Die "jüdische Weltverschwörung"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Theorie
2.1. Feindbild
2.2. Antisemitismus
2.3. Verschwörungstheorie

3. Das Bild der „jüdischen Weltverschwörung“
3.1. Entwicklungsprozess
3.2. Die „Protokolle der Weisen von Zion“
3.2.1 Entstehung und Verbreitung
3.2.2. Inhalt
3.3. Wirkung
3.3.1. Bedeutung während des Nationalsozialismus

4. Fazit

5. Literatur

1.Einleitung

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs gehörte der Mythos von der „jüdischen Weltverschwörung“ zu den Kernelementen nationalsozialistischer Propaganda. Jedoch steht das konspirative Bild in einer langen christlichen Tradition. Die christliche Judenfeindschaft bestand in der Verachtung der jüdischen Religion und nicht des Juden als Menschen. Hierin ist der wesentliche Unterschied zum Antisemitismus der Nationalsozialisten zu sehen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der jüdischen Bevölkerung eine, von der Religion losgelöste, blutsbedingte und aufgrund dessen unumstößliche Boshaftigkeit unterstellt. Während bei einer religiös begründeten Diskriminierung der Ausweg einer Konvertierung bestünde, um der Feindschaft die Legitimität zu nehmen, existiert in der rassistischen Begründung für die Opfer keine theoretische Möglichkeit der Umgehung. Dieser rassistisch fundierte Antisemitismus gab den Nationalsozialisten die Rechtfertigungsgrundlage für die Vernichtung des Judentums. Doch soll ein Ziel der Arbeit sein, zu zeigen, dass die pseudowissenschaftlich-biologistische Argumentation verbunden ist mit dem mystisch-religiösen Glauben an die „jüdische Weltverschwörung“, die das Ziel haben sollte, die Weltherrschaft aufzubauen. Der Zusammenhang zwischen der christlichen Judenfeindschaft und dem nationalsozialistischem Antisemitismus ist das zugrunde liegende Bild der tödlichen „jüdischen Verschwörung“ gegen die Christen bzw. die „nordischen Völker“.

Auf diesem quasireligiösen Glauben an die jüdische Konspiration, dies ist die These, basierte die nationalsozialistische Begründung des Genozids. Sie sahen sich in einem heilsgeschichtlichem „Endkampf“ mit dem „Weltjudentum“, der nur mit dem Untergang der Juden oder der „Arier“ abschließen konnte. In ihrer Logik konnte nur mit Vernichtung des Judentums geantwortet werden, da das Weltherrschaftstreben und die Unterjochung des „Ariers“ unwiderruflich und unabänderlich in ihrem Blut liege.

Die „Protokolle der Weisen von Zion“ stellen eine Fiktion dar, in welcher behauptet wird, die Juden hätten konkrete Pläne die Weltherrschaft zu erlangen und gleichzeitig die Nichtjuden zu unterwerfen.

Sie stellten nicht die einzige Schrift bezüglich des Glaubens an die feindliche jüdische Weltverschwörung dar, bildeten jedoch das radikalste und einflussreichste Gedankengut, da sich die Nationalsozialisten unmittelbar auf sie bezogen und Pogrome gegen die Juden, aber auch den Angriffskrieg mit dieser angenommenen Konspiration legitimierten. Die Schrift war die Voraussetzung für die massenhafte Verbreitung des Mythos in der Bevölkerung, da sie als „Beweis“ für den schon lange existenten Glaube fungierte.

Thema ist demzufolge die judenfeindliche und antisemitische Vorstellung von der feindlichen „jüdischen Weltverschwörung“ postuliert in der Fiktion „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Besonderen Wert soll dabei auf die Auswirkung dieses Bildes auf die Zeit des Nationalsozialismus gelegt werden.

In die Ausarbeitung einleitend sollen im theoretischen Teil die zentralen Begriffe, Feindbild, Antisemitismus und Verschwörungstheorie definiert werden, da hier einige notwendige Abgrenzungen und Einengungen zum genauen Verständnis zu treffen sind. Dem folgt eine kurze historische Analyse des erst judenfeindlichen, dann antisemitischen Bildes der „jüdischen Weltverschwörung“, ohne die die Entwicklung der „Protokolle der Weisen von Zion“ und deren Tragweite nicht zu fassen sind. Daraufhin wird auf die Entstehung der Schrift, deren Verbreitung im Deutschen Reich und auf den Inhalt eingegangen. Der nächste Abschnitt umfasst die Darstellung der Wirkung des Verschwörungsmythos und der Protokolle im Dritten Reich.

