Die Ursprünge und der Ausbruch des preußischen Verfassungskonflikts


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel I
Die oktroyierte Verfassung vom 05.12.1848
Das Steuerbewilligungsrecht der Verfassungsurkunde
Die Verfassungsrevisionsverhandlungen
Die „Lücke“ in der Verfassung

Kapitel II
Der Prinzregent und die Neue Ära
Die Heeresreform
Die Anfänge des Verfassungskonflikts

Kapitel III
Fazit

Bibliographie

Einleitung

In der folgenden Betrachtung geht es darum, die Ursprünge und den Ausbruch des preußischen Verfassungskonflikts genauer zu untersuchen. Es soll aufgezeigt werden, daß die Ursprünge des Verfassungskonflikts – u.a. die in der Literatur vielfach erwähnte „Lücke“ – keine Erfindung Bismarcks sind, sondern vielmehr schon in der Entstehungsphase der preußischen Verfassung zu durchaus lebhaften Diskussionen führten. Das heißt, diese obskure Lücke ist von Anfang an in der preußischen Verfassung verankert gewesen und hat eigentlich nur auf einen Anlaß gewartet, um von den betreffenden Akteuren herangezogen zu werden.

Mit diesem Problem verbindet sich ein weiteres: Der Verfassungskonflikt hat in seinem Umfang und Ausmaß die Schwäche der preußischen Verfassung aufgedeckt und zudem gezeigt, wie wenig die neuen Prinzipien des Parlamentarismus in die herrschenden Schichten eingedrungen sind. Er spiegelt in gewisser Weise den Kampf zwischen den alten, reaktionären Kräften und dem nach politischer Macht strebenden Bürgertum wider. Es heißt Konservatismus gegen Liberalismus bzw. in letzter Instanz dann monarchisches oder parlamentarisches Prinzip.

Diesen Problemen soll sich der erste Teil der Arbeit widmen: Der zweite Teil soll sich dann genauer mit dem Anlaß beschäftigen, der die „Lücke“ der breiten Öffentlichkeit offenbarte und zum preußischen Verfassungskonflikt führte. Also wird sich der zweite Teil in erster Linie mit der Heeresreform, ihrer Finanzierung und der Weiterentwicklung zum Verfassungskonflikt beschäftigen.

Die Entwicklung hin zum Verfassungskonflikt ist ein Prozeß, der sich mit der Zeit entwickelt hat. Er beginnt mit dem Oktroi der preußischen Verfassung und endet letztendlich im Verfassungskonflikt. Um diesen Prozeß präzise darstellen zu können, bietet sich hier eine chronologische Vorgehensweise an. Es erscheint mir am leichtesten, diesen Prozeß, der sich immer weiter zuspitzt, in seinem natürlichen Ablauf zu analysieren.

Die Forschungsliteratur auf diesem Gebiet ist sehr breit gestreut. Das Thema ist Gegenstand unzähliger Arbeiten, so daß es hier nicht schwer fiel, einschlägige Literatur zum Thema zu finden. Allerdings ließ der Rahmen dieser Arbeit sowie die Bibliotheksausstattung nur eine beschränkte Auswertung der Literatur zu. Es war nicht möglich, alle Publikationen zum Thema in dieser Arbeit zu verwerten.

Die Quellenlage war etwas schwieriger. Viele Passagen, die in der Forschungsliteratur zitiert werden, stammen aus Akten des zentralen Staatsarchivs oder aus Nachlässen, die oftmals nicht zugänglich waren. Das heißt, diese Passagen können nur nach dem jeweiligen Autor zitiert werden, da es mir nicht möglich war, dies nachzuprüfen.

Die oktroyierte Verfassung vom 05.12.1848

Die Revolution von 1848/49 zeigte – obwohl sie letztlich scheiterte – den Willen der bürgerlichen Klasse, neben der wirtschaftlichen nun auch die politische Macht zu erringen. Liberalismus und Demokratismus breiteten sich in den Schichten des Bürgertums aus. Die Forderungen dieser Ideologien waren: Die Einigung Deutschlands, Selbstbestimmung sowie Selbsttätigkeit des Individuums. Um diese Ziele zu erreichen, wollten die Liberalen das veraltete System der absolutistischen Herrschaft zugunsten einer konstitutionellen Monarchie nach dem Vorbild Englands beseitigen.

Für diese Umwälzung des Staatslebens gab es zwei Wege: Entweder geschieht diese Umwälzung durch eine Revolution von unten oder die herrschende Schicht führt eine Konterrevolution von oben durch und sichert sich so ihren Platz an der Macht.

