doktrinen
3.3 Überprüfung der realtypischen Erfüllung des differenzierten Kündigungsschutzes

4. Empirie zu Arbeitsmarktwirkungen des Kündigungsschutzes
4.1 Makroökonomische Arbeitsmarktwirkungen
4.2 Mikrooökonomische Arbeitsmarktwirkungen

5. Reform des Kündigungsschutzes aus der Perspektive des Varieties of Capitalism-Ansatzes
5.1. Varieties of Capitalism-Ansatz
5.1.1 Liberal Market Economy vs. Coordinated Market Economy
5.1.2 Bedeutung und Wirkung institutioneller Komplementaritäten
5.1.3 Branchenspezifische Wettbewerbsvorteile
5.2. Relevanz des VoC-Ansatzes für die Reformdiskussion

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

9. Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

Angesichts einer Arbeitslosenzahl von annähernd 5,3 Millionen im März 2005 suchen Politik und Gesellschaft sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nach Mitteln und Wegen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu senken. Neben Vorschlägen wie der Senkung der Lohnnebenkosten und der verstärkten Integration der Frau ins Erwerbsleben, steht auch häufig die Thematik des Kündigungsschutzes im Zentrum vieler Diskussionen. Doch gerade, wenn es um den Kündigungsschutz geht, wird die öffentliche Diskussion oftmals nicht durch fundierte Zusammenhänge geprägt. Die handelnden und beratenden Akteure spalten sich zumeist in zwei Lager. Stimmen wie der konservative niedersächsische Ministerpräsident führen an: „Es ist doch so, dass das so heilig gesprochene Kündigungsschutzrecht im Kern nur noch der Beschäftigung der Arbeitsgerichte und der Anwälte dient. [...] Der Kündigungsschutz [richtet sich] gegen die, die geschützt werden sollen“ (vgl. Süddeutsche Zeitung offizielle Homepage 2005). Demgegenüber steht das Lager derer, die sich vehement für einen Erhalt der gesetzlichen Kündigungsschutzregelungen einsetzen. So hat sich – um nur ein Beispiel zu nennen – der Parteivorsitzende der SPD, Franz Müntefering, zu einer möglichen Abschaffung des Kündigungsschutzes mit den Worten „Das sind Dinge aus der Gedankenwelt des kalten Kapitalismus. Das ist der Abschied von der sozialen Marktwirtschaft“ (vgl. Süddeutsche Zeitung offizielle Homepage 2005) geäußert. Wenngleich auch eine solche plakative Äußerung nicht ökonomisch fundiert ist, so macht sie doch deutlich, dass Kündigungsschutzregelungen offenbar eine signifikante Beschäftigungswirkung beigemessen wird. Ob dies zutrifft und inwiefern aus ökonomischer Sicht Empfehlungen ausgesprochen werden können, soll Gegenstand dieser Arbeit sein.

Deutschland und die USA unterscheiden sich bezüglich der gesetzlichen Kündigungsschutzregelungen deutlich. Im Rahmen der Zielsetzung der Arbeit sollen die Kündigungsschutzregelungen beider Länder näher analysiert werden. Hierbei soll insbesondere deutlich gemacht werden, ob und, wenn ja, welche Beschäftigungswirkung von entsprechenden Regelungen ausgeht und ob sich hieraus sinnvolle Optionen für eine potentielle Reform des Kündigungsschutzes in Deutschland ableiten lassen.

In Kapitel 2 soll zunächst die Relevanz der Institutionenökonomie für die Reformdiskussion deutlich gemacht werden. Hierzu sollen zunächst in Kapitel 2.1 zentrale Grundannahmen der Institutionenökonomie als theoretische Grundlage aufgezeigt werden. In Kapitel 2.2 sollen diese in den Kontext des Arbeitsvertrags gestellt werden. Hieraus lässt sich das Konzept eines „differenzierten Kündigungsschutzes“ ableiten. Dieses soll in Kapitel 2.3 erläutert werden.

In Kapitel 3 sollen der deutsche Kündigungsschutz dem amerikanischen Kündigungsschutz – sofern vorhanden – gegenübergestellt werden. Im Anschluss daran soll die realtypische Ausprägung des Kündigungsschutzes daraufhin überprüft werden, inwiefern das in Kapitel 2 abgeleitete Konzept des differenzierten Kündigungsschutzes Anwendung findet. (Kapitel 3.3). Darüber hinaus sollen Reformaspekte aus institutionenökonomischer Sicht abgeleitet werden.