2.Theorie

Die zentralen Begriffe der Arbeit werden erstens, in einer eher übergeordneten Funktion der des Feindbildes, zweitens in direkterer Form der des Antisemitismus und der Verschwörungstheorie sein. Bei der Begriffsklärung wird nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, vielmehr sollen die Aspekte hervorgehoben werden, die für das Thema der Ausarbeitung von Bedeutung sind.

2.1. Feindbild

Feindbilder in der Politik haben eine lange Tradition und ein Ende der vorurteilshaften bzw. stereotypen Sichtweise auf das „Andere“ ist nicht in Sicht. In diesem Abschnitt soll es also darum gehen, eine Definition des Begriffes Feindbild zu erarbeiten sowie dessen psychologische und soziale Funktion zu betrachten.

In einer hoch ausdifferenzierten Welt dienen Feind- wie Freundbilder mittels Zuordnung in Fremd- bzw. Eigengruppe als Orientierungshilfe. Die soziale Realität wird nicht als neutraler Fakt wahrgenommen sondern trifft auf individuelle oder kollektive Prädispositionen, durch die erhaltene Informationen gewertet und gedeutet werden.

So erscheint in Anlehnung an Fetscher und Bergmann folgende Feindbild Definition sinnvoll:

Feindbilder sind stereotype Einstellungen, d.h. „die als gültig geäußerte[n] Beschreibung[en] einer Gruppe“[1], „gegenüber einer anderen Gruppe bzw. einem Individuum, weil es zu dieser Gruppe gerechnet wird.“[2] Gekennzeichnet sind sie zudem durch beständige und negative Vorurteile, die verhältnismäßig immun sind für gegenteilige Argumente oder Beweise. Dementsprechend gelten Feinbilder eher als psychologisches Bedürfnis zur eigenen seelischen Stabilisierung, als als Ergebnis von objektiver Information, die der realistischen Orientierung dienlich wäre.[3] Voraussetzung für die Entstehungen von Feinbildern im Allgemeinen, ist die Verallgemeinerung bzw. Zusammenfassung von Individuen zu einer Gruppe aufgrund eines oder auch mehrerer gemeinsamer Merkmale, wobei das charakterisierende Muster mit dem Individuum gleichgesetzt wird.

Um sich in einer komplexen Umwelt zurechtzufinden, werden Kategorien entwickelt, die die wertende Zuordnung von Individuen nach bestimmten Merkmalen in Eigen- und Fremdgruppe erlauben. Jedoch unterliegt diese Kategorisierung häufig einer verzerrten Wahrnehmung, wodurch Mitglieder der eigenen Gruppe in Bezug auf Einstellungen als homogener betrachtet werden und Mitgliedern der Fremdgruppe eine höhere Differenz unterstellt wird. Wichtig für das Verständnis des Feinbildes ist diese Aussage, da die Annahme von Differenz in den Einstellungen zu einer eher negativen Bewertung des Individuums bzw. der Gruppe führt.

Was aber ist die Funktion des Feindbildes, wenn sie doch eine nur wenig realitätsnahe und verzerrte Sichtweise auf das „Andere“ bietet?

Einen wichtigen psychologischen Klärungsansatz bildet die Annahme, dass Feindbilder schwer Erklärliches und Ertragbares „erklären“ können. Sieht man die soziale oder ökonomische Stabilität der Eigengruppe real bedroht, ist es weitaus fassbarer, für diese Gefahr eine Fremdgruppe bspw. eine einheimische Minderheit verantwortlich zu machen als sich mit abstrakten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, die zwar meist komplexere aber realistischere Erklärungen bieten.[4]

Als bedeutende soziale Funktion des Feindbildes kann die Legitimation von Herrschaftsverhältnissen bzw. deren Stabilisierung geltend gemacht werden. Sieht sich eine Gesellschaft von „inneren“ oder „äußeren“ Feinden bedroht, ist sie bereit sich eng um die Regierung zu schließen.[5]

2.2. Antisemitismus

Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt der Begriff des Antisemitismus als Sammelsurium aller historischen, sozialen und politischen Dimensionen bzw. Varianten der Feindschaft gegenüber den Juden. Da jedoch die Geschichte der Judenverfolgung sehr unterschiedliche Hintergründe und Motivationen beinhaltet, ist es an dieser Stelle sinnvoll, den Begriff Antisemitismus, der schon ungenau ist, da er nicht alle semitischen Völker umfasst, von anderen Formen der Judenfeindschaft zu trennen.

