Social Trading. Nutzungsmotive aus Sicht des Privatanlegers

Eine Analyse im Licht der anhaltenden Banken- und Finanzkrise sowie Niedrigzinspolitik der Notenbanken


Fachbuch, 2018

139 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract / Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
1.3 Vorgehensweise und Aufbau

2 Katalysatoren der Entwicklung
2.1 Social Web und Nutzungsverhalten
2.2 Banken- und Finanzkrise
2.3 Niedrigzinspolitik der Notenbanken

3 Social Trading
3.1 Basiskonzept
3.2 Definition
3.3 Plattformen und Produkte im Vergleich
3.4 Relevanz und Wahrnehmung

4 Grundlagen der Motivforschung
4.1 Motivtheorie
4.2 Grundmotive und Bedürfnisse
4.3 Motivmessung
4.4 Nutzungsmotive im Social Web und Anlegerverhalten

5 Zentrale Fragestellungen

6 Untersuchungsdesign
6.1 Forschungsmethode
6.2 Operationalisierung und Fragebogen
6.3 Datenerhebung

7 Empirische Ergebnisse der Untersuchung
7.1 Datenaufbereitung und -auswertung
7.2 Deskriptive Analyse
7.3 Kritische Betrachtung
7.4 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

8 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

A. Fragebogen

B. Detailergebnisse - Motivfrage

Abstract / Zusammenfassung

Die vorliegende Masterarbeit erforscht das Phänomen des Social Trading, das auf dem Konzept der Kollektiven Intelligenz basiert und eine noch junge Form der Geldanlage darstellt. Die Arbeit geht der Frage nach, welche Nutzungsmotive für Teilnehmer eine Rolle spielen und liefert erste Erkenntnisse für Plattformbetreiber und Vertreter der Finanzindustrie, die an einer tiefgehenden Analyse interessiert sind.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Banken- und Finanzkrise sowie Niedrigzinspolitik der Notenbanken wurden drei Motiv-Sets mit Hilfe der Motivforschung entwickelt und im Rahmen einer quantitativen Online-Befragung mit Nutzern von drei bedeutenden Social-Trading-Plattformen untersucht. Demnach sind Social Trader tendenziell jünger, veranlagen monatlich mehr und weisen größere Erfahrungen mit verschiedenen Wertpapierarten auf als konventionelle Wertpapierbesitzer. Die Motive Rendite (Leistung) und das Suchen nach Alternativen zu klassischen Bankprodukten (Unabhängigkeit) sind stark ausgeprägt. Deutlich weniger relevant ist das Motiv des Sozialen Anschlusses (Bindung), das Elemente des Social-Web-Gedankens verkörpert.

Als Handlungsempfehlungen für Social-Trading-Anbieter, die zu der Gruppe der FinTech-Unternehmen zählen, können Adaptierungen der bestehenden Produkte und Services wie Verfeinerung von Suchoptionen und- filtern auf der Website für Anleger und die Ausdehnung des Anlageuniversums für Trader abgeleitet werden. Erfolg versprechende Ansätze für eine effiziente Kommunikations- und Marketingstrategie sind das Hervorheben der Überlegenheit der Kollektiven Intelligenz gegenüber herkömmlichen Anlageprodukten und die Aufforderung an Trader ihre Geldanlage-Talente unter Beweis zu stellen.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Informationsquellen der Anlageentscheidung (Quelle: Pellens und Schmidt 2014: 33)

Abbildung 2 Suchinteresse nach „gold“, Kategorie: Finanzen, Region: Deutschland und Österreich (Quelle: eigene Darstellung, Google Trends 2017a)

Abbildung 3 Entwicklung der Leitzinsen ausgewählter Notenbanken (Quelle: eigene Darstellung, Bloomberg 2017)

Abbildung 4 Nettotransaktionen der Privaten Haushalte in Österreich, ausgewählte Positionen (Quelle: eigene Berechnungen und Darstellung, OeNB 2017)

Abbildung 5 Nettotransaktionen der Privaten Haushalte in Deutschland, ausgewählte Positionen (Quelle: eigene Berechnungen und Darstellung, Deutsche Bundesbank 2017a)

Abbildung 6 Elemente Kollektiver Intelligenz (Quelle: eigene Darstellung nach Malone, Laubacher und Dellarocas 2009: 3)

Abbildung 7 Technisches Grunddesign einer Social-Trading-Plattform (Quelle: eigene Darstellung nach Glaser und Risius 2016: 3)

Abbildung 8 Trader Rangliste mit Filterfunktionen (Quelle: ayondo 2017i)

Abbildung 9 Feed-Ansicht von User AlexPlesk (Quelle: eToro 2017i)

Abbildung 10: Wikifolio DACH-Trading&Invest von nickleeson79 (Quelle: wikifolio 2017l)

Abbildung 11 Suchinteresse nach „social trading“, Kategorie: Finanzen, Region: Weltweit (Quelle: eigene Darstellung, Google Trends 2017b)

Abbildung 12 Suchinteresse nach „ayondo“, „etoro“ und „wikifolio“, Kategorie: Finanzen, Region: Deutschland (Quelle: eigene Darstellung, Google Trends 2017c)

Abbildung 13 Grundmodell motivierten Handelns (Quelle: eigene Darstellung nach Heckhausen und Heckhausen 2010: 3)

Abbildung 14 Bedürfnispyramide nach Maslow (Quelle: eigene Darstellung nach Gerrig 2014: 425)

Abbildung 15 Altersverteilung (Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 16 Interesse am Thema Geldanlage im Vergleich (Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 17 Wissensniveau zum Thema Geldanlage im Vergleich (Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 18: Erfahrung mit Finanzprodukten, Mehrfachantworten möglich (Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 19 Nutzungshäufigkeit von Informationsquellen, Skala: 1 = Nie, 2 = Selten, 3 = Gelegentlich, 4 = Oft und 5 = Immer (Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 20 Wöchentlicher Zeitaufwand für die Informationsgewinnung (Quelle: eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht der registrierten Nutzer auf wikifolio nach Ländern per 31.3.2017 (Quelle: eigene Berechnungen und Darstellung, Nic. 2017a,b)

Tabelle 2 Fundamentale Motive (needs) nach Murray (Quelle: eigene Darstellung nach Rothermund und Eder 2011: 95)

Tabelle 3 Anregungsbedingungen und Ziele der Motive Anschluss, Leistung und Macht (Quelle: eigene Darstellung nach Langens, Schmalt und Sokolowski 2016: 4)

