Die deutsche Binnenkolonisierung der Sierra Morena und Niederandalusiens im 18. Jahrhundert

Planung, Realisierung und persistente Strukturen um La Carolina und La Carlota


Seminararbeit, 2004

25 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Voraussetzungen der Kolonisation
II.1 Die Lage in Deutschland
II.2 Die Lage in Spanien

III. Zentrale Akteure des Projektes
III.1 Johann Kaspar Thürriegel - Vater der Kolonie
III.2 Don Pablo de Olavide

IV. Geographische und naturräumliche Verortung des Kolonisationsgebietes

V. Der „Fuero de las Nuevas Poblaciones“

VI. Räumliche Muster der besiedelten Fläche

VII. Entwicklung der Grundbesitzverteilung

VIII. Persistenzen in der Bevölkerung
VIII.1 Der Prozess der Hispanisierung
VIII.2 Somatische und kulturelle Relikte

IX. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die sich im Laufe der vergangenen Jahrhunderte im Ausland in den verschiedensten Weltregionen gebildeten deutschen Kolonien und Sprachinseln waren von jeher Objekte der Forschung und des öffentlichen Interesses, welches sich jedoch regelmäßig primär auf bis heute überdauernde und kulturell sowie sprachlich persistente kulturelle Exklaven bezieht. Als weniger bekannt und mit weitgehendem öffentlichen Desinteresse belegt können indes einige historische Kolonisationsprojekte und -siedlungen bezeichnet werden, welche die aus dem Mutterland tradierte kulturelle Identität im Zuge von Assimilationsprozessen mittlerweile verloren haben, und deren ursprüngliche Wurzeln sich in der sich heute darstellenden kulturellen Landschaft nur noch schwerlich ableiten lassen. Doch nichtsdestotrotz sind es vielleicht gerade diese Gebiete, welche Forschern der verschiedensten Fachrichtungen interessante Ansatzpunkte liefern können, da auch der Verlust kultureller Identität unter dem Einfluss einer fremden Umwelt als Prozess wichtige Erkenntnisse zu liefern im Stande sein mag.

Die vorliegende Arbeit nun beschäftigt sich mit einem Siedlungsprojekt des 18. Jahrhunderts im südlichen Spanien, namentlich in Niederandalusien sowie der Sierra Morena, welches den genannten Merkmalen weitgehend entspricht. In einem ersten Teil werden hierzu die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen darzustellen sein, welche zur Realisierung eines Kolonisierungsvorhabens dieser Größenordnung führte, sowie die konkrete Vorgeschichte des Projektes. Nach einer sich anschließenden Abhandlung des Besiedlungs- und Konsolidierungsprozesses werden die den Kolonien eigenen individuellen Strukturen und Eigenheiten - in Abgrenzung zu ihren altspanischen Nachbargemeinden - näher beleuchtet und erklärt werden. Hierauf wird die Sprache auf den Prozess der kulturellen Angleichung und die noch heute erhaltenen persistenten Strukturen und Eigenheiten der ehemaligen Abstammungen kommen. Das Interesse liegt hierbei auf der Frage, inwieweit sich auch Jahrhunderte nach dem erwähnten Verlust der kulturellen Identität an verschiedenen Merkmalen noch die historische Sonderstellung der Kolonien ablesen lässt.

