Maere, Novelle, Novellentheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

12 Seiten, Note: gut (2)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil:
2.1 Zur Begriffsbestimmung der ’Märe’
2.2 Zur Begriffsbestimmung der ’Novelle’
2.3 Märenbegriff und Novellentheorie

3. Schlussbemerkung

1. Einleitung

Märendichtungen bestimmen die literarische Welt des Spätmittelalters, sie stellen einen dominanten Anteil der literarischen Werke dieser Ära dar. Deshalb werde ich mich im folgenden Aufsatz mit den Theorien über Mären und Novellen der mittelhochdeutschen Kleinepik beschäftigen und einen Vergleich beider miteinander anstellen. Zunächst werde ich auf die Begriffsdefinitionen von ’Märe’ und ’Novelle’ sowie deren Entstehungsgeschichte eingehen und werde im Anschluss daran Märenbegriff und Novellentheorie aufeinander beziehen. Allerdings sei bereits im Voraus gesagt, dass die Ansichten der Forscher inkongruent sind, insbesondere was den Einfluss von Giovanni Boccaccios ’Decameron’ auf die Entwicklung der Novelle anbetrifft. Inwiefern die diskrepanten Ergebnisse der Forschung einzugrenzen sind, versuche ich im Verlauf meiner Arbeit herauszustellen.

2. Hauptteil

2.1 Zur Begriffsbestimmung der ’Märe’

Die Märe geht auf Stricker, den mittelhochdeutschen Dichter des 13. Jahrhunderts zurück, der sie als musterhafte Kurzerzählung mit fiktivem Inhalt und damit als selbständige Gattung begründete. Das Wort ’Märe’ hat erst im Neuhochdeutschen die feminine Form gewonnen, im Mittelhochdeutschen wird es noch im Neutrum verwendet. Ursprünglich meint es ’Kunde, Bericht’ und entwickelt sich später zu ’Erzählung’. In der mittelhochdeutschen Literatur ist die Märe Synonym für mündlich vorgetragene Erzähltexte verschiedenster Art, insbesondere für kleinepische weltliche Reimpaardichtungen und Versnovellen. Hanns Fischer fasst unter dem Begriff maere die „bedeutende selbständige Kleinepik, die den eigentlichen novellistischen Beitrag der mhd. Lit. darstellt“[1], zusammen. Im späten Mittelalter erfährt der Begriff also einen Bedeutungswandel; nun versteht man darunter eine „allgemeine Gattungsbezeichnung für die mhd. erzählende Dichtung“[2]. Maere ist immer episch und erfährt keine förmliche Personifikation. In weiteren Bedeutungsvarianten heißt es auch ’Quelle’ bzw. bekräftigt es in der Formel als uns daz maere seit „die quellenmäßige Wahrheit eines Berichtes“[3] oder bedeutet darüber hinaus auch ’Erfindung’. Ab dem 16. Jahrhundert ist das Wort nur noch in Luthers Weihnachtslied ’Vom Himmel hoch da komm ich her’ wieder zu finden, erlebt wenig später aber eine Wiedergeburt, ohne dabei ein „rechtes Eigenleben zu entfalten“[4]. In neuerer Zeit ist die alte Wurzel des Wortes wieder aufgenommen worden, um das vermutlicherweise aus dem Romanischen stammende Wort ’Novelle’ zu umgehen bzw. gewisse Kurzerzählungen, wie beispielsweise Schwänke, nicht als solche bezeichnen zu müssen. So erscheinen beide Worte teils sinnverwandt, teils benennen sie etwas „Wesensverschiedenes“[5]. Heute spielt ’Märe’ für die Wesensdefinition der Novelle als literarisches Wort kaum eine Rolle. Überhaupt ist die Märe heute nur noch in der Diminutivform ’Märchen’ geläufig; mit dem Ende des Mittelalters ist sozusagen auch das Ende der Märe eingetreten.

2.2 Zur Begriffsbestimmung der ’Novelle’

Ursprünglich bezeichnet novela eine „beliebige volkssprachliche [mündliche] Äußerung“[6], die nicht aus dem Lateinischen stammt. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts ist daraus dann ein „Ausbund schöner Rede“[7] entstanden, die zwischen fünf Minuten und einer Stunde andauern kann. Ihre Schöpfer haben sie mit dem Ziel ins Leben gerufen, dem schwindenden Alten einen neuen Stil entgegenzusetzen; es steht folglich vorwiegend ihre Wirkung auf die Gesellschaft im Vordergrund[8].

Auf der einen Seite wandelbar, auf der anderen klar gestaltet – diese Kennzeichen schreibt Johannes Klein der Novelle, der Prosaerzählung mittlerer Länge, zu. Ihr Kern sei stets gleich, doch ihre Gesamtstruktur hänge stark von Volk und Zeit ab, in der sie vorkomme. In ihrer Urform behandele sie immer ein außerordentliches Erlebnis, (mit Goethes Worten) „eine sich ereignete unerhörte Begebenheit“[9], und berichte über Katastrophen und Menschen. Dabei könne ein Held in den Mittelpunkt gerückt werden, der jedoch meist passiv auftrete und leitmotivischen Warnungen folge oder „von Ereignissen mitgerissen“[10] werde.

Die Strukturierung der Novelle erfolgt durch sprachliche Leitmotive sowie Dingsymbole. Sie thematisiert meist ein Begebnis, konzentriert sich auf eine zentrale Handlung und deren straffe Erzählung. Sie zeigt Ausschnitte der Welt und schildert, was am Menschen geschieht. Dabei geht sie oft vom Zufall aus und strebt nicht danach, alle Fragen zu klären, sondern lässt stattdessen die Lebensfrage offen. Anders aber sieht es auf der Formebene aus, denn dort gehört „Geschlossenheit zum Wesen“[11] der Novelle. Oft kommt es zu markanten Änderungen im Leben der Protagonisten – die Novelle lebt von der „Zuspitzung“[12] auf einen unvorhersehbaren Wendepunkt. Und im Gegensatz zur Erzählung zeichnet die Novelle Geschehnisse nicht immer chronologisch auf, wie sie geschehen, sondern spielt vielmehr mit ihnen. Wie sehr jedoch Fakten über die Entstehung der Novelle variieren können, stellt sich im nächsten Kapitel meiner Arbeit heraus.

[...]


[1] Polheim, Karl Konrad: Novellentheorie und Novellenforschung. Ein Forschungsbericht. 1945-1964. Stuttgart: Metzler 1965, S.38.

[2] Niewöhner, Heinrich: Maere. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Bd. Hg. v. Werner Kohlschmidt & Wolfgang Mohr. 2. Aufl. Berlin 1965, S.271.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Polheim, S.42.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Polheim, S.45.

[9] Klein, Johannes: Novelle. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Bd. Hg. v. Werner Kohlschmidt & Wolfgang Mohr. 2. Aufl. Berlin 1965, S.688.

[10] Klein, S.686.

[11] Klein, S.692.

[12] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Maere, Novelle, Novellentheorie
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
Veranstaltung
Hauptseminar: Erotische Novellen des Spätmittelalters
Note
gut (2)
Autor
Jahr
2003
Seiten
12
Katalognummer
V38556
ISBN (eBook)
9783638375788
ISBN (Buch)
9783638775168
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maere, Novelle, Novellentheorie, Hauptseminar, Erotische, Novellen, Spätmittelalters
Arbeit zitieren
Gaby Schneidereit (Autor:in), 2003, Maere, Novelle, Novellentheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38556

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