Die englische Revolte von 1381


Hausarbeit, 1979

54 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung.

2.0 Ursachen und Vorgeschichte der Revolte von 1381
2.1 Englische Politik am Vorabend der Revolte Anmerkungen zum Kap. 2.1
2.2 Grundherrschaftliche Konflikte vor 1381
2.3 Städtische Konflikte und Interessengruppen Anmerkungen zu den Kapiteln 2.2 und 2.3
2.4 Auswirkungen des Bevölkerungsrückganges im England des 14. Jahrhunderts. Anmerkungen zum Kapitel 2.4
2.5 Sozialkritik in Predigt und Literatur im England des 14. Jahrhunderts. Anmerkungen zum Kapitel 2.5

3.0 Der Verlauf der Revolte. Die Forderungen der Rebellen
3.1 Der Ausbruch der Revolte in Kent und Essex. Der Zug der Rebellen nach London..
3.2 Die Ereignisse in London am 13., 14. und 15. Juni 1381.
3.3 Die Rebellion in Suffolk und Norfolk.
3.4 Die Rebellion in St. Albans und Cambridge.
Anmerkungen zu den Kapiteln 3.1-3.4

4. Die Reaktion

5. Resümee
Anmerkungen zu den Kapiteln 4 und 5

6. Quellen- und Literaturverzeichnis... 50

7. Anhang: The Statute of Labourers of 1351 (übers.)

1. Einleitung

Schon im England des 12. Jahrhunderts begannen die Grundherren Arbeitsrenten, die ihre Hörigen zu leisten hatten, in Geldrenten umzuwandeln. Die Erfahrung hatte die Gutsverwalter gelehrt, daß die grundherrschaftliche Domäne wirtschaftlicher mit Arbeitskräften bearbeitet werden konnte, die jedes Jahr gemietet wurden, als auf die Frondienste von unwilligen Hörigen zu vertrauen. Eine Ursache der Wiedereinführung der Arbeitsdienste und ihrer Erhöhung im 13. Jahrhundert war die allgemeine Bevölkerungszunahme, die zu verstärkter Konkurrenz der Bauern untereinander in der Landnachfrage führte, aber auch die Löhne drückte. Der Bevölkerungsrückgang nach der Pestwelle von 1348/49 verbesserte die langfristige Situation der Hörigen insofern, als die Gutsverwalter wegen der hohen Löhne der Landarbeiter bevorzugt wieder Geldrenten anstelle von Arbeitsrenten von ihren Hörigen verlangten oder die Domäne verpachteten. Das Landangebot schuf eine neue Klasse von wohlhabenden Bauern, die oft selbst Landarbeiter einstellten. Das Stigma des Hörigenstatus mußte die Bauern umso schwerer belasten, als die Möglichkeiten des Landerwerbs sich mehrten und die bäuerliche Arbeitskraft umso höher bewertet wurde.

Die Forderungen englischer Lohnarbeiter nach höheren Löhnen, die von den Arbeitgebern gewährt werden mußten, wurden durch das Inkrafttreten des Statute of Labourers (1351) gedämpft. Die königlichen Beamten, die sheriffs, die Sheriffoffiziere, die Kollektoren und die Arbeits- und Friedensrichter waren zur Durchführung der Bestimmungen des Statutes beauftragt, Lohnfestsetzungen zum Wohle der Arbeitgeber und der königlichen Einkünfte zu erzwingen. Langfristig stiegen die Löhne der Landarbeiter und Handwerker dennoch an.

In London standen den kleinen in Zünften organisierten Handwerkern, die in Livery companies zusammengefaßten Seiden-, Tuch- und Lebensmittelgroßhändler gegenüber, die den Stadtrat und die politischen Ämter der Stadt beherrschten. Die alten Handwerksbetriebe waren immer mehr in eine Zulieferrolle gedrängt und sahen Konkurrenz durch eigene Gesellen, die sich selbstständig machen wollten, ungern.