II. Voraussetzungen der Kolonisation

II.1 Die Lage in Deutschland

Der Bereich Süd- und Südwestdeutschlands sowie der Schweiz erlebte während des 18. Jahrhunderts massive Auswanderungswellen unterer und mittlerer Schichten. Vor allem die ständig wütenden Kriege, wie die häufigen französischen Vorstöße oder auch der österreichische Erbfolgekrieg, sowie die durch unterdrückende Grundherren und Beamte verursachten wirtschaftlichen Missstände des Bauerntums können hier als auslösende Faktoren angeführt werden, und führten in dieser Epoche zu einer regelrechten „Ausblutung des deutschen Volkskörpers“, wie es Niemeier beschreibt (NIEMEIER 1937, 15). Bade weist hier als zusätzlichen Push-Faktor auf das zu jener Zeit gerade in Mitteleuropa existierende, in den Anfängen begriffene Problem von Überbevölkerung und Unterbeschäftigung hin, welches zu einer weiteren wirtschaftlichen Verelendung breiter Schichten führte: „Auch in den von vorausgegangenen Bevölkerungsverlusten nachhaltig betroffenen Gebieten rückte das Wachstum der Bevölkerungen und besonders unterbäuerlicher Sozialgruppen spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend weiter über Grenzen des verfügbaren Erwerbsangebots hinaus“ (BADE 2000, 19). Sowohl die Sitte des Anerbenrechts (durch die Nichtbedenkung nachgeborener Erben) als auch die Realteilung (durch die Zerstückelung des Besitzes) hätten zudem bei gleichzeitig stark wachsender Bevölkerung zum Anwachsen der Masse der Landlosen und -armen beigetragen.

In diese Ausgangslage reiht sich nun auch die in der vorliegenden Arbeit beschriebene Auswanderung der deutschen Siedler in Richtung Spanien. Wie im Folgenden beschrieben werden wird, waren es gerade gegenteilige Probleme, welche die dortige Regierung zur Binnenkolonisation ihres Territoriums veranlasste. Der Zuzug deutscher Agrarkolonisten nach Spanien kann somit in gewissem Sinne als eine Art „Ausgleichsströmung“ zwischen den Wirtschaftsräumen verstanden werden.

II.2 Die Lage in Spanien

Auch das Spanien des 18. Jahrhundert war ein Land mit vielfältigen und tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Insbesondere das Problem der Unterbevölkerung, welche schon im 16. Jahrhundert aufgrund zahlreicher auswärtiger Kriege sowie aufgrund der Anziehungskraft der Neuen Welt ihren Anfang genommen hatte, hatte sich nicht grundlegend gebessert (vgl. WEISS 1907, 29). Als Gründe hinzu kamen hier neben den bereits angeführten noch schwankende Witterungsbedingungen, Heuschreckenplagen und Krankheiten. Doch auch die durch den hohen Finanzbedarf der Krone bedingte massive Steuerlast, welche zum Verkauf von Landreserven und so zum Entzug der Lebensgrundlage breiter Schichten führte, tat ihr Übriges (vgl. TYRAKOWSKI 1987, 62).

Der seit dem Jahr 1759 regierende, aufgeklärte und fortschrittliche Bourbonenkönig Karl III nun wollte dem entgegenwirken, um sein Land in der Agrarfrage - welche sich mittlerweile zu einem der größten innenpolitischen Problemfelder entwickelt hatte - weiter zu bringen. Gemäß der merkantilistischen Annahme, dass bevölkerungslose Regionen dem Staat keine Einnahme bringen konnten, sollten entvölkerte Landstriche hierbei besiedelt werden. Doch auch die Brechung traditioneller Machtverhältnisse auf dem Lande war der Krone ein Anliegen: Insbesondere die Machtstellung des Landadels, der große Einfluss der Kirche und die ausufernde Landmonopolisierung der Latifundien waren Ziel und Gegner dieser Politik. Genannte Eigentumskonzentration, welche ihre Ursprünge in Zeiten der Reconquista hatte, hatte zu einer faktisch feudalen Machtstruktur auf dem Lande geführt. Zentrale negative Auswirkungen, welche es zu bekämpfen galt, waren fallende Erträge der Landwirtschaft, Rückgang der staatlichen Steuereinnahmen und Verarmung der land- und arbeitslosen bäuerlichen Bevölkerung (ROMERO 1977, 3f). Niemeier bemerkt hierzu: „Man wollte also gerade die Schäden vermeiden, die seit der Reconquista zum inneren Ruin Spaniens am wesentlichsten beigetragen haben“ (NIEMEIER 1937, 63).

