Technologische Singularität. Göttliche Ideologie, Spinnerei oder der Weg in eine bessere Zukunft?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Singularität?

3. Folgen der Singularität

4. Technologische Möglichkeiten der Singularität

5. Glauben an die Singularität

6. Nach der Singularität

7. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Der Glaube an Technik zur Verbesserung der Welt hat die Menschen seit je her fasziniert. In der heutigen Welt der Computer und des Internets wird dieser Glaube stärker denn je ausgeübt. In den weltweiten Hochburgen der Technologieunternehmen wird eifrig an „The next big thing“ gearbeitet, um der Menschheit ein zweites Apple, Google oder Facebook präsentieren zu können. Jedes Event zur Vorstellung eines neuen Produktes wird euphorisch von den Technikjüngern gefeiert. Diese Besessenheit von Technologie zur absoluten Verbesserung des Menschen hat in der heutigen Zeit einen Begriff, der allgemein mit Singularity beschrieben werden kann und mit der Singularity University in der Bay Area einen vermeintlich wissenschaftlichen Anlaufpunkt aller Verehrer gefunden hat.[1] So heißt es auf der Webseite: „Our mission is to educate, inspire and empower leaders to apply exponential technologies to address humanity's grand challenges.“[2] Im Folgenden soll der Begriff der Singularity oder zu deutsch Singularität beschrieben werden. Nachdem das Fundament klar umrissen steht, soll außerdem gezeigt werden, welchen Konzepten die Singularität artverwandt ist. Wie der Titel „Singularität - Göttliche Ideologie, Spinnerei oder der Weg in eine bessere Zukunft?“ bereits vorwegnimmt, soll ein kritischer Blick andere Perspektiven auf das Konzept der Singularität aufzeigen. Grundlage dieser Untersuchung werden vor allem Raymond Kurzweil (Erfinder und Director of Engineering bei Google) mit seinem Buch „The Singularity is near“ und Steve Fuller (Professor an der University Warwick, England) sein.

2. Was ist Singularität?

Fangen wir zunächst mit dem Wort Singularität an, das in vielen Disziplinen bereits Verwendung gefunden hat. Allgemein bezeichnet es ein einzelnes Ereignis, nachdem etwas folgt, was nicht zu definieren ist, keinen Sinn ergibt oder auch nicht weiter erklärt werden kann, weil es unserer Logik entfallen und maßgeblich einzigartig ist; der Duden bezeichnet das Wort etwas bodenständiger als „vereinzelte Erscheinung; Besonderheit“[3]. Damit ist der Begriff auf vielfältige Weise anwendbar und wird keiner speziellen Wissenschaft zugeordnet. Die folgende Abhandlung wird sich daher mit der technischen Singularität im Besonderen beschäftigen. Um diese Art der Singularität zu verstehen, ist es sinnvoll, von der alltäglichen Empirie auszugehen, in der wir agieren. Wir Menschen und unsere Umwelt sind physisch und geistig limitiert. Wir stoßen an allem was wir tun irgendwann an Grenzen[4], was dazu führt, dass wir durch Technik versuchen, uns zu erweitern. Körper und Geist werden demnach seit Beginn der Menschheit versucht zu effektivieren, zu erweitern und zu perfektionieren - die Entwicklung des Autos, Flugzeugs oder des Internets sollten Beweis genug sein. Die neueste technologische Errungenschaft ist der Computer, der unseren Geist unterstützt und mitunter auslagert. Bekannte Beispiele sind: Kalender-Anwendungen, Emails oder jegliche Apps zur Produktivitätssteigerung - eben Software. Auch jegliche Objekte (oft als Smart Devices[5] benannt), die durch das Internet miteinander verbunden werden und miteinander kommunizieren, sind der Limitierung unterworfen - physisch sowie durch die Leistung der Computerchips und Prozessoren.

