Das Inselmotiv in Daniel Defoes Robinson Crusoe: Exil oder Asyl?


Hausarbeit, 1998

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

0. Einleitung

1. Die Insel als Exil
1.1 Exil durch Isolation
1.2 Die Insel als Bedrohung der Existenz

2. Die Insel als Asyl
2.1 Zuflucht vor äußerer Bedrohung
2.2 Ort der Besinnung
2.3 Robinsons Königreich

3. Die literarisch-technische Funktion der Insel
3.1 Die Insel als räumlicher Rahmen
3.2 Möglichkeit zur Entwicklung durch Isolation

4. Schluß

5. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Das Motiv der Insel spielt in Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe eine wichtige Rolle. Läßt man die Episoden, die Robinsons Jugend in England, seine ersten Seefahrten und das Leben als Plantagenbesitzer in Brasilien beschreiben und für den Hauptteil des Romans, den Inselaufenthalt eher eine einleitende Funktion haben, außer Acht, so ist die Insel der eigentliche Schauplatz der Handlung.

Mit dem Begriff Insel können ganz unterschiedliche Assoziationen verbunden werden. Dies trifft umso mehr zu, wenn ein Mensch sich nicht aus freien Stücken für einen Aufenthalt auf einer Insel entscheidet, sondern gezwungenermaßen aus seinem gewohnten Lebensraum gerissen wird und in eine ihm fremde Zivilisation „verpflanzt“ wird, so wie es bei Defoes Protagonisten der Fall ist. So bemerkt Elisabeth Frenzel in Bezug auf das Inseldasein:

Wie [der Gegensatz zwischen dem Leben auf der Insel und der Außenwelt] vom

Inselbewohner bewertet wird, hängt von seiner Seelenlage ab; er kann sein Inselleben als Asyl, Geborgenheit und Ordnung empfinden, mit dem ein bestmöglicher Zustand, ein irdisches Paradies, erreicht ist, es kann ihm aber auch Exil, Ein- bzw. Aussperrung, Verbannung, Enge, Leere und tödliche Langeweile bedeuten.[1]

In Robinson Crusoe sind beide Positionen zu beobachten. Robinson macht hinsichtlich der Bewertung des Insellebens eine Entwicklung durch. Die Insel ist erst Asyl bzw. Rettung vor dem Tod, dann Exil und schließlich unter dem Eindruck seiner religiösen Wandlung wieder Asyl.

Dieses Wechselspiel von Empfindungen möchte ich genauer untersuchen, indem ich die Aspekte, die zu der einen oder der anderen Haltung gegenüber der Insel beitragen, analysiere. Das erste Kapitel wird sich mit dem Exilcharakter der Insel beschäftigen. Ich werde versuchen zu zeigen, daß soziale Isolation und Gefahren, denen sich Robinson auf der Insel (vermeintlich) ausgesetzt sieht, die Faktoren sind, die zu einer Bewertung der Insel als Ort der Gefangenschaft beitragen. Das zweite Kapitel wird dann verschiedene Aspekte untersuchen, die dazu führen, daß Robinson seine Lage doch positiv beurteilt. In Kapitel 3 möchte ich den direkten Kontext der Handlung verlassen und die literarisch-technische Funktion der Insel in Defoes Roman betrachten.

Bei der Frage, ob bzw. in welchen Situationen Robinson seinen Lebensraum als Exil oder Asyl empfindet, erscheint es mir sinnvoll, den Roman nicht chronologisch zu untersuchen. Stattdessen soll versucht werden, bestimmte Aspekte unter den Stichworten Asylcharakter und Exilcharakter der Insel zusammenzufassen.

1. Die Insel als Exil

1.1 Exil durch Isolation

Nachdem sich Robinsons eher instinktive Freude über seine Errettung vor dem Ertrinken gelegt hat, beginnt er, den Exilcharakter seiner Lage zu realisieren. Er erkennt, daß er als einziger den Schiffbruch überlebt hat: „[...] reflecting upon all my Comerades that were drown’d, and that there should not be one Soul sav’d but my self [...]“.[2] Obwohl sein bisheriges Leben nicht durch emotionale Bindungen zu seiner Familie oder anderen Menschen bestimmt war, wird ihm auf schmerzliche Weise bewußt, daß alle seine Kameraden umgekommen sind.

