Malerei inspiriert Musik. Die Toteninsel von Arnold Böcklin und von Max Reger

Werkkorrespondenzen


Seminararbeit, 2004

43 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Toteninsel von Arnold Böcklin
2.1 Rahmeninformation
2.2 Analyse

3 Die Toteninsel aus den „Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin“ von Max Reger
3.1 Rahmeninformationen
3.2 Analyse der Toteninsel von Max Reger

4 Zusammenfassung und Bewertung
4.1 Zentrale Inhalte
4.2 Resümee

5 Literaturverzeichnis

6 Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Inwiefern ist es notwendig, um ein Musikstück, zu dem ein korrespondierendes Bild existiert, zu verstehen, eben jenes Bild genau zu kennen?

Dies ist die zentrale Frage, die hinter der folgenden Seminararbeit steht.

Anhand des Beispiels der Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin von Max Reger und insbesondere dem dritten Teil daraus, der unter dem Titel Die Toteninsel firmiert, sowie des dazu korrespondierenden Bilds Die Toteninsel von Arnold Böcklin soll dieser Frage nachgegangen werden, indem Gemeinsamkeiten und Widersprüchlichkeiten im Hinblick auf mögliche Rezeptionen der beiden Kunstwerke aufgezeigt werden.

Die methodische Vorgehensweise zur Beantwortung der oben angesprochenen Frage sowie der sich daraus ergebenden Aufgabe wird folgende sein:

In einem ersten Schritt werden Rahmeninformation zu Arnold Böcklin und seinem Bild gegeben, im Anschluss daran findet sich eine Analyse des Bildes für sich allein.

In einem zweiten Schritt wird versucht, sich den „Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin“ von Max Weber und insbesondere der „Toteninsel“ aus diesem Werk nach dem selben Schema zu nähern.

Im Anschluss daran werden die Ergebnisse aus den beiden vorangegangenen Kapiteln verknüpft und auf Gemeinsamkeiten und Widersprüchlichkeiten hin untersucht. Dieses abschließende Kapitel mündet in der Frage, inwiefern die genaue Kenntnis der Toteninsel von Arnold Böcklin zum Verständnis der Regerschen Toteninsel aus den Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin beiträgt.

2 Die Toteninsel von Arnold Böcklin

In diesem Abschnitt der Seminararbeit soll eine Annäherung an das Bild Die Toteninsel von Arnold Böcklin stattfinden, indem anhand von Rahmeninformationen, die den biographischen Entstehungskontext, die Beziehung Böcklins zur Musik, die Werkgenese und den aktuellen Standort sowie die künstlerische Rezeption abdecken, dargestellt werden. Auf Basis dieser Informationen soll im Anschluss eine Analyse des Bildes anhand der für den Betrachter erkennbaren Bildstrukturen vollzogen werden.

2.1 Rahmeninformation

Geboren wurde Arnold Böcklin 1827 in Basel als Sohn eines Kaufmanns. Nach dem Kunststudium an der Kunst-Akademie in Düsseldorf bei Johann Wilhelm Schirmer, der sein späteres Schaffen maßgeblich beeinflusste, ging Böcklin nach Genf und beendete seine eigentliche Ausbildung beim Maler Alexandre Calame.

Zum künstlerischen Durchbruch verhalf Böcklin 1858 sein Bild Pan im Schilf. In Böcklins Bildern spiegeln sich seine langen Aufenthalte an der italienischen Mittelmeerküste wieder. Besonders deutlich wird dies an der Darstellung von Zypressen-Hainen, sonnendurchfluteten Landschaften und der antiken Götterwelt.

In seinem Spätwerk wurden düstere Stimmungen zunehmend dominanter. Böcklin konnte noch zu Lebzeiten miterleben, wie die Preise seiner Werke Höhen erreichten, die – zumindest was den deutschen Raum betrifft – nur wenigen Künstlern vergönnt waren.