Die technische Singularität geht zunächst davon aus, dass sich seit dem Urknall die Materie, die Erde, die Natur, die Tiere und der Mensch stetig weiterentwickelt haben und immer komplexer wurden. Irgendwann haben wir dann Technologien entwickelt, die uns schließlich das Internet gebracht haben. Ray Kurzweil redet dabei vom „Law of Acceleration“, welches in der Natur als Evolution steckt und sich nun auch auf die Leistungsfähigkeit der Computer übertragen lassen soll. Hinzu kommt das Gesetz von Gordon Moore, welches besagt, dass sich die Komplexität und damit Leistungsfähigkeit der Schaltkreise und Prozessoren alle 12 bis 24 Monate verdoppelt, wobei gleichzeitig der Preis für die Komponenten sinkt und man für einen stetigen Festpreis von 1.000$ im Laufe der Zeit immer mehr Leistung erhält. Das Wachstum der Leistung verläuft dementsprechend exponentiell6. Diese Idee wird von großen Unternehmen wie den Chip-Hersteller Intel sogar als Marketing Botschaft benutzt.[6] „The key idea underlying the impending Singularity is that the pace of change of our human-created technology is accelerating and its powers are expanding at an exponential pace.“[7]

Auf der zuvor geschilderten Erklärung baut nun das Gedankenspiel der Singularität auf; ich nenne es hier konkret Gedankenspiel, weil es bis dato eine reine Hypothese ist. Will man die Formel nun zusammenfassen, so ist die Singularität eine Kombination der Prämissen des exponentiellen Wachstums der Leistung von Computern und der schon je vorhandenen Evolution des Kosmos mit all seinen Entwicklungen und beschreibt demnach einen Zeitpunkt, an dem Maschinen oder Computer in der Lage sind, sich selbst stetig zu verbessern und Leistung oder eben die künstliche Intelligenz nicht mehr endlich res. limitiert ist, sondern ins Unendliche steigt. Die Maschinen sind nicht mehr in ihren eigenen Körpern gefangen, sondern kommunizieren durch gigantische Netzwerke (das Internet) eigenständig. „It [Singularity] represents the nearly vertical phase of exponential growth that occurs when the rate is so extreme that technology appears to be expanding at infinite speed.“[8] Sie erwachen damit gleichsam wie Menschen, erhalten ein Bewusstsein und werden damit selbst menschlich, weil sie eine Intelligenz besitzen, die dem Menschen bei weitem überlegen ist. Dies wird laut Kurzweil die Phase 5 der menschlichen bzw. biologischen Entwicklung sein, die als evolutionäre Fortsetzung der bisherigen Entwicklung der Welt von ihm angesehen wird.[9] Aktuell befinden wir uns in der Phase 4. Die Maschinen erreichen dann in Phase 5 eine Intelligenz, die es Computern erlaubt, das zu machen, was wir Menschen seit Jahrtausenden versuchen: uns zu perfektionieren und selbstständig in der Entwicklung voranzuschreiten. Wann die technische Singularität eintreten wird, mag jedoch niemand vorhersagen können.11

3. Folgen der Singularität

Somit lassen sich die Folgen der Singularität auch nur theoretisch konstruieren, was auf der Logik der zuvor geschilderten Annahme fußt. Das Eintreten der Singularität kann uns Menschen als Spezies massiv weiter bringen und unsere Existenz radikal erweitern oder uns als Menschen zerstören, weil die Maschinen die neue Super-Spezies werden, die uns Menschen als niedere Wesen ansieht. Das Optimale nach Raymond Kurzweil wäre es wohl, wenn die Singularität hilft bzw. die Maschinen, uns Menschen aufgrund ihrer immensen Intelligenz zu perfektionieren oder gar unsterblich werden zu lassen, weil wir Menschen mit den Computern Eins werden. Wie kann man sich das nun vorstellen? Diese Vorstellung klingt arg nach Science Fiction und bedarf Erklärung.

Nach Raymond Kurzweil beinhaltet die Epoche der Singularität vor allem die Bereiche der Genetik, Nano-Technologien und Robotik, die als Converging Technologies (CT) helfen sollen, den Menschen mit den Maschinen zusammenzuführen, um den Menschen zu perfektionieren oder, bodenständiger ausgedrückt, technologisch zu erweitern. Der Mensch als Mensch soll hinter sich gelassen werden, um den Über-Menschen hervorzubringen. Ray Kurzweil bezeichnet die Singularität bewusst als Übergang, da am Ende der Epoche sich der Mensch (oder auch Maschinen, je nach Definition) zu einer neuen Super­Spezies im ganzen Universum ausgebreitet hat.[10] „[...] [CT] that is, the Integration of cutting-edge research in nano-, bio-, info- and cognosciences for purposes of extending the power and control of human beings over their own bodies and their environment.“13 Eine konkrete und spezifische Definition gibt es für CT nicht, jedoch soll folgend dargestellt werden, wie eine Verbindung von zwei bestehenden Wissenschaften in der Praxis einen neuen Paradigmenwechsel erzeugen können und dann schließlich zur Singularität führen sollen.

