Rauchen - die bagatellisierte Sucht


Diplomarbeit, 2003

112 Seiten, Note: mit Auszeichnung


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Geschichte des Rauchens
2.1 Anfänge des Rauchens
2.2 Tabak als Heilmittel, als Medikament und als Mittel gegen den Hunger
2.3 Tabak-Bekämpfung und Tabak als Einnahmequelle
2.4 Rauchverbote und Raucherlaubnisse
2.5 Tabakmonopole und industrielle Zigarettenherstellung

3 Inhaltsstoffe im Zigarettenrauch und deren Wirkung im Körper
3.1 Natürliche und durch das Rauchen entstehende Inhaltsstoffe
3.1.1 Nikotin
3.1.2 Nornikotin
3.1.3 Teer
3.1.4 Kohlenmonoxid (CO)
3.1.5 Staubteilchen
3.1.6 Blausäure
3.1.7 Formaldehyd
3.1.8 Methylalkohol
3.1.9 Kohlenwasserstoffe
3.1.10 Nitrosamine
3.1.11 Radioaktive Substanzen
3.2 Chemische und weitere Zusätze
3.2.1 Pyridin
3.2.2 Xylol
3.2.3 Benzaldehyd
3.2.4 Menthol
3.2.5 Phenolderivate
3.3 Ausmaß der Schadstoffkonzentrationen im Zigarettenrauch
3.4 Gefahrstoff Zigarette

4 Gesundheitliche Folgeschäden des Rauchens
4.1 Gesundheitliche Folgeschäden des Aktiv-Rauchens
4.1.1 Krebserkrankungen
4.1.2 Herz-, Kreislauf-, Gefäß-, und Knochenerkrankungen
4.1.3 Lungenerkrankungen
4.1.4 Magenerkrankungen
4.1.5 Frauenspezifische Erkrankungen
4.1.6 Hauterkrankungen
4.1.7 Männerspezifische Erkrankungen
4.1.8 Immunerkrankungen
4.1.9 Zahnerkrankungen
4.1.10 Augenerkrankungen
4.1.11 Krebs- und Raucherkrankheiten auch durch Leichtzigaretten
4.1.12 Erhöhtes Diabetes-Risiko
4.2 Gesundheitliche Folgeschäden des Passiv-Rauchens
4.2.1 Atemwegsinfekte bei Jugendlichen
4.2.2 Leukämien bei Kinder
4.2.3 Intelligenzminderung bei Kindern
4.2.4 Asthma, Lungenkrebs und andere Atemwegs- und Lungenerkrankungen bei Kindern und Erwachsenen
4.2.5 Herzerkrankungen
4.2.6 Krebserkrankungen von Haustieren
4.3 Gesundheitsschäden auch durch Nikotin
4.4 Körperliche Veränderungen durch das Rauchen

5 Sterblichkeit der Raucher
5.1 Weltweit
5.2 Europäische Situation
5.2.1 In Großbritannien und im Vergleich mit anderen Sterbedaten
5.2.2 In Deutschland und im Vergleich mit Verkehrstoten
5.2.3 In Österreich und im Vergleich mit Alkohol und illegalen Drogen
5.3 Im Vergleich mit Luftschadstoffen
5.4 Im Vergleich mit anderen Todesursachen

6 Entstehung der Nikotinabhängigkeit
6.1 Was ist Sucht?
6.2 Was ist Abhängigkeit?
6.3 Erklärungsmodelle zur Suchtentstehung
6.4 Biologische Ursachen der Abhängigkeits- und Suchtentwicklung
6.5 Psychologische Ursachen der Suchtentstehung
6.5.1 Tiefenpsychologische Modelle
6.5.2 Lerntheoretische Ansätze
6.6 Sozialwissenschaftliches Erklärungsmodell der Suchtentstehung
6.7 Entstehung der biologischen Nikotinabhängigkeit
6.8 Nikotinkinetik und Nikotinwirkung
6.8.1 Aufnahme und Resorption
6.8.2 Physiologische Effekte
6.8.3 Psychische Reaktionen
6.8.4 Subjektive Wirkung
6.9 Die Zigarette – ein Drogenapplikationsgerät
6.10 Gewöhnung
6.11 Nikotin als Antidepressivum?
6.12 Feststellung der Nikotinabhängigkeit

7 Die Tabakindustrie
7.1 Tabakgeschäft in den USA
7.2 Werbung in den USA
7.3 Tabaklobby in den USA
7.3.1 Sponsoring von Wahlkämpfen
7.4 Aussagen von leitenden Angestellten der größten Tabakfirmen in den USA
7.5 Finanzielle Zuwendungen
7.6 Verharmlosen im Auftrag der Tabakindustrie
7.7 Wissen um Krebsentstehung und Nikotinsucht
7.7.1 Außergerichtliche Zahlungen
7.8 Tabaklobby in Großbritannien
7.8.1 Sponsoring der britischen Premierministerin
7.9 Tabaklobby in Deutschland
7.9.1 Unterstützung von Präventionskampagnen für Kinder
7.10 Rechtliche Schritte gegen die Tabakindustrie in Deutschland
7.10.1 Manipulationen
7.11 Das Tabakgeschäft in Österreich
7.11.1 Tabakmonopol

8 Ökonomische Gesichtspunkte der Nikotinsucht
8.1 Betriebsgewinn und Folgekosten weltweit
8.2 Raucherkosten in den USA
8.3 Steuereinnahmen und Raucherkosten in Deutschland
8.3.1 Raucherbedingte Erkrankungskosten pro Person
8.3.2 Absolute Kosten bei Atemwegserkrankungen
8.3.3 Umsatzvergleich zwischen legalen und illegalen Drogen
8.4 Einnahmen in Österreich
8.5 Genaue Kosten des Rauchens
8.6 Einsparungen durch frühen Tod der Raucher
8.7 Raucher belasten das Gesundheitssystem
8.8 Tabakindustrie als Wirtschaftsfaktor
8.8.1 Keine große Bedeutung als Arbeitgeber
8.8.2 Laufende Arbeitsplatzeinsparungen und Umstrukturierungen
8.8.3 Ausbau des Automatengeschäfts
8.8.4 Subventionierung des Tabakanbaues

9 Rauchergesellschaft
9.1 Raucherrate in Europa
9.2 Raucherrate in Deutschland
9.3 Raucherrate in Österreich
9.4 Raucherzunahme weltweit
9.5 Raucherzunahme in Europa und Nordamerika
9.6 Raucherzunahme in Österreich und einigen Ländern Europas

