Die Islamisierung in Kosovo und im Balkanraum vom 14.-19. Jh. durch die Herrschaft des Osmanischen Reichs


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung, Fragestellung, Quellen

2. Die Islamisierung des Balkanraumes in der frühen Neuzeit
2.1 Ethnische Strukturen in Kosovo zur Zeit der Osmanischen Herrschaft
2.2 Struktur, Selbstverständnis und Ausprägung des Osmanenreiches
2.3 Der Prozess der Islamisierung vom 14. bis 16. Jh. in Kosovo
2.4 Synkretismus und Krypo-Christentum
2.5 Islamisierung als Folge der Kriege mit dem Habsburgerreich

3. Fazit

4. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung, Fragestellung, Quellen

Wenn man die Diskussion verfolgt, die seit dem 19. Jh. zwischen der albanischen und der serbischen Seite um die jeweiligen Besitzansprüche an Kosovo geführt wird, und wenn man die sich gegenseitig ausschließenden extremen Positionen der Historiker der verschiedenen Ethnien sieht, könnte man zu der Schlussfolgerung kommen, dass das Leben in Kosovo bereits seit dem Aufeinandertreffen der verschiedenen Volksgruppen von Konfrontation zwischen Serben und Albanern bestimmt war.

Die historische Argumentation beider Seiten, die Ansprüche auf das Gebiet mit einem historischen Erstsiedelungsrecht begründet, ist nicht nur prinzipiell haltlos, da sich heutige Herrschaftsansprüche nicht aus der Geschichte ableiten lassen können, sondern sie wird auch ausschließlich mit Argumenten des Romantischen Nationalismus geführt, die aus der ersten Hälfte des 19. Jh. stammen und sich nicht in die Zeit davor übertragen lassen.

Der Gedanke der Nation wird auf eine Zeit zurückprojiziert, in der die Idee vom Nationalstaat noch keine Rolle spielte. Die Sicht auf die Vergangenheit wird in der nationalen Historiographie der Serben und der Albaner verklärt wiedergegeben, um so die Geschichte für heutige Ansprüche instrumentalisieren zu können. Somit wird der Anschein einer historischen Kontinuität im Bestehen der Nation erzeugt, die sich während der Osmanischen Herrschaft nicht habe verwirklichen können, nach dem Zerfall des Reiches aber „wiedergeboren“ worden sei und demzufolge das Recht dazu habe, sich als Nation mit einem ethnisch homogenen Staat zu verwirklichen.

Zweifellos bedeutete die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 und die Eroberung des Balkanraumes durch die Osmanen bis 1455 das Ende des serbischen Großreiches. Es bleibt allerdings fraglich, ob die ethnisch-linguistischen Merkmale während der Zeit der Osmanischen Herrschaft tatsächlich die Rolle spielten, die ihnen von serbischen und albanischen Historikern heute gerne zugedacht wird, oder ob nicht vielmehr andere Faktoren das alltägliche Leben bestimmten.

Zumindest die „westliche“ Geschichtsschreibung hält Assimilation und Symbiose der verschiedenen Volksgruppen im Balkanraum und auch für den Kosovo unter der Osmanischen Herrschaft für wesentlich typischer als einen ethnischen Verdrängungskampf.[1]

Da sich während des Osmanischen Reichs der Islam im Balkanraum verbreitete, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass in erster Linie die Religionszugehörigkeit für den Alltag und den sozialen Status der Einwohner bestimmend war.

Diese Hausarbeit soll sich insbesondere damit beschäftigen, welche Auswirkungen der Islam auf das Leben der Balkanbevölkerung im allgemeinen und den Kosovo im besonderen hatte, wie der Prozess der Islamisierung überhaupt vonstatten ging, wen er erfasste und welche Auswirkungen das auf die Bildung nationaler Identitäten haben sollte.

