Kann der heutige nigerianische Föderalismus innerstaatliche Stabilität gewährleisten?

Ist der Föderalismus in Nigeria gescheitert?


Hausarbeit, 2016

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ... 1
2.
Die Bevölkerungsstruktur Nigerias ... 2
3.
Theoretisches Fundament der Analyse ... 3
4.
Innerstaatliche Stabilität und der Fall Nigeria ... 5
4.1
Analyse der PolityEbene ... 5
4.2
Analyse der Policy und PoliticsEbene ... 7
5.
Fazit ... 15
6.
Literaturverzeichnis ... 17

1
1. Einleitung
Die Nation Nigeria wurde im Zuge der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien
am 1. Oktober 1960 gegründet. Am gleichen Tag kam es zum Beschluss der ,,Constitution of
the federal republic of Nigeria", mit welcher eine föderale Struktur eingerichtet wurde, da man
Nigeria offiziell in drei Regionen untergliederte und eine vertikale Gewaltenteilung einführte.
Diese Entscheidung geht vor allem auf die Zeit unter britischer Kolonialherrschaft zurück, da
die Briten schon zu Beginn das damalige Nigeria aus Gründen der Machtausübung in mehrere
Territorien aufteilten und zudem horizontale Strukturen auf regionaler Ebene, wie durch die im
Jahr 1946 verkündete Richards-Verfassung, eingerichtet wurden.
1,2
In den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit kam es jedoch häufig zu ethnisch motivier-
ten Übergriffen bzw. Gewalttaten zwischen den diversen Volksgruppen, welche sich bspw. aus
dem Ungleichgewicht politischer Mitbestimmung oder der Verteilung ökonomischen Wohl-
stands ergaben. Bis zum Beschluss der bis heute währenden Verfassung Nigerias des Jahres
1999 wechselten sich so Militärherrschaften und offizielle Regierungen in der Herrschaftsaus-
übung ab, wobei die Nation stetig weiter aufgegliedert wurde, um den fortwährenden Proble-
men entgegenzuwirken.
3
Ob nun die aktuelle föderale Organisationsform ausreichend inner-
staatliche Sicherheit gewährleisten kann, soll anhand der Forschungsfrage ,,Kann der heutige
nigerianische Föderalismus innerstaatliche Stabilität gewährleisten?" analysiert werden.
Als Einführung in die Thematik soll unter Betrachtung der Volksgruppen-, Sprachfamilien- und
Religionszugehörigkeit die Heterogenität der nigerianischen Bevölkerungsstruktur aufgezeigt
werden. Diese Diversitäten sind maßgeblich, zumal sie eine entscheidende Rolle für das Auf-
kommen innerstaatlicher Konflikte spielen (Kapitel 2: Die Bevölkerungsstruktur Nigerias).
Hieran anschließend wird das theoretische Fundament der Analyse vorgestellt, welches im We-
sentlichen auf den drei Dimensionen des Politikbegriffs basiert. Im Falle der Polity-Dimension
werden so die strukturellen Voraussetzungen eines funktionierenden föderalen Staates nach
1
Ali, Abdelrahman/Zakaria, Mohamed: Entwicklungschancen von Demokratie und Föderalismus in einem Ent-
wicklungsland am Beispiel des Sudan im Vergleich zu Nigeria und Südafrika. Online unter: https://ar-
chiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2005/0141/pdf/dzmaa.pdf. [letzter Zugriff: 19.02.2016].
S. 112 ff.
2
International Centre for Nigerian Law: Constitution of the Federal Republic of Nigeria 1999. Online unter:
http://www.nigeria-law.org/ConstitutionOfTheFederalRepublicOfNigeria.htm#Procedure_Summoning_Disolu-
tion_NatAss. [letzter Zugriff: 10.02.2016].
3
Abdelrahmen/Zakaria. Entwicklungschancen von Demokratie und Föderalismus. S. 112 ff.