Das im Folgenden beschriebene Kolonisationsprojekt in der Sierra Morena und Niederandalusien steht somit im Zusammenhang mit den durch das im 18. Jahrhundert in Europa weit verbreitete merkantilistische Gedankengut genährten staatlichen bevölkerungs- und ordnungspolitischen Bestrebungen. Es verwundert folglich auch nicht, dass das spanische Königshaus somit sehr aufgeschlossen war gegenüber dem im folgenden Kapitel beschriebenen Vorschlag des Deutschen Thürriegel, deutsche und flämische Kolonisten in das spanische Gebiet einzuführen und dort sesshaft zu machen. Dass jedoch ausländische Siedler ausgewählt wurden, um diese Binnenkolonisation durchzuführen - obwohl natürlich eine Besiedlung mit Spaniern eine weitere Entvölkerung in anderen Landesteilen mit sich gebracht hätte - kann als Neuerung und Zeichen der liberalen, „weltbürgerlichen“ Einstellung der bourbonischen Regierung gelten: durch den weit verbreiteten Fremdenhass in der Bevölkerung und das traditionelle Streben nach nationaler Einheit war dies zuvor stets vermieden worden (vgl. LEONHARD 1909, 286).

III. Zentrale Akteure des Projektes

III.1 Johann Kaspar Thürriegel - „Vater“ der Kolonien

Obwohl bei den Nachfahren der damaligen Siedler zum großen Teil unbekannt, war ein Deutscher die treibende Kraft und eine der wichtigsten Personen zumindest zu Anfang des Kolonisierungsprojektes, weshalb dem Bayern Johann Kaspar Thürriegel - so sein bürgerliche Name - an dieser Stelle einige kurze Zeilen gewidmet seien. Die Aussagen stützen sich dabei im Folgenden auf das von Johann Weiss verfasste Buch „Die deutsche Kolonie an der Sierra Morena und ihr Gründer Johann Kaspar von Thürriegel“ (WEISS 1907), welches dem Abenteurer ein ausführliches Kapitel zugedacht hat, und als ein erstes Standardwerk zu den deutschen Kolonien Südspaniens gelten kann.

Thürriegel wurde am 31. Juli 1722 in Goffersdorf (bayerischer Wald) als Sohn einer einfachen Bauernfamilie geboren, und wuchs demzufolge in schlichten Verhältnissen auf. Nach Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges (1740-48) gab er seine zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit als Schreiber auf und tat sich in der Folgezeit - zum Teil mit durchaus anerkanntem Wagemut - durch Kriegsdienste in Regimentern unterschiedlicher Nationen und Freikorps hervor, wobei er sich u.a. durch Spionagetätigkeiten in französischen Diensten gute Kenntnisse über Land und Leute der verschiedensten Regionen aneignen konnte (vgl. WEISS 1907, 16ff). Ein im Jahre 1761 zusammen mit Johann Michael Gschran durchgeführtes Projekt zur Werbung und Ausstattung eines Freikorps schließlich verschaffte ihm, auch wenn das Projekt schließlich wegen Differenzen mit seinem Partner scheiterte, weitere notwendige Kenntnisse und Erfahrungen für das einige Jahre später durchgeführte Kolonisationsprojekt im Süden Spaniens. Ein solches Projekt war für Thürriegel aus wirtschaftlichen Gründen nötig geworden, da durch seine ebenfalls im Jahre 1761 erfolgte Entlassung aus dem preußischen Heer sein bisheriges Verdienstfeld weggefallen war. Die an die spanische Regierung gerichtete Initiative kam nun also von Thürriegel, allerdings verging noch eine Reihe von Jahren, ehe diese dort auch angehört wurde: erst im Jahr 1766, nach mehreren vergeblichen Anfragen bei spanischen Botschaftern zuvor, wurde er während eines persönlichen Aufenthaltes in Madrid zum König vorgelassen und konnte seinen Vorschlag unterbreiten.