10 Abwehrmechanismen der süchtigen Raucher

11 Raucherentwöhnung
11.1 Die Schlusspunkt-Methode
11.2 Medikamentöse Raucherentwöhnung
11.2.1 Nikotinsubstitution
11.2.2 Bupropion
11.2.3 Andere pharmakologische Substanzen
11.3 Verhaltenstherapie
11.4 Akupunktur
11.5 Hypnose
11.6 Raucherentwöhnung ambulant
11.7 Raucherentwöhnung stationär
11.8 Selbstmotivation

12 Raucherprävention
12.1 Suchtprävention
12.2 Arten der Prävention
12.3 Wie betreibt man erfolgreiche Nikotinprävention?
12.3.1 Lebenskompetenzförderung
12.3.2 Preiserhöhungen
12.3.3 Rauchfreie Arbeitsplätze
12.3.4 Werbeverbote
12.3.5 Warnhinweise auf der Rauchwarenverpackung und neue Grenzwerte
12.3.6 Verbot irreführender Bezeichnungen und Ammoniakbeimischungen
12.3.7 Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen
12.3.8 Informationskampagnen in Finnland
12.4 Raucherbewusstsein in Österreich
12.4.1 Geringer Aufklärungsstatus der österreichischen Bevölkerung
12.4.2 Geringes Suchtverhalten-Verständnis von Jugendlichen in Tirol
12.5 Raucherbewusstsein in Italien
12.5.1 Informationsdefizit bei Ärzten und Krankenpflegepersonal in Italien

Abschlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Mit der vorliegenden Arbeit haben wir versucht, anhand von Daten und Fakten nachzuweisen, dass es sich beim Rauchen um eine schwere Suchterkrankung handelt, die nicht nur extrem gesundheitsschädigend, sondern in hohem Ausmaß tödlich ist. Von den lebensbedrohlichen Erkrankungen und dem frühzeitige Tode sind nicht nur die Raucher, sondern auch die Passivraucher betroffen.[1]

Warum trotz dieser Tatsachen die Bekämpfung der Nikotinsucht nicht mit derselben Intensität wie die Bekämpfung illegaler Drogen betrieben wird, erweckte in uns das Interesse, diese Thematik genauer abzuhandeln.

Christine Scherrer befasste sich mit der Geschichte des Rauchens, weil sie u.a. wissen wollte, wie es soweit kommen kann, dass eine Sucht gesellschaftlich so ausgeprägt ist und akzeptiert wird. Sie suchte Erklärungen für die Abwehrmechanismen der Raucher, Wege aus der Nikotinsucht und beschreibt die bisher mäßigen Erfolge, aber auch die großen Chancen in der Suchtpräventionsarbeit.

Ugurlu Cemal als psychiatrischen Krankenpfleger im medizinisch-somatischen Bereich und als aktiven Raucher interessierten vor allem die gesundheitlichen Folgeschäden des Rauchens, die Übersterblichkeit der Raucher im Vergleich mit anderen Sterbedaten, die ökonomischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkte des Rauchens.

Mein Interesse als unfreiwilliger Passivraucher galt vor allem den giftigen Inhaltsstoffen im Zigarettenrauch, den „Marktsicherungsstrategien“ der Tabakkonzerne, den Hypothesen der Suchtentstehung im Allgemeinen und der Nikotinsucht im Besonderen.

Rauchen ist kein natürliches Verhalten des Menschen. Niemand wird als Raucher geboren. Rauchen muss man sich erst „mühsam angewöhnen“, es ist jedoch schnell mehr als nur „Gewöhnung“, eine „schlechte Angewohnheit“, „Genuss“, „Vergnügen“ oder lediglich eine „Belästigung“ für den Nichtraucher.

2 Geschichte des Rauchens

2.1 Anfänge des Rauchens

Dieser Abschnitt stützt sich, wenn nicht andere angegeben, weitgehend auf die Ausführungen von Karl Paweck, 2002.[2]

Rauchen hat eine lange Tradition und eine bewegte Vergangenheit. Wie aus Ausgrabungen bekannt ist, dürfte Tabak in Amerika schon seit etwa 5500 Jahren bekannt sein. Mit der Entdeckung Amerikas war in diesem Land eine weit verbreitete Rauchkultur gegeben, welche von den Seeleuten beobachtet, teilweise übernommen und nach Europa gebracht wurde.

Als der Entdecker von Kuba, Rodrigo de Jerez, als Raucher in seine spanische Heimat zurückkehrte und von seinen Landsleuten gesehen wurde, wie er aus Mund und Nase rauchte, brachte ihm das mehrere Jahre Kerker ein.

Hervorgetan hat sich hier besonders die Kirche, die eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung erblickte und langjährige Gefängnisstrafen damit begründete, dass das Rauchen nichts anderes sei, „als dass der Satan den Heimkehrern aus unchristlichen Weltgegenden den Höllenrauch aus Mund und Nase blase“. (Dieterich, 1998)

War das Rauchen um 1560 in Europa, Asien, Afrika und Australien noch unbekannt, so rauchte man nur hundert Jahre später überall auf der Welt, während man Kartoffeln, Tomaten oder Mais noch Jahrzehnte verschmähte.

2.2 Tabak als Heilmittel, als Medikament und als Mittel gegen den Hunger

Die Tabakpflanze in Europa bekannt gemacht hat ein französischer Gesandter namens „Jean Nicot“, der sie 1561 von Lissabon nach Paris brachte und dort dem französischen Hof präsentierte. Nach ihm wurde auch der 1828 entdeckte Wirkstoff des Tabaks, das „Nikotin“, benannt. Wegen der in ihr vermuteten Heilkraft wurde die Tabakpflanze gegen fast jegliche Art von Krankheit eingesetzt. Als tatsächlich wirksam erwies sie sich jedoch nur in wenigen Anwendungsbereichen wie z.B. in der Behandlung parasitärer Hauterkrankungen. Daneben wurde die schmerzstillende und leicht euphorisierende Wirkung des Tabaks medizinisch genutzt. Angesehene Mediziner, wie Professor Nicolo Monardes von der Universität Sevilla, unterstützten die Verbreitung des Tabaks. Sein Buch über die Wunderheilkräfte des Tabaks erschien 1565 und wurde in viele Sprachen übersetzt.

