Auswirkung atomarer Bestrahlung auf den Körper. Amnestie für Bestrahlte mit niedrigen Dosen?


Essay, 2017

15 Seiten, Note: 1


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Leseprobe


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reduzieren würde, wie klein auch die Dosis sei, d.h. keine Dosis sei klein genug
um risikolos zu sein. Das wird aber auch durchaus bezweifelt.
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Strahlendosen und ihre Raten
Mit der Energiedosis ist die durch Strahlen in exponierten Stoffen pro
Masseneinheit (kg) geleistete Arbeit gemeint. Die Bezeichnung der
Dosiseinheit ,,Gray" (1Gy) erinnert an den Strahlenexperten Harold Gray, sie
wurde für das Verhältnis `1 Joule/kg` festgelegt. Wegen des durch Strahlen
verursachten Ausfalls zu vieler Körperzellen können hohe akute
Ganzkörperdosen von 4 oder 6 Gy für jeweils 50 oder 90 Prozent derart
Exponierter nach einer kurzen Latenzzeit von Tagen oder Monaten tödlich
enden. Für die diese Frist zunächst Überlebenden 50 oder 10 % ist eine über
die Spontanrate hinausgehende Bedrohung aber noch nicht ausgestanden.
Damit müssen mit entsprechend abnehmender Wahrscheinlichkeit aber auch
geringer Bestrahlte noch in Unsicherheit leben. Hört diese Unsicherheit erst bei
der Dosis Null auf oder doch schon darüber?
Das Risiko hängt neben der Dosishöhe von der sie verursachenden Strahlenart
ab, weil Neutronen- und die dichtionisierenden Alphastrahlen bei gleicher
Dosis ein höheres Krebsrisiko als die locker ionisierenden Beta-, Gamma- und
Röntgenstrahlen verursachen. Der Strahleneffekt hängt neben dem
Geschlecht ­ Frauen sind gefährdeter - auch vom Alter der exponierten
Person ab ­ je niedriger das Alter bei der Dosisaufnahme, desto höher das
Risiko. Auch fand sich an bestrahlten Organen eine unterschiedliche Tendenz
zur Bildung von Krebs. Weil medizinische Bestrahlungen meist einzelne oder
wenige Organe und Radon hauptsächlich die Lunge betreffen, ist es sinnvoll
das Risiko einer Teilkörperdosis als Ganzkörperäquivalent vergleichend
darzustellen was die Risikozuordnung vereinfacht.
Deshalb wurde für den Strahlenschutz eine ,,Effektivdosis" eingeführt. Ihre
Einheit ,,Sievert" (Sv) wurde nach dem schwedischen Strahlenschützer Ralph

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Sievert benannt. Ein Gray einer locker ionisierenden Strahlung wird hinsichtlich
des biologischen Effekts mit einem Sievert gewichtet, die Effektivität von
Neutronenstrahlen liegt pro Gray zwischen 5 und 20 Sv, abhängig von deren
Energie. Ist diese ungewiss, wird mit 10 Sv pro Gy gerechnet. Ein Gy einer
Alphastrahlung wird mit 20 Sv beurteilt.
Expositionen in der Größenordnung der Dosiseinheit und darüber kommen
außer in der Strahlentherapie und im Zentrum größerer Strahlenereignisse nur
selten vor während Promille der Dosiseinheit (Millisievert, mSv) die üblichen
Strahlenpegel bestimmen.
Die Rate (Leistung) einer Dosis ist die in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit.
Sie liegt neben Strahlenquellen aus dem Weltraum durch die auf der
Erdoberfläche unterschiedlich verteilte naturgegebene Hintergrundstrahlung
zwischen 1 und 260, häufig zwischen 2 und 4 Millisievert pro Jahr (mSv/a). Der
globale Mittelwert lag zu Beginn des Auftretens irdischer Lebensformen vor
dreieinhalb Milliarden Jahren bei geschätzten 7 mSv/a. Durch den teilweisen
radioaktiven Zerfall der ursprünglichen Radionuklide liegt er gegenwärtig
global bei nur mehr 2,4 mSv/a. In Deutschland wie in Japan bei 2,1, in
Österreich bei 2,8, in den USA bei 3,1, in der Schweiz bei 5,5 mSv/a und in
Finnland bei 7,6. Über 1 mSv/a liegende Werte des Strahlenbackgrounds
gehen überwiegend von den gebietsweise erheblich schwankenden
Konzentrationen des Radons aus. Besonders in Gebieten mit gegenüber dem
globalen Mittelwert deutlich höheren Dosisraten wie etwa 70 mSv/a an 70.000
Bewohnern in Indiens Kerala oder im iranischen Ramsar mit dem höchsten
gemessenen Wert in bewohnten Gebieten von 260 mSv/a. Ein erhöhtes
Krebsrisiko für die dort betroffene Bevölkerung war unerwartet nicht
nachweisbar und beschäftigt natürlich den Strahlenschutz sehr, spricht es
doch für eine Dosisschwelle.
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Mit steigender Tendenz kommen seit etwa hundert Jahren in entwickelten
Ländern erhöhte Dosisraten durch medizinisch vorteilhaft genutzte