Tabelle 4 Abgefragte Aussage-Items und korrespondierende Motive (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 5 Fallzahlen der Erhebung (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 6 Geschlecht der Probanden (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 7 Monatlicher Spar- und Anlagebetrag (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 8 Nutzungsmotive Rendite, Alternative und Information im Vergleich (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 9 Nutzungsmotive Leistung, Unabhängigkeit und Sozialer Anschluss im Vergleich (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 10 Top 6 Motiv-Aussagen der Gruppen (Quelle: eigene Darstellung)

1 Einleitung

Unter dem Titel Vox populi veröffentlichte Francis Galton (1907: 450-451) einen Artikel über eine höchst bemerkenswerte Beobachtung, die er bei einer Viehmesse bei Plymouth machte.[1] Im Rahmen eines Wettbewerbs sollte vor Ort das Gewicht eines bestimmten Ochsen nach seiner Schlachtung geschätzt werden. Für sechs Pence konnte jeder der Anwesenden, unabhängig davon, ob Experte oder Laie, einen Tipp abgeben. Als Anreiz wurden für die genauesten Schätzungen Preise ausgelobt. Nach Auswertung der rund 800 Tipps stellte Galton fest, dass der durchschnittliche Schätzwert nur um einen Pfund vom tatsächlichen Gewicht des geschlachteten Ochsen abwich. Galton stufte das Ergebnis als ein positives Beispiel für die Zuverlässigkeit „demokratischen“ Urteilsvermögens ein.[2]

Im Jahr 2007, genau 100 Jahre nach Erscheinen von Galtons Artikel, wird der Social-Trading-Anbieter namens eToro gegründet (eToro 2017a). Die Geschäftsidee basiert auf dem Konzept der Kollektiven Intelligenz[3] und soll Anlegern via Online-Plattform bessere Investment-Entscheidungen und Veranlagungsresultate ermöglichen. Kurz zuvor hatte James Surowiecki (2005) mit seinem populärwissenschaftlichen Werk „Die Weisheit der Vielen“ die Idee hinter der Kollektiven Intelligenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Kern besteht diese darin, dass Gruppen unter bestimmten Bedingungen klügere Entscheidungen treffen bzw. genauere Schätzungen abgeben als Einzelne.

Nur kurze Zeit später kam es zum Ausbruch der Finanzkrise, die zwei markante Entwicklungen zur Folge hatte: Erstens sahen sich Banken in der Öffentlichkeit vermehrt Kritik ausgesetzt. Enttäuschte Privatanleger vertrauen immer seltener Bankberatern und den von ihnen empfohlenen Produkten. Zweitens wurde die Ära der Niedrigzinspolitik durch die Notenbanken eingeläutet, die bis heute Bestand hat. Für Anleger ist es schwieriger geworden, Investments zu finden, die nach Abzug von Inflation und Steuern eine positive Rendite erwirtschaften.

Indes steht die traditionsbehaftete Finanzbranche endgültig vor der Herausforderung der Digitalisierung. Hatten Banken und Finanzdienstleister in der Vergangenheit noch die „Digitale Revolution“ als eine für ihre Branche nicht relevante Modeerscheinung abgetan oder sie schlicht unterschätzt, wird der Finanzsektor immer stärker durch innovative Start-Ups unter Druck gesetzt.

Diese aufstrebenden Unternehmen rekrutieren sich aus den Bereichen „Financial Services“ und „Technology“, und werden als „FinTechs“ bezeichnet. Deren Produkte zielen auf Anwendungen ab, die vor allem kundenfreundlich, schnell und bequem sind und auf den Kundennutzen fokussieren (Danker 2016: 18). FinTechs richten ihre Aufmerksamkeit meist auf leicht standardisier- und automatisierbare Produkte oder Dienstleistungen der Wertschöpfungsketten etablierter Finanzunternehmen. Unter anderem trifft das für den Bereich Wertpapierhandel und Online-Banking zu (Huyer 2016: 14). Somit können Social-Trading-Anbieter zu der Gruppe der FinTechs hinzugerechnet werden.

Zahlen des deutschen FinTech-Marktes belegen die wachsende Bedeutung. Das Gesamtmarktvolumen betrug 2015 ca. 2,2 Mrd. EUR bei einer durchschnittlichen Jahreswachstumsrate von rund 150 %. Insgesamt wurden 433 Unternehmen erfasst, wobei aufgrund von Fusionen, Insolvenzen oder Neugründungen 346 Unternehmen in Deutschland geschäftlich aktiv sind. Da die Autoren der Studie nicht die Marktvolumina aller Teilsegmente erfassen konnten, liegen die tatsächlichen Zahlen demnach höher (Dorfleitner et al. 2016).

Diese Entwicklung wird gemäß Eisenhofer (2015: 726) durch eine Reihe von Umständen begünstigt. Beispielsweise befinden sich die Web-affinen Generationen X und Y[4] in einer Lebensphase, in der finanzielle Fragen wie die der Vermögensbildung an Relevanz gewinnen. Die bereits erwähnte Finanzkrise und der damit verbundene Vertrauensverlust in Berater tragen ihr Übriges dazu bei. Dies bewirkt, dass Menschen immer öfter ihre Finanzgeschäfte selbst in die Hand nehmen. Viele von ihnen suchen nach Veranlagungsalternativen (ING-DiBa 2016).

War früher der Gang in die Bankfiliale und das Gespräch mit dem persönlichen Wertpapierberater für Privatanleger Usus, so hat sich dieses Bild auch aufgrund des breiteren Informationsangebots geändert. Durch die Informationsvielfalt und „Demokratisierung“ im Netz hat der Einzelne heute mehr Möglichkeiten, an hochwertige Informationen zu kommen und alternative Informationsquellen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus versetzen Social-Media-Angebote Menschen in die Lage, Informationen untereinander auszutauschen. Die immer intensivere Nutzung des Internets, insbesondere des Social Web, unterstreicht den Wandel in der Informationsbeschaffung und des Medienkonsums (ARD/ZDF-Medienkommission 2016, Statista 2017, Integral 2017). Es ist heute leichter denn je, Gleichgesinnte für seine Interessensgebiete im Web zu finden und gleichzeitig eigenes Wissen mit anderen zu teilen.

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Seit 2015 widmet sich die Wissenschaft verstärkt dem Thema Social Trading, wie die steigende Anzahl der Publikationen verdeutlicht. Dennoch ist das vorhandene wissenschaftliche Material überschaubar. Das Literaturstudium hat drei Hauptstoßrichtungen der Forschung erkennen lassen:

1. Allgemeine Betrachtung des Phänomens

In diesen Bereich fallen der Vergleich von Anbietern und deren Produkte sowie die Beschreibung des Phänomens an sich. Während einige Autoren wie Braun (2013) sowie Doering, Neumann und Paul (2015) in ihren Arbeiten Plattformbetreiber und deren Produkte genauer betrachten, ist eine tiefergehende Analyse der zu Grunde liegenden Konzepte des Phänomens (Öynhausen 2015) nur selten durchgeführt worden.

