Polykarp als frühchristliche Ikone Kleinasiens

Die Stilisierung des Polykarp als paränetisches Mittel zur Stärkung innerkirchlicher Interessen im Martyrium des Polykarp


Hausarbeit, 2017

13 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Das Martyrium des Polykarp im Kontext seiner Zeit
2.2 Analyse: Das Paränetische im Martyrium des Polykarp

3. Schlussbetrachtung

4. Literatur
4.1 Quellenverzeichnis
4.2 Forschungsliteratur

1. Einleitung

ÄWir haben euch liebe Brüder, die Geschichte der Märtyrer und des seligen Polykarp aufgeschrieben, der der Verfolgung ein Ende gesetzt hat, indem er ihr durch sein Martyrium gleichsam ein Siegel aufgedrückt hat.“1

Das Martyrium jenes heiligen Polykarp von Smyrna, dem heutigen Izmir, ist in Briefform vonder Gemeinde von Smyrna an die Gemeinde von Philomelion in Phrygien verfasst und kurznach dem Tod des Bischofs, vermutlich um 156 n. Chr. entstanden.2 Der Brief beschreibt dieVerfolgung, Verhaftung und schließlich die Todesverurteilung Polykarps. Dieser sollteverbrannt werden, da er für seinen Glauben einstand und sich weigerte, Jesus Christusabzuschwören.

Das Martyrium des Polykarp gilt als die älteste uns erhaltene Märtyrerakte aus der Mitte deszweiten Jahrhunderts.3 Märtyrerakten wie die des Polykarp gehören mit zu den wichtigstenQuellen der frühen Kirchengeschichte,4 da sie Hinweise über das Leben der jungen christlichenGemeinden geben und Aufschlüsse über die Diasporasituation und die Position der Christen inder heidnischen Gesellschaft liefern.5 Heidnische Quellen aus dieser Zeit, die sich auf dieseThematik beziehen, sind nicht besonders zahlreich überliefert und berichten, wie nicht anderszu erwarten, überwiegend von einer durch die Christen in Frage gestellten und zuVerteidigenden moralischen Ordnung in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit.6 Bei denchristlichen Quellen häufen sich die Berichte über regelmäßige Übergriffe auf Christen durchrömische Behörden.7

Die modernen Editionen des Martyriums des Polykarp fußen seit der Ausgabe von JosephBarber Lightfoot8 auf fünf griechischen Handschriften und seit der Ausgabe von KarlBihilmeyer9 auf sechs. Auch Eusebius zitiert den Text aus dem Martyrium des Polykarp mal wörtlich, dann wieder stellenweise paraphrasierend in seiner Kirchengeschichte.10 Einige indirekte griechische Textzeugen bestätigen darüber hinaus diverse griechische Handschriftendes Polykarp-Martyriums, es ist also möglich, dass die Textüberlieferung ursprünglich nochsehr viel vielfältiger war, als uns heute durch die griechischen Handschriften bekannt.11

Forschungsgeschichtliche Kontroversen bestehen darüber, ob die kürzere Textüberlieferungenbei Eusebius ursprünglicher ist als die sonstige Textüberlieferung12 oder auch über dieAuthentizität des Prozess-Berichtsprotokolls, welcher in dem Brief Verwendung findet. In derjüngsten Forschung genießt darüber besonders der Aspekt Aufmerksamkeit, dass es sich beidem MartPol um eine nachahmende Weiterführung der Märtyrer-Theologie des Ignatius vonAntiochien handelt.13 Als die neuzeitliche Forschung in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann,sich mit der Märtyrertheologie auseinanderzusetzen, wurde schon damals im Martyrium desPolykarp ein exemplarisches Zeugnis der Imitation Jesus Christus und seiner Jüngerschaftgesehen.14

Die Frage nach der Absicht des Briefes soll im Anschluss Hauptgegenstand meiner Arbeit sein.Unter Berücksichtigung des zeitgeschichtlichen Kontextes, in dem der Bischof Polykarp vonSmyrna lebte und wirkte, in welchem sich in Smyrna trotz ihrer Verfolgung, erste christlicheGemeinden zu etablieren versuchten und das Martyrium des Polykarp verfasst wurde, werdeich die These argumentativ stützen, dass das Martyrium des Polykarp zum Zweck derinnerkirchlichen Festigung diente. In der folgenden Arbeit werde ich dazu unter rhetorisch-stilistischen Gesichtspunkten die erzählerischen Parallelen des Polykarp-Martyriums mitBriefen anderer frühchristlicher Autoren abgleichen. Anschließend komme ich dazu, daszentrale Thema der Imitation des Leidenswegs Jesus Christus zum Kern meiner Analyse zumachen, um danach fragen, auf welche Art und Weise Polykarp zu einem Leitbild derfrühchristlichen Märtyrerverehrung hochstilisiert wurde.