In Kapitel 4 sollen empirische Daten bezüglich der Arbeitsmarktwirkung des Kündigungsschutzes aufgezeigt werden. Hierbei soll sowohl die Makroebene (Auswirkung von Beschäftigungsschutz auf gesamtwirtschaftliche Indikatoren) als auch die Mikroebene (Auswirkung von Beschäftigungsschutz auf Unternehmensebene) berücksichtigt werden.

Um konkrete Reformansätze zum Kündigungsschutz innerhalb eines komplexen Wirtschaftssystems vorzuschlagen, soll in Kapitel 5 der Varieties of Capitalism-Ansatz dargestellt werden. Dieser betrachtet die Institution Kündigungsschutz nicht isoliert, sondern stellt sie in den Gesamtzusammenhang eines Institutionengefüges. Der Voc-Ansatz kann daher als Argumentationsstütze im Bezug auf Reform-Aspekte des Kündigungsschutzes dienen.

Kapitel 6 fasst die vorgetragenen theoretischen und empirischen Argumentationen zusammen und leitet daraus aus institutionenökonomischer, empirischer und aus Sicht des VoC-Ansatzes Empfehlungen ab, die bei einer Reform des Kündigungsschutz zu beachten wären.

2. Institutionenökoniomische Grundannahmen

In diesem Kapitel sollen zunächst die zentrale Grundannahmen der Institutionenökonomie als theoretische Grundlage aufgezeigt werden (Kapitel 2.1). In Kapitel 2.2 sollen diese in den Kontext des Arbeitsvertrags gestellt werden. Hieraus lässt sich das Konzept eines „differenzierten Kündigungsschutzes“ ableiten. Dieses soll in Kapitel 2.3 erläutert werden.

2.1 Begrenzte Rationalität, Faktorspezifität, opportunistisches Verhalten

Die Institutionenökonomie grenzt sich vom neoklassischen Paradigma, bei dem sich alle Marktteilnehmer rational verhalten (Homo Oeconomicus) und alle Information über Geschäftsrisiken und Markt(-teilnehmer) kostenlos und öffentlich verfügbar sind, ab (vgl. Jahn 2002b: 144). Im Rahmen der Institutionenökonomie müssen Individuen zur Informationsbeschaffung Zeit und Ressourcen aufwenden und verfügen darüber hinaus nur über eine begrenzte Fähigkeit (bounded rationality), Informationen zu verarbeiten und Pläne aufzustellen (vgl. Richter/Furubotn 1999: 45). Zu den aufzuwendenen Ressourcen zählen auch die (Transaktions-)Kosten der Bereitstellung, Nutzung, Aufrechterhaltung und Umorganisation von Institutionen[1]. Die begrenzte Rationalität der Individuen hat für die institutionenökonomische Vertragstheorie zur Folge, dass keine kontingenten Zukunftsverträge, die alle zukünftigen Eventualitäten berücksichtigen, geschlossen werden können. Aus diesem Grund werden sogenannte relationale Verträge abgeschlossen, bei denen ex-ante nur ein Teil der in Zukunft zu erbringenden Leistungen schriftlich fixiert wird (vgl. Jahn 2002a: 149 und Sesselmeier/Blauermel 1997: 198 und 204-205).

Des weiteren sind Verträge dem institutionenökonomischen Ansatz nach durch transaktionsspezifische Investitionen gekennzeichnet. Je höher die Spezifität der involvierten Aktiva, desto stärker auch die bilaterale Bindung der Vertragsparteien. Durch transaktionsspezifische Investitionen ergeben sich i.d.R. auch für beide Vertragsparteien Quasirenten auf die Investition. Kommt es zum Abbruch der Vertragsbeziehung, ist dies mit versunkenen Kosten (sunk costs) verbunden.

Darüber geht die Institutionenökonomie davon aus, dass sich Individuen opportunistisch verhalten[2]. Dies kann durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vor Vertragsabschluss (ex-ante-Opportunismus) oder durch die Nutzung vertraglicher Spielräume nach Vertragsabschluss geschehen (ex-post-Opportunismus).

Es lässt sich damit festhalten, dass begrenzte Rationalität, Faktorspezifität bei Verträgen und opportunistisches Verhalten zentrale Annahmen der Institutionenökonomie darstellen (vgl. Williamson 1987: 52; Schellhaaß/Nolte 1999: 427) . Im nächsten Kapitel soll nun dargestellt werden, wie diese im Kontext des Arbeitsvertrags zu interpretieren sind.