2. Performance-/Renditevergleiche mit klassischen Bankprodukten bzw. Finanzmärkten

Von großem Interesse ist die Verifizierung der zentralen Aussage des theoretischen Konzepts der Kollektiven Intelligenz. Bisherige Untersuchungen zeigen kein eindeutiges Bild, wenngleich einige Forscher zum Ergebnis kommen, dass unter bestimmten Bedingungen Kollektive Intelligenz tatsächlich zu besseren Anlageergebnissen führen bzw. zukünftige Kursentwicklungen von Wertpapieren prognostizieren kann. In diesem Forschungsabschnitt sind die Arbeiten von Bürkler (2015), Chen et al. (2014), Dietrich et al. (2016), Doering, Neumann und Paul (2015), Hill und Ready-Campbell (2011), Hummitzsch (2016), Nofer und Hinz (2014), Oehler, Horn und Wendt (2016), Stiglbauer (2014) sowie Pelster und Breitmayer (2016) erwähnenswert. Eine systematische bzw. „flächendeckende“ Analyse blieb bis heute aber aus.

3. Anlegerverhalten, Kommunikation und soziale Einflüsse

Dieser Teil der Forschung beschäftigt sich einerseits mit dem Anlegerverhalten (Behavioural Finance), andererseits mit den Aspekten der Kommunikation sowie dem Effekt des sozialen Einflusses zwischen den Teilnehmern. Zu diesem Teilbereich zählen wissenschaftliche Arbeiten von Ammann und Schaub (2016), Baghestanian, Gortner und Van der Weele (2015), Glaser und Risius (2016), Heimer (2016), Liu et al. (2014), Lorenz et al. (2011), Pan (2015), Pan, Altshuler und Pentland (2012), Vashevko (2015) sowie Wohlgemuth, Berger und Wenzel (2016).

Nutzungsmotive noch unerforscht

Die Frage warum Personen via Social-Trading-Plattformen ihr Geld veranlagen bzw. sich als erfolgreiche Trader beweisen wollen, ist noch ein weißer Fleck auf der Forschungskarte. Es ist unklar, welche Beweggründe hinter der Nutzung von Social-Trading-Angeboten stecken. Besonderes Interesse an den Nutzungsmotiven der Social Trader haben (potenzielle) Plattformbetreiber, die mit teils unterschiedlichen Produkten versuchen, die Gunst der Anleger zu gewinnen. Verwertbare Aufschlüsse würden helfen, adäquate Produkte sowie Dienstleistungen entwickeln und anbieten zu können. Die vorliegende Arbeit wird in diesem Bereich einen ersten Forschungsbeitrag leisten.

Wie Anleger ihre Investment-Entscheidungen treffen, welche Anlage- und Handelsstrategien sie verfolgen, wie sie einzelne Alternativen bewerten und ob Social-Trading-Plattformen unter Ausnützung der Kollektiven Intelligenz tatsächlich zu besseren Anlageentscheidungen führen, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage

Ziel der Master Thesis ist, relevante Motive von Nutzern von Social-Trading-Plattformen aufzuzeigen, anhand derer (potenzielle) Plattformbetreiber Geschäftsmodelle und Produkte (weiter)entwickeln sowie Kommunikations- und Marketingstrategien ableiten können. Damit kommen als Zielgruppen für die Untersuchung nicht nur Nutzer von Social-Trading-Angeboten in Frage, sondern auch jene, die noch nicht auf einschlägigen Plattformen registriert, jedoch gegenüber dem Thema Wertpapierhandel und Vermögensanlage aufgeschlossen sind.

Im Rahmen der Master Thesis soll folgende zentrale Forschungsfrage beantwortet werden:

- Welche Motive verfolgen Nutzer, wenn sie Angebote von Social-Trading-Plattformen in Anspruch nehmen?

Vertiefende Teilfragen erforschen die Grundmotive einer Person sowie die Unterschiede zwischen den Zielgruppen:

4. Wie wichtig ist das Performance- bzw. Rendite-Argument bei der Suche nach Investmentchancen?

5. Wie stark ist das Motiv, eine Alternative zu klassischen Bank- und Fondsprodukten finden zu wollen, ausgeprägt?

6. Als wie wichtig wird der Informationsaustausch mit Gleichgesinnten angesehen?

7. Gibt es ein dominantes Leitmotiv bzw. Set an Motiven?

8. Wie unterscheiden sich die Motivprofile der einzelnen Zielgruppen?

Als Forschungsmethode wird die Form der schriftlichen Befragung gewählt. Probanden aus den relevanten Zielgruppen können via Internet an der Befragung teilnehmen.

1.3 Vorgehensweise und Aufbau

Der Leitgedanke für diese Arbeit ist die schrittweise Analyse des Forschungsthemas. Die für die Beantwortung der Forschungsfrage wesentlichen Aspekte werden im theoretischen Teil aufbauend erörtert. In Kapitel 2 werden mögliche Katalysatoren des Social Trading vorgestellt und evaluiert. Kapitel 3 stellt das Phänomen Social Trading und das Prinzip der Kollektiven Intelligenz im Detail vor. Anhand von ausgewählten Plattformen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Anbieter aufgezeigt. Den Abschluss bildet eine Sicht auf den derzeitigen Markt und das Potenzial dieser noch jungen Form der Veranlagung am Finanzmarkt. Im vierten Kapitel werden essentielle Motivtheorien und die Grundmotive von Menschen behandelt. Der fünfte Abschnitt beinhaltet die zentrale Forschungsfrage sowie Subfragen, die den Kern dieser Arbeit darstellen.

Der empirische Teil beschreibt in Kapitel 6 zunächst das Forschungsdesign und die angewandte Forschungsmethode. Das Folgekapitel (7) präsentiert die empirischen Ergebnisse der Untersuchung. Das achte und letzte Kapitel bietet dem Leser ein Fazit und inkludiert Handlungsempfehlungen für Plattformbetreiber sowie Aufschlüsse, die sich für die Finanzbranche ergeben. Abschließend wird ein Ausblick auf die Thematik Social Trading für die nähere Zukunft gegeben und mögliche Stoßrichtungen für lohnende Forschungsziele vorgeschlagen.