Da sich aus heutiger Sicht überwiegend Albaner zum Islam bekannten, während die Mehrzahl der Serben ihre christlich-orthodoxe Religionszugehörigkeit beibehielten, muss in diesem Zusammenhang zunächst auch auf die Entwicklung der ethnischen Strukturen sowie auf die Rolle des katholischen und orthodoxen Christentums im Balkanraum und in Kosovo zwischen dem 14. und 18. Jh. eingegangen werden. Nur auf diese Weise kann eine etwaige Verbindung zwischen ethnischer Zugehörigkeit, vorheriger Religion und dem Bekenntnis zum Islam verdeutlicht werden.

Im Anschluss müssen die Struktur des Osmanischen Reiches kurz dargestellt werden und die Änderungen, die seine Ausbreitung über den gesamten Balkanraum seit 1455 mit sich brachte. Für den Prozess der Islamisierung ist dabei von herausragender Bedeutung, in wieweit ein Bekenntnis zum Islam auf freiwilliger Basis erfolgte und ob mit der osmanischen Eroberung eine „nationaltürkische Einengung“ einherging, oder ob ein System installiert wurde, das die Autonomie der lokalen Bevölkerung ermöglichte und religiöse Toleranz zuließ.[2]

Als Quellen stehen insbesondere kirchliche Aufzeichungen über die Religionszugehörigkeit der Einwohner zur Verfügung, sowie Steuerlisten und Militär- und Reiseberichte. Aus diesen gehen auch Informationen über das Verhältnis zwischen Osmanischem Reich und der Balkanbevölkerung hervor.

Der Umgang mit moderner Literatur serbisch-nationaler oder albanisch-nationaler Prägung kann allerdings nur mit Bedacht erfolgen, da fast ausschließlich eine die Problematik zu stark vereinfachende und der jeweiligen Propaganda entsprechende Darstellung erfolgt, die sich oftmals nicht an der historischen Wahrheit orientiert.

2. Die Islamisierung des Balkanraumes in der frühen Neuzeit

2.1 Ethnische Strukturen in Kosovo zur Zeit der Osmanischen Herrschaft

Eine Aussage über die ethnische Zusammensetzung Kosovos für die Zeit vom 14. bis 19. Jh. zu treffen, ist aus verschiedenen Gründen äußerst problematisch, zumal hier allenfalls eine kurze Zusammenfassung der verschiedenen Ansichten dargestellt werden kann. Die vorhandenen Quellen geben in erster Linie Auskunft über die Religionszugehörigkeit, von der man nicht verallgemeinernd auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie schließen kann. Außerdem unterlag die Bevölkerungsstruktur in diesem Zeitraum einem Wandel, der insbesondere mit den Kriegen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Habsburgerreich der Jahre 1683-1699 und 1735-1739 in Zusammenhang stand.

Als in der Forschung weitgehend unumstritten gilt, dass die Albaner Nachkommen der Illyrer sind, die den Balkan bereits in der Antike besiedelten. Die ersten Slawen, die als die Vorfahren der Serben gelten, siedelten vermutlich seit dem 6. Jh. auf dem Balkan.[3] Da dort aber kein albanisches Reich entstand und von serbischer Seite die Verbindung zwischen den Illyrern und den Albanern prinzipiell nicht anerkannt wird, gilt das Kosovo in der serbischen Historiographie als „Wiege der Kultur und des Staates des serbischen Volkes“[4], das seit dem Mittelalter allein serbisch besiedelt gewesen sein soll.

In jedem Fall gehörte das Kosovo seit dem 12. Jh. unter der Herrschaft der Nemanjiden zum serbischen Herrschaftsbereich und stellte während der Blütezeit des Reiches unter Stefan Dušan (1331-1355) das politische, wirtschaftliche und religiöse Zentrum Serbiens dar. Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 und die Eroberung des ganzen Balkanraumes durch die Osmanen bis 1455 bedeutete zweifellos das Ende des unabhängigen serbischen Reiches.[5] Zu diesem Zeitpunkt war das Kosovo höchstwahrscheinlich mit großer Mehrheit von christlich-orthodoxen Serben besiedelt, was z.B. daraus abgeleitet werden kann, dass der Ursprung mittelalterlicher Ortsnamen in diesem Gebiet fast ausschließlich slawisch ist.[6]