Gesellen hatten sich schon seit dem frühen 14. Jahrhundert in eigenen Vereinen assoziiert und solidarische Aktionen gegen die Preispolitik der Meister durchgeführt. Die Kopfsteuer von 1380, die Lohnfestsetzungen durch das Statute of Labourers, die feudalen Geld- und Arbeitsrenten und die Privilegien bestimmter städtischer Gruppen und Institutionen (Universität) bildeten die Ursachen einer Revolte von Bauern, Stadtbewohnern, Lohnarbeitern, Landpfarrern und Vertretern des Landadels, die im Sommer 1381 zu interregionalen Auseinandersetzungen mit königlichen Beamten und unbeliebten Grundherren führte und sich u.a. in der Zerstörung von Rechtsdokumenten, Sachbeschädigungen, sowie in Geiselnahmen, Körperverletzungen und Morden äußerte.

2.0 Ursachen und Vorgeschichte der Revolte von 1381

2.1 Englische Politik am Vorabend der Revolte

Die englische Sozialrevolte von 1381 kann nicht als spontane, einmalige Interessenäußerung einiger Bauern und ländlicher Lohnarbeiter gesehen werden. Eher ist der Aufstand als Ergebnis von Interessenkonflikten verschiedener Gesellschaftsklassen zu fassen, die nach Rodney Howard Hilton schon im 13. Jahrhundert begonnen hatten. Bevor auf die Interessenkonflikte zwischen Grundherren und Hörigen eingegangen wird, soll der Hundertjährige Krieg (1337-1453) als längerfristige Auseinandersetzung zwischen englischen und französischen Königen skizziert werden, da dieser Krieg mit seinen Finanzierungsproblemen die Steuerzahler langfristig stark belastete.

Eduard III. (1327-1377) aus dem Hause Plantagenet war mit dem französischen Herrscherhaus der Capetinger insofern verbunden, als Eduard II. (1307-1327) mit einer Tochter Philipps des Schönen (1285-1314) verheiratet war. Nach dem Tode des Capetingers Karl IV. wurde aber nicht sein Neffe Eduard III., sondern ein Onkel Karls, Philipp von Valois, als Philipp VI. (1328-1350) gekrönt. Heinrich II. (1154-1189) war durch seine Ehe mit Eleonore, der ehemaligen Gattin Ludwig VII. (1137-1180) in den Besitz französischer Lehen gekommen. Das Herzogtum Guyenne war als kümmerlicher Rest des einstigen Angevinischen Reiches Eduards III. als Lehen erhalten geblieben.

Als nun das Herzogtum Aquitanien von den Franzosen bis auf einen Küstenstreifen besetzt wurde, begründete Eduard III. mit dem Thronfolgerecht seine Gebietsansprüche und kündigte dem französischen König seinen Lehenseid auf. Er fand Verbündete in Kaiser Ludwig den Bayern (1314-1347), den Fürsten am Niederrhein und in den flämischen Kaufleuten. Dem englischen Monarchen ging es um die machtpolitische Frage, die alten Lehensländereien in alter Größe wiederherzustellen, zweifellos auch im Hinblick auf die Wirtschaftsmärkte von Aquitanien und der Gascogne. England lieferte Tuche und Weizen in die Gascogne, und aus Südwestfrankreich kamen Weine, Salz, Eisenprodukte und Schiffe nach England. Adlige aus England und Frankreich hatten in den Überseehandel investiert und profitierten von ihm; auch der englische König steigerte seine Einkünfte durch Handelszölle. Die flandrische Tuchindustrie konnte durch Eduard III. gewonnen werden, indem ihr ein Stapelrecht in Brügge und ein freier englischer Markt für ihre Tuche geboten wurde. Der Graf von Flandern, ein französischer Vasall, mußte sein Land verlassen.

Nach den ersten Kampfhandlungen (1337) nahm Eduard III. auf Drängen der flandrischen Tuchindustrie den Titel eines Königs von Frankreich an (1340). Trotz des englischen Seesieges bei Sluys hatte der englische Monarch wachsende Schwierigkeiten gegenüber sowohl den Lords als auch den Commons seine eigenwillige und kostspielige Politik zu vertreten. Das Parlament bewilligte schließlich eine Sondersteuer auf Wolle, ließ sich aber in einem Statut das Recht verbriefen, das Steuererhebungen ohne parlamentarische Zustimmungen verbot sowie den Schutz des Klerus und die Einschränkung des königlichen Herbergsrechts bestätigte.1

