Der klassische Utilitarismus. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Lehren von Jeremy Bentham und John Stuart Mill


Hausarbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Jeremy Bentham
2.1 Zur Person
2.2 Jeremy Benthams Lehre
2.2.1 Das Prinzip der Nützlichkeit
2.2.2 Der Nutzenbegriff bei Jeremy Bentham
2.2.3 Kritik an Benthams Lehre

3. John Stuart Mill
3.1 Zur Person
3.2 John Stuart Mills Lehre
3.2.1 Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Bentham
3.2.2 Der Nutzenbegriff bei John Stuart Mill

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

„Die utilitaristische Ethik ist seit ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert stets heftigen, oft auch sehr polemisch geführten Angriffen ausgesetzt gewesen.“[1] Dennoch, oder gerade deshalb, ist der Utilitarismus bis heute, vor allem in den angelsächsischen Ländern, eine der meistdiskutiertesten moralphilosophischen Theorien geblieben. Seit nunmehr zweihundert Jahren haben sich die Vertreter der utilitaristische Ethik erfolgreich gegen zahlreiche Angriffe aus allen erdenklichen Richtungen gewehrt. Und auch in Deutschland werden nicht wenige Debatten auch unter utilitaristischen Gesichtspunkten geführt. Sowohl über die Frage ob die Polizei Folter androhen darf, um ein Menschenleben zu retten, welche spätestens seit dem Fall Wolfgang Daschner[2] in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wird, und mit dem verstärkt auftretenden internationalen Terrorismus noch an Brisanz gewinnt, als auch in der Debatte über das jüngst verabschiedete Luftsicherungsgesetz[3], wird häufig mit Hilfe des Prinzips der Nutzenmaximierung argumentiert.

In welcher Weise die utilitaristischen Autoren auf Kritik reagiert haben und inwiefern das auch einen Wandel des Utilitarismus zur Folge hatte möchte ich in dieser Hausarbeit, am Beispiel der zwei bedeutendsten Vertreter des klassischen Utilitarismus, darstellen: Jeremy Bentham und John Stuart Mill.

Zum besseren Verständnis werde ich zunächst, in aller Kürze, die Werdegänge der beiden Autoren zusammenfassen. Es folgt einer Darstellung der Lehre Benthams und der Kritik die an ihr geübt wurde. Anschließend werde ich zeigen wie John Stuart Mill in seinem wichtigsten Werk „Utilitarianism“ auf die einzelnen Kritikpunkte reagierte, wo Gemeinsamkeiten zu Benthams Lehre zu finden sind, und gegebenenfalls auch, wo er von dieser abweicht.

2. Jeremy Bentham

2.1 Zur Person

Jeremy Bentham lebte von 1748 bis 1832 in England und studierte schon mit 12 Jahren Jura in Oxford. Wegen seiner scharfen Kritik am damals bestehenden englischen Rechtssystem galt er als „Radikaler“. Im Jahre 1792 wurde er zum Ehrenbürger der französischen Revolution ernannt. Außerdem war er Mitbegründer einer 1825 ins Leben gerufenen Londoner Universität, an der erstmals auch Atheisten studieren durften. In seinem Werk „Introduction to the Principles of Moral and Legislation“ beschreibt er das Prinzip der Nutzenmaximierung erstmals als solche. Die Schrift war schon 1792 weitgehend fertiggestellt und wurde in einer kleinen Auflage veröffentlicht. Einzug in die akademische Lehre und einen hohen Bekanntheitsgrad erreichte die Schrift jedoch erst nach ihrer Wiederentdeckung durch Charles Warren Everett im Jahre 1939. Heute gilt Jeremy Bentham als Urvater des Utilitarismus.[4]

