Zu: Friedrich August von Hayeks "Kosmos und Taxis" und "Die Zerstörung der spontanen Ordnung"


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kosmos und Taxis
2.1 Der Begriff der Ordnung
2.2 Spontane Ordnung und Organisation
2.3 Die Regeln der spontanen Ordnung und der Organisation
2.4 Die „Große Gesellschaft“
2.5 Die Frage der Koexistenz und der Kombinierbarkeit der Ordnungen
2.6 Anmerkung über die historische Entwicklung der beiden Ordnungsbegriffe

3. Die Zerstörung der spontanen Ordnung
3.1 Einleitung
3.2 Liberalismus und Handlungsfreiheit
3.3 Sozialismus und die Bedrohung der Freiheit
3.4 Die Anmaßung von Wissen und die Zwillingsidee der spontanen Ordnung und der kulturelle Evolution
3.5 Probleme der sozialistischen Realität
3.6 Regelordnung und Handelnsordnung
3.7 Politik als Ordnungspolitik

4. Schlussbemerkung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wie kommt ein gesellschaftliches Zusammenleben zustande, welches den Menschen bestmögliche Aussichten bietet, ihre Interessen wahrzunehmen und ihre Ziele erfolgreich zu verfolgen? Friedrich August von Hayek[1] beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit einer Erklärung für dieses gesellschaftliche Phänomen. Seine Überlegungen wurden entscheidend geprägt durch die liberalen angelsächsischen Theorien des 18. Jahrhunderts. Zum einen findet die freiheitliche Ordnung unserer Gesellschaft große Beachtung, deren Begründung nach liberaler Auffassung in der Entstehung von Regeln und Institutionen zu finden ist. Darüber hinaus trägt Hayek der allgemeinen skeptischen Auffassung David Humes Rechung, welcher die Grenzen der menschlicher Vernunft und des Wissens erkennt.

Der erste Teil dieser Seminararbeit gibt einen Überblick über das Kapitel zwei des Werkes „Recht, Gesetz und Freiheit“, mit dem Titel „Kosmos und Taxis“. Thematik ist die Entstehung der Strukturen unserer Gesellschaft und die Frage wie eine solche Ordnung beschaffen sein muss, damit ein Zusammenleben möglich ist. Hat sich unsere Gesellschaft über einen evolutorischen Prozess herausgebildet oder ist sie das Resultat überlegener menschlicher Intelligenz? Welche Regeln liegen dieser Ordnung zugrunde, die eine funktionierende Gesamtordnung ermöglichen?

Die Probleme von Eingriffen in die gesellschaftliche Ordnung, die Anmaßung von Wissen durch zentrale Planung und die daraus resultierende Bedrohung der Freiheit, stehen im zweiten Teil im Vordergrund. Es soll der Gegensatz zwischen einer freiheitlichen, liberalen Ordnung auf der Grundlage von Regeln gerechten Verhaltens und einem sozialistischen System, welches entscheidend durch Zielvorgaben und Zwänge geprägt wird, aufgezeigt werden. Es erfolgt eine Darstellung der Wissensproblematik anhand der Unzulänglichkeiten sozialistischer Planung. Ich möchte in dieser Seminararbeit, anhand der Zwillingsidee, sowie dem ordnungsökonomischen Zusammenspiel zwischen der Regelordnung und der Handelnsordnung, mögliche Lösungsmechanismen aufzeigen.

2. Kosmos und Taxis

2.1 Der Begriff der Ordnung

Als Ordnung bezeichnet Hayek einen „Zustand .. , in dem verschiedenartige Elemente in großer Anzahl so aufeinander bezogen sind, dass die Kenntnisse eines räumlichen oder zeitlichen Teiles des Ganzen uns erlaubt, richtige Erwartungen hinsichtlich des Übrigen zu bilden oder zumindest Erwartungen, die sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit als richtig herausstellen“.[2] Es ist leicht ersichtlich, dass in unserer Gesellschaft eine derart beschriebene Ordnung vorhanden sein muss, da jedes Mitglied der Gesellschaft zu seiner größtmöglichen Bedürfnisbefriedigung beitragen will. Es findet eine wechselseitige Anpassung der Absichten und Erwartungen an die jeweiligen Umstände von Ort und Zeit statt. Dieser Anpassungsprozess beschreibt das soziale Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Wie wird eine solche Ordnung zustande gebracht?