Der Bereich der Genetik ermöglicht es, den eigenen DNA-Code umzuschreiben, um Krankheiten vorab auszuschließen und den Menschen damit zu verbessern. DNA wird als Software angesehen, die sich wie eine Webseite umschreiben und anpassen lässt. Ethisch höchst zweifelhaft wäre das ein massiver Eingriff in die Natur und ließe den Menschen zum Objekt der Experimente werden. Bereits heute ist es möglich, die DNA anzugehen und damit den Menschen gleichsam zu programmieren.[11]

Der Bereich Nano-Technologien beschäftigt sich unter anderem im Bereich der Molekül-Biologie mit dem Nachbau von komplexen menschlichen Organen. Moleküle werden beliebig wie Bausteine eines Codes angeordnet und produzieren so neue menschliche oder tierische Komponenten res. ganze Lebewesen. Grundbausteine sind hierbei Proteine. Bereits heute werden Organe wie z.B. Nieren aus dem 3D-Drucker hergestellt.[12]

Im Bereich der Robotik heißt das dann, Roboter werden immer kleiner, leistungsfähiger und können sich selbst verbessern wie z.B. Sprachprogramme namens Siri, die durch das Nutzerverhalten lernen. Sie sollen als autonome Entität selbstständige Denkprozesse und jegliche physische Vorgänge durchführen. Begrenzt in ihrer Größe sind sie dabei nicht, entsprechend können sie sämtliche Aktivitäten ausführen, wobei sie als Converging Technology in den Bereichen der Genetik und Nano-Technologien ihr Wirken zeigen. So werden z.B. sogenannte DNA-Nano-Robots in den Körper des Menschen geschickt, um dort nach Tumoren zu suchen. Hier wird deutlich, wie Roboter vor allem als intelligente Steuereinheit gegenüber allem dienen. Geht es nach dem Wyss Institute in Harvard, ist das bereits heute möglich und es können schon jetzt bis zu 12 verschiedene Tumore identifiziert werden.[13]

Diese Bereiche sind nicht nur bereits in der Praxis vorhanden und teilweise einsatzbereit, sie haben auch einen starken Rückhalt in der globalen Forschungsindustrie. So gibt es sogar eine CT-Agenda, die in den USA und Europa bewusst gefördert wird: „The US and the European Union (EU) have been vying to control the direction taken by CT agenda[...]“17 Die EU hat dafür z.B. das Human Brain Project ins Leben gerufen, bei dem es das Ziel ist, das Gehirn möglichst komplett zu verstehen und am Ende kontrollieren zu können, eventuell

sogar den Geist in andere Gefäße übertragen zu können, was ein Weiterleben von Menschen ermöglichen könnte.[14] Es ist gleichsam ein Rennen um den besseren Menschen. Jeder Bereich ist demnach für sich ein eigenes, gigantisches Forschungsfeld, welches ein unglaubliches Spektrum abdeckt, was hier deshalb nicht ausführlich dargelegt werden kann. Es wird aber durchaus verständlich, dass diese Technologien als Converging Technologies bezeichnet werden, weil sie nach ihrem Zusammenschluss einen Paradigmen-Wechsel in nahezu allen Lebensbereichen auslösen sollen. Findet die Singularität statt, werden der Mensch und die Maschinen Eins; sie konvergieren.

Qua Vision erhalten wir dann eine neue Schnittstelle, mit der wir das Beste aus Maschine (unglaubliche hohe Intelligenz und Leistung) mit dem Besten des Menschen verbinden und so den Über-Menschen erhalten.[15] Hier sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Maschinen-Mensch in der Gesellschaft schon immer ein Gedankenspiel war. In der Strömung des Steampunks, der seine Wurzeln bei Jules Verne und H.G. Wells hatte, sah man den Menschen als Maschine an, der ähnlich funktionierte wie dampfbetriebene Apparate[16]. Auch der Philosoph René Descartes (1596 - 1650) sah den Körper eines Menschen als Maschine an.[17] Heute dagegen werden wir als programmierbarer Code angesehen und elektro-chemische Verbindungen im Gehirn sind vergleichbar mit den Internet-Leitungen und Schaltkreisen im Computer.[18]

4. Technologische Möglichkeiten der Singularität

Nach Ray Kurzweil hat die Epoche der Singularität nicht nur in der Wissenschaft massive Auswirkungen, sondern vor allem zum Positiven für den Menschen, weil er sich evolutionär auf die nächste Stufe begibt. Folgend sollen diesbezüglich sechs Beispiele23 vorgestellt werden, was der Mensch dann dementsprechend kann. Ich habe mir dabei erlaubt, seine Ideen mit bereits vorhandenen Technologien als Quelle der Inspiration zu kennzeichnen. Es fällt nämlich durchaus auf, dass bereits vorhandene Technologien aus dem Alltäglichen dabei als Inspiration gedient haben könnten.

