Metrosexualität als Lebensstil

Abkehr von der Naturalisierung der Geschlechtsrollenstereotype


Intermediate Diploma Thesis, 2005

19 Pages, Grade: 1,3/2,0 - 2 Prüfer


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Homo-Befreiung und Queer Theory
2.2. Intelligibile Geschlechter und (Geschlechts-) Identität bei Judith Butler
2.3. Die (Zwangs)Heterosexualität
2.4. Stabilität der Geschlechtsidentität
2.5. Travestie und Geschlechterparodie

3. Über die Grenzen der Sexualität/ Beispiele

4. Schlussbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Me-tro-se-xu-el-le(r) m; 1.: männlicher Trendsetter des 21. Jahrhunderts. 2: heterosexueller urbaner Mann, mit verfeinerter ästhetischer Wahrnehmung 3: Mann, der Zeit und Geld auf sein Äußeres verwendet 4. Mann, der seine weibliche Seite auslebt (Flocker, Michael – The Metrosexual, 2003:1)

Der Begriff Metrosexualität wurde 1994 erstmals vom britischen Journalisten Mark Simpson publiziert. Aus "metropolitan" und "heterosexual" zusammengesetzt bezeichnet Metrosexualität weniger eine sexuelle Ausrichtung, als einen extravaganten Lebensstil, der keinen Wert auf Kategorisierung in einem Rollenbild legt. Metrosexuelle Männer zeigen eine feminine Seite ihrer Persönlichkeit und nach außen hin Verhaltensweisen, die bis heute eher dem homosexuellen Lebensstil zugeordnet wurden. Sie tragen Röcke, gehen regelmäßig zum Friseur und lassen sich dabei auch ausgefallene Frisuren machen, sie gehen zur Pediküre, Maniküre und geben viel Geld für Mode aus. Michael Flocker, ein Autor der sich mit Ratgebern zur Metrosexualität beschäftigt, schreibt dazu:

„Die scharfe Trennungslinie zwischen heterosexuellen Männern und schwulen Männern wurde in den letzten Jahren sichtlich aufgehoben. Schwule suchen Fitnessstudios auf und huldigen männlichen Idealen, während Hetero-Männer sich nicht länger nur mit der traditionellen Uniform aus Bügelfaltenhose und kariertem Langweiler-Hemd begnügen. Langsam erkennen beide Seiten, dass eine Kraft und ein Geheimnis von der Mehrdeutigkeit ausgeht, und dass Gewandtheit, Stilsicherheit und Selbstvertrauen wichtige Faktoren im Leben des modernen Mannes sind. Angst ist out und Spaß ist in. Die Männer sind nach einer 360-Grad-Wende wieder am gemeinsamen Ausgangspunkt angelangt. Sie treffen sich an dem Punkt in der Mitte wieder, den die Natur schon immer für sie vorgesehen hatte. Das lange trostlose Exil des männlichen Pfaus ist beendet und die Dinge sehen für alle Beteiligten wieder sehr viel heller und freundlicher aus.“ (Flocker, 2003:12f)

So erfreulich diese Behauptung auch sein mag, hat sich die Metrosexualität heutzutage in der Gesellschaft immer noch nicht ganz etabliert. Meistens nur in den Großstädten bemerkbar, (vgl. Definition-„aus "metropolitan" und …), wird sie häufig immer noch der homosexuellen Subkultur zugeschrieben.

Ein „Mann“ ist sozialisiert, und wird zu einem Mann gemacht, wobei es ein bestimmtes Modell gibt, wie ein Mann auszusehen und sich zu verhalten hat. Er identifiziert sich in (mit) der Gesellschaft und er muss sich identifizieren. Ein Mann wird erst dann als „normal-heterosexuell“ genannt. Im Zusammenhang mit der Metrosexualität entstehen dann die Fragen: warum wird Metrosexualität noch nicht als „normal“ akzeptiert und wo sind die Grenzen einer solchen Identität?