2 Katalysatoren der Entwicklung

In diesem Abschnitt werden drei mögliche Katalysatoren für die Entwicklung von Social Trading beleuchtet und anhand von Fragestellungen evaluiert:

1. Spielen Social Web und Internet als Informationsquelle bei Finanzthemen bereits eine nennenswerte Rolle?
2. Hat die Banken- und Finanzkrise zu einem Vertrauensverlust der Menschen in das Finanzsystem geführt?
3. Ist seit Bestehen der Niedrigzinspolitik der Notenbanken ein Trend zu höher rentierlichen Veranlagungen beobachtbar?

Belege für positive Antworten auf diese Fragen könnten als Indiz gewertet werden, dass günstige Rahmenbedingungen für alternative Veranlagungsmöglichkeiten wie das Social Trading vorliegen und entsprechende Online-Angebote bei (potenziellen) Anlegern auf fruchtbaren Boden stoßen.

2.1 Social Web und Nutzungsverhalten

Social Trading bedient sich der Funktionsweise von Sozialen Netzwerken und den Grundstrukturen des Social Webs. Es wird untersucht, ob Soziale Medien bei Finanzfragen als Informationsquelle von Anlegern in Betracht gezogen werden.

2.1.1 Definition

Wie lässt sich der Begriff Social Web definieren? Der Ausdruck „the social web“ wurde erstmals durch Howard Rheingold in den 1990er-Jahren geprägt. Rheingold erkannte früh das Web als soziales Medium, in dem der Kommunikationsgedanke im Vordergrund steht (Rheingold 2000: 334). Eine stark erweiterte und vertiefende Definition findet sich bei Ebersbach, Glaser und Heigl (2016: 32): „Das „Social Web“ besteht aus: (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen, sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen.“

Für Griesbaum (2013: 563) ist das Social Web vielmehr ein „gesellschaftlicher Innovationsprozess“, in dem bisherige Barrieren und Grenzen der Kommunikation beseitigt werden.

Der Begriff Social Web wird oftmals mit dem Ausdruck Web 2.0 verwechselt oder synonym verwendet. Letzterer ist vielmehr ein Oberbegriff und umfasst in der ursprünglichen Definition seines „Erfinders“ Tim O’Reilly sieben Aspekte, die allerdings nicht als endgültig zu verstehen sind. Das Konzept des Web 2.0 beinhaltet unter anderem die technische Weiterentwicklung des Internets und beschreibt die wandelnde Rolle des Users vom Content-Konsumenten zum -Produzenten (user generated content). Ein weiterer Aspekt im Konzept O‘Reillys ist die Nutzbarmachung der Kollektiven Intelligenz (O’Reilly 2005).[5] Die Nutzbarmachung Kollektiver Intelligenz im World Wide Web ist für diese Arbeit von besonderem Interesse und wird unter 3.1.3 noch detailliert erörtert.

2.1.2 Anwendungsbeispiele

Im Mittelpunkt des Social Web stehen die Anwendungen mit denen User miteinander kommunizieren und kollaborieren. Da sich in der Literatur bis dato keine einheitliche Einteilung der Applikationen durchgesetzt hat, folgt die untenstehende Auflistung weder einer strengen Klassifizierung noch erhebt sie den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll dem Leser dennoch als Orientierungshilfe dienen und einen Eindruck über die Verschiedenartigkeit der Anwendungen im Netz vermitteln.

Wikis Wiki – übersetzt aus dem Hawaiianischen mit „schnell“ – kann als das Paradebeispiel der Kollaboration im Social Web bezeichnet werden. Der wichtigste Vorteil von Wikis ist die Möglichkeit neue Inhalte zu erstellen oder bestehende zu ergänzen bzw. abzuändern. Das erste im Internet betriebene Wiki namens WikiWikiWeb von Ward Cunningham ging 1995 zum Thema Softwaredesign online (Wikipedia 2016a). Das Beispiel fand in der Folge zahlreiche Nachahmer. Das berühmteste und größte Wiki ist Wikipedia mit über 39,5 Millionen Artikeln in rund 300 Sprachen. Es zählt zu den am häufigsten besuchten Webseiten weltweit (Wikipedia 2016b).

Weblogs (Blogs)

Der Begriff Weblog oder Blog leitet sich von der Kombination der Wörter Web und Log (Logbuch) ab. Blogs stellen eine Art Tagebuch im Web dar und listen chronologisch Beiträge bzw. Posts des Betreibers (Bloggers) auf. Mittels einer Kommentarfunktion können Interessenten auf Beiträge antworten bzw. diese kommentieren (Wikipedia 2016c). In den letzten Jahren haben auch Unternehmen sogenannte Corporate Blogs aufgesetzt, um aktiv in Dialog mit Kunden treten zu können. Die ersten Blogs tauchten Anfang der 1990er-Jahre auf. Die erstmalige Verwendung des Begriffs Weblog im Jahr 1997 wird Jørn Bager zugeschrieben (Ebersbach, Glaser und Heigl 2016: 62-64).

Microblogs

Auf Microblogs werden Kurznachrichten veröffentlicht, die SMS-ähnlichen Charakter besitzen. Der weltweit bekannteste Microblogging-Dienst ist Twitter. Markenzeichen des Dienstes sind Kurznachrichten (tweets) mit maximal 140 Zeichen. Zahlreiche Plattformen wie Xing, Facebook, Instagram, Tumblr und Google+ weisen Microblogging-artige Kurznachrichten – oftmals Statusmeldungen genannt – in ihrem Funktions-Repertoire auf (Wikipedia 2016d).

Twitter wurde im März 2006 gegründet. Aktuell schätzt Twitter die Zahl seiner aktiven Nutzer pro Monat auf 313 Millionen (Twitter 2016).[6]

Soziale Netzwerke

Im Fokus von Sozialen Netzwerken (Social Networks) stehen Menschen und ihre Beziehungen. Zum einen können registrierte Nutzer auf Profilseiten persönliche Daten eingeben und diese veröffentlichen, zum anderen werden Beziehungen zu Freunden und/oder Geschäftspartnern sichtbar gemacht. Als Pionier der Social Networks gilt die Plattform Sixdegrees, die 1997 an den Start ging, jedoch einige Jahre später scheiterte (Ebersbach, Glaser und Heigl 2016: 94-96). Das größte Soziale Netzwerk ist Facebook mit rund 1,94 Milliarden aktiven Usern pro Monat (Facebook 2017).[7]

Social Sharing

Unter dieses Schlagwort fallen Anwendungen, deren Hauptzweck das Teilen (Sharen) von Inhalten jeglicher Art ist. Beliebt sind Plattformen, auf denen Nutzer multimedialen Content (Fotos, Videos, Audios) hochladen und sharen können. Der prominenteste Anbieter, das Video-Portal YouTube, weist laut eigenen Angaben mehr als 1 Milliarde User auf (YouTube 2016).

