Die Ungleichheit privater Vermögen zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Eine historische Ursachenanalyse


Hausarbeit, 2015

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Datenbasis, Quellenkritik und Bestandsaufnahme

3. Vor der Wiedervereinigung und die Zäsur 1990

4. „Blühende Landschaften“ - „Florierende Vermögen“? Betrachtung der Vermögensentwicklung beider Landesteile nach 1990

5. Die Angleichung der Vermögen - Von der Transformation bis zum Sankt Nimmerleinstag?

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

Einleitung

Fünfundzwanzig Jahre ist es nun her, dass sich die beiden deutschen Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, nach jahrzehntelanger Trennung wiedervereinigten. Zwei in ihrer politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Grundausrichtung völlig verschiedene Systeme fanden zusammen und der Wiedervereinigung kann durchaus mit Freude und Stolz gedacht werden.

Dass beide deutsche Landesteile einen weiten Weg gehen mussten und noch immer müssen, um nicht nur eine politische, sondern auch wirtschaftliche Einheit zu bilden, ist aufgrund der noch immer bestehenden, großen ökonomischen Unterschiede zwischen ihnen offensichtlich. Diese Hausarbeit soll jedoch nicht auf den Prozess der wirtschaftlichen Angleichung eingehen. Zu komplex ist die Materie, als dass die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern in all ihren Facetten beschrieben werden könnte. Der Fokus dieser Hausarbeit soll einzig auf der Vermögensverteilung privater Haushalte liegen, wobei ein Vergleich zwischen den alten und den neuen Bundesländern aufgestellt wird. Es soll thematisiert werden, wie groß bestehende Unterschiede in der Vermögensverteilung sind, wobei die Frage nach den Ursachen im Zentrum stehen wird. Zuerst soll hierfür auf die Quellen und Daten eingegangen werden, auf die sich große Teile der Argumentation stützen werden. Sie sollen kritisch reflektiert werden, um ein Höchstmaß an Objektivität zu gewährleisten. Um sich dem Thema anzunähern wird im Anschluss an die Quellenkritik die Ungleichheit privater Vermögen zwischen den alten und den neuen Bundesländern beschrieben. Die Kenntnis darüber ist für das Verständnis dieser Hausarbeit elementar, weshalb die entsprechende Textsequenz den thematischen Einstieg bilden wird.

Nachdem dies geschehen sein wird, sollen jene Ursachen für den Vermögensunterschied herausgearbeitet werden, die vor der Wiedervereinigung im Jahr 1990 zu suchen sind. Hierbei wird vor allem auf die, für die Fragestellung relevanten Aspekte, in Bezug auf die konträren Wirtschaftsordnungen, eingegangen. Der Ursachenanalyse jener Zeit vor der Wiedervereinigung wird chronologisch die Phase der wirtschaftlichen Transformation nach der Zäsur 1989/90 folgen. Damit sind die ersten Jahre der Einheit gemeint, die nach verschiedenen Aspekten auf den Prozess der Angleichung privater Vermögen untersucht werden sollen.

Dem schließt sich in einem dritten Kapitel die Phase nach der wirtschaftlichen Transformation an. Dieser Zeitraum beginnt Mitte der 1990-er Jahre und reicht bis in die Gegenwart. Die Analyse jener Phasen der Divergenz und Konvergenz wird in die anfangs gegebene Beschreibung der gegenwärtigen Vermögenssituation privater Haushalte, in Bezug auf die immer noch bestehenden Ungleichheiten zwischen den alten und den neuen Bundesländern, münden. Die innere Struktur der Hausarbeit soll auf diese Weise ein argumentativ-verständliches Vorgehen garantieren, wobei der thematische Einstieg gleichzeitig das Ende der Arbeit bilden wird.

Wegen der Komplexität der Thematik kann es an einigen Stellen zu Überschneidungen kommen, welche die argumentative Qualität der Hausarbeit jedoch nicht beeinträchtigen werden. Ferner muss erwähnt werden, dass es sich bei dieser Hausarbeit zwar um eine geschichtswissenschaftliche Arbeit handelt, jedoch auch einige Elemente aus der Wirtschaftsforschung, insbesondere die zahlreichen Datensätze betreffend, enthalten sein werden. An vielen Stellen wird mit Statistiken gearbeitet, die für den Zweck dieser Arbeit vereinfacht dargestellt, jedoch nicht verändert werden.