Im Wesentlichen geprägt wurde der Begriff im Jahr 1879 von dem deutschen antisemitischen Journalisten Wilhelm Marr, mit der Intention, den vorrangig auf religiöser Ablehnung basierenden Antijudaismus aufzugeben und durch eine säkular begründbare, sich als wissenschaftlich verstehende Judenfeindschaft zu ersetzen. Hier zeigt sich die aufkommende Veränderung in der Wahrnehmung der Juden, die eng verknüpft ist mit den sich entwickelnden Nationalstaaten. Bis dahin sah man in den Juden eine religiöse Konkurrenz zum Christentum und verfolgte sie, da die christliche Lehre mehrheitlich abgelehnt wurde und die Christen die Juden in übersteigertem Maße für die Leidensgeschichte Jesu verantwortlich machten, ja sie als dessen Mörder betitelten.[6]

Im frühen 19. Jahrhundert wurden Juden immer weniger über ihre gemeinsame Religion definiert sondern in ihnen wurde ein Volk bzw. eine Rasse gesehen, die die sich bildende nationale Einheit bedrohte. Langsam entwickelte sich ein Bild, das im Nationalsozialismus seinen grausamen Höhepunkt finden sollte. So wurden „Juden als ein die Nation ökonomisch, geistig und rassisch zersetzendes Element angesehen, gegen das sich der Antisemitismus als eine politische Ideologie und Protestbewegung formierte, welche die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden zu verhindern und später zu widerrufen suchte.“[7] Religiöse Vorurteile existierten weiterhin jedoch trat einer neuer antisemitistischer Aspekt hinzu: Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts sah man die Identität eines Volkes bzw. einer Nation gekoppelt an ihre „Reinheit des Blutes und der Gene“. Dadurch waren die Voraussetzungen geschaffen worden, den Entwurf der Juden als weltweit agierender „Gegenrasse“ zu festigen.

Während der recht kurzen Zeit der Judenemanzipation, d.h. der allmählichen rechtlichen und sozialen Gleichstellung, wurden die neuen wirtschaftlichen und politischen Freiheiten von der jüdischen Bevölkerung oft erfolgreich für einen sozialen Aufstieg genutzt. Dabei wurden sie zu Konkurrenten für einen ehemals, in feudalen Zeiten, privilegierten Stand, wodurch sich soziale Spannungen aufbauten, denen mit Widerstand gegen die Modernisierung und damit auch gegen die Judenemanzipation begegnet wurde. Somit ist der Begriff des Antisemitismus verbunden mit der Angst in Zeiten des sozialen Wandels den eigenen Status zu verlieren und die Gründe dafür im „aufstrebenden“ Judentum zu sehen. Antisemitismus ist also gekennzeichnet durch eine modernitätsfeindliche, antiliberale Weltanschauung, innerhalb derer die Juden als Ursache aller sozialen, politischen und religiösen Probleme betrachtet wurden, ja auch als Verursacher des Liberalismus überhaupt.[8] So kann als weiterer antisemitischer Aspekt, in Anlehnung an Priesters Rassismusdefinition, die den Antisemitismus als Teil der rassistischen Geschichte beschreibt, die „machtstrategische Praxis zur dogmatischen Untermauerung von Herrschaftsansprüchen“[9] geltend gemacht werden.

Mit noch radikalerem Gehalt und eher an den Auswirkungen des Nationalsozialismus orientiert zeigt sich der Antisemitismusbegriff bei A. Silbermann: „Antisemit ist, wer den Juden die Fähigkeit zur nationalen und kulturellen Strukturzugehörigkeit abspricht, ihre kulturelle, soziale, religiöse und moralische Minderwertigkeit behauptet und dabei im Wirken des Judentums eine Schädigung nationale und ethnischer Strukturen erblickt, woraus sich die Bekämpfung des Judentums ableitet.“[10] Diese Definition beinhaltet demzufolge nicht nur die passive Annahme der genuinen Feindlichkeit der Juden sondern auch die Notwendigkeit für Antisemiten, sie aktiv zu bekämpfen.