2.2. Institutionenökonomische Grundannahmen im Kontext des Arbeitsvertrags

Die begrenzte Rationalität spielt aus institutionenökonomischer Sicht auch beim Arbeitsvertrag eine entscheidende Rolle. Da Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die begrenzte Rationalität und die Umweltfaktoren Unsicherheit/Komplexität nicht in der Lage sind, einen Vertrag in seiner ganzen Komplexität zu erfassen und für jeden denkbaren Zustand die Verteilung der Quasirenten und Bedingungen für die Beendigung des Vertragsverhältnisses festzulegen, einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen nicht vollständig spezifizierten (relationalen) Vertrag dar. Gewöhnlich ist lediglich der Lohn, den der Arbeitgeber zahlt, und die abstrakte Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitnehmers spezifiziert (vgl. Williamson 1987: 70; Schellhaaß/Nollte 1999: 417-418).

Auch transaktionsspezfische Investitionen (z.B. in Form von Humankapitalinvestitionen) spielen beim Arbeitsvertrag eine wichtige Rolle. Durch transaktionsspezifische Investitionen wandelt sich der vor der Einstellung wettbewerbliche Arbeitsmarkt in ein bilaterales Monopol zwischen einem Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nach einer Investition in betriebsspezifisches Humankapital kann weder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kostenlos durch einen anderen ersetzen, noch kann ein Insider einen gleichwertigen Arbeitsplatz auf dem externen Arbeitsmarkt finden. Für beide wäre ein Abbruch des Vertragsverhältnisses mit sunk costs verbunden (Quasirente auf die Investition) (vgl. Williamson 1987: 70; Schellhaaß/Nollte 1999: 417-418; Jahn 2002b: 149; Sesselmeier/Blauermel 1997: 198 und 204-205).

Dadurch, dass sich Individuen opportunistisch verhalten, werden sie versuchen, Quasirenten, die durch eine transaktionsspezifische Investition entstanden sind, in ihrem Sinne nachträglich umzuverteilen.

Daher ist ein Überwachungssystem notwendig, dass die Vertragsfreiheit für ex-post-Anpassungen das die Spielräume einer opportunistischen Umverteilung der Gegenseite einschränkt. Ein solches Überwachungssystem stellt der Kündigungsschutz dar. Da die Höhe der Quasirenten und damit auch die Höhe der sunk costs, die im Falle des Abbruchs eines Vertragsverhältnisses von der Spezifität der involvierten Aktiva abhängt, wird deutlich, dass im Rahmen des Kündigungsschutzes aus institutionenökonomischer Sicht unterschiedliche Schutzniveaus sinnvoll sein können. Die funktionelle Ausgestaltung eines Kündigungsschutzes und damit die Höhe des Schutzniveaus könnte sich hierbei am Grad der Spezifität der involvierten transaktionsspezifischen Investitionen orientieren (vgl. Schellhaaß/Nollte 1999: 417-418).

2.3. Differenzierter Kündigungsschutz

In diesem Kapitel soll das Modell des differenzierten Kündigungsschutzes vorgestellt werden. Hier soll insbesondere auf drei Gruppen von Arbeitnehmern eingegangen werden. Arbeitnehmer mit Jedermannsqualifikationen, jene mit allgemeinen Qualifikationen und jene mit betriebsspezifischen Qualifikationen.

2.3.1 Arbeitnehmer mit Jedermannsqualifikationen

Im Fall eines Arbeitnehmers mit Jedermannsqualifikationen sind keine transaktionsspezfischen Aktiva in Form von Investitionen in Humankapital involviert. Eine fortdauernde Kooperation hätte keine produktivitätssteigernde Wirkung. Deshalb drohen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Verluste an Quasirenten. Die Notwendigkeit einer institutionellen Absicherung ist daher nicht vorhanden (vgl. Schellhaaß/Nolte 1999: 418). Eine Schutz gegen willkürliche Entlassungen[3] läuft dem dennoch nicht zuwider. Darüber hinaus gilt es die durch einen Arbeitsplatzwechsel anfallenden Mobilitätskosten (z.B. Bewerbung, Vorstellungsgespräch, ggf. Umzug) zu berücksichtigen. Diese könnten bei einer Weiterbeschäftigung im Betrieb – ggf. an anderer Stelle – vermieden werden. Hierdurch können aber u.U. interne Umstrukturierungskosten entstehen.

„Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Wahl zwischen einem internen oder einem externen Ersatzarbeitsplatz so zu treffen, dass die jeweils kostengünstigere Lösung realisiert wird. Die Institution Sozialplan kann diese Steuerungsfunktion durch die Internalisierung der externen Kosten bei arbeitgeberseitigen Trennungen übernehmen“ (vgl. Schellhaaß/Nolte 1999: 421).

Ob die Beschränkung auf den Willkürschutz für Arbeitnehmer mit Jedermannsqualifikationen realtypisch gegeben ist, soll in Kapitel 3.3 überprüft werden.

2.3.2 Arbeitnehmer mit allgemeinen Qualifikationen

Durch allgemeine Qualifikationen können Arbeitnehmer ihre Produktivität nicht nur innerhalb des Unternehmens, in dem sie beschäftigt sind, sondern auch in anderen Unternehmen (wenngleich auch des selben Arbeitsmarktsegmentes) steigern. Dadurch, dass Arbeitnehmer mit allgemeinen Qualifikationen flexibel in unterschiedlichen Unternehmen eingesetzt werden können, ähnelt deren arbeitsmarktpolitische Lage denen der Arbeitnehmer mit Jedermannsqualifikationen. Eine Kündigungsschutzregelung, die sich auf den Willkürschutz beschränkt, wäre für diese Gruppe allerdings nicht ausreichend. Dies hängt damit zusammen, dass allgemeinqualifizierte Arbeitnehmer die Kosten ihrer Ausbildung selbst tragen. Für die Finanzierung kommen sie auf, indem sie für eine bestimmte Periode einen Lohn unterhalb seiner Wertgrenzproduktivität akzeptieren (vgl. Eger 2001: 49; Schellhaaß/Nollte 1999: 422).

„Zwar entsteht keine bilaterale Monopolposition zwischen einem einzelnen Arbeitnehmer und einem einzelnen Unternehmer, jedoch wird der Bereich der relevanten Arbeitsplätze auf einen fachlich umgrenzten Teilarbeitsmarkt eingeschränkt. Dieses sunk cost-Risiko erfordert eine Absicherung der Arbeitsverträge. Der institutionelle Schutz zielt [...] nicht auf den Bestand des gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses, sondern auf den Schutz der Quasirenten ab. [Daher brauchen solche Arbeitnehmer] einen institutionellen Schutz gegen unzureichende Amortisationsdauern ihrer Humankapitalinvestition“ (vgl. Schellhaaß/Nolte 1999: 422-423).

Arbeitnehmer mit allgemeinen Qualifikationen benötigen demnach eine Form des Kündigungsschutzes, die nicht auf Bestand des gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses sondern auf den Schutz der Quasirenten abzielt. Kapitel 3.3 wird zeigen ob dies im Rahmen der deutschen Kündigungsregelung sichergestellt wird.

2.3.3 Arbeitnehmer mit betriebsspezifischen Qualifikationen

Durch die Akkumulation von betriebsspezifischem Humankapital erhöht sich die Produktivität ausschließlich im Ausbildungsbetrieb, während die Produktivitätserhöhung bei einem Arbeitplatzwechsel in einen externen Betrieb wieder verloren geht (vgl. Eger 2001: 49).

„Mit der Investition in betriebsspezifisches Humankapital werden automatisch Marktzutrittsschranken für Outsider aufgebaut, da aufgrund der Spezifität der Investitionen Arbeitskräfte mit vergleichbarer Qualifikation auf dem externen Arbeitsmarkt nicht verfügbar sind. [...] Institutionelle Sicherungen gegen Beendigungskündigungen sind deshalb nicht erforderlich, der Willkürschutz reicht aus (vgl. Schellhaaß/Nollte 1999: 424).

Zur Finanzierung der Investitionen in betriebsspezifische Qualifikationen tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch bei. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Senioritätsentlohnung erfolgen, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Anteile an der Quasirente auf die Investition sichert (vgl. Eger 2001: 49). In diesem Entlohnungsmodell erhält der Arbeitnehmer zu Beginn einen Lohn, der unterhalb seiner Wertgrenzproduktivität liegt. Mit andauernder Betriebszugehörigkeit steigt sein Lohn jedoch, bis er schließlich über den sogenannten break-even-point[4] ansteigt (vgl. Sesselmeier/Blauermel 1997: 168).