Waffenstillstände zwischen Eduard III. und Philipp VI. wurden schon zwischen 1340 und 1341 geschlossen. Der Bruch des Waffenstillstands auf Seiten Philipps entfachte den Krieg 1345 von neuem. Englische Expeditionen drangen in die Gascogne und in die Bretagne vor, und Eduard stand mit seiner Armee von 12.000 Mann bei Crécy-en-Penthieu einem 30.000 Mann starken Ritterheer gegenüber. Das französische Heer wurde mit Hilfe der englischen Langbogenschützen geschlagen. Unter den Toten war der Bruder des französischen Königs, der Graf von Flandern, der Herzog von Lothringen, König Johann von Böhmen und 1500 Ritter. 1346 wurde Calais eingenommen und die Schotten bei Neville‘s Cross besiegt.2

Die erste Pestwelle von 1348/49 reduzierte die englische Bevölkerung um ein Viertel bis zu einem Drittel. Das Statute of Labourers (1351) setzte sich im Interesse des landständischen Rittertums und der Land besitzenden Kleriker für einen Lohnstopp auf der Grundlage von 1347/48 ein. Das Statute of Provisors (1351) und das Statute of Praemunire (1353) sicherten nationale Interessen gegenüber einem frankophilen Papst; im ersteren „wandte sich die Regierung gegen päpstliche Pfründenverleihung", im letzteren „[...] gegen Appellationen an Rom und gegen Interventionen ausländischer Gerichte überhaupt.“3

1355 nahm der Sohn Eduards III., der schwarze Prinz, die Kriegshandlungen wieder auf. Er verbündete sich mit Karl dem Bösen, König von Navarra, und rückte in Aquitanien ein. Nahe Poitiers siegte das englische Heer erneut über ein französisches Ritterheer (1356), weil sich die englischen Langbogenschützen wieder als flexibler und gefährlicher erwiesen. König Johann der Gute (1350-64) kam in englische Gefangenschaft. Während der König von Navarra weiter um seinen Anspruch auf den französischen Thron kämpfte, brach 1357/58 ein Bauernaufstand (Jacquerie) in Frankreich aus. Eduard III. zog bis vor Paris, und im Frieden von Bretigny (1360) gab er seine Thronansprüche auf und erhielt die absolute Souveränität über das vergrößerte Herzogtum der Gascogne. Die Herzogsgewalt über Aquitanien bekam der schwarze Prinz zugesprochen. Bei einem Feldzug gegen einen kastilischen Thronanwärter, der 1367 siegreich verlief, zog sich der schwarze Prinz ein schleichendes Fieber zu, das ihn 1371 zwang, nach England zurückzukehren.

Unter dem Druck der Besteuerung riefen die Aquitanier nach ihrem ehemaligen Oberlehnsherr. Nach dem Tode Johann des Guten in englischer Gefangenschaft kämpfte unter dem neuen französischen König, Karl V. der Weise (1364-80), als Feldherr der bretonische Ritter Bertrand du Guesclin. Dieser besiegte 1364 Karl von Navarra und setzte Heinrich von Trastamara auf den kastilischen Thron. Die Attacken von du Guesclin gegen englische Besitzungen auf dem Kontinent dauerten von 1369-1377. Der Waffenstillstand von 1375 war für den französischen König ein Erfolg, da das englische Herrschaftsgebiet auf dem Kontinent auf Calais, Bordeaux, Bayonne und einige andere feste Plätze reduziert worden war.

Unter dem Begriff Bastardfeudalismus versteht man die Ablösung der Heeresfolge auf Grund von Verträgen, mit denen die englischen Magnaten ihre Ritter und Fußtruppen einkauften. Die Entwicklung der Güterproduktion machte diese „Vergeldlichung der Feudalpflichten" möglich.4 Obwohl unter Eduard I. (1272-1307) der zum Ritterdienst qualifizierende Jahresgewinn reduziert worden war, konnten in den Kriegen gegen Wales nur etwa 230 Ritter und 300 Fußsoldaten für ganz England ausgehoben werden.