In Preußen geschah genau dies mit dem Verfassungsoktroi vom 05.12.1848. Die herrschende Schicht um König Friedrich Wilhelm IV. entschloß sich zu einer Revolution von oben und gab sich selbst eine Verfassung.

Die Gründe für das Einlenken des Königs zu einer Verfassung sind verschieden: Zum einen wollte die herrschende Klasse, indem sie dem Liberalismus scheinbar nachgab, den nachfolgenden Demokratismus unter Mithilfe der Liberalen bekämpfen, zum anderen wollte sie als herrschende Schicht ihre Stellung sichern, indem sie durch die oktroyierte Verfassung anstatt des parlamentarischen Prinzips das monarchische als oberstes konstatierte.1 „Denn wenn eine Verfassung einseitig vom Fürsten erlassen, wenn sie ‚oktroyiert‘ wird, so beruht sie zweifellos auf der verfassunggebenden Gewalt des Fürsten.“2 Das monarchische Prinzip besagt nichts anderes, als daß die gesamte Staatsgewalt im Staatsoberhaupt vereinigt bleiben müsse.3

Besondere Auswirkungen hatte das monarchische Prinzip auf die Finanzbe-stimmungen der Verfassungsurkunde. Und hier besonders auf das Steuerbe-willigungsrecht des Parlaments.

Das Steuerbewilligungsrecht der Verfassungsurkunde

Die Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde über das der Volksvertretung beigelegte Steuerbewilligungs-Recht sind folgende. Der Art. 100 setzt fest, daß Steuern und Abgaben für die Staatskasse nur erhoben werden dürfen, soweit sie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind. Der Staatshaushalts-Etat aber muß, nach Art. 99, für jedes Jahr im Voraus jährlich durch ein Gesetz festgestellt werden. Außerdem bestimmt aber der (unter den allgemeinen Bestimmungen enthaltene) Art. 109, daß die bestehenden Steuern und Abgaben forterhoben werden, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.4

Das vermeintlich vollständige Steuerbewilligungsrecht, das sich hier durch den Artikel 99 andeutet, ist keines. In dem Staatshaushaltsetat müssen nur neue Steuern und Abgaben sowie die Erhöhung bestehender Steuern beschlossen werden. Bereits bestehende Steuern unterliegen keinen weiteren Verhandlungen, sind also von der Regelung des Budgets unabhängig. Der Artikel 109 beschränkt hier das Steuerbewilligungsrecht der Volksvertretung.

Den Kammern gebührt also ein Steuerbewilligungs-Recht lediglich insoweit, daß ohne ihre Zustimmung neue Steuern nicht auferlegt und bestehende Steuern nicht erhöht oder abgeändert werden können; dagegen steht den Kammern in Betreff derjenigen Steuern, welche einmal ohne Bedingung oder Beschränkung gesetzlich festgestellt worden sind, kein Bewilligungs-Recht, und mithin auch kein Steuerverweigerungs-Recht zu.5

Dieser Artikel 109 sollte fast die ganzen Verfassungsrevisionsverhandlungen bestimmen. Denn durch diesen Artikel sichert sich der König in einem beliebigen Konfliktfall gegenüber dem Abgeordnetenhaus ab. Indem er ihm nämlich nicht das volle Steuerbewilligungsrecht zuspricht, immunisiert er sich gegenüber möglichen „Erpressungsversuchen“ des Abgeordnetenhauses.

Der Artikel 109 ist aus dem Artikel 21 der sogenannten 60 Artikel vom 12.06.1834 abgeleitet worden. Dieser Artikel besagt, daß bei Verweigerung der Steuern durch die Stände, die zur Erfüllung der Bundespflicht und zur Führung einer der Landesverfassung entsprechenden Verwaltung erforderlichen Steuern fortzuerheben sind, ohne jedoch den Betrag der letzten Steuerbewilligung zu überschreiten.6

Das heißt, der Monarch bliebe in einem Konfliktfall die letzte und oberste Entscheidungsinstanz , da er auch in einem Falle der Steuerverweigerung seitens der Volksvertretung weiter regieren könnte. Somit bleibt das monarchische Prinzip gewahrt und der Staat fest in der Hand des Fürsten und seiner Getreuen.

Die Verfassungsrevisionsverhandlungen

Nachdem der erste Antrag auf Abänderung des betreffenden Artikels 108 (revidierte Verfassung Art. 109) in der ersten Kammer abgelehnt wurde, ergab sich für die Liberalen noch eine weitere Gelegenheit, ihre Forderungen doch noch durchzusetzen.