Vermutlich siedelten sich aber bereits seit dem Ende des 12. Jh. Albaner in Kosovo an, da diese Region wesentlich fruchtbarer als das gebirgige Umland war. Zur Zeit der türkischen Eroberung kann man von einer Stärke von 4-5% Albanern in diesem Gebiet ausgehen, die allerdings aufgrund des relativ geringen Verhältnisses einem Slawisierungsprozess unterlagen. Die Herrschaft der Türken bedeutete vermutlich weitgehend das Ende dieser Assimilation seit 1455.[7]

Anhand von Namensforschungen lassen sich relativ sichere Erkenntnisse über die ethnische Entwicklung in Kosovo in den darauf folgenden Jahrhunderten gewinnen. Im 16. Jh. entstanden erste Orte, die wegen ihrer Namen eindeutig als albanische Gründungen zu identifizieren sind. Bereits 1582 soll es bereits Gemeinden gegeben haben, in denen niemand mehr serbisch verstanden habe, wie z.B. in Gjakovë (Djakovica).[8]

Dies spricht für einen kontinuierlichen Zuzug von Albanern; allerdings gibt es Theorien, die diese Entwicklung vollkommen anders deuten. Die extremen Positionen von serbischer und albanischer Seite gehen so weit, dass die Existenz der jeweils anderen Ethnie vollkommen abgestritten wird.

Die albanische Historiographie sieht eine signifikante albanische Präsenz in Kosovo bereits zur Zeit des Serbischen Reiches. Da die Albaner allerdings unter serbischer Unterdrückung zu leiden hatten, konnten sie sich erst unter der Osmanischen Herrschaft verwirklichen. Damit wird von albanischer Seite erklärt, warum es bis zum 15. Jh. ausschließlich slawische Ortsnamen gab, und wie die große Zahl von Albanern zustande kam, die zum Islam konvertierten, sobald sie die Möglichkeit hatten, sich von der Unterdrückung durch die serbisch-orthodoxe Kirche zu befreien.[9]

Von serbischer Seite wird selbst die Existenz einer albanischen Minderheit bis ins 17. Jh. bestritten. Bei den Konvertiten, die seit dem 16. Jh. vermehrt zum Islam übertraten, handele es sich ausschließlich um Serben, die zunächst islamisiert und anschließend albanisiert worden seien. Überhaupt wird eine serbische Abstammung für alle Albaner postuliert. Diese seien „albanisierte mohammedanisierte Serben“. Aus diesem Grund seien ca. 30% der Albaner heutzutage ursprünglich serbischer Herkunft.[10]

[...]


[1] Vgl. Lange, Der Kosovo-Konflikt, 6ff.

[2] Vgl. Hösch, Geschichte der Balkanländer, 94ff.

[3] Vgl. z.B. Hemmo, Warum sie Feinde wurden, 144ff.

[4] zit. in Daum (Hrsg.), Albanien, 267

[5] Vgl. Lange, Der Kosovo-Konflikt, 8

[6] Vgl. Clewing, Mythen und Fakten zur Ethnostruktur in Kosovo, in: ders. und Reuter (Hrsg.), Der Kosovo-Konflikt, 26

[7] Vgl. Bartl, Albanien, 60f.

[8] Ebd., 61

[9] Vgl. Malcolm, Kosovo, 111

[10] Vgl. Clewing, Mythen und Fakten, 38ff.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Islamisierung in Kosovo und im Balkanraum vom 14.-19. Jh. durch die Herrschaft des Osmanischen Reichs
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Südosteuropainstitut)
Veranstaltung
Die Kosovo-Kriege von 1389 und 1999: Fakten, Mythen und Internetkrieg
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V38525
ISBN (eBook)
9783638375528
ISBN (Buch)
9783656448525
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islamisierung, Kosovo, Balkanraum, Herrschaft, Osmanischen, Reichs, Kosovo-Kriege, Fakten, Mythen, Internetkrieg
Arbeit zitieren
Daniel Quadbeck (Autor:in), 2003, Die Islamisierung in Kosovo und im Balkanraum vom 14.-19. Jh. durch die Herrschaft des Osmanischen Reichs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38525

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