2.2 Spontane Ordnung und Organisation

Hayek unterscheidet zwei Arten der Ordnung: Die spontane Ordnung und die Organisation. Die Organisation ist eine erzeugte Ordnung, eine Ordnung die exogen, d.h. durch äußere Kräfte geschaffen wird. Hinter dieser Art von Ordnung verbirgt sich die Denkweise der bewussten Planung einer Konstruktion mit hierarchischem Charakter.

Die spontane Ordnung dagegen ist eine endogen gewachsene, eine sich selbstgenerierende Ordnung. „ ... (Sie ist) das Ergebnis menschlichen Handelns .. , nicht die Durchführung irgend eines menschlichen Planes“.[3] Da es im Altgriechischen eigene Worte für die beiden Arten von Ordnungen gibt, verwendet Hayek

diese als Synonyme. Das Wort kosmos bezeichnet die gewachsene Ordnung, das Wort taxis die erzeugte Ordnung.

In einigen Bereichen, wie z.B. Sprache und Moral wird heute allgemein anerkannt, dass diese durch einen evolutorischen Entwicklungsprozess entstanden sind. Diese Entwicklung dauert weiterhin an. Keine planende Instanz hätte das Ergebnis in solch einer Art und Weise zustande bringen

können. Dagegen ist wiederum in anderen Bereichen, wie z.B. der marktlichen Ordnung, bis heute wenig Vertrauen in die Kräfte der spontanen Ordnung zu beobachten. Adam Smith[4] prägte das „Prinzip der unsichtbaren Hand“. Er beschreibt wie sich die Menschen gegenseitig von Nutzen sind, obwohl dies nicht in ihrer Absicht lag. Wie eine „unsichtbare Hand“ lenkt die Marktwirtschaft das Handeln der Individuen. „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil“[5]. Jedes Mitglied der Gesellschaft verfolgt seine eigenen Interessen und dient dadurch, egal ob aus egoistischen Gründen oder reiner Gutmütigkeit, der gesamten Gesellschaft. Dies bezeichnet Hayek als die Stärke der Großen Gesellschaft[6].

Woher kommt das Misstrauen gegenüber der spontanen Ordnung? Ein Hauptgrund für dieses Misstrauen begründet sich aus der Tatsache, dass der Charakter der spontanen Ordnung nicht intuitiv erfasst werden kann. Es kann lediglich der Versuch unternommen werden die Strukturen dieser abstrakten Ordnung zu rekonstruieren. Da jeder Grad an Komplexität denkbar ist, kann keine einfache Struktur erkannt werden.

Um den Charakter der spontanen Ordnung besser verstehen zu können führt Hayek zwei Beispiele aus der Welt der Physik. Am Beispiel eines Kristalls zeigt er auf, dass es für uns nie möglich sein wird, die genaue Struktur und die exakte Anordnung der einzelnen Elemente ex ante[7] zu bestimmen. Wir können lediglich versuchen die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter welchen die Bildung eines Kristalls möglich ist. Noch anschaulicher ist ein Experiment, bei welchem Eisenspäne auf ein Blatt Papier gestreut werden, unter dem ein Magnet liegt. Die Eisenspäne ordnen sich nun spontan entlang der Kraftlinien des Magnetfeldes an. Die genaue Position der einzelnen Späne ist nicht vorhersehbar. Diese ist abhängig von der besonderen äußeren Umständen, wie z.B. Oberfläche des Papiers oder Gewicht der Späne. Es kommt zu einer wechselseitigen Anpassung der Kräfte des Magneten und der Umwelteinflüsse. Bei jedem Versuch ergibt sich ein einzigartiges Resultat. Es ist nur der allgemeine Charakter, niemals das exakte Ergebnis vorhersehbar. Diese Beispiele lassen sich auf die komplexeren Phänomene und Strukturen unserer Gesellschaft übertragen. Unser Zusammenleben ist durch einen Anpassungsprozess an eine große Zahl von Einzeltatsachen gekennzeichnet, die keiner Einzelperson in ihrer Gesamtheit bekannt sein können.[8] Die spontane Ordnung kann keinem übergeordneten Zweck dienen, in dem Sinne, dass ein planender Geist ein Ziel vorgegeben hat. Die Mitglieder der Gesellschaft verfolgen ihre eigenen individuellen Ziele und dienen verschiedenen Zwecken, die dem Einzelnen bessere Chancen versprechen. Somit ist das Ausmaß möglicher Kontrolle über die Einzelheiten einer spontanen Ordnung sehr gering oder bisweilen überhaupt nicht vorhanden. An anderer Stelle wird später gezeigt, wie der Versuch die spontanen Kräfte zu kontrollieren und die spontane Ordnung zu lenken, das inhärente Prinzip dieser Ordnung zerstören kann.