2 Datenbasis, Quellenkritik und Bestandsaufnahme

Der Begriff „Vermögen“ kann in verschiedenen Kontexten unterschiedlich aufgefasst werden. Maßgeblich stellt der „Begriff des Volksvermögens (…) ein grundlegendes Konzept zur Beschreibung eines Aspekts des Wohlstandes einer Volkswirtschaft und der sozio-ökonomischen Struktur einer Gesellschaft dar“1, wobei sich im Folgenden auf diese, von Richard Hauser und Holger Stein gegebene Definition, bezogen wird.

Als ein wichtiger Teil dieses Volksvermögens, soll in der vorliegenden Hausarbeit ausschließlich das Vermögen privater Haushalte in Deutschland thematisiert werden, das sich im Wesentlichen aus dem Immobilien- und dem Geldvermögen zusammensetzt. Erfasst wurde dieses bisher durch relativ wenig Untersuchungen, sodass der „Kenntnisstand über die Vermögensverteilung (…) in Deutschland vergleichsweise schlecht“2 ist. Die wichtigsten Quellen, die fundierte Informationen über die Vermögensverteilung in Deutschland bereitstellen, sind das „Sozio-oekonomische Panel“ (SOEP) und die „Einkommens- und Verbrauchsstichproben“ (EVS). Mit beiden liegen „umfangreiche Mikrodaten vor, mit denen (die) Bevölkerung in Deutschland und zentrale Dimensionen der Lebenslagen repräsentativ erfasst werden sollen“3. Die Erhebungen weichen in ihrer Methodik und auch der Quantität der erhobenen Daten voneinander ab, sodass beide Quellen im Vorfeld auf ihre Eignung für die Hausarbeit untersucht werden mussten. Beide schließen mit ihren Stichprobenziehungen jene Personenkreise aus, welche in Einrichtungen wie Altersheimen, Wohnheimen oder auch Justizvollzugsanstalten leben. Das SOEP erfasst zwar quantitativ mehr Lebensbereiche als die EVS, dabei werden „Konsumausgaben und der Wert des Geld- und Immobilienvermögens nicht kontinuierlich erfasst“4, wodurch die, für diese Hausarbeit elementaren Daten, durch das SOEP nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren ist der Stichprobenumfang mit 12.322 beteiligten Haushalten (2012) deutlich geringer als der der EVS mit 54.949 beteiligten Haushalten im Jahr 2013. Schwächen weist jedoch auch die EVS auf. So verhindert die sogenannte „Abschneidegrenze“, dass die Daten jener Haushalte in die Analyse einbezogen werden, die ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 18.000 € aufweisen. Die Erhebung beruht auf der freiwilligen Auskunft der Bürgerinnen und Bürger und ist stark von den Werbemaßnahmen des Statistischen Bundesamtes abhängig, welches eine geringe Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an der Erhebung zahlt. Gerade Haushalten mit höherem Einkommen wird wenig Anreiz geboten, teilzunehmen, sodass bei der Erhebung auch jene gut verdienenden Personengruppen unterhalb der Abschneidegrenze unterrepräsentiert sind. Weiterhin findet die in Deutschland lebende ausländische Bevölkerung unzureichende Beachtung, was „auf das fehlende Angebot fremdsprachlicher Erhebungsgrundlagen zurückzuführen“5 ist. Die Daten werden jedoch insgesamt durch „umfangreiche Plausibilitätskontrollen und Fehlerbereinigungen“6 aufbereitet und stellen trotz der genannten Schwächen eine qualitativ gute Datenbasis dar. Aus diesem Grund wird die Argumentation dieser Hausarbeit vorrangig auf den Daten der EVS basieren, wobei die Daten des SOEP ergänzend hinzugezogen werden. Der Argumentation dieser Hausarbeit liegen somit die Ergebnisse beider Datenerhebungen zugrunde, die sich mit ihren jeweiligen Stärken gut ergänzen werden.

Besonderes Augenmerk wird auf der jüngsten Erhebung der EVS aus dem Jahr 2013 liegen, die mit älteren Erhebungen, der in der Regel in Abständen von fünf Jahren durchgeführten Erfassung, verglichen wird. Des Weiteren stellt die Analyse der im Kontext des Themas relevanten Vermögensdaten aus den neuen Bundesländern ein Problem dar, da die ältesten verfügbaren Daten über die Privatvermögen der ehemaligen DDR-Bürger erst in der EVS des Jahres 1993 zu finden sind und somit keinen Aufschluss über die Vermögensverhältnisse unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands geben. Trotzdem soll versucht werden, ein möglichst authentisches Bild von der Vermögensverteilung in Deutschland und der unterschiedlichen Entwicklung der Vermögen, von der Wiedervereinigung bis in die Gegenwart, zu konstruieren. Dies geschieht im Folgenden auf Basis der beschriebenen Quellen.