In der Zeit der Pestepidemien und des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) wurde Tabak in Europa zum Mittel der Ärzte gegen die Pest und zum Mittel des Volkes gegen den Hunger. Der holländische Arzt Diemerbrook schrieb während einer Pestepidemie 1636:

„Wie das Volk sonst auf die Großen sieht, um sich nach ihnen zu richten, so blickt es zur Zeit der Pest auf die Ärzte, um von ihnen zu lernen, wie sie sich inmitten der Gefahr von Ansteckung bewahren können. Im Verlaufe des Tages nach jeder Mahlzeit rauchte ich. Sobald mir die Ausdünstungen der Kranken unerträglich wurden, ließ ich augenblicklich alles liegen und rauchte Tabak. Der Tabak ist das wirksamste Mittel gegen die Pest, doch muss das Blatt von guter Beschaffenheit sein. Ich habe viel davon gebraucht…“. (Dahlke & Dahlke, 1989)

Um 1666 gaben Mütter in England ihren Kindern anstatt des Frühstückbrotes Tabak mit zur Schule, wo ihn die Schüler und Lehrer zur Krankheitsvorbeugung und gegen den Hunger gemeinsam rauchten.

2.3 Tabak-Bekämpfung und Tabak als Einnahmequelle

Die Zeit der Lobpreisungen auf Tabak dauerte nicht lange. Widerstand regte sich als erstes in England. Jakob I. veröffentlichte anlässlich seiner Thronbesteigung ein wütendes Traktat gegen das von seiner Vorgängerin geduldete Rauchen, da er dies vor allem als ungesund und sinnlose Verschwendung von Zeit, Geld und Erbgut der Männer betrachtete.

Doch die Gier der Europäer nach Tabak blieb unstillbar, englische Seeleute überfielen mit Vorliebe spanische Tabakschiffe. Tabak wurde schließlich in den Kolonien das Hauptzahlungsmittel für Importe aus Europa, auch für jene Waffen, denen die Vereinigten Staaten schließlich die Unabhängigkeit verdankten. In Virginia und Maryland galt Tabak noch im 18. Jahrhundert als gesetzliches Zahlungsmittel.

Da sich das Verlangen nach Tabak auch durch königliche Verbote nicht bremsen ließ, entschloss sich Jakob I. schließlich, aus der Tabakleidenschaft seiner Untertanen ein Geschäft zu machen und ließ 1614 den Einfuhrzoll auf Tabak um das Vierzigfache (!) erhöhen. Weiters erklärte er den Tabakimport zum königlichen Monopol und verbot angeblich zum Schutz der Volksgesundheit jedes Säen und Pflanzen des Tabaks in England. Da er dieses Anbauverbot nicht durchsetzen konnte, belegte er 1643 auch den im eigenen Lande gezogenen Tabak mit hohen Steuern. Bezahlen für die rigorose Bereicherung an der Sucht des Volkes musste sein Sohn Karl der I., der nach seinem Sturz auf dem Weg zu seiner Hinrichtung von den Soldaten bespuckt und mit Rauch angeblasen wurde, während sie seinen Weg zum Richtplatz mit zerbrochenen Pfeifen bewarfen.

2.4 Rauchverbote und Raucherlaubnisse

In allen Teilen Europas und Asien hatte die Obrigkeit in jenen Zeiten eine sehr ambivalente Einstellung zum Rauchen. Immer wieder gab es Totalverbote des Rauchens in einigen Ländern, mit Todesstrafen in China, Verstümmelungen in Russland, wo man Rauchern die Nasen und Lippen aufschnitt und Verkäufer von Tabak kastrierte. Raucher galten damals als politisch Oppositionelle. Mit dem Verbot des Rauchens wurden Gefängnis- und Geldstrafen ausgesprochen und das Eigentum eines jeden Tabakverkäufers konfisziert.

Ein Schiffsbrand in Konstantinopel am 07.08.1633, welcher sich zur Feuerkatastrophe ausweitete und 20 000 Häuser zerstörte, war für den türkischen Sultan Murat VI. die Gelegenheit, das Rauchen als die Ursache der Feuersbrunst per Dekret und unter Androhung der Todesstrafe zu verbieten.

Tatsächlich dürfte ein Feuerwerk, das Murat anlässlich der Geburt seines Sohnes abfeuern ließ, die Katastrophe ausgelöst haben.

In der Zeit seiner Herrschaft von 1623 – 1640 ging der Sultan verkleidet an Orte, wo Tabak verkauft wurde, und schlug jedem Verkäufer persönlich mit dem Schwert den Kopf ab. Bis zu seinem Tod im Alter von 29 Jahren soll Murat rund 25 000 Untertanen selbst getötet oder zum Tode verurteilt haben.

Trotz der in dieser Zeit massiv einsetzenden Rauchverbote kümmerte sich niemand darum. Geraucht wurde auch in den Kirchen, wo nicht nur die Kirchenbesucher, sondern auch die Priester während der Messe rauchten.

1642 erließ der Papst eine Bulle, in der er alle mit der Exkommunikation bedrohte, die während der Messfeier rauchten. (Dieterich, 1998)

Die Rauchverbote dauerten nur solange, bis die Obrigkeit selbst rauchte. Der Tabakanbau wurde fortan wieder gestattet, allerdings in der Absicht, die Untertanen unter dem Vorwand der Schonung der Gesundheit zu „schröpfen“.

So hatte sich der Vatikan 1725 entschlossen, das Rauchen und Schnupfen im Petersdom wieder offiziell zu erlauben. Nachdem der Kirchenstaat mehr als 100 Jahre später inzwischen gut an den Tabakabgaben und an seiner Produktion verdiente, bedrohte derselbe Vatikan 1851 die Verfasser von Schmähschriften gegen das Rauchen mit Zuchthausstrafen. (Dalke & Dahlke, 1989)

2.5 Tabakmonopole und industrielle Zigarettenherstellung

1668 besann sich auch Kaiser Leopold des gesundheitlichen Wohls seiner Untertanen und verbot jeden Tabakverkauf in Tirol außerhalb von Apotheken. Als jedoch die Staatskasse leer war und ihm sein Oberjägermeister vorrechnete, dass die gewünschte Jagd problemlos durch die Vergabe eines Tabakmonopols zu finanzieren sei, beeilte sich seine Majestät, das Rauchen „gnädigst“ wieder zu gestatten.