Die Organisation dagegen ist eine konkrete Ordnung. Der Charakter der taxis kann durch bloßes Hinsehen intuitiv wahrgenommen werden. Es ist eine klare Struktur zu erkennen, die sich dadurch begründet, dass die Organisation Resultat menschlichen Planens ist. Da der planende Geist jede Einzelheit der Organisation überdacht haben muss, kann die taxis nur einen geringen Komplexitätsgrad aufweisen. Jede Einzelheit kann von einem Verstand kontrolliert werden. Die Planausführer dienen einem bestimmten vorgegebenen Ziel und Zweck.

Im Hinblick auf diese Darstellung der beiden Arten der Ordnung lässt sich erkennen, dass die Organisation auf einer ex ante Festlegung, dagegen die spontane Ordnung auf einer ex post[9] Analyse beruht.

2.3 Die Regeln der spontanen Ordnung und der Organisation

Das Entstehen einer spontanen Ordnung wird erst durch wechselseitige Anpassung der einzelnen Elemente ermöglicht. Diese Reaktion erfolgt nach bestimmten Regeln. Charakteristisch für solche Regeln ist, dass sie nicht in verbalisierter Form vorliegen müssen. Nach Auffassung Hayeks reicht es aus, dass solche Regeln entdeckt werden können. Schon lange bevor solche Regeln in Worte gefasst wurden, befolgten die primitivsten Gesellschaften unserer Vorfahren Regeln, in dem sie in soziale Strukturen zusammenlebten. Erst hunderttausende von Jahren später wurden diese Gesetze in Worte gefasst. Wiederum andere, wie Regeln der Moral, der Sitte und Gebräuche werden nur mündlich über die Generationen weitergegeben und nicht notwendigerweise niedergeschrieben.

„Welche Eigenschaften müssen die Regeln besitzen, damit die gesonderten Handlungen der einzelnen eine Gesamtordnung erzeugen?“[10]. Regeln, die durch einen Versuch und Irrtum[11] Prozess entstanden sind unterliegen einem Selektionsprozess, der gesellschaftlich wünschenswerte Regeln erzeugt. Durch das Befolgen dieser Regeln wird soziales Zusammenleben in der Form einer spontanen Ordnung erst ermöglicht. Einige Regeln werden freiwillig eingehalten. Dies sind solche, die jedem Einzelnen von Nutzen sind oder kulturell überliefert wurden. Die Befolgung anderer Regeln, bei denen der Nutzen für den Einzelnen nicht direkt ersichtlich ist, muss wiederum erzwungen werden, da es starke Anreize gibt diese Regeln nicht zu befolgen und seine wahren Präferenzen zu verschleiern. Es ist somit sinnvoll einige Regeln in schriftlicher Form festzuhalten, an welche sich alle Mitglieder der Gesellschaft verbindlich zu halten haben, wie z.B. die Rechtsregeln. Rechtsregeln sind dadurch charakterisiert, dass sie zunächst spontan entstanden sind und auch weiterhin dem evolutorischen Prozess unterworfen sind. Mit der Zeit lernten die Menschen die Regeln zu verbessern und entwarfen neue Rechtsregeln. „Der spontane Charakter der resultierenden Ordnung muss daher unterschieden werden von der spontanen Entstehung der Regeln, auf denen sie beruht, ...“[12]. Eine Verbesserung der Rechtsregeln ist nicht nur möglich, sondern notwendig um eine Anpassung an neue Umstände zu bewirken und die Gesamtordnung zu verbessern.