Am 09.01.1850 legte der König seine Wünsche für eine mögliche Umgestaltung der ersten Kammer vor. Unter anderem wollte er die erste Kammer in ein Herrenhaus umwandeln, mit Mitgliedern, die er weitestgehend selbst bestimmen wollte. Der Liberale Ludolf Camphausen sah darin die Chance, daß die Liberalen sich mit dem König auf eine Art Tauschhandel einigen könnten. Der König bekam seine Wünsche bezüglich der ersten Kammer erfüllt, und im Gegenzug sollten die Liberalen zwei Zusätze zu den Artikeln 98 (rev. Verf. Art.99) und 108 (rev. Verf. Art. 109) bekommen. Der Art. 98 sollte eine Frist bekommen, bis wann man ohne Etat regieren darf. Der Art. 108 sollte den Zusatz bekommen, daß „alle Steuern und Abgaben, welche bis zum Schlusse des Jahres 1851 nicht durch ein Gesetz auf bestimmte oder unbestimmte Dauer angeordnet sind, vor Ablauf des Jahres 1852 der Erneuerung bedürften“.7

Der König zögerte sehr lange mit einer Antwort auf den vorgeschlagenen Handel. Erst nach längerer Beeinflussung durch konservative Kreise, u.a. der Hofpartei, und unter dem Hinweis, daß „der Monarch nach einer Annahme dieser Vorschläge spätestens ab 1852 dann jährlich auf dem Trockenen stände und ganz von den Kammern abhängig wäre“8, verwarf der König die ihm unterbreiteten Vorschläge. Trotzdem wurde die erste Kammer im Zuge der Einführung der revidierten Verfassung in ein Herrenhaus umgewandelt. Der König konnte sich in diesem Punkt mit konservativen Abgeordneten einigen. Es bleibt zu klären, warum die Liberalen so engagiert für das (volle) Steuer-bewilligungsrecht kämpften.

Graf Schwerin formulierte hierzu in einer Rede vom 24.09.1849 in der zweiten Kammer folgendes: „Das gesetzliche Mittel der Geltendmachung des Volksrechts ist das Recht des Volkes, der Regierung die Mittel zur Fortsetzung des Regiments kraft der Bewilligung der Steuern zu gewähren oder auch zu versagen.“ Wenig später führte Dahlmann in den Diskussionen der ersten Kammer aus, „daß ein Steuerbewilligungs-recht ohne Steuerverweigerungsrecht gar nicht einmal denkbar ist. Wer das Recht haben soll, ‚Ja‘ zu sagen, dem darf das Recht des ‚Nein‘ nicht verweigert werden. Dem absoluten Veto des Königs müsse das absolute Veto des Volkes in Form des Steuerver-weigerungsrechts gegenübergestellt werden“.9

Die Liberalen wollten sich letztendlich die Möglichkeit vorbehalten, im Konfliktfalle ein wirkungsvolles Instrument in Händen zu halten, mit welchem sie dem König und der Regierung drohen konnten. England, das „Mutterland“ der konstitutionellen Monarchie, lieferte das Beispiel für ein solches Vorgehen. „Die Steuerverweigerung […] ist ein besonders von England her sehr akkreditiertes dort bestehendes legales Mittel, die Regierung zu zwingen, in irgend einem Punkte dem Willen der Nation nachzukommen.“10

[...]


1 Hans-Christof Kraus: Ursprung und Genese der „Lückentheorie“ im preußischen Verfassungskonflikt, in: Der Staat 29 (1990), S. 209-234, hier: S. 213.

2 Ebd. S. 213.

3 Vgl. Artikel 57 der Wiener Schlußakte des Deutschen Bundes vom 15. Mai 1820.

4 Ludwig von Rönne: Das Staats-Recht der Preußischen Monarchie, Leipzig ²1864, S. 347.

5 Ebd. S. 347f.

6 Kraus, Ursprung und Genese der „Lückentheorie“, S. 212f.

7 Kraus, Ursprung und Genese der „Lückentheorie“, S. 220f.

8 Ebd. S. 221.

9 Beide zitiert nach Kraus, Ursprung und Genese der „Lückentheorie“, S. 215f.

10 Ferdinand Lasalle: Was nun? In: Bernd Peschken und Claus-Dieter Krohn (Hrsg.), Der liberale Roman und der preußische Verfassungskonflikt [= Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, Bd. 7], Stuttgart 1976, S. 234f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Ursprünge und der Ausbruch des preußischen Verfassungskonflikts
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Der preußische Verfassungskonflikt (1862-1866)
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V39205
ISBN (eBook)
9783638380461
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ursprünge, Ausbruch, Verfassungskonflikts, Verfassungskonflikt
Arbeit zitieren
Boris Queckbörner (Autor:in), 2002, Die Ursprünge und der Ausbruch des preußischen Verfassungskonflikts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39205

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