2
Elazar aufgezeigt. Dementgegen soll der Föderalismus auf der Policy- und Politics-Ebene ge-
mäß der von Jilke, Bunar und Volgmann entworfenen ,,Identitätsebene" gewährleisten, dass
regionale Identitäten nicht auf Kosten der nationalen Identität das politische Geschehen bestim-
men dürfen, da dies zu innerstaatlichen Konflikten oder Sezessionsbestrebungen führen kann.
4
Zur Beantwortung der Forschungsfrage gilt es hierbei, vor allem die Themenbereiche Ökono-
mie und Kultur genauer zu betrachten, zumal diese laut Adedimeji die Hauptursachen für Kon-
flikte in Nigeria seien (Kapitel 3: Theoretisches Fundament der Analyse).
5
Im Analyseteil die-
ser Ausarbeitung wird zunächst untersucht, inwieweit die Nation Nigeria die von Elazar aufge-
führten strukturellen Voraussetzungen eines föderalen Staates erfüllen kann (Kapitel 4.1: Ana-
lyse der Polity-Ebene). Anschließend soll ermittelt werden, ob zentrale Policies des Ökonomie-
und Kultursektors sowie deren Herstellungsprozess eine Gefährdung für die innerstaatliche Sta-
bilität Nigerias darstellen (Kapitel 4.2: Analyse der Policy- und Politics-Ebene). Die vorlie-
gende Seminararbeit wird im Fazit mit einem Resümee der zentralen Ergebnisse des Hauptteils
abgerundet (Kapitel 5: Fazit).
2. Die Bevölkerungsstruktur Nigerias
Betrachtet man die Anzahl der in Nigeria beheimateten Sprach- und Volksgruppen, so ist fest-
zustellen, dass die Nation keinesfalls homogen geprägt ist. Laut Angaben des von der CIA
publizierten ,,The World Factbook" gibt in Nigeria mindestens 250 ethnische Gruppierungen,
wobei mehr als zwei Drittel der Bevölkerung einer vier größten (Yoruba, Hausa, Igbo und
Fulani) angehören.
6
Hierbei gilt es zu erwähnen, dass das Factbook, wie auch weitere Publika-
tionen in diesem Kapitel, bewusst ausgewählt wurden, da von Seiten nigerianischer Behörden
keine aktuellen Daten vorliegen. Bezüglich der Sprache ist die Vielfalt noch größer, zumal ne-
ben der am weitverbreitetsten Sprache Englisch noch über 500 weitere Sprachen ermittelt wur-
den. Jedoch sind nur, wie eine im Jahr 2010 publizierte Studie von ,,Euromonitor International
for the Bristish Council" belegt, etwa 53 Prozent der Bürger in der Lage, Englisch zu sprechen.
4
Bunar, Charly/Jilke, Sebastian/Volgmann, Felix. 2013: Defekter Föderalismus in Afrika? Eine Bestandsauf-
nahme. In: Jahrbuch des Föderalismus, Baden-Baden: Nomos. S. 425 f.
5
Adedimeji, Mahfouz A. 2005: Language Functions and conflict management in Nigeria. A functional linguistic
approach. In: Trends in the Study of Languages and Linguistics in Nigeria: A Festschrift for Philip Akujuoobi
Nwachukwu. Port Harcourt: Grand Orbit Communications; Emhai Press for Linguistic Association of Nigeria. S.
194.
6
Central Intelligence Agency: The World Factbook. Africa. Nigeria. Online unter: https://www.cia.gov/li-
brary/publications/resources/the-world-factbook/geos/ni.html. [Stand: 06.01.2016, letzter Zugriff: 10.02.2016].