Besonders die Tatsache, daß ihm durch die soziale Isolation jegliche Kommunikation mit einem Mitmenschen unmöglich ist, empfindet er als Belastung. Um diesen Mißstand etwas erträglicher zu machen und wenigstens die Illusion einer fremden Stimme zu haben, bringt er dem eingefangenen Papagei einige Wörter bei.[3] Robinson erkennt jedoch, daß dieses Haustier kein vollwertiger Ersatz für menschliche Gesellschaft ist. So ist sein einziger Wunsch, als er das an den Felsen zerschellte Segelschiff entdeckt,

[...] that there had been but one or two; nay, or but one Soul sav’d out of this Ship, to have escap’d to me, that I might but have had one Companion, one Fellow-Creature to have spoken to me, and to have convers’d with ! In all the Time of my solitary Life, I never felt so earnest, so strong a Desire after the Society of my Fellow-Creatures, or so deep a Regret at the want of it.[4]

Robinsons Wunsch geht nicht in Erfüllung. Seine Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft ist jedoch so stark, daß er im Traum die später real stattfindende Begegnung mit Friday antizipiert. Es geht ihm zwar auch darum, von Friday Hilfe bei der Überfahrt auf das Festland zu erhalten, doch die Möglichkeit zu Kommunikation scheint bei der Beziehung zwischen Robinson und dem Eingeborenen im Vordergrund zu stehen.

1.2 Die Insel als Bedrohung der Existenz

Kurze Zeit nach der Ankunft auf der Insel empfindet Robinson Crusoe die Insel nicht mehr als Rettung vor der Gefahr des Ertrinkens, sondern selbst als Ort zahlreicher Gefahren. Er glaubt, auf der Insel keine Nahrung zu finden, sich keine Kleidung zum Wechseln beschaffen zu können und außerdem den Angriffen wilder Tiere schutzlos ausgeliefert zu sein.[5] Dies alles sind aber lediglich subjektive Mutmaßungen, die sich aus seinem flüchtigen ersten Eindruck von der Insel ergeben. Alle Befürchtungen werden im Laufe der Handlung relativiert, d.h. stellen sich als unbegründet heraus. Es gibt genug Nahrung, keine wilden Tiere und Robinson kann sich aus dem Schiffswrack mit Gebrauchsgegenständen und sogar Luxusgütern versorgen, die seinen Lebensstandard erheblich aufwerten.

Trotzdem empfindet Robinson die Insel als Gefängnis. Die Aussicht auf Rettung durch ein Schiff erscheint ihm aufgrund der von den üblichen Handelsrouten abgeschiedenen Lage der Insel als unwahrscheinlich.

I had a dismal Prospect of my Condition, for as I was not cast away upon that Island without being driven, as I said, by a violent storm quite out of the Course of our intended Voyage, and a great Way, viz. some Hundreds of Leagues out of the ordinary Course of the Trade of Mankind, I had great Reason to consider it as a Determination of Heaven, that in this desolate Place, and in this desolate Manner I should end my Life; [...].[6]

Das vom Wasser begrenzte Stück Land ist nicht nur ein Ort der sozialen Isolation, sondern auch ein „Prison“[7] für ihn, in dem er wie ein Gefangener lebt.

[...]


[1] Elisabeth Frenzel. Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Kröner, 1988. S. 381.

[2] Daniel Defoe. The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe, of York, Mariner. Oxford: Oxford University Press, 1972. S. 46.

[3] Vgl. ebd., S. 119 und S.142-143.

[4] Ebd., S. 188.

[5] Ebd., S. 47.

[6] Ebd., S. 62.

[7] Ebd., S. 96.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Inselmotiv in Daniel Defoes Robinson Crusoe: Exil oder Asyl?
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Daniel Defoes Robinson Crusoe und seine Rezeption im 18. Jahrhundert
Note
1,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
16
Katalognummer
V38793
ISBN (eBook)
9783638377584
ISBN (Buch)
9783638843072
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inselmotiv, Daniel, Defoes, Robinson, Crusoe, Exil, Asyl, Daniel, Defoes, Robinson, Crusoe, Rezeption, Jahrhundert
Arbeit zitieren
M.A. Anke Grundmann (Autor:in), 1998, Das Inselmotiv in Daniel Defoes Robinson Crusoe: Exil oder Asyl?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38793

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