Das Beispiel machte Schule, in weniger als zwei Jahrzehnten lösten fast überall in Deutschland Monopole die Verbote ab. Die Tabakpächter gingen gegen illegale Tabakhändler mit aller Härte vor. Ende des 17.Jh. verhafteten Agenten jährlich im Durchschnitt 2500 Männer, 2000 Frauen und 6000 Kinder. Männer wurden auf Galeeren geschickt, auch Todesurteile kamen vor. Doch die Tabakpächter bekamen letztendlich den Zorn des Volkes zu spüren und das Volk jubelte, als 1794 der letzte Tabakpächter Frankreichs auf der Guillotine hingerichtet wurde.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein rauchten hauptsächlich die Aristokraten und Angehörige des Grossbürgertums sowie Soldaten und Seeleute (meist Pfeife). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam auch das Zigarrenrauchen auf, 1850 das Zigarettenrauchen. Im Krim-Krieg (1853-1858) schauten englische und französische Soldaten das Einwickeln und Rauchen von fein geschnittenem Tabak in Papierröllchen von türkischen und russischen Soldaten ab und propagierten diese Mode in ganz Europa. Mit dem Bau der ersten Zigarettenmanufaktur in Dresden (1862) begann die industrielle Herstellung von Zigaretten, die daraufhin billiger wurden und von noch mehr Menschen konsumiert werden konnten. 1870 wurden in Deutschland 60 Millionen Zigaretten hergestellt, 1890 waren es bereits über 600 Millionen, 1912 schon 11,5 Milliarden. In „Zahlen und Fakten in Kürze“ der DHS (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.v.) betrug die im Jahre 2000 in Deutschland hergestellte Anzahl von Zigaretten bereits ca. 139 (!) Milliarden Stück.[3]

Ihren Siegeszug trat die Zigarette im 1. Weltkrieg an. Auch Hitlers Versuche das Rauchen einzudämmen, scheiterten. Heute beträgt der Marktanteil der Zigarette am Tabakgeschäft 95 Prozent. (Dahlke & Dahlke, 1989)

Zusammenfassung

Entdeckt vor 5500 Jahren in Amerika, eingeführt als Genussmittel in Europa, von Medizinern einstmals gelobt als Heilmittel und Mittel gegen den Hunger und gegen die Pest, von der Kirche und der Obrigkeit immer wieder erfolglos verboten und bekämpft, wurde Tabak nach der Prohibition als leicht zu bedienende Einnahmequelle entdeckt und bleibt bis heute wohl auch aus diesem Grund vor beschränkenden Zugriffen jeglicher Art geschützt. Die Zigarette ist zu einem „wichtigen“ Bestandteil unserer Gesellschaft geworden.

3 Inhaltsstoffe im Zigarettenrauch und deren Wirkung im Körper

Die Inhaltsstoffe des Zigarettenrauches sind für den Körper allesamt Schadstoffe. Die Aufzählung aller bisher festgestellten Gifte im Tabakrauch würde den Umfang dieser Arbeit überschreiten. Um einen Eindruck über die Gefährlichkeit der Rauchinhaltsstoffe zu vermitteln, werden hier nur einige bedeutsame angeführt.

3.1 Natürliche und durch das Rauchen entstehende Inhaltsstoffe

Einige Bestandteile des Zigarettenrauchs gehen unverändert aus dem Tabak in den Rauch über, z.B. das Nikotin, die übrigen Tabakalkaloide und die tabakspezifischen Nitrosamine. Andere entstehen erst in der Glutzone durch Pyrosynthese, z.B. CO, Benzol und Benzo[a]pyren. Die meisten Zigarettenrauchbestandteile werden durch Racemisierung, teilweisen Abbau oder Oxidation von spezifischen, im Tabak enthaltenen Vorstufen gebildet, z.B. Furane, Indole und Aromastoffe, oder sie entstehen neu aus stickstoffhaltigem Material im Tabak, z.B. Stickoxide, Amoniak und Cyanwasserstoff. (Buchkremer, et al., 1994)

Im Tabakrauch sind bisher über 3000 verschiedene Verbindungen nachgewiesen worden. Neben dem Hauptwirkstoff Nikotin sind dies u. a. Teer, mehrere hochtoxische Gase wie Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2), Stickstoffmonoxid (NO), Stickstoffdioxid (NO2), Blausäure, Formaldehyd, die karzinogenen Verbindungen Benzo(a)pyren und mehrere seiner Derivate, Nitrosamine, aromatische Amine, Schwelfeldioxid (SO2), Ammoniak, Acrolein und die Schwermetalle Chrom (Cr), Arsen(As), Cadmium (Cd) und Vanadium (V). (Roth, 1998)

Im Nebenstromrauch haben einige der flüchtigen Schadstoffe gegenüber dem Hauptstromrauch eine bis zu 100-fache erhöhte Konzentration.

3.1.1 Nikotin

Das Alkaloid Nikotin wurde 1828 in Heidelberg von den Studenten Posselt und Reimann isoliert. (Roth, 1998)

Es kommt in unterschiedlichen Konzentrationen vor allem in den Tabakpflanzen vor.

Nikotin ist eines der stärksten Pflanzengifte und zeigt eine starke Giftwirkung auf verschiedene niedere Tiere wie Insekten und Würmer. Kommerzielles Nikotin ist ein Nebenprodukt der Tabakindustrie. Die Isolierung erfolgt durch Extraktion und Wasserdampfdestillation oder auch gaschromatographisch. Die einfache Herstellung, das Fehlen toxischer Rückstände (Nikotin zerfällt hydrolytisch sehr schnell) und die geringe

Resistenzentwicklung macht Nikotin bereits seit dem 18. Jahrhundert bis heute zu einem ausgezeichneten Pflanzenschutzmittel.

Wegen der leichten Zugänglichkeit war die Verbindung lange Zeit ein viel verwendetes Selbstmordgift. Die letale Dosis bei oraler Applikation liegt bei Erwachsenen zwischen 40 – 60 mg. So wird z.B. lt. EG-Sicherheitsdatenblatt unter „Hinweise zur Entsorgung“ von Nikotin empfohlen, kleine Mengen zu sammeln und der Sonderabfallverbrennung (!) zuzuführen. (Roth, 1998)

Eine Zigarette enthält zwischen 9,8 und 14 mg Nikotin. Beim Zigarettenrauchen gelangen 10 – 20 % des im Tabak enthaltenen Nikotins in den Rauch. Das einmalige Einatmen von Zigarettenrauch entspricht einer intravenösen Zufuhr von etwa 0,1 mg Nikotin. Nikotin wird in der Leber rasch oxidativ abgebaut. Die Halbwertszeit beträgt 2 Stunden, die Plasma-Halbwertszeit weniger als 30 Minuten[4], sodass es zu einer Kumulation von Nikotin im Körper kommt, wenn ca. alle 30 Minuten eine Zigarette geraucht wird. Eine chronische Nikotinvergiftung kann jedoch nicht durch Akkumulation des Wirkstoffs erreicht werden, da auch starke Raucher über Nacht nahezu nikotinfrei werden. (Roth, 1998)