Der Vorschlag Thürriegels war es, für das spanische Königreich oder dessen überseeische Kolonien 6000 deutsche oder flämische, katholische Bauern anzuwerben mit dem Ziel, diese in unterbevölkerten Regionen ansässig zu machen und je vermitteltem Siedler ein Kopfgeld zu erhalten. Nach langwierigen Verhandlungen in Madrid kam es schließlich zu einem Vertrag, in welchem sich Thürriegel verpflichtete, die genannte Anzahl an Siedlern binnen Jahresfrist zu liefern, wobei die demographische Struktur der Siedler genauestens festgelegt wurde. Als Vergütung sollte er den Rang eines Oberst der spanischen Armee und 326 Kupfer-Realen bekommen (vgl. WEISS 1907, 31f). Der heutige Wert dieser Summe lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr zuverlässig berechnen, er mag bei etwa 20 Euro liegen (vgl. NIEMEIER 1937, 14). Sofort nach dieser offiziellen Beauftragung kehrte Thürriegel nach Deutschland zurück, und fing an, mit Hilfe von Helfern, Flugblättern und Mundpropaganda eine beispiellose Werbekampagne zu starten. Obwohl offizielle Stellen wie die bayerische Regierung versuchte, durch Verbote und Drohungen dem gegenzusteuern, machten sich in der Folge Familien der untersten Schichten zu hunderten und tausenden auf, um sich an den von Thürriegel vorgegebenen Sammelstellen zu treffen und sich nach Spanien schiffen zu lassen. Dieser durchschlagende Erfolg kann sicherlich auch auf die bereits an früherer Stelle erwähnten Fähigkeiten und einschlägigen Erfahrungen Thürriegels als Werber zurückgeführt werden (vgl. ebd.). Bei der Werbung freilich übertrieb Thürriegel hinsichtlich der in Spanien vorzufindenden, vorgeblich angenehmen und geradezu „paradiesischen“ Umstände in der Zielregion unmäßig, weswegen ihm auch in der Literatur regelmäßig Attribute wie „gewiegter Hochstapler“ (LEONHARD 1909, 288) oder „skrupellos“ (ebd., 290) zugedacht werden.

Abbildung 1 bietet eine Übersicht über die Ankünfte der Siedler in Spanien:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Ankünfte der dt. Siedler in Spanien (aus: SUÁREZ 2002)

Aufgeführt sind Name des von Thürriegel gecharterten Schiffes und des Kapitäns, Ankunftsdatum im Zielhafen, Anzahl der mitgeführten Kolonisten (7321; diese Angabe differiert jedoch an anderer Stelle) sowie Anzahl der hiervon von den spanischen Behörden nicht akzeptierten Individuen (welche sich im ganzen auf 366 beläuft). Die Herkunftsregionen der Kolonisten waren insbesondere SO-Deutschland und die Region des Rheins, jedoch auch Österreich, NO-Frankreich, Belgien-Niederlande sowie die Schweiz. Als Grund für die angesprochene Zurückweisung zahlreicher Siedler kann die Nichttauglichkeit des jeweiligen Kandidaten angesehen werden, etwa wenn er als Vagabund, heruntergekommener Bettler oder französischer Deserteur nicht den mit Thürriegel getroffenen Abmachungen entsprach und für die den Kolonisten zugedachte Arbeit in der Landwirtschaft ungeeignet war (vgl. NIEMEIER 1937, 31).