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Strahlenquellen: jährlich in Österreich 1,3, in Deutschland 1,9, in den
Vereinigten Staaten 3 mSv/a (nachdem sie 1982 noch bei 0,5 mSv/a und
Person lag). Die seit etwa sechzig Jahren eingeführte Nukleartechnologie
exponiert durchschnittlich mit unter einem Prozent des mittleren natürlichen
Strahlenhintergrunds, was die Einen aufregt, Andere aber beruhigt.
Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP, das Gutachtergremium an
dessen Empfehlungen sich die Industrienationen hinsichtlich der
entsprechenden Gesetzgebung zumeist orientieren, empfahl ungeachtet der
erwähnten Erfahrungen in stärker bestrahlten Gegenden neuerlich im Jahr
2007 in ihrer Publikation 103, dass die Bevölkerung keiner Dosisrate über
1 mSv/a zusätzlich zum Strahlenbackground oder medizinisch
gerechtfertigten Expositionen ausgesetzt werden sollte. Immerhin empfahl die
Kommission für im Beruf mit Dosimetern überwachte Strahlenexponierte einen
Grenzwert von 20 mSv/a, der nur dann bis 50 mSv/a erhöht werden darf,
wenn in einem Fünfjahreszyklus 100 mSv, also der Bereich niedriger Dosen
nicht überschritten wird.
Der wurde aber erheblich durch den Einsatz der Atombomben in Hiroshima
und Nagasaki überschritten und die Folgen beschäftigt siebzig Jahre danach
noch immer die
Life Span Study (LSS).
Am 6. August 1945 um 8:15 Uhr wurde über dem Zentrum des plan
ausgebreiteten Hiroshima eine für die Kettenreaktion ausreichende Masse an
stark angereicherten Uran-235 durch Beschuss von 25,6 kg einer Projektilmasse
auf 38,4 kg der Zielmasse in einem Rohr innerhalb der Bombe vereinigt.
Davon wurden 0,86 kg gespalten und 63 Billionen Joule, begleitet von einem
Lichtblitz der die Sonne 10-fach übertraf plötzlich frei. Die Luft erreichte im
Hypozentrum (Explosionszentrum) Sonnentemperaturen (6000 °C), am
Bodennullpunkt (ground zero) noch immer 4000 °C und brannte eine
Kreisfläche mit einem Radius von fast 1,4 km vom Nullpunkt nieder. Die vom
Zentrum mit 35 atm auslaufenden enormen Luftdruckwellen, ebneten die
Häuser weitgehend ein. Durch diese Wellen, der großen Hitze die einen