2. Hauptteil

2.1 Das Martyrium des Polykarp im Kontext seiner Zeit

Die Zeit in der Polykarp, Schüler des Ignatius von Antiochien und einer der bedeutendstenKirchenväter des zweiten Jahrhunderts lebte (69 -155 n.Chr.),15 war geprägt durch den Glaubenan die Auferstehung Jesus Christus. Der apostolische Vater war Bischof in Smyrna, einerwirtschaftlich wohlhabenden und imposanten Handelsstadt an der Westküste Kleinasiens.16 Mitdem Einsetzen des sogenannten apostolischen Zeitalters und der Missionierung von Juden undHeiden war die Christianisierung in Smyrna vermutlich in der zweiten Hälfte des erstenJahrhunderts schon weit fortgeschritten.17 Unter Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) kam esallerdings zu Verfolgungen.18 Die Einigkeit der frühen christlichen Glaubensgemeinschaften inihrer Minderheitensituation war permanent auf die Probe gestellt. In diesemSpannungsverhältnis zwischen der frühen Kirche und dem römischen Staat ergaben sich biszum finalen Ausgleich im beginnenden vierten Jahrhundert keine gravierenden Veränderungen,obgleich oder gerade weil es im Kern komplex und widersprüchlich erscheint.19 ÄWie hätte“nämlich ein Äin religiösen Fragen sehr toleranter Staat einen exklusiven Monotheismus hinnehmen sollen, der alle anderen Götter, auch die politischen des römischen Pantheon, verwarf und selbst auf der rigorosen Ablehnung des Kaiserkultes bestand?“20

So nahmen Christen zum Beispiel häufig nicht an Opfermahlzeiten oder Festen teil, lehntensich gegen den Kriegsdienst auf oder wandten sich durch ihre konspirativen Riten von denKonventionen der breiten römischen Gesellschaft ab.21 Auf der einen Seite waren alsoKonfrontationen weniger charakteristisch für diese Epoche, als vielmehr ein kontinuierlichesFortschreiten der Übernahme weltlicher Organisationsformen durch Christen, die Ausbreitungihrer zahlreichen kleinen Gemeinden und ihr Vorhaben sich Äim römischen Friedensreich einzurichten“.22 Beziehungen zwischen Akteuren der Kirche und Vertretern des Staates wurden darüber hinaus seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts gepflegt.23

Auf der anderen Seite bezeugen doch selbst heidnische Überlieferungen eine Zeit des sozialenAufruhrs. Zwar erlebte die Bevölkerung in Smyrna, trotz des allgegenwärtigen Misstrauensgegenüber den gesellschaftlichen Außenseitern, ein paralleles Bestehen als Normalzustand,trotzdem fehlte eine gesetzliche Legitimierung des christlichen Glaubens.24 In EusebiusKirchengeschichte wird über die unter Kaiser Marc Aurel (161-180 n.Chr.) erlassenen ÄneuenGesetze“ gegen die Christen und über deren brutale Verfolgung und Ausbeutung berichtet:

ÄWie nie zuvor wird jetzt das Geschlecht der Gottesfürchtigen verfolgt und aufgrund neuer Gesetze überall in der Provinz Asia umhergejagt. Denn schamlose Denunzianten und auf fremden Besitz versessene Leute nutzen die durch die Erlasse sich bietende Gelegenheit, um offen auf Raub auszugehen, und plündern Tag und Nacht Menschen aus, die nichts unrechtes tun.“25

Die ÄGesetze gegen Religionsfrevler“ unter Marc Aurel zeichneten sich vor allem durch uneinheitliche Regelungen und Willkür aus. So konnte Verbannung drohen:

ÄWenn jemand etwas getan hat, wodurch die wankelmütigen Herzen der Menschen mit einem Aberglauben erschreckt werden, so hat der göttliche Marcus angeordnet, solche Menschen auf eine Insel zu verbannen“26,

oder das Todesurteil:

ÄDiejenigen, die neue und im Ritus oder in der Lehre unbekannte Religionen einführen,durch welche die Herzen der Menschen beunruhigt werden, werden verbrannt, wenn siehöheren Standes sind, beziehungsweise mit dem Tod bestraft, wenn sie niedrigenStandes sind.“27