Beim Social Bookmarking können eigene Lesezeichen (Hyperlinks) verwaltet und ebenfalls mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Mit Aufkommen der Social Networks hat die Bedeutung der Social-Bookmarking-Anbieter wie Delicious stark gelitten oder führte sogar zum Verschwinden dieser wie im Fall von Mr. Wong (Ebersbach, Glaser und Heigl 2016: 128-130).

2.1.3 Nutzungsverhalten

Die Frage, ob im Web nach Finanzinformationen gesucht wird und Social-Media-Plattformen für die Geldanlage relevant sind, muss zunächst von theoretischer Seite aus beleuchtet werden. Ein diesbezüglich erwähnenswerter Ansatz wird von Bukovina (2016: 72-73) formuliert, der den Einfluss von Social Media auf Anleger im Zusammenhang mit Kapitalmärkten untersucht. Demnach sehen sich Anleger gegenüber professionellen Marktteilnehmern in puncto Informationsstand benachteiligt. Um dieses Defizit auszugleichen, konsultieren sie leicht zugängliche Quellen wie Soziale Medien und Suchmaschinen. Die zu Grunde liegende Theorie wird in der Literatur als asymmetrische Informationsverteilung bezeichnet, deren Kern der ungleiche Informationsstand von Vertragspartnern bzw. Käufern und Verkäufern ist (Akerlof 1970: 490-491).

Recherchematerial hinsichtlich der Relevanz und Nutzung des Social Web in Veranlagungsfragen ist im deutschsprachigen Raum nur spärlich vorhanden. Der traditionell niedrige Wertpapierbesitz in Deutschland[8] und Österreich[9] sowie die insgesamt schwach ausgeprägte Aktienkultur könnte für ein generell schwaches Forschungsinteresse am Thema Börse und Geldanlage verantwortlich zeichnen.

Die größte und umfassendste Befragung wurde unter dem Titel „Verhalten und Präferenzen deutscher Aktionäre“ an knapp 425.000 Privatanlegern und rund 900 institutionellen Investoren durchgeführt. Sie erlaubt einen zeitlichen Vergleich aufgrund dreier Wellen in den Jahren 2004, 2008 und 2013 (Pellens und Schmidt 2014). Gefragt nach verschiedenen Informationsquellen sprachen 2013 lediglich 3 % der Befragten Social Media eine sehr hohe oder hohe Bedeutung zu, wenn es um Aktienkauf- und -verkaufsentscheidungen geht. Damit belegen die Sozialen Medien (Facebook, Twitter und Blogs) abgeschlagen den letzten Platz wie in folgender Abbildung abzulesen ist. Höhere Werte erreicht die Antwortkategorie Social Media bei der Frage nach Aktualität (18 %) und Verständlichkeit (11 %). Allerdings stufen nur 2 % der Befragten dieses Medium als vertrauenswürdig ein. Folgende Detaildaten relativieren die Ergebnisse der Studie: Markant ist der hohe Anteil von 52 % der Befragten, die keine Angabe zur Beurteilung über die Bedeutung von Social Media machten. Zudem liegt der Wert der unerfahrenen (meist jüngeren) Privatanleger die Social Media als wichtige Informationsquelle sehen bei immerhin 25 %. Diese Gruppe nimmt das Medium auch als verständlicher und vertrauenswürdiger wahr. Die Autoren räumen des Weiteren ein, dass die jüngere Zielgruppe aufgrund des geringeren Rücklaufs unterrepräsentiert ist (Pellens und Schmidt 2014: 33-37).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Informationsquellen der Anlageentscheidung (Quelle: Pellens und Schmidt 2014: 33)

Weitere Einschränkungen in der Aussagekraft liegen in den fehlenden Vergleichswerten für 2004 und 2008 sowie im Umstand, dass das Medium Internet nicht getrennt von den klassischen Medien abgefragt wurde. Dies hätte zumindest Aufschluss geben können, ob das Web insgesamt als Informationsquelle seit 2004 an Relevanz gewonnen hat.

Andere Quellen bestätigen, dass Social Media für Anleger eine (noch) untergeordnete Rolle spielt. Eine von Spiegel und dem Manager Magazin durchgeführte Umfrage ergab, dass nur 1,9 % der Befragten Soziale Netzwerke als liebste Informationsquelle bezeichneten (Statista 2016a). Bei einer Umfrage unter 1.004 Investoren gaben 5 % der Privatanleger und 13 % der professionellen Anleger an, Social Media häufig als Informationskanal zu nutzen. Gefragt nach Online-Medien sahen Privatanleger (64 %) und professionelle Investoren (55 %) diese in Zukunft mehrheitlich in einer bedeutenderen Rolle, wenn es um Kaufentscheidungen geht (Bare Münze 2015).

Ältere Belege bestätigen aktuellere Ergebnisse bei Anlage-affinen Personen in Deutschland: Während eine von der DZ Bank (2011) durchgeführte repräsentative Umfrage Sozialen Netzwerken eine gegenüber klassischen Informationsangeboten untergeordnete Rolle zuschreibt, sieht die „Anlegerstudie 2012“ (Zerfaß et al. 2012) zumindest bei den bis 40-Jährigen eine relativ häufige Nutzung von Sozialen Medien wie Anlegerforen, Blogs, Finanz-Communities, Wissensportalen und Microblogging-Seiten.

Auch wenn in den beiden folgenden Befragungen Social Media als Informationsquelle nicht separat ausgewiesen wird, wird die wachsende Bedeutung der Online-Kanäle zur Informationsbeschaffung bestätigt. Die aktuellste Umfrage der Bank of Scotland zu diesem Thema ergibt für das Internet mit 77 % den Topwert (nach 61 % im Jahr zuvor) aller angeführten Informationsquellen (Statista 2016b). Ergänzend belegt das CFA Institute (2016a), dass bei der Informationsbeschaffung deutsche Privatanleger der eigenen Online-Recherche gegenüber ihrem persönlichen Finanzberater den Vorzug geben.

2.1.4 Fazit

Social Media hat bei Anlegern in der Informationsbeschaffung noch eine relativ geringe Relevanz. Auffallend ist allerdings, dass vor allem jüngere Bevölkerungsschichten bei Veranlagungsthemen Online-Medien zur Informationssuche wesentlich häufiger in Anspruch nehmen und diesen eine höhere Relevanz und Vertrauenswürdigkeit zusprechen.

2.2 Banken- und Finanzkrise

Im Folgenden wird untersucht, ob sich die Krise negativ auf das Vertrauen der Menschen in Banken und deren Berater ausgewirkt hat.