Deshalb schloß der König mit seinen Baronen Verträge ab, diese wiederum banden ihre Ritter und Freibauern mittels Unterverträge, statteten sie mit Kriegsmaterial aus und bezahlten ihnen ihren Sold. Das Gefolge kleidete sich zum Zeichen der Treue zu seinem Herrn mit Waffenröcken, die das Wappen des Herrn trugen. Der Bastardfeudalismus und das System von livery and maintenance blühte seit Mitte des Hundertjährigen Krieges auf. Bis Ende der Regierungszeit Eduard III. verfügten weniger als zehn Supermagnaten, die meist untereinander verwandt waren, über sehr großen Landbesitz. John of Gaunt, zweiter Sohn Eduards III., war durch Heirat nicht nur Erbe des Herzogtums Lancaster, sondern auch der Grafschaften Leicester, Derby und Lincoln. Seine Gefolgschaft umfaßte einen Kern von 125 Rittern und 132 Landedelmännern. Seine zweite Heirat machte ihn zum Anwärter des kastilischen Throns. John of Gaunt heiratete eine Tochter von Pedro I. (1350-69), Constanza. Die Tochter aus dieser Ehe, Catalina, heiratete einen Enkel Heinrich von Trastamara (1369-79), der Juan I. (1379-90) als Heinrich III. (1390-1406) folgte.

Andere reiche Magnaten entstammten der Clare-Familie, die Glocester und Hertford, und die Bohun-Familie, die Hereford und Essex beherrschten.

Eine Folge der Pest war nach Kluxen, daß verarmte Ritter und ihre Söhne im 14. Jahrhundert verstärkt die Patronage benachbarter Magnaten suchten. Auch die Freibauern, die freeholders oder yeomen traten oft in die Gefolgschaft eines Herrn. Die englischen Erfolge bei Crécy und Poitiers gingen auf die als Langbogenschützen rekrutierten yeomen zurück. Die Gefolgschaft eines Herrn bekam Lohn und Kriegsmaterial, wurde aber auch an Lösegeldern für gefangene französische Adlige beteiligt.

Michael Moissey Postan, der sich in einem Aufsatz mit den sozialen Folgen des Hundertjährigen Krieges beschäftigte5, nennt als durchschnittliches Volumen des Haushaltes des Königreiches England in der ersten Dekade des 14. Jahrhunderts £ 40,000-70,000. In den 1320er und 30er Jahren wuchs der Haushalt bis auf durchschnittlich £ 2,000,000. Die Einführung einer Sondersteuer auf Wolle führte zum Absinken der Wollproduktion. Mögliche Folgen der Besteuerungen und der königlichen Ausnutzung des Herbergsrechts könnten nach Postan auch ein erlahmendes Interesse an agrartechnischen Verbesserungen wie beim Deichbau, bei der Entwässerung und Rodung gewesen sein. Postan macht auf den Wirtschaftskreislauf aufmerksam, der darin bestand, daß die Besteuerungsgelder hauptsächlich von der Arbeitskraft der Bauernschaft abgeschöpft wurden, bevor sie zum Teil wieder in die Landwirtschaft zurückflossen. Kaufleute, Offiziere und grundherrliche Beamte, die im Krieg vermögend geworden waren, machten bei fallenden Renten nach der Pest davon Gebrauch, Domänenland zu kaufen oder zu pachten. Die Krone, die an Kreditgeber verschuldet war, belohnte die Wollhändler und königlichen Beamten, die für die Versorgung der Armee und der Marine beauftragt waren, mit Landschenkungen. Erfolgreiche Soldaten wurden ebenfalls mit Landbesitz belohnt.

Edmund B. Fryde weist in seinem Vorwort zur neuen Auflage der Monographie von Oman mit dem Titel „The Great Revolt of 1381“6 darauf hin, daß die Engländer von 1359-71 keine direkten Steuern zu zahlen brauchten. Es war die längste steuerfreie Zeit für die Engländer im 14. Jahrhundert. Diese Zeit vom Frieden von Brétigny bis zur Gegenattacke von du Guesclin stimmt mit der englischen Präsenz auf dem Kontinent überein, und es ist zu vermuten, daß die Engländer einen gewissen Teil ihrer Einnahmen an Steuern dort abschöpften. Fryde schreibt, daß zwischen Juni 1371 bis zum Ausbruch der Revolte zumindest £ 382,000 an Steuern bewilligt wurden. Von dieser Summe wurde zwischen 1377 bis 1381 57% aufgebracht.