Böcklin starb 1901 bei Fiesole in Italien.[1]

Vom Herbst 1874 bis April 1885 war Böcklin in Florenz tätig. Insbesondere malte er während dieser ganzen Zeit im Atelierhaus des Wladimir von Swertschkoff am Lungo Mugnone. Böcklins finanzielle Lage war zu dieser Zeit noch immer schwierig, jedoch versammelten sich eine Reihe von Freunden und Schülern um ihn.

Seine Bilder wurden zumeist in Berlin ausgestellt und erregten heftige Kritik, anfangs wurde er sogar von früheren Bewunderern verlacht. Bald zeigte sich jedoch auch in der öffentlichen Kunstdiskussion genauso leidenschaftliche Parteinahme. Hierbei wurde der Streit nur an der Oberfläche um die Bewertung der Malerei geführt, vielmehr jedoch um Böcklins fremde Botschaft. Der erregte Lärm machte zumindest aber den Namen Böcklins populär und bald stellten sich auch weitreichende Erfolge ein. Themen werden von Böcklin mehrfach variiert und sein Atelier avancierte zur Sehenswürdigkeit. Der Kronprinz und spätere Kaiser Wilhelm II. machte mit seiner Gemahlin seine Aufwartung und Böcklin wurde auch Mitglied der königlichen Akademie in Berlin.

Während der Zeit zwischen 1880 und 1886 wird Die Toteninsel in fünf Versionen aufgelegt. Bei Böcklin liegen die Stationen der malerischen Entwicklung und die des familiären Leids oft eng beieinander. So starb 1877 Böcklins Tochter Beatrice in jungen Jahren in Rom. Von den 14 Kindern Böcklins starben acht bereits kurz nach der Geburt. Das Todesmotiv nahm in Böcklins Werk daher eine so zentrale Rolle ein, wie auch die Kindergräber der Familie Böcklin über ganz Europa verstreut sind.[2]

Auch in der Toteninsel finden sich Elemente, die in Bezug zu den familiären Tragödien gesetzt werden können. Darauf wird im folgenden Abschnitt der Arbeit eingegangen.

Die Genese der Toteninsel lässt sich wie folgt kurz charakterisieren: 1880 wurde Böcklin von einer jungen Witwe beauftragt, „ein Bild zum Träumen“ zu malen. In Folge entstand die erste Version des Bildes Die Toteninsel. Während der Arbeit schrieb er der Auftraggeberin in einem Brief, „das Bild müsse so still werden, dass man erschrickt, wenn an die Tür gepocht wird“. Es wurde dann nicht von Böcklin selbst, jedoch von Böcklins Kunsthändler Franz Gurlitt auf den Namen Die Toteninsel getauft. Böcklin hatte das Bild ursprünglich Die Stille getauft.[3]

Aufgrund seiner Faszination vom Thema des Bildes, fertigte Böcklin im Lauf der nächsten Jahre vier weitere Bilder mit dem selben Motiv an. Diese unterscheiden sich von der ersten Version durch Farbe, hell/dunkel-Kontraste, Hintergrund und die Stellung der Zypressen, die Wind bzw. Windstille suggerieren.

Alle Fassungen wurden weltbekannt; damit einher ging auch die Verbreitung der Toteninsel: auf Drucken, als Vorlage für Karikaturen oder für Postkarten, die Soldaten des ersten Weltkrieges nach Hause schickten. „Das Bild fügte sich idealiter in die pessimistische Zeitstimmung des Bürgertums, in der das Abendland unterzugehen drohte und die Entzauberung der Welt unaufhaltsam schien, [ein].“[4]

Die erste Version des Bildes, die im Auftrag eben jener jungen Witwe Marie Berna 1880 entstand, hängt seit 1920 im Kunstmuseum in Basel.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Toteninsel 1. Version - 1880 111 x 115cm - Basel, Kunstmuseum

Die zweite Version der Toteninsel von 1880 befindet sich seit 1926 im Museum of Modern Art in New York, die dritte Version von 1883 ist in der National-Galerie in Berlin.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Toteninsel 2. Version - 1880 - 73,70 x 121,90 cm - New York, The Metropolitan Museum of Art