2.2 Die Lehre Jeremy Benthams

2.2.1 Das Prinzip der Nützlichkeit

„Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft zweier souveräner Gebieter – Leid und Freude[5] – gestellt. Es ist an ihnen aufzuzeigen, was wir tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun werden.“[6] Schon an diesem ersten Satz in Benthams Hauptwerk „Introduction to the Principles of Morals and Legislation“, mit dem der klassische Utilitarismus praktisch begründet wurde, wird klar, was seiner Meinung nach als Entscheidungsgrundlage für jede erdenkliche Handlung dient. Er erhebt den Anspruch nicht einfach ein theoretisches Konstrukt zu schaffen, sondern mit naturwissenschaftlichen Methoden von Beobachtungen auf Regeln zu schließen. Er selbst bezeichnete sich als Newton der Moralphilosophie.[7] Dass jeder Mensch, durch sein Handeln, insofern dieser nicht durch Gesetze beziehungsweise Sanktionen oder Anreize daran gehindert wird, nur daran bestrebt ist, sein eigenes Glück in Form von Freude zu vermehren und sein Leid zu vermindern ist für Bentham eine zu beobachtende Tatsache und bildet die Grundvoraussetzung für seine utilitaristische Theorie.[8] Dies ist was wir naturgemäß tun, von hieraus schließt Bentham darauf, was wir tun sollen.

Die Vermehrung von Freude und Verminderung von Leid sind also die naturgemäß erstrebenswerten Ziele, und können als Nutzen bezeichnet werden. Diesen Nutzen gilt es für Bentham zu maximieren. Die beste Handlungsoption ist jene, die den meisten Nutzen für die von der Handlung betroffenen Personen hervorbringt.[9] Hierbei ist es irrelevant welche soziale Stellung die einzelnen Personen der betroffenen Gruppe haben, „alle individuellen Nutzenwerte werden gleich gewichtet“[10]. Ebenfalls keine entscheidende Rolle spielt die Nutzenveränderung des Handelnden selber. Ausschlaggebend ist immer die Summe des Nutzens der gesamten betroffenen Gruppe. Eine Handlung kann also durchaus gut sein, obwohl sie für den Handelnden selber eine Vermehrung des Leids zur folge hat, und zwar immer dann, wenn die Summe der Leidensverminderung und Lustvermehrung der anderen betroffenen diesen negativen Effekt übersteigt. Die gebotene Unterordnung des individuellen Nutzens unter dem größeren Nutzen des betroffenen Kollektivs hat, aus oben genannten Gründen, einen naturgegebenen Interessenkonflikt zur Folge. Nach Bentham ist es Aufgabe des Gesetzgebers diesem Interessenkonflikt entgegenzutreten und durch die Schaffung von hinreichend starken Anreizen den Handelnden zu bewegen den Gesamtnutzen über die eigenen egoistischen Interessen zu stellen.[11] Dies lässt sich durch Gesetze erreichen, die entweder eine nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung gute Handlung belohnen oder eine schlechte Handlung bestrafen.

2.2.2 Der Nutzenbegriff bei Bentham

Bevor ich dazu komme wie, nach Bentham, der Wert einer Menge an Freude oder Leid gemessen werden kann, werde ich zunächst darstellen worin Bentham die Ursachen für diese sieht. Bentham unterscheidet vier Ursachen für Freude und Leid: die physischen, die moralischen, die politischen und die religiösen. Diese werden im folgenden als Sanktionen bezeichnet. Wenn Lust oder Leid durch natürliche Abläufe entstehen oder man deren Entstehung erwarten kann, spricht Bentham von physischen Sanktionen. Dies ist beispielsweise bei einer von Geburt an gegebenen, Leid verursachenden, Benachteiligung der Fall. Wird Freude oder Leid, durch den Vollzug von Gesetzen, in Form eines Beschlusses, durch einen Richter oder eine andere staatliche Institution verursacht so spricht er von politischen Sanktionen. Wird jemandem von einer Person Freude oder Leid zugefügt und ist dieses auf eine „unmittelbare Neigung, nicht aber auf eine feststehenden oder gemeinsame Regel“[12], also zum Beispiel ein Gesetz, zurückzuführen so liegt eine moralische Sanktion vor[13]. Religiöse Sanktionen liegen immer dann vor wenn der Verursacher ein höheres Wesen ist. Während physische, politische und moralische Sanktionen nur im irdischen Leben stattfinden können, beziehen sich religiöse Sanktionen entweder auf das irdische oder auf ein zukünftiges Leben. Die einzige Sanktion die eigenständig vollzogen werden kann ist die physische. Denn sowohl bei der politischen, als auch bei der moralischen muss sich der Verursacher physischer Mittel bemächtigen um seine Ziele erreichen zu können. Und auch eine religiöse Sanktion, insofern sie sich auf das irdische Leben bezieht, kann nur durch physische Mittel stattfinden. „Was die zur religiösen Sanktion gehörenden Freuden und Leiden im Hinblick auf ein zukünftiges Leben betrifft, so können wir nicht wissen, von welcher Art sie sein mögen. Sie sind unserer Beobachtung nicht zugänglich.“[14]