Bei der Zigarettenverbrennung werden in der etwa 900 ° C heißen Glutzone organische und anorganische Verbindungen thermisch zersetzt und in gasförmige Reaktionsprodukte umgewandelt. Diese erreichen die dahinter liegende Destillationszone, setzen Wasserdampf frei, der sich mit diesen Produkten vermischt und abdestilliert. Durch die Abkühlung bildet sich ein Aerosol, welches auch das wasserdampfflüchtige Nikotin enthält. Obwohl eine Abdestillation auch in den Zugpausen nach außen hin im sog. Nebenstromrauch bei niederen Temperaturen stattfindet und die Nikotinkonzentration dort deutlich höher ist, geht die Hauptmenge des Alkaloids in den Hauptstrom. (Roth, 1998)

3.1.2 Nornikotin

Die Wissenschaftler Dickerson und Janda beschreiben Stoffe im Tabak, sogenannte "Advanced Glycation Endproducts", die aus früheren Studien als entscheidende Faktoren bei der Entstehung von Diabetes, Krebs, Gefäßverstopfung, Arteriosklerose und Alzheimer bekannt seien.[5]

Der Stoff mit der Bezeichnung „Nornikotin“ sei ein natürlicher Bestandteil des Tabaks und sorge auf bislang unbekannte Weise dafür, dass an der Oberfläche von Eiweißen falsche Zuckermoleküle angeheftet würden. Als Folge könnten diese Eiweißstoffe Reaktionen eingehen, aus denen die oben genannten toxischen Stoffe hervorgingen.

Weiters reagiert Nornikotin mit Steroiden in Medikamenten wie Kortison und haftet sich an diese und an bestimmte Aminosäuren von Proteinen. Die auf diese Weise modifizierten Steroide und Proteine können in eine unnatürliche Interaktion mit anderen chemischen Stoffen im Körper treten. Hinzu kommt schließlich, dass Nornikotin wesentlich länger im menschlichen Körper verbleibt als etwa Nikotin, das im Körper schnell abgebaut wird.

3.1.3 Teer

ist ein flüssiges, schwarzbraunes Kohlenwasserstoffgemisch.

Ein Raucher, der zwanzig Jahre lang täglich 20 Zigaretten raucht, befördert in dieser Zeit sechs Kilogramm Ruß, das Äquivalent von zehn Briketts, in seine Lunge. Die Teerbestandteile bleiben in allen Bereichen der Lunge liegen, schädigen die Schleimhaut und ermöglichen schließlich die Bildung von Carcinomen. (Dahlke & Dahlke, 1989)

Die Rußpartikel werden in den Kupferschen Sternzellen der Lunge gespeichert und sind bei Obduktionen eindrucksvoll sichtbar.

3.1.4 Kohlenmonoxid (CO)

Kohlenmonoxid ist ein farb- und geruchloses giftiges Gas, das bei unvollständiger Verbrennung organischen Materials entsteht. Der Rauch von handelsüblichen oder selbst gedrehten Zigaretten enthält 10 – 20 mg Kohlenmonoxid (CO). Die CO-Konzentration im Zigarettenrauch beträgt 2,8 bis 4,6 Prozent, das ist das z.B. das Tausendfache (!) der nach den Arbeitnehmerschutzbestimmungen in Deutschland geregelten Maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK, s. Abb.1). (Buchkremer et al., 1994)

Für die Kohlenmonoxidkonzentration spielt es keine Rolle, ob man nikotinarme oder Nicht-Tabak-Zigaretten raucht. Die CO-Konzentration kann man nur dadurch vermindern, dass man spezielle Filter, die einen seitlichen Lufteintritt ermöglichen, verwendet.

Das schlecht lösliche Gas hat eine vielfach höhere Affinität (Bindungsfähigkeit) zum roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der als Sauerstoffträger innerhalb des Körpers fungiert, und verdrängt dadurch O2 aus dem Gewebe. Die Bindung von Kohlenmonoxid an Hämoglobin und andere Chromoproteide, z.B. Myoglobin, ist reversibel und wird bei Aufenthalt in CO-armer Luft innerhalb von zehn bis zwölf Stunden wieder abgeatmet. Die nächtliche Rauchpause ist für einen Gewohnheitsraucher somit zu kurz für eine vollständige Abatmung der aufgenommenen CO-Mengen. Die Exspirationsluft von inhalierenden Rauchern enthält 10 bis 65 ppm CO.

Anbei (s. Abb.1) die Kohlenmonoxidkonzentration im Zigarettenrauch sowie im Alveolarbereich eines Rauchers im Vergleich zu belasteter und unbelasteter Umgebung, Autoabgasen und maximal gestatteter Arbeitsplatzkonzentration (MAK).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 (Quelle: L.D.Longo, Am.J.Obst.Gynec. 129 (1977), 69-103 in: Buchkremer et al., 1994)

Die Kohlenmonoxidbelastung löst einen Adaptionsmechanismus im Körper aus: Es wird vermehrt Erythropoietin freigesetzt, was zu einer Erythrozytose führt, die international als „smokers`polycythaemia“ bekannt ist. Die Vermehrung der Blutzellen kann extreme Ausmaße annehmen, z.B. Hämatokritwerte von > 65 % bei inhalierenden Zigarrenrauchern. Die hohen Hämatokritwerte führen zu einer vermehrten Gerinnbarkeit des Blutes (Thromboseneigung) und erhöhen die Emboliegefahr. (Buchkremer et al, 1994)

Eine vermehrte CO-Belastung führt auch zu einer Abnahme der psychischen Leistungsfähigkeit. Die durch das Nikotin hervorgerufenen positiven Wirkungen wie Zunahme der Aufmerksamkeit, Verkürzung der Reaktionszeit usw. werden durch das zusammen mit dem Nikotin eingeatmete Kohlenmonoxid aufgehoben. Verstärkt werden die negativen Folgen unter Bedingungen des Sauerstoffmangels, wie bei einem Aufenthalt in großen Höhen, oder bei Vorliegen einer Anämie. Das Kind im Mutterleib lebt im Zustand eines relativen Sauerstoffmangels.