2.2.1 Ausbruch der Finanzkrise

Im August 2007 kam es zum Ausbruch der Finanzkrise. Am Beginn stand das Platzen der Immobilienblase in den USA, nachdem sich die Preise am US-Immobilienmarkt jahrelang erheblich verteuerten. Im Juni 2006 erreichten die im Case-Shiller-Index erfassten US-Immobilienpreise ihren Rekordstand und begannen danach – etwa ein Jahr vor Ausbruch der Krise – zu sinken (Sinn 2009: 48-49).

Die Gründe für das Entstehen der Blase waren mannigfaltig. Zunächst war es politischer Wille auch einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, insbesondere Minderheiten, ein Eigenheim zu ermöglichen. Die entsprechende gesetzliche Rahmenbedingung ist im Community Reinvestment Act (1977) zu finden, der 1995 unter der Amtsführung von Präsident Bill Clinton novelliert wurde. Damit wurden Banken gezwungen, Kredite auch an Gruppen zu vergeben, die eine höhere Ausfallswahrscheinlichkeit der Rückzahlung besaßen. Tatsächlich führte die Lockerung der Kreditvergabe zu einem raschen Anstieg der abgeschlossenen Hypothekarkredite (Sinn 2009: 119-123).

Die dadurch ausgelöste Nachfrage ließ die Preise am Immobilienmarkt ansteigen. Dies bestärkte weitere Bevölkerungsgruppen ebenfalls den Schritt einer Kreditaufnahme zu wagen, was sich in weiterer Folge wiederum positiv auf die Preise auswirkte. Hinzu kamen das gewonnene Gefühl einer sicheren Wertanlage und das Vertrauen, dass Medien in Zeitungsberichten und Fernseh-Shows der breiten Masse vorgaukelten (Akerlof und Shiller 2009: 218-222).

Die florierende Immobilienbranche war aber auch gleichzeitig Nährboden für betrügerisches Vorgehen vieler Beteiligter. Gutachter und Hypothekenmakler waren an hohen Bewertungen und zahlreichen Abschlüssen interessiert, die ihnen entsprechende Provisionen brachten. Kreditanträge wurden oft im Namen des Kunden ausgefüllt und den Banken überreicht. Diese wiederum prüften die Angaben meist nur nachlässig bzw. ungenügend, da sie vom gestiegenen Kreditvolumen profitierten und möglichst viel Geschäft lukrieren wollten. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch eine wenig restriktive gesetzliche Regulierung (Ritholtz und Task 2009: 120-124).

Die obigen Gründe führten zu einem regelrechten Boom und zum Anschwellen der Preisblase. Das Problem lag jedoch in den verbrieften Kreditforderungen. Dabei werden meist tausende Kreditforderungen zusammengefasst und zu einem Wertpapier gebündelt. Die erwarteten Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditnehmer werden schließlich an Interessenten in Form von speziellen Anleihen (Collateralized Debt Obligations - CDOs) verkauft. Der besondere Reiz bestand in der höheren Verzinsung gegenüber US-Schatzbriefen oder Unternehmensanleihen (Ritholtz und Task 2009: 109-110). Die seit den 1930iger Jahren praktizierte Vorgehensweise beschränkte sich meist auf Hypotheken mit geringem Ausfallsrisiko. Im Zuge des Booms verkauften Emittenten, meist Zweckgesellschaften von Banken, verstärkt auch Forderungen auf weniger sichere Hypothekarkredite, sogenannte Subprimes. Des Weiteren wurden diese Zahlungsansprüche in Tranchen, die die Reihenfolge der Bedienung der Ansprüche bei Ausfall von Kreditnehmern regelt, geteilt. Ratingagenturen bewerteten Senior-Tranchen (vorrangige Bedienung) dieser Anleihen mit der Höchstnote AAA und vermittelten dem Investor ein Bild der Sicherheit, obwohl die Kredite nach wie vor ein erhöhtes Ausfallsrisiko aufwiesen (Krugman 2009: 175-176). Mit Sinken der Immobilienpreise 2006 und dem verstärkten Ausfall von Kreditnehmern stürzte das Kartenhaus ein und brachte sowohl Emittenten der CDOs als auch deren Besitzer in die Bredouille.

Der Markt für hypothekenbesicherte Wertpapiere brach zusammen. Ferner trauten Banken sich gegenseitig nicht mehr Geld zu leihen, was sich am Interbankenmarkt bemerkbar machte. Da auch europäische Banken in CDOs investiert hatten, schwappten die Probleme nach Europa über. Spätestens mit der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 war klar, dass es sich nicht mehr um ein rein amerikanisches Problem handelte. Die globale Vernetzung des Finanzwesens hatte zur Folge, dass das fehlende Vertrauen der Banken untereinander das gesamte Finanz- und Bankensystem in Mitleidenschaft zog (Frank 2012: 47-52).

In Europa bekamen ab 2010 vor allem die sogenannten PIIGS-Staaten[10] Probleme mit ihrer Staatsverschuldung. Garantien für heimische Banken erhöhten das Kreditrisiko dieser Staaten und führten zu Bonitätsverlusten bei Ratingagenturen. Dies zwang die Länder zu höheren Zinsen bei der Begebung von neuen Staatsanleihen, was sich wiederum negativ auf den Staatshaushalt auswirkte. Am härtesten betroffen war Griechenland, für das ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt werden musste. Die nicht zu übersehenden Probleme Europas äußerten sich in einem schwachen Euro, der gegenüber dem Dollar schwer unter Druck kam (Frank 2012: 52-57).

Die Krise wirkte sich mit zeitlicher Verzögerung auch auf die Realwirtschaft aus und ließ zahlreiche Volkswirtschaften in die Rezession schlittern. In der Regel wird im Falle einer Rezession seitens der Regierungen und Notenbanken ein Bündel von Maßnahmen gesetzt, um die Auswirkungen abzumildern und die Wirtschaft zu beleben. Beispiele dafür sind Zinssenkungen der Notenbank, Start von Konjunkturprogrammen und die Senkung von Steuern (Akerlof und Shiller 2009: 129). Auch diesmal wurden die genannten Gegenmaßnahmen in unterschiedlichen Variationen in den einzelnen Ländern initiiert.

Die Nachwehen der Krise von 2007 sind bis heute spürbar. Banken stehen immer wieder vor Finanzierungsproblemen und besitzen oftmals Kreditportfolios, deren Ausfallsrisiko als relativ hoch gilt. Wiederholte Aufmerksamkeit erregt die italienische Bankenlandschaft. Die italienische Regierung beschloss vorsorglich ein bis zu 20 Mrd. EUR großes Rettungspaket, das Kreditausfälle der schwer angeschlagenen Bank Monte dei Paschi di Siena und anderer Institute abdecken soll (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2016). Die Bankenprobleme sind keineswegs auf Italien begrenzt. Stellvertretend sei auf die schwierige Situation der Deutschen Bank verwiesen (n-tv 2016).