1376, im Jahr des Guten Parlaments, das sich weigerte, Steuern zu bewilligen, starb der schwarze Prinz. Eduard war in der Hand seiner Mätresse Alice Perrers, und die wirkliche Macht ging von John of Gaunt aus. Vielleicht war es das Fehlen des englischen Kriegsglücks, das den Sprecher der Commons, Peter de la Mare, einen Verwalter des Earl of March, veranlaßte, den Regierungsbeamten Lord Latimer und den Londoner Kaufmann und Geldverleiher Richard Lyons der Korruption anzuklagen. Die Klage gegen Latimer und Lyons war auch gegen John of Gaunt gerichtet, der beide deckte. Der Herzog konnte aber nicht verhindern, daß beide Gefängnisstrafen erhielten. Die Mätresse des Königs, die über ein persönliches Budget von £ 2-3000 verfügte, wurde gezwungen, den Hof zu verlassen. Ein ständiger Rat wurde aus drei Bischöfen, drei Grafen und drei Baronen gebildet, ohne deren Zustimmung keine Bewilligung feudaler Einkünfte und größerer Handelsgeschäfte gegeben werden sollte.7

Der folgende Quellenauszug zeigt die Beschwerde der Commons gegenüber den Lords über Latimer und Lyons aus dem Munde Peter de la Mare. Hilton und Fagan weisen darauf hin, daß die korrupte Finanzierung des Krieges schon seit seinem Beginn andauerte, seitdem eine kleine Gruppe von Kriegslieferanten, Financiers und Kaufleuten den Stapelplatz und seine Zolleinnahmen für den König und für sich kontrollierten.8

Weiter ist anzumerken, daß es auch ein Ziel der Rebellen von 1381 war, den König von unfähigen Ministern, die sie „Verräter" nannten, zu befreien.

„[…] Als Lord Latimer diese Worte hörte, sagte er: ‚Als der Stapelplatz von Calais verlegt wurde, geschah es durch den König und seinen Rat.‘ Sir Peter antwortete, daß das gegen das Gesetz von England war und gegen das Statut, das diesbezüglich im Parlament beschlossen wurde und daß das, was im Parlament durch Statut verabschiedet worden ist, nicht ohne das Parlament aufgehoben werden könnte, und daß er ihnen das Statut zeigen würde. Und er hatte ein Statutenbuch zur Hand, öffnete das Buch und verlas das Statut vor den Lords und den Commons, so daß ihm nicht widersprochen werden konnte. Und es wurde viel unter ihnen debattiert, und Sir Peter sagte: ‚Sir, wir werden Ihnen bald mehr als dies sagen. Gentlemen, den zweiten Punkt, den wir ansprechen möchten, ist der, daß ein Darlehen von Lord Latimer, der anwesend ist, und Richard Lyons vergeben wurde zu ihrem eigenen großen Profit und zum großen Schaden und Verlust des Königs zu einer Zeit, als gar kein Bedarf an einem Darlehen bestand; und dieses Darlehen belief sich auf 20,000 Mark, wofür der König £ 20,000 zu zahlen hatte, so daß diejenigen, die das Darlehen vergeben hatten, 10,000 Mark Gewinn machten.10 Hierzu sagte Sir Peter, daß überhaupt kein Grund dafür bestand, ein Darlehen aufzunehmen, denn er hatte von zwei Londoner Bürgern, nämlich Adam Franceys und William Walworth gehört, die Sir Peter Lescrope, dem Schatzmeister von England, [einen Kredit von] 15,000 Mark ohne Schaden und Verlust für den König anboten. Dieser war aus den Zolleinnahmen von Calais jährlich abzuzahlen bis die Summe beglichen war.[...]“11

Am 24.7.1376 wurde der Stapelplatz im Sinne der Forderung des Parlaments nach Calais zurückverlegt. Bis August waren Latimer und Lyons auf Kaution aus dem Gefängnis entlassen. In einer großen Versammlung von Oktober bis Dezember gewann John of Gaunt wieder Einfluß über die Mehrzahl der Lords und ließ die Entscheidungen des Guten Parlaments für ungültig erklären. Der ständige Rat als Kontrollorgan der Finanzen wurde aufgelöst. Der Bischof von Winchester, William of Wykeham, der mit dem Earl of March und seinem Verwalter Peter de la Mare gegen Latimer und damit gegen Gaunt Stellung bezogen hatte, wurde seiner temporalia enthoben und vom Hofe verwiesen. Der Earl of March wurde seines Marschallamtes enthoben und sein Verwalter in den Kerker des Nottingham Castle geworfen.12