3
Deswegen ist es nicht unüblich, dass in manchen Regionen des Landes einheimische Sprachen
die Kommunikationssituationen dominieren.
7
Auch in Bezug auf die Religionszugehörigkeit spaltet sich die nigerianische Bevölkerung maß-
geblich. Eine im Jahr 2010 veröffentlichte Studie des Pew Research Centers ermittelte, dass
sich im Befragungszeitraum etwa 49,3 Prozent der Nigerianer zum Christentum, 48,8 Prozent
zum Islam, 1,4 Prozent zu traditionellen Religionen und 0,5 Prozent zu sonstigen religiösen
Gruppen bekannten.
8
Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit ist zudem festzustellen, dass im
nördlichen Landesteil mehrheitlich Muslime leben, während der Süden Nigerias eher christlich
geprägt ist. Die Mitglieder der beiden größten Volksgruppen des Nordens, Hausa und Fulani,
gehören laut Angaben der Datenbank ,,Joshua Project" zu ungefähr 99 Prozent dem islamischen
Glauben an. Im Süden des Landes dominieren die beiden Ethnien Yoruba und Igbo, welche
sich jeweils zu knapp 60 (Yoruba) bzw. 90 Prozent (Igbo) aus Christen zusammensetzen. Diese
Zahlen dienen allerdings nur als grobe Richtwerte, da sie diversen Erhebungen entnommen
wurden.
9
Ein weiterer Indikator für die genannte Religionsverteilung ist die etablierte Gerichts-
barkeit auf bundesstaatlicher Ebene. So ist im Norden überwiegend das Islamische Recht auf
bundesstaatlicher Ebene etabliert, während in den verbleibenden Gliedstaaten des Nordens und
des Südens auf das Common Law zurückgegriffen wird.
10
3. Theoretisches Fundament der Analyse
Um die Leistungsfähigkeit des nigerianischen Föderalismus in Bezug auf die Gewährleistung
innerstaatlicher Stabilität bewerten zu können, soll zunächst erläutert werden, worin die zent-
ralen strukturellen Spezifika (Polity-Ebene) des Föderalismus im Allgemeinen bestehen und ob
Nigeria diese gewährleisten kann. Für das Vermeiden innerstaatlicher Konflikte sowie
7
Euromonitor International for the Bristish Council: English language quantitative indicators: Cameroon, Nige-
ria, Rwanda, Bangladesh and Pakistan. Online unter: https://www.teachingenglish.org.uk/sites/teacheng/files/Eu-
romonitor%20Report%20A4.pdf. [letzter Zugriff: 10.02.2016]. S. 44.
8
Pew Research Center: The future of the world religions. Population Growth Projections, 2010-2050. Why mus-
lims are rising fastest and the unaffiliated are shrinking as a share of the world´s population. Online unter:
http://www.pewforum.org/files/2015/03/PF_15.04.02_ProjectionsFullReport.pdf. [Stand: 02.04.2015, letzter Zu-
griff: 10.02.2016]. S. 240.
9
Joshua Project: People Groups. Country. Nigeria. Online unter: http://joshuaproject.net/countries/NI. [letzter
Zugriff: 10.02.2016].
10
Sampson, Isaac Terwas. 2014: Religion and the Nigerian State. Situating the de facto and de jure Frontiers of
State-Religion Relations and its Implications for National Security. In: Oxford Journal of Law and Religion. 2
(3). S. 318.

4
regionaler Sezessionsbestrebungen ist jedoch vor allem wichtig, ob und inwieweit die diversen
Volks-, Sprach- und Religionsgruppen Nigerias adäquat im Herstellungsprozess politischer In-
halte (Politics-Ebene) sowie im konkreten Output (Policy-Ebene) repräsentiert und beachtet
werden.
Für den erstgenannten Punkt bietet sich die von Elazar entworfene Föderalismusdefinition an.
Demnach ist ein Staat föderal organisiert, wenn sowohl auf staatlicher als auch gliedstaatlicher
Regierungsebene die drei Staatsgewalten sowie die mit ihnen verbundenen Verwaltungsappa-
rate vorliegen. Diese Komponenten müssen auch verfassungsrechtlich geschützt sein, sodass
keine der beiden Regierungsebenen sie im Alleingang aufheben kann. Des Weiteren muss laut
Elazar eine zweite Kammer auf Ebene der nationalstaatlichen Gesetzgebung existieren, damit
die Gliedstaaten sich an der bundestaatlichen Legislative beteiligen können, wobei Änderungen
an der Bundesverfassung nur unter Zustimmung der Bundesstaaten zulässig sind. Letztlich be-
tont er noch die Notwendigkeit eines obersten Gerichtshofes, welcher überwachen soll, dass
weder Bund noch Glieder die Rechte und Pflichten der jeweilig anderen Ebene unrechtmäßig
untergraben.
11
Um die Bedeutung des Zusammenspiels von Policy- und Politics-Ebene zu verdeutlichen, lässt
sich die sogenannte ,,Identitätsebene" von Jilke, Bunar und Volgmann aufführen, welche Teil
eines dreigliedrigen Analyserasters zur Bewertung föderaler Systeme ist. Die von den Autoren
dargestellten Bewertungskriterien wurden hierbei explizit mit Blick auf die kulturelle Hetero-
genität afrikanischer Staaten entworfen. Die Identitätsebene des Schemas besagt zum einen,
dass der Föderalismus die Aufgabe hat, kulturelle Identitäten bzw. die kulturelle Vielfalt des
Landes in Form von Gruppierungen und deren Traditionen, sei es religiöser, sozialer oder auch
ethnischer Art, zu bewahren. Zur Gewährleistung dieses Teilaspekts muss es zu einer ausrei-
chenden Berücksichtigung der verschiedenen Gruppenbedürfnisse im Herstellungsprozess so-
wie im konkreten Output politischer Inhalte kommen.
12
Zum anderen soll durch den Föderalismus aber auch eine nationale Identität geschaffen werden,
welche alle Staatsbürger neben ihrer kulturellen Identität innehaben. Problematisch wird es laut
Jilke, Bunar und Volgmann, wenn bestimmte regionale Identitäten das politische Geschehen
im Land auf Kosten anderer gestalten, da dies zur Senkung des Nationalbewusstseins unter den
Staatsbürgern führt. Erhebliche Mängel bezüglich gemeinsamer Werte, Überzeugungen oder
auch Traditionen können so in regionale Sezessionsbestrebungen oder innerstaatliche Konflikte
11
Krumm, Thomas. 2015: Föderale Staaten im Vergleich. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS. S. 28.
12
Bunar/Jilke/Volgmann. Defekter Föderalismus in Afrika? S. 424 ff.