Als wohl prominenteste Idee wird dabei die Unsterblichkeit diskutiert, die durch den Upload des Bewusstseins oder Geistes in einen Avatar res. in Computern vollzogen wird (also das Hochladen des Geistes als Software in ein Programm und Vergleichbares). Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass der Körper nur störendes Beiwerk darstellt.

Wie das möglich sein soll, wird nicht geklärt; das prominenteste Beispiel dazu ist wohl der Film „Avatar“. Inspiration könnten aus sozialen Netzwerken wie Facebook kommen, wo Menschen bereits als Avatar ohne physische Existenz leben.

Es wird die perfekte DNA angestrebt, um den Menschen vor Krankheiten zu schützen. Dabei wird die DNA wie ein Programm-Code angesehen, der beliebig umgeschrieben werden kann. Die Inspiration ist hier wohl die Software von Webseiten oder Apps. Damit geht eine beliebige Anpassung des Menschen einher, sowie eine App aktualisiert wird.

Nach der Singularität wäre es möglich, die menschliche Intelligenz mit der Intelligenz der Maschinen zu kombinieren, was nach Raymond Kurzweil zu einer 1.000 Mal intelligenteren Spezies führen würde. Vorstellen können wir uns diese Intelligenz derzeit nicht. Die Inspiration hierbei kommt wohl von den Netzwerkeffekten, die genutzt werden, um mehrere Computer miteinander zu verbinden und die dann höhere Leistung zu nutzen.

Eine weitere Möglichkeit wäre das ewige und allumfassende Wissen, was gleichsam durch eine Art Meta-Gehirn entstehen würde, da der Mensch in der Singularität einen ständigen Zugang zu Netzwerken besitzt. Er wird gleichsam Teil des Internets und kann sich damit gleichsam mit allem verbinden. Die Inspiration kommt hierbei wohl von der Suchmaschine Google und der Möglichkeit der Connected Hardware, die zur Annahme hat, dass jegliches physisches Objekt eine Verbindung zum Internet erhält und damit untereinander kommunizieren kann.

Praktische und realistische Beispiele sind z.B. Kaffeemaschinen und Waschmaschinen, die vom Smartphone aus gesteuert werden können.

Weiterhin können perfekte Voraussagen getroffen werden, was gleichsam einen Blick in die Zukunft erlauben würde. Muster und Strukturen können aufgrund der menschlichen Intelligenz wesentlich besser erkannt werden; der Computer gibt die nötige Superintelligenz, um die Daten zu verarbeiten und zu verbinden. Als Inspiration dient hier wohl das Feld der Big Data und Statistiken.

[...]


[1] Coenen, S. 66

[2] singularityu.org (Webseite)

[3] Duden, S. 936

[4] Kurzweil, S. 24

[5] Ciprina (Webseite)

[6] Intel.com (Webseite)

[7] Kurzweil, S. 24

[8] Kurzweil, S. 34

[9] Kurzweil, S. 28-32

[10] Kurzweil, S. 32

[11] Vgl. Bahnsen (Webseite); Wadhwa (Webseite)

[12] Vgl. Atala (Webseite)

[13] Vgl. Dorrier (Webseite)

[14] humanbrainproject.eu (Webseite)

[15] Kurzweil, S. 35ff

[16] Oxford University Press (Webseite)

[17] Freyermuth, S. 57

[18] Kurzweil, S. 35ff

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Technologische Singularität. Göttliche Ideologie, Spinnerei oder der Weg in eine bessere Zukunft?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V383771
ISBN (eBook)
9783668592568
ISBN (Buch)
9783668592575
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
technische Singularität, singularity, humanity 2.0, homo digitalis
Arbeit zitieren
Felix Wieduwilt (Autor:in), 2015, Technologische Singularität. Göttliche Ideologie, Spinnerei oder der Weg in eine bessere Zukunft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383771

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