Außerdem ist die Metrosexualität ein Lebensstil und Lebensstile kann man „etwa als raum-zeitlich strukturierende Muster individueller Lebensführung auffassen, die von materiellen und kulturellen Möglichkeiten und den eigenen Werthaltungen abhängen […], sowie als Mittel der (sub)kulturellen Einbindung und als Form der Selbstpräsentation des Individuums[…] (nach Kaltenborn 2000, Lüdtke 1995 auf http://de.wikipedia.org/wiki/ Lebensstil ).

Metrosexualität ist in der Gesellschaft eine Selbstpräsentation, sie ist eine modische äußere Erscheinung. Man präsentiert sich in der Gesellschaft und im Alltag so wie man sich fühlt. Und wenn man sich metrosexuell fühlt und Metrosexualität eine „modische Verbindung“ zwischen der schwulen und heterosexuellen Kultur ist, was passiert dann mit den in der Gesellschaft eingeprägten Begriffen wie Homo- und Heterosexualität, sind die so stabil wie wir das glauben. Und sind wir auf solche Begriffe wirklich angewiesen, um unserer Existenz und unserem Leben Sinn zu geben?

Metrosexualität - der altmodische, reproduktive, heterosexuelle Typ wird vergessen und die klassische Vorstellung der Sexualität wird dabei abgelehnt. Die Metrosexualität symbolisiert einerseits die Änderung in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern, anderseits ist sie ein Zeichen von sexueller Stärke und Mut und sogar der Befreiung „nichtmännlicher Wünsche“, die man jahrhundertlang unterdrückt hat.

Ich werde versuchen, die oben genannten Probleme und Fragen im Zusammenhang dieses neuen Lebensstils zu untersuchen anhand der Grundlagen der Metrosexualität. Weiter soll geklärt werden, warum Metrosexualität nichts mit Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung zu tun hat und warum Metrosexualität Queer ist. Ich werde der These nachgehen, dass sie eine Folge der Entnaturalisierung des Geschlechts im Alltag ist und dass die ausschließenden Rollen und Klischees Homo/Hetero damit der Vergangenheit angehören.

2. Hauptteil

2.1. Homo-Befreiung und Queer Theory

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Europa – vor allem in Deutschland – die homophilen Organisationen. Auch wenn sie keine Massenbewegungen wie zum Bespiel die Homo-Befreiungsbewegung (gay liberation) waren, arbeiteten sie für politische Reformen, die die Toleranz gegenüber Homosexualität erhöhten und diese zumindest in einigen Fällen – entkriminalisieren sollten (Jagose, Annamarie 1996:37). Sie haben gekämpft für die Anerkennung von Homosexualität als einem natürlichen, menschlichen Phänomen.

„Es ist kein Zufall, dass die Homophilenbewegung zur selben Zeit entstand, in der sich auch Homosexualität als Identität herauskristallisierte, als es erstmals möglich war, ein Homosexueller oder eine Homosexuelle zu sein […]. Denn während schon seit Jahrhunderten homosexuelles Verhalten von der Religion verdammt und von dem Gesetz verfolgt worden war, war doch der organisierte Protest gegen solche institutionalisierten Vorurteile vor allem Resultat der entstehenden Identitätskategorie »Homosexuell« (Lauritsen und Thorstad, 1974 in Jagose, 1996:37). “

Später nach dem Widerstand bei einer Razzia in der New Yorker Homokneipe Stonewall (27. Juni 1969), die als Ursprung der Homo-Befreiungsbewegung angesehen wird, kritisierten radikalere Gruppierungen „die Strukturen und Werte » heterosexueller Vorherrschaft«“. Sie sahen sich nicht mehr als Heterosexuelle mir der Ausnahme ihrer sexuellen Objektwahl, sondern „forderten als gay liberationists – wie sie sich selbst nannten – das herkömmliche Wissen über geschlechtsspezifisches Verhalten, Monogamie und die Unantastbarkeit des Gesetzes heraus (Jagose 1996:47)“.