Die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Jahres 2013 zeigen auf, dass es erhebliche Unterschiede in der Höhe der Vermögen privater Haushalte der alten und der neuen Bundesländer gäbe. Das Nettogesamtvermögen betrage für das komplette Bundesgebiet rund 123.000 €, wobei es sich um den Durchschnittswert pro Haushalt handelte. Mit rund 61.200 € hätten die ostdeutschen Haushalte weniger als die Hälfte des Vermögens der westdeutschen, welches sich im Durchschnitt auf ca. 140.300 € beliefe. Die beiden größten Vermögenssäulen, sowohl in den westdeutschen als auch in den ostdeutschen Bundesländern, stellten das Geldvermögen und das Immobilienvermögen dar. Mit durchschnittlich etwa 48.000 € sei dieses in den alten Bundesländern deutlich höher als in den neuen Bundesländern mit nur rund 28.600 €. Der Verkehrswert der Immobilien beliefe sich im ehemaligen Osten pro Haushalt im Durchschnitt auf etwa 44.900 €, im ehemaligen Westen hingegen auf ca. 103.600 €.

Vergleicht man diese Daten mit denen der EVS des Jahres 1993, so fällt auf, dass die extrem ungleiche Verteilung des Vermögens relativ zwar zurückgegangen ist, von einem starken Anpassungsprozess jedoch nicht gesprochen werden kann. Im Jahr 1993 beliefe sich das durchschnittliche Nettogesamtvermögen der westdeutschen Bundesländer auf ca. 247.700 DM, das der ostdeutschen hingegen nur auf rund 75.100 DM pro Haushalt.

Nach möglichen Erklärungsansätzen für dieses Phänomen wird im Verlauf dieser Hausarbeit gesucht. Hierfür sollen zuerst die für die Vermögensbildung relevanten Umstände in der Zeit des geteilten Deutschlands und die Ausgangslage für beide deutschen Gebiete im Jahr der Wiedervereinigung geschildert werden.

3 Vor der Wiedervereinigung und die Zäsur 1990

Die Ursache für die ungleiche Vermögensbildung zwischen den ehemaligen deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung liegt in der Verschiedenartigkeit der Wirtschaftssysteme selbst begründet. Zuerst soll auf die unterschiedlichen Eigentumsrechte in den ehemaligen deutschen Staaten eingegangen werden. Während die marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsordnung der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland Eigentumsrechte aufwies, die sich strukturell nicht von denen der heutigen Zeit unterscheiden lassen, bildeten die Besitzrechte in der ehemaligen DDR einen starken Kontrast dazu. Im Zivilgesetzbuch der DDR wurde, entsprechend der planwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, in sogenanntes „sozialistisches Eigentum“ und „persönliches Eigentum“ unterschieden. Das als „Volkseigentum“ deklarierte sozialistische Eigentum bildete hierbei die „Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse“7, die Produktionsmittel befanden sich faktisch in staatlicher Hand. Ferner war die Privatisierung des sozialistischen Eigentums gesetzlich unzulässig.8

Alles in allem hatten die Bürgerinnen und Bürger in der DDR „durch die sozialistische Wirtschaftsordnung (…) schlechtere Möglichkeiten Vermögen aufzubauen, als dies in der westlichen Landeshälfte der Fall war. So waren Investitionen in Betriebsvermögen, in sonstigen Immobilienbesitz oder Aktien nur in sehr begrenztem Maße möglich“9. Der Anreiz für den Aufbau von Vermögen wurde folglich durch staatliche Regulationen genommen, sodass es unter den Bürgerinnen und Bürgern der ehemaligen DDR nur sehr wenige gab, die im Jahr der Wiedervereinigung größeren Besitz vorweisen konnten. In erster Linie „setzte sich das Geldvermögen der DDR-Privathaushalte (…) aus Spareinlagen (bei Banken) zusammen“10. Davon besaß am Jahresende 1989 „die Gruppe der Arbeiter und Angestellten knapp 81 v. H. (von Hundert) der gesamten privaten DDR-Sparguthaben bei Banken“11. Dieser hohe Wert resultiert aus der Tatsache, dass ebendiese Gruppe die höchste Anzahl an Konten aufwies. Dessen unbeachtet unterschieden sich die durchschnittlichen Geldbestände zwischen den sozialen Gruppen zwar sehr, jedoch waren jene extremen Ausformungen sozialer Ungleichheit, wie man sie in marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen antrifft, nicht gegeben. Der Umstand der geringen Möglichkeiten des Aufbaues von Geldvermögen und die damit einhergehende Beschränkung auf zum Beispiel das Sparen auf dem Bankkonto, wirkten noch bis in die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung nach. So zeigte sich noch im Jahr 1993, dass in Bezug auf die „artspezifischen Verbreitungsgrade (…) über alle sozialen Gruppen hinweg die Sparguthaben im Osten Deutschlands durchgängig hohe Werte“12 aufwiesen.