Die Regeln der spontanen Ordnung können als allgemeine Verhaltensregeln bezeichnet werden. Sie weisen drei spezifische Eigenschaften auf. Zum einen müssen die Verhaltensregeln Allgemeingültigkeit besitzen. Dies bedeutet, dass sie auf eine unabhängige Zahl von Personen und Fälle anwendbar sein müssen und nicht an konkrete Zwecke gebunden sein dürfen.[13] Des weiteren müssen sie offen, d, h. negativ formuliert[14] sein. Somit wird gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten verboten und der Bereich abgesteckt indem der Mensch sich nach seinem Wissen und seinem Zweck frei entfalten kann. Es sollen keine konkreten Handlungen erzwungen werden. Darüber hinaus müssen diese Regeln bestimmt sein, was bedeutet, dass ihre Definition klar und konsistent erfolgen soll. Der Fortbestand der Regeln muss auch für die Zukunft gewährleistet sein. Diese allgemeinen Verhaltensregeln werden auch als universalisierbare Regeln bezeichnet.

Die Regeln einer Organisation sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zweckorientiert sind. Es sind Befehle, Anweisungen und Organisationsregeln, die nur für bestimmte Personen oder Personengruppen der Organisation Geltung haben. Somit sind die Organisationsregeln nicht allgemeingültig. Durch ihre positive Formulierung[15] wird den Personen kein Raum für freie Entfaltung gelassen. Im Mittelpunkt des Interesses einer Organisation steht die Umsetzung der Ziele.

[...]


[1] „Hayek, Friedrich August von, 1899 – 1992; aus Österreich stammender Nationalökonom und Sozialphilosoph, der in Österreich, England, USA und Deutschland – zuletzt in Freiburg – gelehrt hat; Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1974 (...). Hayek gehört zu den einflussreichsten Sozialphilosophen seit Smith. Er hat für das Verständnis der wesentlichen Elemente des Wirtschaftens, z.B. die ... Marktwirtschaft, ein neues Fundament geschaffen“. Vgl. Gabler, 2000a, Seite 1430

[2] Hayek, 2003a, Seite 38

[3] Ferguson, 1767, Seite 171; schottischer Moralphilosoph (1773 – 1790)

[4] Adam Smith (1723-1790), Hauptvertreter schottischer Moralphilosophie

[5] Smith, 1996, Seite 17

[6] Vgl. Hayek, 2003a, Seite 261

[7] Ex ante: (lateinisch) im voraus oder aus früherer Sicht

[8] Vgl. Hayek, 2003a, Seite 42

[9] Ex post: (lateinisch) im Nachhinein, hinterher, vom Ergebnis ausgehend

[10] Hayek, 2003a, Seite 47

[11] Vgl. Hayek, 2003a, Seite 19 - 21

[12] Hayek, 2003a, Seite 48

[13] Vgl. Hayek, 2003a, Seite 52

[14] Negative Formulierung: „Tue dies nicht“.

[15] Positive Formulierung: „Tue dies“.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Zu: Friedrich August von Hayeks "Kosmos und Taxis" und "Die Zerstörung der spontanen Ordnung"
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Allgemeine Wirtschaftsforschung)
Veranstaltung
Ordnungsökonomik
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V39019
ISBN (eBook)
9783638379199
ISBN (Buch)
9783638654760
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich, August, Hayeks, Kosmos, Taxis, Zerstörung, Ordnung, Ordnungsökonomik
Arbeit zitieren
Nina Halaczinsky (Autor:in), 2004, Zu: Friedrich August von Hayeks "Kosmos und Taxis" und "Die Zerstörung der spontanen Ordnung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39019

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