Der Mitarbeiterhabitus als Generator für Unternehmehmenskulturen (Praktiken Pierre Bourdieu)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorie: Bourdieus „Die feinen Unterschiede“
2.1 Das Habituskonzept
2.2 Der Habitus – Bindeglied zwischen Objektivismus und Subjektivismus
2.3 Kapitalarten: ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital
2.4 Habitus und Dialektik des Feldes
2.5 Sozialer Raum: Klassenkampf durch symbolisches Kapital, Geschamack und Lebensstil
2.6 Symbolisches Kapital: Legitimation, Konstitution und Verschleierung der Macht

3. Habituskonzept und Personalauswahl
3.1 Unternehmenskultur – Ergebnis des kollektiven Firmenhabitus
3.2 Personalauswahl: Unternehmenskultur = Bewerberhabitus

4. Das Habituskonzept als Analyseinstrument für die Arbeitzeit im 2100 Jahrhundert ?
4.1 Ist Arbeitszeit ein Klassenspezifisches Phänomen ?
4.2 Kulturelles Kapital in einer Dienstleistungs,- und Informationsgesellschaft

5. Ergebnisdarstellung Bourdieus Habituskonzept in der Theorie und Praxis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Komplementärverhältnis von Habitus und Feld

Abb. 2: Sozialer Raum und Soziale Positionen

1. Einleitung

Bourdieus Forschungsarbeiten konnten durch seine ethnologischen Analysen der kabylischen Gesellschaft in Algerien ein breites Spektrum an analytischem Rüstwerkzeug hervorbringen. Seine Untersuchungsergebnisse und Analysen reichen von einer kritischen Gesellschaftsuntersuchung bis in die Lebensstilanalyse.

In dieser Hausarbeit soll zum einen das Habituskonzept, sowie die für das Verständnis der Theorie notwendigen Bausteine, Habitus, Feldtheorie, Kapitaltheorie, soziales Feld, sozialer Raum und die sozialen Positionen und Lebensstile, sowie die Verbindung von Objektivismus und Subjektivismus erläutert werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Definition von Habitus niemals eindeutig ist und immer innerhalb des jeweiligen Zusammenhangs betrachtet werden muss.

Mit Hilfe des Habituskonzeptes soll geprüft werden, ob die Entwicklung sowie die Unternehmenskultur an sich, durch den Habitus der Mitarbeiter beeinflusst wird bzw. erst entsteht. Anhand der Unternehmenskultur bzw. Unternehmenshabitus soll geprüft werden inwieweit dieser Einfluss auf die Mitarbeiterrekrutierung hat und wie entscheidend der Habitus der Bewerber bzw. der Unternehmensmitglieder für den Einstieg in das Unternehmen bzw. die Karriere innerhalb der Firma von Relevanz ist.

Außerdem soll durch das Habituskonzept ermittelt werden, inwieweit die Arbeitszeit in einem Unternehmen bzw. in der Gesellschaft als Lebensstil und als Distinktionsmittel fungiert. Des weitern soll durch die Kapitaltheorie untersucht werden, inwieweit in Zukunft das ökonomische Kapital von Unternehmen effizient und leistungsfördernd in kulturelles Firmenkapital wie z.B. Fortbildung, flexible Arbeitszeiten und Arbeitsmodell investiert werden kann.

Abschließend soll ein kurzer Ausblick zu Bourdieus Habituskonzept, sowie die Anwendbarkeit der Theoire in der Praxis, in diesem Fall bezüglich der Unternehmenskultur, der Personalrekrutierung und Arbeitszeit geprüft werden.

2. Theorie: Bourdieus „Die feinen Unterschiede“

2.1 Das Habituskonzept

Das Habituskonzept ist für Bourdieus gesamtes Werk zentral. Es entwickelt sich bereits früh während seiner Auslandsaufenthalte aus empirischen Forschungsfragen und ähnelt in der Methodik sehr der Ethnologie.

Unter Habitus versteht Bourdieu ein System dauerhafter Dispositionen, die als Denk-, Wahrnehmungs-, und Handlungsmuster im Individuum verinnerlicht werden und als innere Struktur der Individuen selber strukturierend durch Praxisformen, also Handlungen auf die Gesellschaft wirken. Die verinnerlichte Handlungsstruktur, der Habitus, entwickelt sich über die Erfahrungen des Individuums und wirkt daher konstitutiv auf seine Handlungen. Die Erfahrung sind zum einen durch Denk-, Wahrnehmungs-, Handlungsmuster über die Sozialisation verinnerlicht und sind zum anderen systematisches Erzeugungsprinzip der Handlungen und dienen dem Individuum als Orientierungshilfe im Alltag.[1]