5
münden.
13
Ob im Falle Nigerias nun eine ungleiche Repräsentation regionaler Interessen im
Konstruktionsprozess und konkreten Output politischer Inhalte vorliegt, soll anhand konkreter
Policies in den Themenbereichen Ökonomie und Kultur untersucht werden. Die Politikbereiche
wurden bewusst gewählt, zumal Adedimeji diese für den Fall Nigeria als besonders konfliktär
bezeichnet.
14
4. Innerstaatliche Stabilität und der Fall Nigeria
4.1 Analyse der Polity-Ebene
Die seit 1999 bestehende Verfassung Nigerias sieht vor, dass sich das Land aus einer national-
staatlichen Ebene, 36 Bundesstaaten und 768 lokalen Verwaltungseinheiten, welche auch als
,,Local Government Area(s) (LGA/LGAs)" bezeichnet werden, zusammensetzt. Folglich exis-
tieren
in
Nigeria
drei
politische
Ebenen
(National-,
Gliedstaaten-,
und
Kommunalebene).
15
Auf der Bundesebene formiert sich die Exekutive im Wesentlichen aus dem Präsidenten, dem
Vizepräsidenten und einem Kabinett aus Ministern. Ein ähnliches Konzept wenden auch die
einzelnen Gliedstaaten an, zumal die ausführende Gewalt hierbei überwiegend auf das Amt des
Gouverneurs, des stellvertretenden Gouverneurs sowie einen Rat aus Kommissaren zurück-
geht.
16
Die übergeordnete Leitung des exekutiven Zweiges der lokalen Verwaltungseinheiten
ist dementgegen viergliedrig und setzt sich aus einem Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsit-
zenden, Supervisoren und einem Sekretariat zusammen.
17
Für die Gesetzgebung ist auf nationalstaatlicher Ebene die ,,National Assembly", welche in ein
Repräsentantenhaus und einen Senat unterteilt ist, zuständig. Zudem muss in jedem der 36 Bun-
desstaaten ein ,,House of Assembly" eingerichtet sein, da dieses für die spezifischen legislativen
13
Bunar/Jilke/Volgmann,. Defekter Föderalismus in Afrika? S. 425 f.
14
Adedimeji. Language Functions and conflict management in Nigeria. S. 194.
15
International Centre for Nigerian Law. Constitution of Nigeria. Chap. 1 Art. 3 Sec. 1 und Sec. 6.
16
Ebenda. Chap. 6 Art. 130 Sec. 1, Art. 142, Art. 147 Sec. 1, Art. 176 Sec. 1, Art. 186, Art. 192 Sec. 1.
17
National Open University of Nigeria: Nigerian local government. Online unter: http://www.nou.edu.ng/uplo-
ads/NOUN_OCL/pdf/SASS/POL%20444.pdf. [letzter Zugriff: 10.02.2016]. S. 51.
Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Kann der heutige nigerianische Föderalismus innerstaatliche Stabilität gewährleisten?
Untertitel
Ist der Föderalismus in Nigeria gescheitert?
Hochschule
Universität Trier
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V387447
ISBN (eBook)
9783668615366
ISBN (Buch)
9783668615373
Dateigröße
605 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nigeria, Föderalismus, Stabilität, Scheitern, Politik, Afrika, Staatssystem
Arbeit zitieren
B.A. Dennis Weishaar (Autor:in), 2016, Kann der heutige nigerianische Föderalismus innerstaatliche Stabilität gewährleisten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387447

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