Im Gegensatz dazu wurden im „alten Bundesgebiet (…) seit der Währungsreform von 1948 umfangreiche Geldvermögensbestände aufgebaut“13, was durch das Angebot an ausdifferenzierten Formen des Vermögensaufbaues ermöglicht wurde. Als wichtigste Anlagearten für Geldbestände galten hierbei das Sparguthaben, Versicherungen, Bausparverträge und Wertpapiere. Die „Verbreitung der einzelnen Geldvermögenskomponenten divergiert(e) hierbei z. T. deutlich voneinander“14, sodass beispielsweise risikoreichere Investitionsmöglichkeiten, wie die renditestarke Anlage in Wertpapiere, im Laufe der Jahrzehnte von 1962-1993 immer mehr Beachtung fanden. Investierten im Jahre 1962 lediglich 8 v. H. Haushalten in Wertpapiere, so waren es 1983 bereits 29,6 v. H. und 1993 schließlich 45,8 v. H. Haushalten.15

Der geringe Anreiz und die fehlenden Möglichkeiten für eine Akkumulation von Geldvermögen in der DDR waren jedoch nicht die einzigen Gründe dafür, warum die Bürgerinnen und Bürger aus dem westlichen Landesteil im Jahr 1990 deutlich mehr Vermögen aufweisen konnten, als ihre Mitbürger aus dem östlichen Teil.

Mit dem „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“, der am 18. Mai 1990 von den Finanzministern Theodor Waigel und Walter Romberg unterzeichnet wurde und am 1. Juli 1990 in Kraft trat, wurde die wirtschaftliche Umstrukturierung der planwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung der DDR bestimmt. Unter anderem wurde „ein einheitliches Währungsgebiet mit der D-Mark als gemeinsamer Währung beschlossen“16, welches der Festsetzung eines festen Umtauschkurses von DDR-Mark in D-Mark bedurfte. Auch dieser Umstellungskurs war Bestandteil des Vertrages und wurde mit Artikel 10 des Vertrages bestimmt. Sämtliche „Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten sowie weitere wiederkehrende Zahlungen (wurden) im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt“17.

Des Weiteren wurden auch „Guthaben bei Geldinstituten von natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik (…) auf Antrag bis zu bestimmten Betragsgrenzen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt, wobei eine Differenzierung nach dem Lebensalter des Berechtigten“18 stattfinden sollte. Diese Betragsgrenzen lagen bei 2.000 bis 6.000 Mark pro Person, die im besagten Verhältnis umgetauscht werden konnten. Darüber hinausgehende Geldbestände wurden im Verhältnis 2 zu 1 umgetauscht, was die Geldbestände der Bürgerinnen und Bürger der DDR auf den ersten Blick halbierte. Tatsächlich jedoch wurde die DDR-Mark mit diesem Umtauschkurs stark aufgewertet, da die Währung durch den „geringen realen Wert (…), der Verschuldung und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der DDR-Wirtschaft“19 faktisch deutlich weniger wert war. Die Konsequenzen eines Umtausches mit geringerem Umtauschkurs wären deutliche Einbußen im Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger der DDR, sowie eine starke Abwanderung in das westdeutsche Gebiet gewesen, was die Politik mit diesem, rein wirtschaftlich betrachtet unangemessenen Umtauschkurs, vermeiden wollte.

Als zweite wichtige Komponente in Bezug auf den ungleichen Vermögensaufbau in den beiden deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung, ist das Grundvermögen zu thematisieren, auf das im Folgenden eingegangen wird. Durch staatliche Maßnahmen wurden in der ehemaligen BRD Bauvorhaben für die Anschaffung privaten Wohneigentums seit den 1950- er Jahren unterstützt.