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Feuersturm entfachte und den teilweise hohen Strahlendosen starben bis zum
Jahresende die Hälfte der 245.000 Bewohner. Für den ground zero, 570 m
unter dem Explosionzentrum wurde eine Dosis von 165 Gy geschätzt. Die Dosis
fiel schon 1 km entfernt nach laufender Abschwächung durch die Luft auf 4,5
Gy und erreichte in 2,5 km den Milligraybereich. Deshalb waren die Bewohner
je nach der Distanz zum Nullpunkt innerhalb von 2,5 km unterschiedlichsten
Dosen ausgesetzt.
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Drei Tage später um 11:06 Uhr wurde 470 m über dem hügeligen Nagasaki
auch noch schnell - bevor Japan wohl nicht zuletzt wegen der
Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan am 8. August die Kapitulation eine
Woche später unterzeichnete - alternativ eine kugelförmige Plutoniumbombe
gezündet. Durch die präzise Implosion einer Hohlkugel aus nur 6,2 kg
Plutonium-239 wurde die für dieses Isotop deutlich geringere kritische Masse
auf engstem Raum für das Einsetzen der Kettenreaktion erreicht. Letztere
wurde durch das Verdampfen der Bombe vorzeitig gestoppt, dennoch
wurden 1,2 kg gespalten und 83 Billionen Joule freigesetzt. Für den Nullpunkt
wurde eine Dosis von 350 Gy geschätzt, sie fiel 1 km entfernt auf 8,7 Gy.
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Der
Explosion nur einer Bombe erlag ein Viertel der 280.000 Bewohner Nagasakis ­
etwa die Hälfte am ersten Tage, der Rest bis Mitte 1946. Die gemittelte Dosis
der über 5 mGy exponierten Bevölkerungen beider Städte lag bei 0,2 Gy.
Die in weniger als einer Sekunde akut aufgenommenen Dosen wurden
entsprechend dem jeweils vermehrten Wissensstand mehrmals nach 1957,
1965, 1986, 2002 (DS02), zuletzt in revidierter Form (DS02R1) erst vor kurzem neu
berechnet und publiziert. Die Dosen durch Neutronenaktivierung am Boden
radioaktiv gemachter Elemente, durch den Niederschlag (Fallout) der in den
Bomben hergestellten Spaltprodukte, sowie der Uran- und Plutoniumreste der
Bomben blieben nur abschätzbar. In Hiroshima sollen die Falloutdosen unter
1%, in Nagasaki unter 5% der akuten geblieben sein.
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Innerhalb von 2,5 km vom Nullpunkt exponierte 54.000 Überlebende denen
eine Dosis zugerechnet werden konnte, wurden hinsichtlich der Spätschäden

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mit 40.000, die zwischen 2,5 und 10 km vom Punkt Null entfernt mit Dosen
unter 5 mGy exponiert wurden von März 1947 an von der U.S. Atomic Bomb
Casualty Commission verglichen. 1975 wurde das Projekt in einer
Forschungsstiftung mit japanischer Beteiligung in der Radiation Effects
Research Foundation, RERF, reorganisiert.
Schon wenige Jahre nach den Explosionen fielen vermehrt Leukämien auf. Die
Leukämiemortalitätswelle kulminierte zehn Jahre nach der Explosion um sich in
vier Jahrzehnten wieder der Spontanrate anzunähern. Sie ist gegenwärtig bis
auf wenige Fälle abgeklungen. Von 1950 bis 2003 wurden in beiden Städten
310 Leukämietodesfälle registriert, 103 Fälle wurden der Strahlung
zugerechnet. Nach dem 14. Report von Kotaro Ozasa und Kollegen der RERF
von 2012 liegt das strahlenbedingte Leukämierisiko von 0,1 Gy bei rund 0,1 %,
bei der zehnfach höheren Dosis von 1 Gy aber bei rund 2 %, also 20-fach
höher, weil das Risiko mit der Dosis steiler als linear proportional ansteigt.
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Die
akute lymphatische und die chronisch myeloische Leukämie steigt mit der
Dosis zwar linear proportional, die akute myeloische Form aber mit dem
Quadrat der Dosis.
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Bis 2003, dem Abschluss des genannten Reports waren von den in die Studie
aufgenommenen 86.611 Überlebenden 58 % verstorben darunter 10.929 an
Krebs solider Tumore, aber nur 527 strahlenverursacht. Eine über die
Krebsspontanrate hinausgehende strahlenbedingte Erhöhung verzögerte sich
um fast ein Jahrzehnt um dann aber ständig anzusteigen. Das spontane
Krebsrisiko (von etwa 25 %) erhöht sich strahlenbedingt um 10 Prozent pro
Dosiseinheit, also auf etwa 35 % und bei linearer Proportionalität bliebe eine
Krebsrisiko von 1 % pro 0,1 Gy, also eine Erhöhung des mortalen Krebsrisikos
auf 26 %.
Nach Verwendung der von der RERF erhobenen Daten kamen Yehoshua
Socol und Ludwik Dobrzynski erst 2014 zu der Ansicht, dass das
strahlenbedingte Krebsmortalitätsrisiko nach einer Dosisschwelle (unterhalb
der kein Risiko nachweisbar sei) von 0,3 Sv mit der Dosis nicht linear
Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Auswirkung atomarer Bestrahlung auf den Körper. Amnestie für Bestrahlte mit niedrigen Dosen?
Note
1
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V385950
ISBN (eBook)
9783668625082
ISBN (Buch)
9783668625099
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
auswirkung, bestrahlung, körper, chancen, risiken
Arbeit zitieren
Hans Grasmuk (Autor:in), 2017, Auswirkung atomarer Bestrahlung auf den Körper. Amnestie für Bestrahlte mit niedrigen Dosen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385950

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