Weitere gesundheitliche Folgen der CO-Inhalation reichen von unmerklichen, aber messbaren Funktionseinbußen, z.B. Verminderung der Lichtempfindlichkeit der Netzhaut, bis hin zum Herzinfarkt. Kohlenmonoxid ist offenbar nicht die Ursache der Arteriosklerose, wie früher angenommen wurde; es fördert aber die Atheromatose der Gefäßwände und verschlimmert ihre Folgen, insbesondere periphere, kardiale und cerebrale Durchblutungsstörungen. (Kollehn & Noack, 1992)

3.1.5 Staubteilchen

Dahlke & Dahlke schreiben in: Die Psychologie des blauen Dunstes, S. 88: „Laut Bericht der Bundesregierung zum Rauchen (1974) würden Schadstoffkonzentrationen, wie sie sich ein Raucher mit jeder Zigarette zuzieht, wenn sie an irgendeinem Arbeitsplatz auftreten, das Tragen von Atemschutzgeräten erfordern.“

„Zigarettenrauch enthält tausendmal mehr Staubteilchen, als der dichteste je gemessene Smog. Bereits 10 in einem dreißig Quadratmeter großen Raum gerauchte Zigaretten bringen den Formaldehydgehalt auf das Dreifache des zulässigen Höchstwertes, und auch andere Grenzwerte werden locker von den Rauchern überboten.“. (Dahlke & Dahlke, 1989)

Die folgenden Aufzählungen sind bis Pkt. 3.1.9 Auszüge aus der Internetseite von Dr. med. Jürg Eichhorn:[6]

3.1.6 Blausäure

Die Blausäure ist ein stark wirksames Giftgas, das im Tabakrauch einer Zigarette in einer verhältnismäßig hohen Konzentration enthalten ist: 100-400 µg. Im Trinkwasser dürfen z.B. nicht mehr als 50 µg pro Liter enthalten sein. Blausäure hat eine lähmende Wirkung auf das Atemzentrum, auf die Zellatmungskette und die Flimmerhärchen. Aber sie scheint auch karzinogene Effekte (Bronchialkarzinom) zu haben.

3.1.7 Formaldehyd

Formaldehyd ist ein stechend riechendes Gas, das in der Vergangenheit eine breite Verwendung als Konservierungs- und Desinfektionsmittel gefunden hatte. Heute ist Formaldehyd als Konservierungsmittel verboten.

Neben der stark reizenden Wirkung auf die Schleimhäute des Respirationstrakts haben Tierversuche gezeigt, dass Formaldehyd möglicherweise eine mutagene Wirkung hat.

3.1.8 Methylalkohol

Methylalkohol reizt nach Inhalation geringer Dosen die Schleimhäute und kann zu zentral

nervösen Erscheinungen, wie z.B. Schwindel und Sehstörungen führen. Nach oraler Einnahme hoher Dosen kann es zur Erblindung oder gar zur tödlichen Vergiftung kommen.

3.1.9 Kohlenwasserstoffe

Die Kohlenwasserstoffe, besonders die aromatischen, spielen eine wichtige Rolle als Karzinogene bzw. Kokarzinogene. Benzo(a)pyren zählt zu den stärksten Karzinogenen, Benzol beeinflusst die Blutbildung und kann eine Leukämie auslösen. Phenole sind schleimhautreizend und zerstören das Flimmerepithel. Bei Aminen, Nitrosaminen und Metallen fallen hauptsächlich die karzinogenen Effekte ins Gewicht.

3.1.10 Nitrosamine

Tabak ist abgesehen von sehr hohen Nitrosaminbelastungen an einigen Arbeitsplätzen die bedeutendste Quelle der menschlichen Nitrosaminexposition. Nitrosamine gehören zu den stärksten krebserzeugenden Substanzen. Im Tierversuch erzeugten N. bereits bei einer Gesamtaufnahme von 20 mg/kg Körpergewicht über die Lebenszeit verteilt Tumore. 90 Prozent der N. erzeugten im Tierversuch nachweislich Krebs.

Tabak enthält flüchtige und nicht flüchtige N. Flüchtige N. werden während des Produktionsprozesses oder beim Rauchen gebildet, wobei der Nitratgehalt des Tabaks die Höhe der Nitrosaminkonzentration wesentlich mitbestimmt. Möglicherweise spielt auch der Pestizideinsatz während der Kultivierung der Tabakpflanzen eine gewisse Rolle, weil Pestizide leicht nitrosierbare Amine, Amide und Carbamate enthalten.

Bei einem Konsum von 20 Zigaretten pro Tag kann eine tägliche Aufnahme von ca. 8-18 mg Nitrosamin angenommen werden. Die Schwankungsbreite ist bedingt durch die unterschiedlichen Tabakqualitäten und Herstellungsmethoden.

Auch der exhalierte Tabakrauch, vor allem aber der Nebenstromrauch enthält noch eine ganze Reihe weiterer krebserregender Substanzen, die dort aufgrund der besonderen Abbrandbedingungen der Zigaretten in weit höherer Konzentration als im Hauptstrom vorhanden sind.

Im Nebenstromrauch, d. h. für Passivraucher, ist die Konzentration flüchtiger Nitrosamine bei weitem höher als für Aktivraucher. Passivraucher werden während eines siebenstündigen Aufenthalts in einem verräucherten Innenraum mit 10-20 µg Nitrosamin belastet. Im Gegensatz dazu nehmen sie über die Nahrung durchschnittlich nur etwa 0,4-0,5 µg pro Tag auf. (Preussmann & Eisenbrand, 1984)

3.1.11 Radioaktive Substanzen

Was den meisten nicht bekannt sein dürfte ist, dass sich in der Zigarette hochgiftige radioaktive Substanzen befinden.

Prof. Dr. Matthias Risch schrieb1989 an die süddeutsche Zeitung u.a., dass bereits im Jahre 1965 der Forscher C.R.Hill am britischen Krebsforschungsinstitut im Zigarettentabak das radioaktive Isotop Polonium 210 in einer Aktivität von 210 bis 1360 Piccocurie pro Kilogramm Tabak festgestellt habe. Hill und seine Kollegen Radfort und Hunt haben dabei gemessen, dass beim Abrauchen von Zigaretten etwa 10 Prozent des Poloniums in den Hauptstromrauch, 30 Prozent in den Seitenstromrauch, 40 Prozent in den Stummel, 20 Prozent in die Asche und praktisch nichts in den Filter gelangt. Polonium 210 ist ein Alpha-Strahler mit einer Strahlenenergie von 5 bis 8 Millionen Elektronenvolt, das ist die höchste derzeit bekannte Strahlenenergie. (Risch, 1989)

Das Polonium wird vom Körper aufgenommen und zurückgehalten, sodass in Raucherlungen eine drei- bis vierfach höhere Poloniumskonzentration gegenüber Nichtraucherlungen gefunden wird. Auch Passivraucher sind gefährdet, weil die meiste Radioaktivität in den Nebenstromrauch und in die Asche geht.