Das erste Parlament des Jahres 1377, das vom 27.1.-2.3. tagte, bewilligte eine Kopfsteuer von 4d je Einwohner über 14 Jahre. Diese Steuer war leichter als die seit 1334 festgelegte Summe von £ 38,000 für jeden Fünfzehnten und Zehnten auf bewegliche Güter. Nach den Listen der Kollektoren waren 1,355,201 Personen verpflichtet, diese Kopfsteuer zu zahlen. Die gesamte erhobene Steuersumme belief sich auf £ 22,586 13s 8d.13

Das zweite Parlament des Jahres 1377 billigte die Umwandlung von Lancashire in eine Pfalzgrafschaft mit besonderen Rechten und eigener Kanzlei. Der Kanzler John of Gaunts, war der Bischof von Salisbury im Jahre 1377. Das Parlament vom November 1377 bewilligte eine Steuer auf bewegliche Güter, zwei Fünfzehnte und Zehnte, die zusammen £ 75,000 einbringen sollten.

Unterdessen kämpfte der Bischof von London, William Courtenay, für die Rehabilitierung des Bischofs Wykeham, der immer noch seiner Ämter verlustig war. Nun dozierte auf Veranlassung von John of Gaunt der gelehrte Oxford Kleriker, John Wiclif (ca. 1320-1384), der von John of Gaunt protegiert wurde, seine Lehren über das Verhältnis von geistlicher zu weltlicher Herrschaft, über den Gnadenzustand und über die Forderung nach Armut der Kleriker. Diese Ausführungen schreckten den Erzbischof von Canterbury, Simon Sudbury, ‚wie aus einem tiefen Schlaf‘ und bewirkten einen Streit zwischen Gaunt und den Londonern, die für Wykeham und de la Mare Gerechtigkeit forderten.14 Schließlich wurde der Bischof von Winchester wieder in seine Ämter eingesetzt und de la Mare acht Tage nach dem Tod Eduard III am 30.6.1377 aus dem Kerker entlassen. Die Haushaltsbeamten des minderjährigen Prinzen von Wales brachten eine Einigung zwischen dem Onkel des Prinzen und London zustande; die Krönung des Prinzen vollzog sich im selben Jahr.

Die zweite Kopfsteuer, die das Parlament im Mai 1379 konzipierte, wurde progressiv erhoben. Sie war der schweren letzten Besteuerung entgegengesetzt. Während der Herzog von Lancaster 10 Mark zu bezahlen hatte, lag das Steuerminimum für Ehepaare bei 4d; die Steuer galt für Personen über 16 Jahre. Steuerkollektoren erhoben ziemlich schnell £ 18,654.

Da die königlichen Finanzbeamten unbefriedigt über diese geringen Einnahmen waren, wurde im März 1380 wieder eine konventionelle Steuer auf bewegliche Güter erhoben. Eineinhalb Fünfzehnte und Zehnte erbrachten ca. £ 55,000.

Als das Parlament von Northhampton im Winter 1380/81 tagte, mußte der Kanzler Sudbury zugeben, daß die Regierung verschuldet war. Aufgrund der Auseinandersetzung zwischen Bürgern von Gent und dem Grafen von Flandern hatte der Wollhandel und damit die königlichen Einkünfte an indirekten Steuern gelitten. Soldzahlungen für die Garnisonen von Calais, Brest und Cherbourgh standen noch aus.15

Für die Erhebung der dritten Kopfsteuer, die das Parlament am 13. November 1380 bewilligte, wurden die Erfahrungen des ersten Parlaments von 1377 verwertet. Damals wurden bei einem Steuersatz von 4d pro Person £ 22,600 eingetrieben. 1380 benötigte die Regierung £ 150,000 Mark. Von jeder Person über 15 Jahre wurde 1s verlangt. Die gesamte Steuersumme sollte zu 2/3 vom Laienstand und zu 1/3 vom Klerus erhoben werden. Die Kopfsteuer von 1380 wurde nicht so sozial abgestuft erhoben wie die im Jahre 1377. Die Besteuerungsspanne lag zwischen dem Minimum von 4d für Verheiratete und dem Maximum von 20s für die wohlhabendsten Steuerzahler. In den einzelnen Steuerbezirken sollten wohlhabendere Steuerzahler den ärmeren helfen, aber es wurde kein bestimmter Plan verabschiedet, an den sich die Wohlhabenderen hätten halten müssen.