2.2.2 Gold als Angst- und Krisen-Barometer

Mit der Pleite von Lehman Brothers stand das Weltfinanzsystem vor dem Zusammenbruch. Es setzte eine Nachfragewelle nach Gold ein. Dies resultierte in erheblichen Lieferschwierigkeiten der Händler, die die Nachfrage ihrer Kunden nach Goldbarren und -münzen kaum noch befriedigen konnten. Auch erhöhte sich das Volumen von Exchange Traded Funds (passive Investmentfonds), die in Gold physisch investieren, deutlich (Speck 2010: 170-171). Abgesehen von einer Kursschwäche im Oktober desselben Jahres, verteuerte sich der Goldpreis in Euro in den folgenden Monaten. Dass bei Ausbruch von Krisen die Goldnachfrage und meist auch dessen Preis steigen, ist oftmals beobachtbar. Steinbach (2012: 25) führt als Beispiele die Ölkrise (1980), die Wirtschaftskrise (2007) und die Griechenlandkrise im Jahr 2010 an.

Dass Gold als Anlageform längst wieder in den Fokus der Bevölkerung gerückt ist, zeigen Ergebnisse einer viermal jährlich erhobenen Umfrage über die Einschätzung von Spar- und Anlageformen in Österreich. Demnach halten 33 % der Befragten Gold per Ende September 2016 für eine besonders interessante Anlagemöglichkeit. Ende 2007 lag dieser Wert bei nur 7 % und stieg seitdem – mit kurzen Unterbrechungen – kontinuierlich an (GfK 2016).

Dieser Befund deckt sich auch mit dem Suchverhalten der Internet-User in Suchmaschinen. Die Suchmaschine Google bietet unter dem Namen Google Trends ein kostenfreies Tool an, mit dessen Hilfe das Suchinteresse nach Begriffen historisch abgefragt werden kann. Die folgende Grafik zeigt das relative Suchaufkommen für den Begriff „gold“. Die höchste Anzahl der Suchanfragen wird mit dem Wert 100 gekennzeichnet. Die übrigen Monatswerte werden in Relation gesetzt. Auch wenn keine absoluten Werte dargestellt werden, sind Aussagen zur Entwicklung im Zeitverlauf möglich. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland ist das Interesse am Thema Gold seit 2007 markant gestiegen (Google Trends 2017a). Besonders hohe „Nachfrage“ generierten Krisenausbrüche und außergewöhnliche Kursentwicklungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Suchinteresse nach „gold“, Kategorie: Finanzen, Region: Deutschland und Österreich (Quelle: eigene Darstellung, Google Trends 2017a)

2.2.3 Vertrauensproblem der Banken und ihrer Berater

In den Medien ist immer häufiger zu lesen, dass weite Teile der Bevölkerung ihr Vertrauen in Geldinstitute und ihre Berater verloren hätten. Tatsächlich sprechen folgende Recherchen für diese These: In der weiter oben bereits angeführten Untersuchung „Verhalten und Präferenzen deutscher Aktionäre“ (Pellens und Schmidt 2014) messen 2013 nur mehr 30 % der Aktionäre Banken, Sparkassen und Brokern eine sehr hohe bzw. hohe Bedeutung als Informationsquelle zu. 2008 lag dieser Wert noch bei 40 %. Für die Aktualität (42 nach 51 %), Verständlichkeit (39 nach 49 %) und Vertrauenswürdigkeit (27 nach 39 %) ergeben sich ebenfalls rückläufige Tendenzen (Pellens und Schmidt 2014: 33-37). Eine weitere Studie unter dem Titel „EY Global Consumer Banking Survey 2014“ (Ernst & Young 2014) erhob das Vertrauen in die Bankbranche weltweit. In Österreich gaben 39 % der Befragten an, dass ihr Vertrauen in Banken gesunken sei. Für 5 % erhöhte sich das Vertrauen in diese, was saldiert einen Vertrauensverlust von 34 % ergibt. Für Deutschland beträgt der saldierte Wert nur unwesentlich weniger (32 %).

Kein gutes Zeugnis in Sachen Vertrauen stellt auch der jüngste Global Trust Report den Banken und Versicherungen aus. Diese Studie erhebt weltweit alle zwei Jahre das Vertrauensbild in Institutionen und Branchen. Nur 33 % der Deutschen halten die Finanzbranche für vertrauenswürdig. 2011 vertrauten noch 36 % der Befragten dieser Branche. 2013 wurde mit 29 % der bisherige Tiefpunkt erreicht. Im Vergleich mit anderen Industriesparten war der Banken- und Finanzsektor stets das Schlusslicht in dieser Rangliste (GfK 2015). Gemäß der Studienergebnisse liegt auch in Österreich die Finanzbranche mit rund 49 % auf dem letzten Platz (2015a).

Dass Banken und deren Berater weniger oft als Informationsquelle genutzt werden, kann als ein Indiz für ein geringeres Vertrauen interpretiert werden. Diesbezüglich wird nochmals die Umfrage der Bank of Scotland (Statista 2016b) herangezogen. Demnach nutzen nur mehr 36 % der Probanden Empfehlungen von Finanzexperten bzw. Bankberatern als Informationsquelle. 2015 lag der Wert noch bei 48 %. Das Vertrauensproblem der Finanzbranche wird auch durch eine internationale Studie namens „From Trust to Loyalty“ augenscheinlich, gemäß der nur 40 % der Privatanleger in Deutschland der Finanzindustrie vertrauen (CFA Institute 2016a).

2.2.4 Fazit

Umfragen und Studien belegen, dass das Vertrauen in Banken und deren Berater in den letzten Jahren zum Teil stark gelitten hat. Die rückläufige Relevanz als Informationsquelle in Geldfragen ist hierfür ein Indikator. Gute Anhaltspunkte für diese Entwicklung sind ferner der Goldpreis und das Suchverhalten nach Gold im Internet – beide produzieren bei diversen Krisen Hochstände. Insgesamt kann attestiert werden, dass Banken in den letzten Jahren verstärkt mit Reputationsverlusten zu kämpfen haben.