Am Max -Planck -Institut für Biophysik haben Rajewsky und Stahlhofen im Jahr 1966 eine Polonium - Radioaktivität von 2,4 bis 6 Picocurie Polonium pro Zigarette, je nach Marke und Herkunft, gemessen; außerdem eine durchschnittliche Alpha - Aktivität in den Bronchien von Rauchern von 8 Picocurie pro m² Bronchienoberfläche, entsprechend einer Strahlenbelastung der Lunge von 40 bis 150 Millirem pro Jahr.

Im Jahr 1985 fanden die finnischen Forscher Mussalo-Rauhamaa und Jaakkola in Zigaretten zusätzlich zu der radioaktiven Belastung mit Polonium einen radioaktiven Gehalt von Plutonium von 0,2 bis 10 Femtocurie Plutonium 239 und 240 pro Zigarette, je nach Marke und Herstellungsjahr, welches beim Abbrand der Zigaretten hauptsächlich in der Feinasche verblieb.

Die Plutoniumbelastung ist auf die Atombombenversuche in den sechziger und die Satellitenabstürze in den siebziger Jahren zurückzuführen. Die Tabakpflanze hat aufgrund ihrer Blattstruktur die Eigenschaft, die beiden radioaktiven Isotope besonders gut aus der Luft herauszufiltern.

Gemäss dem medizinischen Forscher J.B. Westin von der Jerusalem Universität (1987 im Journal der Amerikanischen Medizinischen Assoziation JAMA veröffentlicht), ist die radioaktive Strahlung des Tabaks wahrscheinlich als bedeutender Faktor für die Lungen-krebsentstehung im Menschen anzusehen. Ähnliche Auffassungen vertreten die amerikanischen Krebsforscher Martell, Cohen u.a. im New England Journal of Medicin, 1982.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die besonders energiereiche Radioaktivität des Tabakrauches einen weiteren Grund dafür darstellt, die Nichtraucher vor dem Rauch zu schützen. (Risch, 1989, 2003)

3.2 Chemische und weitere Zusätze

Neben diesen in der Zigarette und im Zigarettenrauch „natürlich“ vorkommenden Giftstoffen hat das IRM (Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern) weitere im Tabak üblicherweise nicht vorkommende Chemikalien festgestellt. Die Untersuchung von 12 Zigarettenmarken erfolgte im Auftrag des Schweizer Fernsehens der deutschen und rätoromanischen Schweiz (SF-DRS) und erbrachte folgende Substanzen:[7]

3.2.1 Pyridin

Ist ein Vergällungsmittel für Ethanol; Lösungsmittel. Dient z.B. als Katalysator bei der Brotherstellung.

3.2.2 Xylol

Ist ein entfettendes Lösungsmittel, kann Schädigung des Zentralnervensystems hervorrufen.

3.2.3 Benzaldehyd

Ist ein künstliches Bittermandelaroma, wie es in Parfüms verwendet wird, reizt Haut, Augen und Atemwege.

3.2.4 Menthol

Ist ein Terpenalkohol, der in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie in einem breiten Einsatzfeld als Aromastoff Verwendung findet, mit zahlreichen pharmakologischen Wirkungen.

3.2.5 Phenolderivate

Sind Desinfektionsmittel und haben vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Tierpräparation, in Holzschutzmitteln, Haarfärbemitteln etc. Phenolderivate sind leber- und nierentoxisch, stimulieren das Respirationszentrum im Stammhirn.

Aus der pharmakologischen Wirkung dieser Stoffe und der chemischen Veränderung des Rauches lässt sich unschwer ableiten, dass die Tabakindustrie diese Mittel der Zigarette beimischt, um eine bessere Verfügbarkeit von Nikotin zu gewährleisten und dadurch die Sucht der Raucher zu erhöhen.

Das Vorhandensein zusätzlicher Inhaltsstoffe aus der Nahrungsmittelindustrie in der Zigarette wird auch von der Sozietät Dr. Oexmann in Hamm als Argumentationsgrundlage für die Initiierung rechtlicher Schritte gegen die deutsche Tabakindustrie angeführt.[8]

Die Rechtsanwälte schreiben, dass betreffend die Manipulation des Produktes Zigarette konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tabakindustrie durch Zusatz von Ammoniak den pH-Wert des Tabaks manipuliert, um die Aufnahme des Nikotins in den Blutkreislauf zu beschleunigen und damit einen „Nikotin-Booster“ zu erzeugen. „Außerdem wird durch Zusatz von Zucker die Entstehung von Acetaldehyd gefördert. Acetaldehyd ist ein Stoff, der beim Verbrennen des Zuckers entsteht und der nach den Untersuchungen von Philip Morris die Wirkung von Nikotin in synergetischer Weise verdoppelt. Durch den Zusatz von Kakao sollen die Lungenalveolen erweitert werden, damit die Aufnahme des Nikotins ebenfalls gefördert wird.“ (Hugemann, 2000)

3.3 Ausmaß der Schadstoffkonzentrationen im Zigarettenrauch

Eine genaue qualitative und quantitative Darstellung der Inhaltsstoffe des Tabakrauches findet man im Internet in: „Toxikologische Aspekte des Tabakrauchens“.[9]

Aufgezeigt wird u.a. der Schadstoffgehalt nach dem Abbrennen einer Zigarette, verglichen mit den Richtwerten der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (Stand 1992).

Dabei zeigt sich, dass die Schadstoffe aus der Zigarette die meisten dieser Richtwerte um ein Vielfaches übersteigen. Weiters sind etliche kanzerogene Inhaltsstoffe aufgezählt, für die es keine unbedenklichen Konzentrationen gibt, weil sie in der Atemluft eigentlich nicht vorkommen dürften und die unkontrollierte Freisetzung schon aus diesem Grund vermieden werden sollte.

3.4 Gefahrstoff Zigarette

Die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien aufgrund ihrer gefährlichen Eigenschaften ist auf EU-Ebene einheitlich in der Stoffrichtlinie (RL 67/548/EWG) und in der Zubereitungsrichtlinie (RL 1999/45/EG) geregelt. Die genauen Leitlinien für die Auswahl der korrekten Gefahrensymbole, der Bezeichnungen der besonderen Gefahren (R-Sätze) und der Sicherheitsratschläge (S-Sätze) sind in Anhang B zur Chemikalienverordnung 1999 (ChemV) festgelegt.[10]

Der Anhang I („Stoffliste“ oder „Liste der gefährlichen Stoffe“) der RL 67/548/EWG enthält diejenigen gefährlichen Stoffe – derzeit mehr als 3.000 – für die eine bindende, innerhalb der EU abgestimmte Einstufung besteht.[11]

Gemäß dieser Stoffliste sind die in der Zigarette und im Zigarettenrauch vorkommenden Giftstoffe nicht nur „gesundheitsschädlich“ oder „giftig“, sondern „Sehr Giftig ( T + )“.