Nach Steel war die Steuer ein „willkürliches Stück Klassengesetzgebung", da die Armen und die dichter besiedelten Steuerbezirke die Hauptlast zu tragen hatten.16 In denjenigen Steuerbezirken, in denen ein Adeliger wohnte, brauchten die weniger wohlhabenderen Steuerzahler oft nicht den ganzen Satz zu bezahlen. Bis Ende März 1381 waren 2/3 der Steuersumme erhoben worden und Ende Mai, vor Ausbruch des Aufstandes, 83% oder £ 37, 237 von veranschlagten £ 44,843. Um Fälle von Steuerflucht zu verhindern, wurden schon zu Beginn des Jahres sheriffs und andere Beamte beauftragt, unabhängig von den Steuerkollektoren die Zahl der Steuerpflichtigen dem königlichen Schatzamt zukommen zu lassen. Da die Zwischenberichte der Steuerkollektoren, die im Februar und März vorgelegt wurden, auf Steuerflucht hinwiesen, wurden Kommissionen gebildet, die diese Fälle aufdecken sollten. Nach Oman waren die Steuerlisten insofern gefälscht, als unverheiratete Frauen, verwitwetete Mütter, Tanten und junge Töchter auf den Steuerlisten nicht aufgeführt waren. In der Stadt Norwich wurden 600 Personen, in der Grafschaft Norfolk 8000 Personen und in der Grafschaft Suffolk 13.000 Namen verschwiegen.17 Hilton präzisiert, daß es sich bei den unterschlagenen Personen um servientes und laborarii handelte.18

Die Aktivitäten dieser Steuerkommissionen gingen den Bauernaufständen in Essex voraus. Hier wurde ein Steuerkommissar in die Flucht geschlagen, als er einen Steuerbezirk zweimal besteuern wollte. Die Leute aus der Ortschaft Fobbing weigerten sich, ihre Steuern doppelt zu bezahlen. Sie behaupteten, eine Quittung über die erste Zahlung zu besitzen. Der später einrückende oberste Straf- und Friedensrichter von Essex, Sir Robert Belknap, wurde ebenfalls vertrieben.19

Die im Vergleich zu den Kopfsteuern von 1377 und 1379 dreimal so hohe Kopfsteuer von 1380 und ihre Erhebung durch Unterkollektoren, ehrenamtliche Polizisten und besondere Kommissare wird als unmittelbare Ursache des Aufstands von 1381 angesehen.

Anmerkungen zum Kapitel 2.1

2.2 Grundherrschaftliche Konflikte vor 1381

Rodney Howard Hilton gibt folgende Charakteristika zur Beschreibung einer sozialökonomischen Klasse, die hauptsächlich aus Land bearbeitenden und Vieh hütenden Bauern besteht20:

a) Die Bauern besitzen die Mittel zur landwirtschaftlichen Produktion, ohne über sie als Eigentum zu verfügen. Mit ihrer Hilfe sichern sie ihre Existenz.
b) Sie bearbeiten ihre Landstücke in erster Linie im Familienverband.
c) Sie sind normalerweise in größeren Einheiten als in der der Familie eingebunden, nämlich in Dörfern mit und ohne Kirche, die mit größeren oder kleineren Anteilen am Gemeindebesitz und an Kollektivrechten ausgestattet sind entsprechend dem Charakter der jeweiligen landwirtschaftlichen Produktion.
d) Hilfskräfte wie Landarbeiter, Handwerker und Bauarbeiter sind aus der Klasse der Bauernschaft hervorgegangen und bilden einen Teil derselben.
e) Die Bauernschaft unterstützt übergeordnete Klassen und Institutionen wie den Landadel, die Kirche, Regierung und Verwaltung der Städte, indem sie mehr als zu ihrer eigenen Subsistenz und Reproduktion produziert.