[...]


[1] Gähde, Ulrich: „Zum Wandel des Nutzenbegriffs im klassischen Utilitarismus“, in: Gähde, Ulrich und Schrader, Wolfgang: „Der klassische Utilitarismus. Einflüsse – Entwicklungen – Folgen“, Berlin: Akademischer Verlag, 1992, S. 83.

[2] In diesem Fall ordnete der Vizepolizeipräsident von Frankfurt a. M. an, dem der Entführung verdächtigen Folter anzudrohen, um dessen Opfer Jakob von Metzler noch lebend finden zu können. Später stellte sich heraus, dass das Opfer zu diesem Zeitpunkt schon tot war. Vgl. Mielke, Michael: „Mörder wirft Kommissar Folter vor“. 26.11.04. Online im Internet: URL: http://www.welt.de/data/2004/11/26/365678.html [Stand 18.03.05].

[3] Dieses am 18.06.04 vom Bundestag verabschiedete Gesetz ermöglicht den Abschuss von Passagiermaschinen, „wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll“.

Vgl. Merkel, Reinhard: „Wenn der Staat unschuldige opfert“. 8.07.2004. Online im Internet: URL: http://www.zeit.de/2004/29/Abschussgesetz [Stand 18.03.05].

[4] Vgl. Becker, Lawrence und Becker, Charlotte: „Encyklopedia of Ethics“. Volume 1, London: St. James Press, 1992, S. 85 f sowie: Collinson, Diane: „Fifty major Philosophers. A Reference Guide”. London: Croom Helm, 1987, S. 94 ff.

[5] Im Original werden „Freude und Leid“ von Bentham als „pleasure and pain“ bezeichnet.

[6] Bentham, Jeremy: „Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung“ in: Höffe, Otfried: „Einführung in die utilitaristische Ethik. Klassische und Zeitgenössische Texte“. Tübingen: Francke Verlag, 1992, S. 55.

[7] Vgl. Schofield, Thoma Philip: “Jeremy Bentham und die englische Jurisprudenz im 19. Jahrhundert“, in: Gähde, Ulrich und Schrader, Wolfgang: „Der klassische Utilitarismus. Einflüsse – Entwicklungen – Folgen“, Berlin: Akademischer Verlag, 1992, S. 35.

[8] Vgl. Bentham (1992), S. 55.

[9] Vgl. Bentham (1992), S. 56.

[10] Gähde (1992), S. 93.

[11] Vgl. Bentham (1992), S. 57.

[12] Bentham (1992), S. 76.

[13] Bentham führt hier auch den Begriff der „vom Volk gutgeheißenen Sanktion“ ein. Diese Formulierung hält er für besser da diese „direkter auf ihre wesentliche Ursache hinweist“. Vgl. Bentham (1992), S. 76.

[14] Bentham (1992), S. 77. Vgl. Zum gesamten Absatz Bentham (1992), S. 74 ff.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der klassische Utilitarismus. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Lehren von Jeremy Bentham und John Stuart Mill
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Übung: Utilitarismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V38716
ISBN (eBook)
9783638377027
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Utilitarismus, Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Lehren, Jeremy, Bentham, John, Stuart, Mill
Arbeit zitieren
Fabian Matthias Pescher (Autor:in), 2005, Der klassische Utilitarismus. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Lehren von Jeremy Bentham und John Stuart Mill, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38716

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