Homosexualität wurde dann als einzelne Identität repräsentiert, die von heterosexistischen Machtstrukturen unterdrückt werde. In diesen Machtstrukturen seien die Ungleichheit der Geschlechter, Fortpflanzung und die patriarchale Kleinfamilie privilegiert. Anders als die Homophilenbewegung ging die Homobefreiung von der Annahme aus, dass das System nicht von jenen Menschen radikal verändert werden könne, die selbst Teil davon waren. Das dominierende Verständnis von Geschlecht (wie auch die Institutionen, die es absicherten) könne nur von Schwulen und Lesben beseitigt werden, die ihre untergeordnete Stellung nicht länger hinnähmen und bereit seien das System mit unmittelbaren und symbolischen Gewaltakten zu zerstören. Die Homo-Identität war eine revolutionäre Identität: Sie strebte nicht nach gesellschaftlicher Anerkennung, sondern wollte den Umsturz derjenigen gesellschaftlichen Institutionen, die Homosexualität marginalisierten und pathologisierten. Und da Homosexualität nicht in die normative Auffassung über die Geschlechter passte, sah der Diskurs der Bewegung Homosexualität oft als Vorbotin des Umsturzes dieser Kategorien und damit Wegbereiterin für eine neue , unmittelbare Sexualität aller Menschen (Vgl. Jagose, 1996:53,54).

Das Ziel der Homo-Befreiungsbewegung war mehr als nur eine Tolerierung von Homosexualität. Die Homosexualität sollte nicht als Identität einer Minderheit anerkannt werden, sondern auch der „Befreiung des und der Homosexuellen in uns allen“ dienen (nach Wittman 1992:341, in Jagose 1996:56). Das gleiche gilt heute auch für die Metrosexualität. Männer, die Ihre weibliche Seite ausleben (wollen), sind immer noch nicht akzeptiert. Es sei nicht möglich, bei allen Menschen die Homosexuellen zu erreichen, die in ihnen begraben liegen, die Brüder und Schwestern zu befreien, die in das Gefängnis ihrer Schädel eingesperrt sind (Shelley 1992:34, in Jagose 1996:57).

Die Homo-Befreiungsbewegung träumte aber nicht von einer Zukunft, in der alle homosexuell sein würden. Sie schrieb Homosexualität vielmehr das Potential zu, jene Sexualität zu befreien, die nicht durch die „Zwänge des Geschlechts (sex und gender) beschränkt seien“ (Shelley 1992:34, in Jagose 1996:57f.).

Die Beseitigung von Klischees und das Ziel, Geschlechterrollen, die Institution Familie und solch feste Kategorien wie Homo- Heterosexualität zu befreien, untersucht auch Dennis Altmann. In seinem Kapitel Liberation: Towards the Polymorphous Whole (Befreiung: dem polymorphen Grenzen entgegen) definiert er Befreiung als „die Freiheit von übermäßiger Unterdrückung, die davon abhält, unser grundsätzlich androgynes und erotisches Wesen zu erkennen“ und als „Freiheit zu menschlicher Erfüllung“. Die AktivistInnen der Homo-Befreiung glauben, dass herkömmliche Geschlechterkategorien die Menschen davon abhalten, ihr wahres Selbst zu erkennen.

„Der nicht unterdrückte Mensch erkennt sein bisexuelles Potential […], die Menschen würden sich immer noch verlieben und Beziehungen eingehen, und diese Beziehungen wären sowohl homo- als auch heterosexuell. Die gesellschaftliche Unterscheidung zwischen beiden aber wäre nicht mehr zu halten, und damit entfiele die Beschränkung, zwischen einer ausschließlich heterosexuellen oder ausschließlich homosexuellen Welt wählen zu müssen(Altman, 1972:83 in Jagose, 1996:59).

„Wenn sich alle in alle verlieben dürften, wäre das Wort »homosexuell« hinfällig (Third World Gay Revolution 1992:252ff., in Jagose 1996:60)” und „In einer Welt nach einer homosexuellen Revolution werden alle gesellschaftliche und sinnliche Beziehungen »homo« sein, und Homo- und Heterosexualität sind dann unverständliche Begriffe (Gay Revolution Party Manifesto 1992:344, in Jagose 1996:60).“

Die äußere Erscheinung eines Menschen ist auch eingeschränkt durcheine ausschließlich heterosexuelle oder ausschließlich homosexuelle Welt. Deshalb ist es falsch, ein metrosexuelles Aussehen, der immer noch geschlossenen homosexuellen Kultur zuzuschreiben. Sobald die Begriffe Homo- und Heterosexualität ihre Bedeutung verlieren, beeinflusst dies die Mode und die äußere Erscheinung eines Menschen. Genau diese Veränderung in den Geschlechterverhältnissen und eine Veränderung der altmodischen Stereotype des Aussehens sind heutzutage in den Großstädten bemerkbar.