An anderer Stelle beschreibt Hilton den mittelalterlichen Antagonismus zwischen Grundherrn und Hörigen so, daß, Stadtbürger und freie Pächter außer acht gelassen, eine aristokratische, militärisch ausgerichtete, Land besitzende Klasse einer vergleichbar viel größeren Klasse von Bauern gegenübersteht. Das Verhältnis Grundherr-Grundhold kann nach Hilton kein freiwilliges ökonomisches gewesen sein, da kein vernünftiger Grund besteht, warum eine Gesellschaftklasse eine andere mit ihrem erwirtschafteten Surplus kostenlos unterhalten sollte. Das System von Schutz und Hilfe hatte sich nach Hilton im 9. und 10. Jhdt. im angelsächsischen Raum bewährt, entwickelte sich im 11. und 12. Jahrhundert jedoch zu einem einseitigen, politisch erzwungenen Verhältnis, in dem die Grundholden, anstatt geschützt zu werden, zu Abgaben und Dienstleistungen gezwungen wurden.21

Dienste und Abgaben waren in England lokal unterschiedlich geregelt; manche waren festgesetzt, andere konnten vom Grundherrn willkürlich geändert werden. Zu unterscheiden sind Zinshufen, deren Inhaber Frondienste zu leisten hatten, und Freihufen, deren Pächter eine Geldrente zu entrichten hatten. Obwohl nach Hilton der Status des Hufennutznießers mit der Art der Hufe im 13.

[...]


1) Vgl. Hilton, R.H., Peasant Movements in England before 1381, in: Economic History Review, 2nd Series, No. 2 (1949) S. 117ff.

2) Vgl. Kluxen, K., Geschichte Englands. Stuttgart 21976, S. 101f.

3) Ebd., S. 156; vgl. auch S. 105.

4) Kluxen, S. 146; vgl. Hilton, R.H.; Fagan, H., The English Rising of 1381. London 1950, S. 45-47.

5) Vgl. Postan, M.M., Some Social Consequences of the Hundred Years War, in: Economic History Review, Bd. XII (1942), S. 1- 12.

6) Vgl. Oman, C., The Great Revolt of 1381. Oxford 1969, S. XII.

7) Vgl. Steel, A., Richard II. Cambridge 1962, S. 27.

8) Vgl. Hilton, R.H.; Fagan, H., S. 43f, 47f.

10) Vgl. Steel, S. 26, Anm. 1. Die Mark war 2/3 eines Pfundes wert.

11) Myers, A.R., Hg., English Historical Documents 1327-1485. London 1969, Nr. 46, S. 120, übers. v. Verfasser.

12) Vgl. Steel, S. 34.

13) Vgl. E.B. Fryde, in: Oman, C., S. XVI f.

14) Vgl. Steel, S. 35.

15) Vgl. Oman, S. 23.

16) Vgl. Steel, S. 56.

17) Vgl. Oman, S. 30.

18) Vgl. Hilton, R.H., The English Peasantry in the Later Middle Ages. Oxford 1975, S. 32.

19) Vgl. Myers, A.R., Hg., English Historical Documents. London 1969, Nr. 52, S. 127f.

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Details

Titel
Die englische Revolte von 1381
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie)
Veranstaltung
Zwischenprüfung
Note
3,0
Autor
Jahr
1979
Seiten
54
Katalognummer
V388657
ISBN (eBook)
9783668627925
ISBN (Buch)
9783668627932
Dateigröße
661 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hundertjähriger Krieg, Hungersnöte, Tierseuchen Pestepidemien, Bevölkerungsrückgang, soziale Konflikte, Sozialkritik in den kirchlichen Medien, landwirtschaftliche und urbane Klassengesellschaften, königlich-parlamentarische Gesetzgebungen, Kriegsfinanzierung, Lohnbegrenzungen, soziale Breite der Herkunft der Rebellen, ihre politischen, ökonomischen und rechtlichen Forderungen, fehlende versöhnende beiderseitig anerkannte Schiedsstellen, Gewaltanwendung der Rebellen, die Repressionspolitik der königlich-parlamentarischen Regierung
Arbeit zitieren
Dr. phil. Volker Beckmann (Autor:in), 1979, Die englische Revolte von 1381, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388657

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