Abbildung 1 verdeutlicht nochmals modellhaft das Prinzip und die Wirkungsweise einer Senioritätsentlohnung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kosten und Erträge spezifischer Investitionen in Humankapital im Rahmen eines Senioritäslohnes

Quelle: Eger 2001

In Abbildung 1 ist auf der y-Achse der Lohn des Arbeitnehmers und auf der x-Achse die Zeit der Betriebszugehörigkeit abgetragen. Die Wertgrenzproduktivität1 (WGP1) entspricht dem Wertgrenzprodukt, dass ein Arbeitnehmer, der in einem Betrieb beschäftigt ist, bei einem Arbeitsplatzwechsel in ein anderes Unternehmen erzielen würde. Durch eine Investition in betriebsspezifisches Humankapital kann die Produktivität des Arbeitnehmers – ausschließlich im Ausbildungsunternehmen – auf WGP2 gesteigert werden. Beide Vertragsparteien einigen sich auf einen Senioritätslohn, der in der Ausbildungsperiode unterhalb der Wertgrenzproduktivität des Arbeitnehmers in dessen Alternativbeschäftigung liegt. Der Lohn steigt mit fortwährender Betriebszugehörigkeit an, bis er nach einem ex-ante zu vereinbarenden Zeitpunkt den break-even-point erreicht (und diesen auch schließlich überschreitet). Die Kosten und Erträge der Investition in betriebsspezifisches Humankapital teilen sich die beiden Vertragsparteien. Der Arbeitgeber zahlt dem Beschäftigten in der Ausbildungsperiode einen Lohn, der aufgrund der niedrigeren Wertgrenzproduktivität über dessen Wertschöpfung liegt (a·h). Der Arbeitnehmer verzichtet im Gegenzug während der Ausbildungsperiode auf einen höheren Alternativlohn, den er ohne spezifische Qualifikationen erreichen könnte: (1-a)·h. In der Leistungsperiode zahlt der Arbeitgeber wiederum einen Lohn, der unter der Wertschöpfung des Arbeitnehmers liegt und sichert sich damit seine Erträge. Der Arbeitnehmer erhält seinen Anteil an der Quasirente durch einen Lohn während der Leistungsperiode, der über seinem Alternativlohn in einem externen Unternehmen - unter Einbringung allgemeiner Qualifikationen – liegt (vgl. Eger 2001: 50-51).

[...]


[1] „Eine Institution im hier verwendeten Sinne ist ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, mit dem Zweck, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern. Institutionen strukturieren unser tägliches Leben und verringern auf diese Art und Weise dessen Unsicherheiten“ (vgl. Richter 1994: 2)

[2] Williamson (1990) definiert Opportunismus als „die Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List. Das schließt krasse Formen ein wie Lügen, Stehlen und Betrügen, beschränkt sich aber keineswegs auf diese Punkte. Häufig bedient sich der Opportunismus raffinierterer Formen der Täuschung. [...] Allgemeiner gesagt bezieht sich Opportunismus auf die unvollständige oder verzerrte Weitergabe von Informationen, insbesondere auf vorsätzliche Versuche, irrezuführen, zu verzerren, zu verbergen, zu verschleiern oder sonst wie zu verwirren. Er ist für Zustände echter oder künstlich herbeigeführter Informationsasymmetrie verantwortlich, welche die Probleme ökonomischer Organisationen außerordentlich erschweren“ (vgl. Williamson 1990: 54)

[3] Willkürschutz ist so definiert, „dass nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Gründe für eine Kündigung vorhanden sein müssen“ (vgl. Schellhaaß/Nolte 1999: 419)

[4] Lohnsatz, an dem der Lohn der Wertgrenzproduktivität entspricht

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Arbeitsrecht und Beschäftigung - Eine institutionenökonomische Analyse des Kündigungsschutzes in Deutschland und den USA
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
49
Katalognummer
V39438
ISBN (eBook)
9783638382014
Dateigröße
1840 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitsrecht, Beschäftigung, Eine, Analyse, Kündigungsschutzes, Deutschland
Arbeit zitieren
Philipp Rebel (Autor:in), 2005, Arbeitsrecht und Beschäftigung - Eine institutionenökonomische Analyse des Kündigungsschutzes in Deutschland und den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39438

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