Während die Verinnerlichung von bestimmten Handlungsschemata und die daraus erzeugten praktischen Handlungsmustern größtenteils den sozialpsychologischen Bereich behandelt, wird bei der Verortung der jeweiligen sozialen Position des Akteurs innerhalb einer Sozialstruktur der Bereich der Soziologie betreten. Der Habitus ist nicht nur eine Verinnerlichung der äußeren Strukturen, sondern eine klassenspezifische Verinnerlichung der jeweiligen sozialen Stellung innerhalb der Gesellschaft. Die objektiven Gegebenheiten, d.h. die Umwelt, die verschiedenen Lebensbedingungen einer Familie, das soziale Umfeld bilden dem Individuum einen klassentypischen Habitus der gleichzeitig auch eine unterschiedlich soziale Praxis und Wahrnehmung hervorbringt. Der Habitus ist somit ein Produkt der veränderlichen kulturellen, gesellschaftlichen und historischen Bedingungen. Er wird über symbolische Diskurse, eingelebte Alltagspraktiken und kulturelle Praktiken erworben. Er reicht bis in die Körpersprache, Sprache und die sozialen Umgangsformen hinein und haftet dem Individuum wie eine Folie für Denk-, Wahrnehmungs-, und Handlungsmuster an.[2]

Der Habitus besitzt die zwei Funktionen „opus operatum“ und „modus operandi“. Mit „modus operandi“ bezeichnet Bourdieu die Art und Weise wie soziale Praktiken ausgeübt werden. Durch die klassenspezifische Ausübung werden die bestehenden sozialen Strukturen reproduziert und stabilisiert. Die Ausübung innerhalb der habituellen Struktur kann dagegen sehr kreativ sein und wird bei Bourdieu als „opus operandi“ bezeichnet.[3]

2.2 Der Habitus – Bindeglied zwischen Objektivismus und Subjektivismus

Die Überwindung des Objektivismus-, und Subjektivismusproblems war für Pierre Bourdieu von besonderer Bedeutung. Der Objektivismus bildet den erkenntnistheoretischen Gegenpart zum Subjektivismus. Während der Objektivismus Strukturen oder Sachverhalte zum Untersuchungsgegenstand hat wie z.B. Funktionen, Gesetze, Regeln, Prinzipien, Systeme, untersucht der Subjektivismus subjektive Gegebenheiten von Individuen sowie deren Strategien, Praktiken, Wahrnehmungen, Intentionen, kognitive Repräsentationen etc.. Begriffe wie z.B. Mikrosoziologie, Individuum, Lebenswelt, haben erkenntnistheoretisch einen subjektivistischen Hintergrund.[4]

Aus Pierre Bourdieus Sicht ist die Betrachtung ausschließlich aus einer erkenntnistheoretischen Sicht unzureichend. Strukturen z.B. sind nicht, wie beim Objektivismus, für Bourdieu zwangsläufig vorhanden, sondern bilden sich aus den handelnden Individuen selbst. Andererseits finden die objektivistischen Instrumente, wie z.B. empirische Datenerfassung, die erst durch die Existenz von Strukturen möglich sind, von Bourdieu Zuspruch. Der Subjektivismus ist aufgrund seines starken Bezugs zum Alltagswissen zu wenig abstrahiert, allerdings gleichzeitig Ausgangspunkt jeder sozialen Praxis, welche die Strukturen einer Gesellschaft generiert.[5]

Bourdieus Individuen, bzw. Handelnden verfügen über ein Wissen, ihrer „sens pratique“[6] mit deren Hilfe sie zu sozialer Erkenntnis gelangen. Es handelt sich prinzipiell um eine Schnittstelle zwischen dem theoretischen Wissen der Akteure und ihrem praktischen Handeln, welches daraus resultiert. Diese Erkenntnisweise bezeichnet Bourdieu als Praxeologie, welche die Dialektik zwischen Objektivismus und Subjektivismus überwinden soll, ohne die Vorteile der einen oder andere Sichtweise zu vernachlässigen.[7]

Der Habitus fungiert dabei als vermittelndes Element zwischen der objektiven Struktur, der Gesellschaft und der sozialen Praxis, der Handlungsebene. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen der objektiven ökonomischen Lage des Individuums, wie z.B. der sozialen Stellung innerhalb der Gesellschaft oder dem Einkommen und den Alltagshandlungen, wie z.B. Sport, Kochen oder Lesen hergestellt. Dies bezeichnet Bourdieu als Lebensstil welcher seinen Ausdruck im symbolischen Kapital findet. Für Bourdieu zeigt und reproduziert sich die Gesellschaft, „das Soziale“ vor allem im alltäglichen Handeln von Akteuren durch Distinktion und Ausdruck des Lebensstils.[8]

2.3 Kapitalarten: ökonomisches, kulturelles, Soziales und symbolisches Kapital

Der Kapitalbegriff, sowie die Hauptkapitalformen sind zum weiteren Verständnis der Habitus- und Feldtheorie grundlegend und bedürfen deshalb einer Erklärung.