III.2 Don Pablo de Olavide

Die Binnenkolonisierung der Sierra Morena war für die Administration Karls III ein großes Prestigeprojekt und zugleich eine Herausforderung, da es das bislang größte seiner Art im Königreich werden sollte. Für die Leitung und Durchführung benötigte man folglich einen kompetenten und durchsetzungsfähigen Kopf, oder wie es der damalige Finanzminister Don Miguel Múzquis beschrieb: „un hombre superior, aplicado, lleno de celo y penetrado del amor a la patria“ (SUÁREZ 1988, 14). Dieser Mann wurde schließlich gefunden in der Person des Don Pablo de Olavide, geboren am 25. Januar 1725 in Lima, welcher sich bis dato durch Verdienste als Direktor von Armen- und Arbeitshäuser hervorgehoben hatte. Zunächst wurde Olavide nur bei der Planung des Projektes bzw. der Beurteilung der Vorschläge Thürriegels zu Rate gezogen (an dieser Stelle schlug er auch vor, anstelle der deutschen Siedler Schwarze in die Neue Welt zu schicken und die Sierra Morena als Gebiet auszuwählen), blieb jedoch nach Anlaufen des Projektes mit diesem betraut und wurde im Juni 1767 zu dessen Superintendenten ernannt. Von da ab leitete und entschied er als höchste Autorität sämtliche operativen Belange der Kolonien, und tat dies nach Aussage verschiedener Quellen mit großem Können und Weitsicht. Amtssitz des Superintendenten war La Carolina, also ein Ort inmitten der Kolonien. Im Mai 1773, als die Kolonien sich bereits selbst unterhalten konnten, trat Olavide von der Superintendenz zurück und wurde durch Don Miguel de Ondeano ersetzt (vgl. WEISS 1907, 92). Aufgrund eines scharfen Streits mit der Kirche und der Inquisition verbrachte er schließlich ab Oktober 1776 einige Zeit im Gefängnis, wurde jedoch später nach erfolgter Flucht von König Karl IV begnadigt (vgl. LEONHARD 1909, 294; SÁNCHEZ-BATALLA 1997, 36). Noch heute wird das Andenken an Olavide in den ehemaligen Kolonien in hohen Ehren gehalten, während der Name Thürriegel dort niemandem mehr geläufig ist.

IV. Geographische und naturräumliche Verortung des Kolonisationsgebietes

Die durch die spanische Administration im Folgenden aus der Taufe gehobenen colonias alemanas erstrecken sich auf die Provinzen Jaén, Córdoba und Sevilla, zwischen 3° 23´ und 3° 46´ östlicher Länge sowie 38° 07´ und 38° 27´ nördlicher Breite. Physisch-geographisch betrachtet verteilen sie sich auf zwei benachbarte Großräume: die Sierra Morena sowie das niederandalusische Becken, genannt Campiña. Die Sierra Morena ist der südliche Rand der zentralspanischen Meseta, und somit Teil eines gefalteten paläozoischen Rumpfberglandes von 600-1000m Höhe und mehr. Durch Erosion ist das Relief hier stark zergliedert, Hügel und Pässe wechseln sich ab. Skelettböden sind auf dem paläozoischen Grund vorherrschend, und besonders in exponierter Lage tritt häufig das anstehende Gestein hervor, was sich negativ auf die landwirtschaftliche Nutzung auswirkt.

Die Campiña weist als Beckenlandschaft im Bereich der Kolonien zertalte Plateauflächen von 100 bis 200m Höhe auf, und ist überwiegend aus Neogen aufgebaut. Eine Bodenbedeckung ist hier deutlich häufiger zu finden als in der Sierra, insbesondere braune Trockenwaldböden, Steppenböden und in südlicheren Regionen sogar Schwarzerden sind vorherrschend (vgl. NIEMEIER 1937, 16f).

Die Vegetation beider Gebiete ist der xerophilen mediterranen Gruppe zuzuordnen. Vor der Besiedlung durch die deutschen Kolonisten war jeweils Ödland, vorwiegend monte bajo (immergrüne mediterrane Gebüschformationen), das vorherrschende Landschaftselement.

Bezüglich der landwirtschaftlichen Eignung der zwei genannten Großlandschaften lässt sich in allgemeiner Form die Sierra, in welcher Schuttdecken mit mächtigen bearbeitbaren Böden nur in Senken und Tälern gefunden werden können, im Vergleich zur Campiña eindeutig als minderbegünstigt bezeichnen. Hier spielt, neben den erwähnten Bodenmerkmalen, auch die Unterschiede der mittleren Temperaturen beider Großräume eine Rolle: Insbesondere die in der Sierra Morena weit häufiger vorkommenden Fröste tragen noch weiter zur Beungünstigung der Sierra bei (vgl. NIEMEIER 1937, 21). All diese genannten Faktoren wurden jedoch bei der Ansiedlung der Kolonien weitgehend ausgeglichen, da die zu „vorkolonialen“ Zeiten noch unbesiedelten Gunsträume der Sierra Morena von den Deutschen in Beschlag genommen wurden, wohingegen die Vorzugsgebiete Niederandalusiens bereits von Spaniern besiedelt waren. Aus diesem Grund mussten sich die Siedler hier mit den in Bezug auf Wasser und Boden ungünstigeren Plateauflächen zufrieden geben (vgl. Schaeuble 1957, 153).