Mit dem Themenfeld Sexualität und Geschlechterverhältnisse beschäftigt sich ausschließlich die Queer Theory, die eng mit der Metrosexualität verbunden ist. Metrosexualität ist queer, da queer im englischen Sprachraum ein „pejoratives schräg, seltsam, verdächtig, eigenartig“ bedeutete (und zum Teil immer noch bedeutet) (Villa, Paula-Irene2003:107). Queer ist aber auch „das Kürzel für die eigene, »andere« Identität, auf die man stolz war“. Aus einem Schimpfwort (gegen Homosexuelle früher), wurde eine positive Selbst­be­zeichnung (Villa 2003:107). Queer ist keine Identität, sondern einen Kritik mit der Identität […] Man kann behaupten dass Metrosexualität eine Folge dieser Kritik (oder auch selbst die Kritik) ist […] - Queer ist immer eine Identitätsbaustelle, ein Ort beständigen Werdens (Villa 2003:108).

Die Regenbogenfahne (ein Symbol von Queer), die hinzuweisen hat, dass an diesem Ort (Friseure, Cafes, Kneipen, Gruppen, Vereine) schwul-lesbische beziehungsweise politische oder kulturelle (auf der Grundlage homosexueller Identität) Aktivitäten stattfinden, hat auch eine sehr interessante Farbkombination. Die Farben symbolisieren, der Reihenfolge entsprechend die Sexualität, das Leben, die Heilung, die Sonne, die Natur, die Kunst, die Harmonie und die Seele (http://stadt.gayweb.de/service/ symbole/ regenbogenflagge. shtml). Zusammen bedeuten diese Begriffe Freiheit oder genauer gesagt eine Befreiung. Da Metrosexualität eine Befreiung von den alten Klischees und Stereotypen darstellt, gehört sie automatisch dazu, was wiederum nicht bedeutet, dass ein metrosexueller Mann homosexuell orientiert sein muss. Die Metrosexualität ist nur der Anfang eines Befreiungsprozesses und seine ersten Merkmale haben sich bereits äußerlich in der Gesellschaft etabliert. Sie wird sich weiterentwickeln, wie sich auch queer weiter entwickeln wird. „ Queer darf nicht – wie auch sonst keine Kategorie und schon gar keine identitätsbezogene Bezeichnung – abschließend definiert werden. Dies wäre auch politisch fatal, weil es bedeuten würde, etwas zu verwerfen, etwas auszuschließen“ (Villa 2003:110). Queer hat sich weiterentwickelt, von einem Schimpfwort gegen Schwule und Lesben zu einem Symbol der Befreiung und kann gegen die Diskriminierung von Minderheiten (z.B. Kanacke etc.) verwendet werden (http://www.kanak-attak.de/ - Diskriminierung). Genauso wird sich auch wahrscheinlich die Metrosexualität weiterentwickeln von einer modischen Erscheinung zu einem Zeichen der Entnaturalisierung der Geschlechter und deren Etablierung im Alltag.

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Details

Title
Metrosexualität als Lebensstil
Subtitle
Abkehr von der Naturalisierung der Geschlechtsrollenstereotype
College
University of Hannover  (Institut für Soziologie und Sozialpsychologie)
Grade
1,3/2,0 - 2 Prüfer
Author
Year
2005
Pages
19
Catalog Number
V38455
ISBN (eBook)
9783638375139
ISBN (Book)
9783640917501
File size
553 KB
Language
German
Keywords
Metrosexualität, Lebensstil, Abkehr, Naturalisierung, Geschlechtsrollenstereotype
Quote paper
Teodor Kazakov (Author), 2005, Metrosexualität als Lebensstil, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38455

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