Diese Maßnahmen, die sich vor allem aus steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten und weiteren finanziellen Vergünstigungen zusammensetzten, generierten den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern in breiten Schichten der Bevölkerung. Die Wohnungspolitik in der DDR unterschied sich grundlegend davon. Das Ziel des Ostens war es vielmehr, schnell und günstig Wohnraum für große Teile der Bevölkerung zu schaffen, was durch den Bau von industriell gefertigten „Plattenbauten“ realisiert wurde. Entsprechend der sozialistischen Ideologie wohnten die Menschen in diesen Wohnblöcken in sehr heterogenem Umfeld, Statusunterschiede sollten durch uniformes Aussehen der Wohnanlagen abgebaut werden. Dies spiegelt sich auch in der Eigentümerstruktur wider. Im Jahr 1989 befanden sich gerade einmal 41% des Wohnungsbestandes in der DDR in privater Hand, in der BRD waren es im Jahr 1987 hingegen 91%.20 Der Großteil des Wohnungsbestandes in der DDR wurde durch Genossenschaften oder die öffentliche Hand verwaltet, in der BRD kannte man dieses Eigentumsverhältnis kaum. Mit Blick auf diese Daten verwundert es somit auch wenig, dass im Jahr 1993 rund die Hälfte aller Haushalte der alten Bundesländer Grundvermögen besaßen, jedoch nur etwa 28% der Haushalte der neuen Bundesländer diesen Besitz vorweisen konnten.21

Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ gehörten die ostdeutschen Immobilien in Privatbesitz zu den Schlusslichtern der Statistik. Durch die in nur „geringem Umfang durchgeführten und auf die notwendigsten Maßnahmen (z.B. Dachsanierung) beschränkten Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten“22, befand sich die Bausubstanz nach der Wiedervereinigung oftmals in sehr desolatem Zustand, was erhebliche Einbußen im Verkehrswert bedeutete. Dennoch erfuhr der Grundbesitz „für die Eigentümer nach der Wiedervereinigung gewaltige Wertsteigerungen“23, was sich vor allem in den Ballungsgebieten der neuen Bundesländer zeigte. Anhand der Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Jahres 1993 können die durchschnittlichen Haus- und Grundvermögen beider Landesteile verglichen werden. Laut der Erhebung hatten westdeutsche Haushalte mit Immobilienbesitz ein durchschnittliches Nettogrundvermögen von 361.505 DM, die ostdeutschen Haushalte mit Immobilienbesitz hingegen nur 190.180 DM.24 Der geringere Verkehrswert, der unter anderem aus den bereits beschriebenen Gründen zustande kam, wirkt sich auch stark auf die ungleiche Vermögensverteilung zwischen den alten und den neuen Bundesländern insgesamt aus.

[...]


1 Hauser, Richard, Stein, Holger: Vermögensverteilung, 2001, Seite 19.

2 Ebd., Seite 29.

3 Becker, Irene: EVS, 2014, Seite 4.

4 Ebd., Seite 7.

5 Ebd., Seite 6.

6 Ebd., Seite 41.

7 Ministerium der Justiz (Hrsg.): Zivilgesetzbuch, 1989, Paragraph 18.

8 Ebd., Paragraph 20.

9 Grabka, Markus: Vermögen, 2014, Seite 959.

10 Faik, Jürgen: Verteilung, 1997, Seite 208.

11 Ebd.

12 Ebd., Seite 209.

13 Ebd., Seite 187.

14 Ebd., Seite 190.

15 Vgl. ebd.

16 Prollius, Michael von: Wirtschaftsgeschichte, 2006, Seite 250.

17 Vgl. Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, 1990, Artikel 10.

18 Ebd.

19 Prollius: Wirtschaftsgeschichte, Seite 251.

20 Vgl. Schlomann, Heinrich, Faik, Jürgen: Verteilung, 1997, Seite 252.

21 Ebd., Seite 260.

22 Ebd, Seite 253.

23 Frick, Joachim, Grabka, Markus, Hauser, Richard: Verteilung, 2010, Seite 33.

24 Vgl. Schlomann, Faik: Verteilung, Seite 260.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Ungleichheit privater Vermögen zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Eine historische Ursachenanalyse
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
22
Katalognummer
V387749
ISBN (eBook)
9783668631649
ISBN (Buch)
9783668631656
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ungleichheit, Vermögen, privat, alte Bundesländer, neue Bundesländer, Vergleich
Arbeit zitieren
BA Marvin Damer (Autor:in), 2015, Die Ungleichheit privater Vermögen zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Eine historische Ursachenanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387749

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