Die Kolonien lassen sich nun nach Niemeier (1937) in drei Gruppen einteilen:

1. Sierrakolonien: Verortung in der Sierra Morena. Umschließen Almuradiel, Aldeaquemada, Montizón, Santa Elena und den nördlichen Teil von La Carolina, welches den Hauptort der östlichen Region darstellt (jeweils Provinz Jaén). Kennzeichnend ist hier ein persistent hoher Anteil von Ödland an den entstandenen Kulturflächen, erklärbar durch die felsige Berglandnatur, welche landwirtschaftliche Bearbeitung nur stellenweise zulässt.
2. Sierrarandkolonien: am Südrand der Sierra, im Übergang zu Niederandalusien. Umschließen La Carolina, Navas de Tolosa, Carboneros, Guarromán und Arquillos (jeweils Provinz Jaén). Der Anteil an nicht zu bearbeitendem Bergland geht hier im Vergleich zu den reinen Sierrakolonien zurück, Relief- und Bodenbedingungen bessern sich.
3. Campiñakolonien: im zentralen niederandalusischen Becken, südlich von Córdoba. Beinhalten den Hauptort La Carlota, San Sebastián de los Ballestros und Fuente Palmera (jeweils Provinz Córdoba), sowie La Luisiana (Provinz Sevilla).

Zur genaueren Verortung der Kolonien dient die folgende Karte (genordet):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Lage der Kolonien (aus: SCHAEUBLE 1957)

Warum nun wurden gerade die Gebiete der Sierra Morena und Niederandalusiens ausgewählt, um die deutschen Kolonisten anzusiedeln? Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, war das zentrale agrarische Problem Spaniens zu Zeiten Karls III die Unterbevölkerung, welche sich auch gerade in den betreffenden Gebieten negativ auswirkte: So hatte alleine die Region Jaén in den zurückliegenden zwei Jahrhunderten einen Bevölkerungsverlust von ca. 29 % zu verkraften, was eine schon katastrophale Abnahmerate darstellt (vgl. TYRAKOWSKI 1987, 62). Gemäß der merkantilistischen allgemeinen Ziele Karls III sollten nun in diesem Fall unproduktive - im konkreten Fall unbestellte - Flächen in Wert gesetzt, der Staat durch den Bevölkerungszuwachs gestärkt und soziale Unterschichten langfristig entwickelt werden. Des weiteren war speziell im vorliegenden Fall die Sicherung des Camino Real von Madrid nach Sevilla, welcher aufgrund der Einöde der Gegend durch Räuberbanden gefährlich geworden war, ein weiteres wichtiges Ziel der Besiedlung (vgl. ebd., 63f). Sevilla war als einer der zwei Monopolhäfen für den Handel mit den überseeischen Kolonien in Amerika zur betreffenden Zeit ein immanent wichtiger Umschlagsplatz, von dem aus wertvolle Güter auf angesprochener Strecke in Richtung Hauptstadt transportiert wurden.

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Details

Titel
Die deutsche Binnenkolonisierung der Sierra Morena und Niederandalusiens im 18. Jahrhundert
Untertitel
Planung, Realisierung und persistente Strukturen um La Carolina und La Carlota
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
Landeskunde Spaniens
Note
gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V39289
ISBN (eBook)
9783638380980
ISBN (Buch)
9783656765561
Dateigröße
1590 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Binnenkolonisierung, La Carolina, La Carlota, Sierra Morena, Auslandsdeutschtum, Spanien, Andalusien, deutsche Kolonien
Arbeit zitieren
Florian Dittmar (Autor:in), 2004, Die deutsche Binnenkolonisierung der Sierra Morena und Niederandalusiens im 18. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39289

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