Zum Vergleich: Benzin hat lt. dieser Liste die Gefahrensymbolbezeichnung „T: giftig“; Diesel lediglich „ Xn : Gesundheitsschädlich “; beide Stoffe liegen daher unter der Giftigkeit einer Zigarette.

Die Kennzeichnung „Sehr giftig ( T +)“ wird lt. ChemV mit folgendem Gefahrensymbol (s. Abb.2) dargestellt:

Gefahrensymbol ChemV:

„Einstufung : Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut in sehr geringer Menge können zu Gesundheitsschäden erheblichen Ausmaßes, eventuell mit Todesfolge, führen. Bei erheblichen Anhaltspunkten für schwere, eventuell irreversible Gesundheitsschäden durch einmalige, wiederholte oder länger andauernde Aufnahme.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2

Vorsicht: Jeglicher Kontakt mit dem menschlichen Körper ist zu vermeiden. Bei Unwohlsein sofort Arzt hinzuziehen.“[12]

Somit müsste also das „Giftprodukt“ Tabak irgendwo in den Giftlisten, Chemikalienverordnungen, EU-Stoffrichtlinien etc. aufscheinen.

Tatsächlich wird man auch in Deutschland sehr schnell fündig, und zwar in der „Gefahrstoffverordnung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“.

Tabak wird sehr wohl in diesen Bestimmungen berücksichtigt, jedoch nur insofern, als dass die Bestimmungen der „Technischen Regeln für Gefahrstoffe“ (TRGS) 220 nach § 14 der Gefahrstoffverordnung unter Pkt. (3) nach § 2 des ChemG „ nicht (!) für Tabakerzeugnisse und kosmetische Mittel im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes gelten.“ (BAuA, 2003)[13]

D.h., Tabak und seine Produkte sind in Deutschland im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) geregelt. Der Anwendungsbereich des LMBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.September1997 (BGBl. I S. 2296), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), umfasst u.a.:

[...]


[1] Zur leichteren Lesbarkeit wird die männliche Form der Anrede verwendet

[2] Geschichte des Rauchens von Karl Paweck. Online im Internet: URL: http://www.geschichte-des-rauchens.de/Rauchen.htm. Stand: 06. Nov. 2002

[3] Zahlen und Fakten in Kürze. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.v. DHS. Online im Internet: Url: http://www.dhs.de/basis/zahlen.htm. Stand: 10. November 2002

[4] s.Kap. 6.7 Entstehung der biologischen Nikotinabhängigkeit

[5] Dickerson, Tobin J., Janda, D. Kim. The scripps Research Institute. News and Views. Study Shows Nicotine By-Product Reacts with Proteins. Vol. 2, Issue 33 / Nov 4, 2002. Online im Internet: URL: http://www.scripps.edu/newsandviews/e_20021104/nicotine.html. Stand: 19. Dezember 2002

[6] Eichhorn, Jürg. Rauchen und Gesundheit, Online im Internet: URL: http://www.ever.ch/rauchen.htm. Stand: 10.November 02

[7] Kassensturz. Sendungen. 23.10.01. Giftiger Chemie-Cocktail in der Zigarette. Online im Internet: URL: http://www.sfdrs.ch/sendungen/kassensturz/phpd/index_suche.php3?suchtext=Giftiger+Chemiecocktail+in+der+Zigarette. Stand: 12. Jänner 2003. IRM Bern. Online im Internet: URL: http://www.cx.unibe.ch/irm/. Stand: 12. Jänner 2003

[8] Koalition gegen das Rauchen. Bundesvereinigung für Gesundheit e. V. Prozesse in Deutschland gegen die Tabakindustrie. Rechtsanwalt Christoph Hugemann, Sozietät Dr. Oexmann. November 2000. Online im Internet: URL: http://www.weltnichtrauchertag.de/html/hugemann.html. Stand: 19.Dezember 2002 . (s.a. Pkt. 7.10 Rechtliche Schritte gegen die Tabakindustrie in Deutschland)

[9] Gifte im Tabakrauch. Giftstoffe. Toxikologische Aspekte des Tabakrauchs. Online im Internet: URL: http://www.rauchen.de/frames.htm. Stand: 19. Dezember 2002

[10] Sechster Umweltkontrollbericht. 17 Sicherer Umgang mit Chemikalien. Kurzfassung. Online im Internet: Url: http://www.ubavie.gv.at/publikationen/diverse/ukb6/17_chemikalien.pdf. Stand: 07.Feber 2003

[11] Österreichische Stoffliste 2001. Online im Internet: URL: http://www.ubavie.gv.at/publikationen/uba-aktuell/archiv/2002/04/TM_2002-04-05-1.htm. Stand: 07. Feber 03

[12] Organische Chemie. Anhang – Gefahrensymbole. Online im Internet: URL: http://www.cdch.de/demos/p6a.htm. Stand: 17. November 02

[13] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Technische Regeln für Gefahrstoffe. Sicherheitsdatenblatt. TRGS 220. Online im Internet: Url: http://www.baua.de/prax/ags/trgs_220.pdf. Stand: 19. Jänner 2003

Ende der Leseprobe aus 112 Seiten

Details

Titel
Rauchen - die bagatellisierte Sucht
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Medizinische Fakultät Innsbruck)
Veranstaltung
3. Universitätslehrgang für Zusatzqualifikation in Suchtarbeit
Note
mit Auszeichnung
Autoren
Jahr
2003
Seiten
112
Katalognummer
V39360
ISBN (eBook)
9783638381499
ISBN (Buch)
9783638705912
Dateigröße
945 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit versucht anhand von Daten und Fakten zu klären, warum ein gefährliche Droge legalisiert und bagatellisiert wird.
Schlagworte
Rauchen, Sucht, Universitätslehrgang, Zusatzqualifikation, Suchtarbeit
Arbeit zitieren
Walter Partoll (Autor:in)C. Ugurlu (Autor:in)Ch. Scherrer (Autor:in), 2003, Rauchen - die bagatellisierte Sucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39360

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