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Toteninsel 3. Version 1883 80 x 150 cm - Berlin, Nationalgalerie

Von der vierten Version von 1884 existiert heute nur mehr eine Schwarzweiß-Fotografie; das Bild verbrannte während dem zweiten Weltkrieg. Die fünfte Version von 1886 entstand als ein Auftragswerk des Leipziger Museums, wo es sich auch heute noch befindet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Toteninsel 4. Version - 1884 81 x 151cm - während des 2. WK zerstört

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Die Toteninsel 5. Version - 1886 80 x 150cm - Leipzig, Museum d. bild. Künste

Böcklin kritisierte gesellschaftliche Zustände seiner Zeit, er konservierte die Schrecken des Krieges in albtraumhaften Bildern und konnte pointiert Doppelmoral und Bigoterie seiner Zeit aufdecken. Insgesamt stand Böcklin „dem Deutschen“ kritisch gegenüber. Ersichtlich wird dies an seiner Aussage in einem Brief: „‚Deutsches Gemüt, deutsche Bildung, Kunst, Poesie etc.’ habe er so gründlich kennengelernt, dass es ihn schon morgen ‚mit dem Schnellzug nach dem uncivilisierten Süden’ drängt.“[5]

Dieser Gedanke führt zur kunstgeschichtlichen Positionierung Böcklins: ein Zeitungsartikel anlässlich einer Böcklin-Ausstellung heißt es, er verweigerte sich systematisch den Trends seiner Zeit, denn er malte weder impressionistisch noch mit symbolistischem Tiefgang.[6] Obwohl Böcklin die akademische Maltradition fortführte, konnte er dennoch eine lebensvolle, farbige, fast volkstümliche Bildsprache entwickeln. Mit der Verwendung von Motiven aus der griechischen Mythologie sowie Märchen und Sagen des Altertums greift er einen vom Bildungsbürgertum allgemein verstandenen Code auf.[7]

Den Ausgangspunkt für seine Bilder sieht Böcklin im Beobachten und Erleben der Natur. „Naturbeobachtung und Naturerlebnis bewahren vor dem Ausgleiten ins konventionelle Fabulieren und führen zum Lohn für die selbstgeübte Zucht zu sicher tragender künstlerischer Formfindung.“[8] Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass einfach die Natur nachgemalt wird. „Man soll nicht ein Stück Natur zu einem Bild verarbeiten, sondern man soll etwas erfinden und die Natur zu Rate ziehen.“[9]

In Bezug auf sein Verhältnis zur Musik lässt sich Folgendes feststellen:

Arnold Böcklin war selbst musikalisch tätig und gründete 1856 mit Anselm Feuerbach, Reinhold Begas und Julius Allgeyer in Rom ein Vokalquartett. Zu seinen Lieblingskomponisten zählte Christoph Willibald Gluck. Dieser hatte zu seiner Zeit eine neue Ära der Oper eingeläutet, indem er die bis dahin üblichen schematisierten Operngestalten durch individuell charakterisierte ersetzte. Christiane Eggebrecht vertritt die Annahme, dass Böcklin als Anhänger Glucks dessen Werke kannte und sie ihn in seinem Schaffen beeinflussten.[10]

Böcklin anerkannte die gemeinsame Grundlage von Musik und bildender Kunst, die durch die gemeinsamen Proportionen um den Goldenen Schnitt gegeben seien. So empfand er seine Malereien „aus dem Geiste der Musik“[11] und wollte auch im Betrachter eine musikalische Wirkung hervorrufen.