Bei der Gründung der „Christlich- Sozialen Arbeiterpartei“ durch Alfred Stöcker im Jahr 1878 sprach der antijüdische Hofprediger vorrangig die Arbeiter an, schnitt allerdings bei den Wahlen schlecht ab, so dass er sich den Mittelschichten zu wand und den Antisemitismus zur politischen Prämisse machte, um dem „jüdischen Liberalismus“ den Kampf anzusagen. Die von Stöcker geführte „Berliner Bewegung“ fand großen Anklang vor allem bei Mittelständlern, Akademikern und Beamten. In seinen Reden vertrat er die Ansicht, Juden, als Rasse, würden eine blutsbedingte Nähe zur Geldwirtschaft und eine Raffinität besitzen, die der „ehrliche Deutsche“ eben aufgrund seiner „germanischen“ Werte nicht innehat. Hier kann ein Ursprung des politischen Antisemitismus in Deutschland gesehen werden.

Jedoch erst nach dem 1. Weltkrieg traten antisemitische Massenparteien hervor, die den leidvollen Weg in die Shoa ebneten.

Einer der antisemitischen und rassistischen Theoretiker war Houston Stewart Chamberlain. In seiner Veröffentlichung von 1899 „Die Grundlagen des 19.Jahrhunderts“ entwickelte er die Idee der ausschließlichen Existenz zweier Urrassen, der germanisch-teutonischen und der jüdischen „Gegenrasse“, die sich in einem alles entscheidenden historischen Endkampf gegenüberstünden, wobei es nur um Sieg oder Vernichtung gehen könnte, also entweder die Juden oder die „Germanen“ die Herrschaft erlangen würden.[11]

[...]


[1] Werner Bergmann, Was sind Vorurteile?, in: Informationen zur politischen Bildung, Vorurteile-Stereotype-Feindbilder, 271, München, 2. Quartal 2001, S. 4.

[2] Ebd., Werner Bergmann, Was sind Vorurteile?, in: Informationen zur politischen Bildung, Vorurteile-Stereotype-Feindbilder, 271, München, 2. Quartal 2001, S. 3.

[3] Vgl. Iring Fetscher, Feindbild-Freundbild und Realismus in der Politik, in: ders., Schwerpunktthema-Feindbilder, Psychosozial 40/89, Psychologie Verlags Union, 1989, S. 9-10.

[4] Vgl. ebd. S.10-11.

[5] Vgl. ebd. S. 13; vgl. auch Werner Bergmann, Was sind Vorurteile?, in: Informationen zur politischen Bildung, Vorurteile-Stereotype-Feindbilder, 271, München, 2. Quartal 2001, S. 4

[6] In Spanien entstand der rassistisch begründete Antisemitismus schon im 16. Jh. mit den Conversos. vgl. Karin Priester, Rassismus, Eine Sozialgeschichte, Leipzig 2003, S. 17-42.

[7] Werner Bergmann, Geschichte des Antisemitismus, München 2002, S. 7.

[8] Werner Bergmann, Geschichte des Antisemitismus, München 2002, S. 17-18.

[9] Karin Priester, Rassismus, Eine Sozialgeschichte, Leipzig 2003, S. 11.

[10] Zitiert in: Wolfram Meyer zu Uptrup, Kampf gegen die „jüdische Weltverschwörung“, Propaganda und Antisemitismus der Nationalsozialisten 1919-1945, Berlin 2003, S. 12.

[11] Vgl.; Karin Priester, Rassismus, Eine Sozialgeschichte, Leipzig 2003, S. 97-100, vgl. auch Werner Bergmann, Was sind Vorurteile?, in: Informationen zur politischen Bildung, Vorurteile-Stereotype-Feindbilder, 271, München, 2. Quartal 2001, S. 40

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die "jüdische Weltverschwörung"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
HS: Feindbilder in der Politik
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V38533
ISBN (eBook)
9783638375597
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weltverschwörung, Feindbilder, Politik
Arbeit zitieren
kathrin hain (Autor:in), 2004, Die "jüdische Weltverschwörung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38533

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