Die in diesem Kontext aufkommende Märtyrerliteratur entstand zu dieser Zeit in dem Bewusstsein der Christen in einer Welt voller Demütigung zu leben.28 Kein Wunder also, dass die Berichte über die Diasporasituation ganzer Gemeinden oder die von Bischöfen, wie auch im Falle des Martyriums des Polykarp, plastische Bilder von Äder göttlichen Prüfung durch wohlüberlegte Maßnahmen der Staatsorgane“ zeichnen.29

2.2 Analyse: Das Paränetische im Martyrium des Polykarp

Der universale Charakter des Martyriums des Polykarp,30 welches sich an eine ganze Gemeinde, nämlich an Ädie Kirche Gottes in Philomelion und an alle Gemeinden in der heiligen katholischen Kirche überall“ richtet, verfasst im Namen der ÄKirche Gottes in Smyrna“31, wirft die Frage nach der Intention des Briefes auf. Im Folgenden soll daher die These untermauert werden, dass ein normatives Interesse der frühen katholischen Kirche hinsichtlich der Märtyrerakte des Polykarp besteht, nämlich das der einigenden Stärkung der zahlreichen, unter Verfolgung stehenden christlichen Gemeinden. Hierzu untersuche ich narrative und rhetorische Parallelen des Martyriums des Polykarp mit anderen, von frühchristlichen Autoritäten verfassten Briefen, um anschließend danach zu fragen, mit welchen Mitteln Polykarp zu einer Art Ikone der frühchristlichen Märtyrerverehrung stilisiert wurde.

Ein appellierender Tenor des Martyriums des Polykarp tritt schon dadurch hervor, dass in demPräskript Empfänger und Absender in ihrer Formulierung genau gleich genannt werden,wodurch eine Gleichstellung der Situation erzeugt wird, in der sich beide Gemeindenbefinden.32 Mit dem Rezipienten passiert das, was ein Diasporabrief charakteristischerweisebezweckt, er mahnt und tröstet ihn zugleich, Äum der Identitätswahrungswillen.“33

Indem die gesamte Kirche in Philomelion adressiert ist, wendet sich der Verfasser wie an dieMitglieder einer Schicksalsgemeinschaft, was an den ersten Brief des Petrus erinnert, in demes heißt:

[...]


1 MarPol 1,1.

2 Vgl. Geerlings/ Greshake, Quellen geistlichen Lebens, S. 34.

3 Vgl. Pratscher, Die Apostolinischen Väter, S. 147.

4 Vgl. Geerlings, Greshake, Quellen geistlichen Lebens, S. 34.

5 Vgl. Ebenda.

6 Vgl. Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 1.

7 Vgl. Ebenda

8 Vgl. Lightfoot, Fathers II/3.

9 Vgl. Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter.

10 Eus., HE 4, 15.

11 Buschmann, Kommentar zu den Apostolischen Vätern, S. 14.

12 Pratscher, Die Apostolinischen Väter, S. 147.

13 Vgl. Baumeister, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, S. 270.

14 Vgl. Gaß, Das christliche Märtyrerthum, S. 337.

15 Vgl. Pratscher, Die Apostolinischen Väter, S. 147.

16 Vgl. Bauer, Die Polykarpbriefe S. 9.

17 Vgl. Buschmann, Kommentar zu den Apostolischen Vätern, S. 69.

18 Vgl. Ebenda.

19 Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 1.

20 Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 2.

21 Vgl. Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 3.

22 Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 6.

23 Vgl. Ebenda.

24 Vgl. Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 6.

25 Kirchengeschichte IV 26, 5-6.

26 Digesta 48, 19, 30 (Modestinus).

27 Sententiae Pauli 5, 21, 2 (Iulius Paulus).

28 Vgl. Guyot/ Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, S. 2.

29 Ebenda.

30 Vgl. Buschmann, Kommentar zu den Apostolischen Vätern, S. 71.

31 MartPol, Präskript.

32 Vgl. Buschmann, Kommentar zu den Apostolischen Vätern, S. 71.

33 Schnider/ Stenger, Studien zum neutestamentlichen Briefformular, S. 38.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Polykarp als frühchristliche Ikone Kleinasiens
Untertitel
Die Stilisierung des Polykarp als paränetisches Mittel zur Stärkung innerkirchlicher Interessen im Martyrium des Polykarp
Hochschule
Universität Münster  (Seminar für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Kleinasien – Brückenland zwischen Orient und Okzident
Note
2,0
Jahr
2017
Seiten
13
Katalognummer
V385797
ISBN (eBook)
9783668606760
ISBN (Buch)
9783668606777
Dateigröße
673 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
polykarp, ikone, kleinasiens, stilisierung, mittel, stärkung, interessen, martyrium
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Polykarp als frühchristliche Ikone Kleinasiens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385797

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