Monika Fink illustriert diese Haltung Böcklins anhand einiger von ihm getätigten Aussagen. So etwa: „Wer hätte je geglaubt, wie die Musik wirken könne, bevor er sie nicht gehört? So soll die Malerei die Seele erfüllen können und solange sie das nicht tut, ist sie eben ein dummes Handwerk.“[12] Oder: „Ein Bildwerk soll [...] dem Beschauer zu denken geben so gut wie eine Dichtung und ihm Eindruck machen wie ein Tonstück.“[13]

Dieser Anspruch, den Böcklin selbst an seine Kunstform stellte, wurde von Rezipientenseite als eingelöst erachtet. So schrieb der Philosoph Georg Simmel in seinem Aufsatz „Böcklins Landschaften“ Folgendes: „Vielleicht hat niemals eine andere Kunst vor Böcklin so nahe an dieses rätselhafte Wesen der Musik herangereicht, daß sie, wie Schopenhauer sagt, als ein ganz vertrautes und doch ewig fremdes Paradies an uns vorüberzieht. Niemals vielleicht außer in der Musik hat die Stimmung so sehr ihre Materie verzehrt [...]“[14]

[...]


[1] vgl. Will, Sebastian: Ein Blick auf „Die Toteninsel“. Die Toteninsel von Arnold Böcklin unter der Lupe. Online unter: http://home.arcor.de/sebastianwill/ Toteninsel.html[15.09.2004]

[2] Ottenbacher, Albert: Böcklin als Fremder, online unter: http:// www.albert-ottenbacher.de/basilea/ [16.04.2004]

[3] vgl. Will, Sebastian: Ein Blick auf „Die Toteninsel“. Die Toteninsel von Arnold Böcklin unter der Lupe, online unter: http://home.arcor.de/sebastianwill/ Toteninsel.html [15.09.2004]

[4] Jahn, Wolf: Den Tod feiern, in: Welt am Sonntag, Ausgabe vom 13. Mai 2002.

[5] Jahn, Wolf: Den Tod feiern, in: Welt am Sonntag, Ausgabe vom 13. Mai 2002.

[6] vgl. Jahn, Wolf: Den Tod feiern, in: Welt am Sonntag, Ausgabe vom 13. Mai 2002.

[7] vgl. z.B. Haftmann, Werner, Malerei im 20.Jahrhundert. Eine Entwicklungsgeschichte, München 1979

[8] Böcklin, A.: zit. In: Basel Katalog 1977

[9] ebd.

[10] Eggebrecht, Christiane: Inseln – Eine musikalische Hommage an Arnold Böcklin. Online unter: http://www.sinfonietta-archiv.ch/PPL/Saison01/Text_Extrakonzert_1_2001.htm [20.04.2004]

[11] Schneider, Max F.: Arnold Böcklin. Ein Maler aus dem Geiste der Musik, Basel 1943, zit. Nach Fink, Monika: Musik nach Bildern – Programmbezogenes Komponieren im 19. und 20. Jahrhundert. Helbling Verlagsgesellschaft, S. 61

[12] zit. nach Döllinger, Hans: Arnold Böcklin – Texte, München 1975, S. 13.

[13] zit. nach Schmid, Heinrich A.: Arnold Böcklin, München 1919, S. 14.

[14] Simmel, Georg: Böcklins Landschaften, in: Zur Philosophie der Kunst. Philosophische und kunstphilosophische Aufsätze, Potsdam 1922, S. 7 – 16. zit. Nach Fink, Monika: Musik nach Bildern – Programmbezogenes Komponieren im 19. und 20. Jahrhundert. Helbling Verlagsgesellschaft, S.62.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Malerei inspiriert Musik. Die Toteninsel von Arnold Böcklin und von Max Reger
Untertitel
Werkkorrespondenzen
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
SE Klingende Bilder. Wechselwirkungen zwischen Musik und Malerei im 20. Jhdt.
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
43
Katalognummer
V38964
ISBN (eBook)
9783638378789
ISBN (Buch)
9783638717786
Dateigröße
1862 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werkkorrespondenzen, Toteninsel, Reger, Arnold, Böcklin, Klingende, Bilder, Wechselwirkungen, Musik, Malerei, Jhdt
Arbeit zitieren
Wolfgang Just (Autor:in), 2004, Malerei inspiriert Musik. Die Toteninsel von Arnold Böcklin und von Max Reger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38964

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