Bourdieu grenzt seinen Kapitalbegriff von der klassischen Wirtschaftstheorie ab und ergänzt Teile von Marx Kapitalbegriff. Die klassische Wirtschaftstheorie sei zu unkritisch und einseitig und vernachlässige eine nutzenorientierte Betrachtung der nicht ökonomischen Lebensbereiche. Von Marx übernimmt er die die Definition von Kapital, als Ergebnis akkumulierter Arbeit. Dadurch wird im Gegensatz zur klassischen Sichtweise die Zeitkomponente mit berücksichtigt.[9]

Bourdieu untergliedert, im Gegensatz zur wirtschaftswissenschaftlichen Auffassung, den Kapitalbegriff in vier Kapitalsorten: ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital erläutert.

Unter dem ökonomischen Kapital versteht Bourdieu Kapital im herkömmlichen Sinne, d.h. alle Formen materiellen Reichtums, wie z.B. Einkommen oder Eigentum. Es ist immer unmittelbar in Geld konvertierbar oder vorhanden, dadurch lässt es sich, mit wenigen Ausnahmen, beim sozialen und kulturellem Kapital, in alle anderen Kapitalformen relativ leicht umwandeln. Durch die vielfältigen Umwandlungsmöglichkeiten weist das ökonomische Kapital eine leichte Dominanz gegenüber den anderen Kapitalsorten auf.[10]

Das kulturelle Kapital wird in die drei Formen inkorporiertes, institutionalisiertes und objektiviertes Kapital unterschieden. Alle Formen lassen sich, wenn auch unterschiedlich einfach, in ökonomisches Kapital umwandeln. Der Erwerb von kulturellem Kapital erfolgt zum größten Teil durch die Investition von Kapital und je nach Art des kulturellen Kapitals, auch durch Zeit. Unter institutionalisiertem Kapital werden erlernte Fähigkeiten und Eigenschaften verstanden, die in Form von Bildungstiteln erworben werden können und dadurch gesellschaftlich legitimiert werden. Das inkorporierte Kapital ist im Körper und Geist des Individuums durch Wissen, Fähigkeiten und Bildung verinnerlicht. Das Wissen wird durch Institutionen, wie z.B. Schule oder Universitäten aber auch durch autodidaktisches Lernen erworben.

Das inkorporierte Kapital wird durch den persönlichen Lerneinsatz und Zeit angeeignet und ist somit nur bedingt, durch Erziehung und Lehrtätigkeiten, übertragbar. Das objektivierte kulturelle Kapital sind z.B. Bücher, Kunstgegenstände oder technische Geräte und kann am leichtesten durch oder in ökonomische Kapital umgewandelt werden ist aber gleichzeitig die Verdinglichung von kulturellem Kapital.[11]

Das soziale Kapital bezeichnet Netzwerke und Verbindungen, die aus dem familiären, freundschaftlichen und beruflichen Kontakten, durch Beziehungsarbeit entsteht. Durch diese Netzwerke lassen sich sowohl kulturelles und ökonomisches Kapital indirekt vervielfachen. Durch den Besuch einer amerikanischen oder französischen Elite Universität, wie z.B. Harvard, verfügt man infolgedessen über ein Netzwerk von Bekannten, die mit überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit wichtige Führungspositionen in Wirtschaft und Politik besetzten.[12] Dieses Netzwerk kann einem sowohl für den beruflichen Aufstieg, als auch als Sicherheitsnetz für die Absolventen dienen, wie einschlägige Beispiele aus der Presselandschaft, wie z.B. der Fall Mehdorn zeigen.[13]

[...]


[1] Vgl. Schwingel, Markus, Pierre Bourdieu zur Einführung (1995), S. 61f

[2] Ebenda S. 67

[3] Ebenda S. 72f

[4] Vgl. Treibel, Anette, Einführung in die Soziologien der Gegenwart (2004) S.221

[5] Vgl. Ebenda S. 224

[6] Bourdieu, Pierre, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft (1987b) S.275

[7] Vgl. ebenda S.224

[8] Vgl. ebenda S.225

[9] Vgl. Treibel, Anette, Einführung in die Soziologien der Gegenwart (2002), S.226

[10] Vgl. Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital (1983) S.185

[11] Ebenda S.185

[12] Vgl. Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital (1983), S.195

[13] Vgl. Hartmann, Michael, Der Mythos von den Leistungseliten (1993), S.121

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Mitarbeiterhabitus als Generator für Unternehmehmenskulturen (Praktiken Pierre Bourdieu)
Hochschule
Universität Hamburg  (Öffentliche Wirtschfat und Personal)
Veranstaltung
Personalwirtschftslehre
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V39415
ISBN (eBook)
9783638381864
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mitarbeiterhabitus, Generator, Unternehmehmenskulturen, Pierre, Bourdieu), Personalwirtschftslehre
Arbeit zitieren
Markus Pietsch (Autor:in), 2005, Der Mitarbeiterhabitus als Generator für Unternehmehmenskulturen (Praktiken Pierre Bourdieu), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39415

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