2.3 Niedrigzinspolitik der Notenbanken

Wie im vorherigen Kapitel erwähnt, haben Regierungen und Notenbanken verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Finanzkrise einzudämmen und die Auswirkungen auf die Realwirtschaft abzumildern. Eine dieser Maßnahmen war die schrittweise Senkung der Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken der Welt. Mit sinkenden Zinsen sollten einerseits neue Kredite verbilligt und damit auch die Ausfallswahrscheinlichkeit von laufenden Krediten minimiert, andererseits die Konjunktur durch ein attraktiveres Investitionsklima stimuliert werden.

2.3.1 Internationale Zinsentwicklung

Während EZB-Chef Mario Draghi am 8. Dezember 2016 verlautbarte, dass die Zinsen in der Eurozone unverändert bei 0 % blieben (Manager Magazin 2016), erhöhte die FED nur wenige Tage später ihre Zinsen um einen viertel Prozentpunkt auf die Spanne 0,5 bis 0,75 % (SPIEGEL ONLINE 2016). Zuletzt erhöhte die FED den US-Leitzins am 14. Juni 2017 um 0,25 Prozentpunkte auf die neue Zinsspanne von 1,0 bis 1,25 %. Ein weiterer Zinsschritt im laufenden Jahr wurde seitens der FED-Chefin Janet Yellen angedeutet (ZEIT ONLINE 2017). Untenstehende Grafik zeigt die Entwicklung der Leitzinsen der Federal Reserve (FED), der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bank of England (BoE) und der Schweizer Nationalbank (SNB) ab 2007 und verdeutlicht die massiven Zinssenkungen der Notenbanken (Stand per 18.6.2017).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Entwicklung der Leitzinsen ausgewählter Notenbanken (Quelle: eigene Darstellung, Bloomberg 2017)

Die Abbildung zeigt, dass die US-Notenbank zum vierten Mal hintereinander ihren Leitzins anhob. Ob die Zinswende auch in Europa folgen wird, bleibt noch abzuwarten.

2.3.2 Anlageverhalten der Privathaushalte in Österreich

Wie hat sich das anhaltende Zinstief auf die Vermögensdisposition der privaten Haushalte ausgewirkt? Werden höher rentierliche Anlagen gesucht? Ein Blick in die Statistiken der Österreichischen Nationalbank bringt Aufschluss. Die folgende Abbildung zeigt die Nettotransaktionen (= Zu- minus Abflüsse) für ausgewählte Vermögenspositionen des Sektors Private Haushalte in Österreich seit Ende 2006. Auffällig sind die hohen Zuflüsse bei Bargeld und Einlagen (kumuliert: +70,4 Mrd. EUR) und mit deutlichem Abstand auch bei Investmentzertifikaten (kumuliert: +11,3 Mrd. EUR). Nach Zuflüssen bei verzinslichen Wertpapieren in den ersten Jahren kam es bei Anleihen zu Nettoverkäufen (kumuliert: 0 Mrd. EUR). Für Aktien ergibt sich eine stabile Tendenz und in Summe eine leicht positive Bilanz von 3,3 Mrd. EUR.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Nettotransaktionen der Privaten Haushalte in Österreich, ausgewählte Positionen (Quelle: eigene Berechnungen und Darstellung, OeNB 2017)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass österreichische Haushalte trotz Zinstiefs Bargeld und Einlagen gegenüber Wertpapieren eindeutig präferieren. Die Attraktivität der Anleihen nahm ab und führte in den letzten Jahren zu Nettoverkäufen. Obwohl Privathaushalte Ende 2016 über ca. 625 Mrd. EUR Gesamtfinanzvermögen verfügten und die Bestände sich damit im Vergleich zu Ultimo 2006 um fast 40 % erhöhten, ist ein klarer Trend in Richtung Aktien und Investmentzertifikate ausgeblieben (OeNB 2017).

2.3.3 Anlageverhalten der Privathaushalte in Deutschland

Auch in Deutschland bevorzugt der Sektor Private Haushalte eindeutig Bargeld und Einlagen gegenüber Kapitalmarktprodukten. In den letzten Jahren ist sogar eine Verstärkung des Trends erkennbar, obwohl zuletzt Haushalte am Markt als Nettokäufer bei Fonds und Aktien auftraten. Ferner ist bemerkenswert, dass Anleihen bereits ab 2008 durchwegs Negativsaldi aufweisen. Insgesamt halten sich im vorliegenden Zeitraum die Abflüsse bei Anleihen (112,2 Mrd. EUR) mit den Zuflüssen in Fonds und Aktien (108,6 Mrd. EUR) in etwa die Waage. Die Entwicklung der einzelnen Positionen sind der untenstehenden Abbildung zu entnehmen (Deutsche Bundesbank 2017a).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Nettotransaktionen der Privaten Haushalte in Deutschland, ausgewählte Positionen (Quelle: eigene Berechnungen und Darstellung, Deutsche Bundesbank 2017a)

Was das Gesamtvermögen der Privaten Haushalte in Deutschland betrifft, ist seit Ende 2006 eine im Vergleich zu Österreich parallele Entwicklung zu beobachten. Mit Ultimo 2016 beläuft sich das Gesamtvermögen der deutschen Haushalte auf ca. 5.586 Mrd. EUR und konnte in der betrachteten Periode um 38 % zulegen (Deutsche Bundesbank 2017a).

Somit kann den Deutschen ebenfalls ein vorsichtiges Investitionsverhalten bescheinigt werden. Zu dieser Einschätzung kommen auch Brandmeir und Holzhausen (2016) in einem europäischen Vergleich für den Zeitraum 2012 - 2015. Nur 6,5 % des Gesamtvermögens deutscher Haushalte sind direkt in Aktien veranlagt. In Österreich beträgt der Wert gar nur 4,5 %. Damit bilden beide Länder in dieser Kategorie das Schlusslicht. An entsprechenden Mitteln würde es nicht mangeln. Die durchschnittliche Sparleistung pro Kopf und Jahr betrug in Österreich 1.060 und Deutschland 1.940 EUR.[11]

2.3.4 Fazit

Daten sowohl deutscher als auch österreichischer Privathaushalte offenbaren eine konservative Disposition des Geldvermögens. Die anhaltende Niedrigzinspolitik hat sich nicht auf die dominante Stellung von Bargeld und Einlagen ausgewirkt. Beobachtet werden können allerdings Nettoverkäufe von verzinslichen Wertpapieren, die aufgrund der niedrigen Zinsen unmittelbar von der Geldpolitik der Notenbanken betroffen sind und daher in der Veranlagungsstrategie der Anleger an Bedeutung verlieren. Ein Trend zu Fondsinvestments, die in der Regel langfristig höhere Renditen bringen, ist seit 2012 feststellbar. Bei Aktien waren die Zuflüsse in Deutschland zuletzt positiv, jedoch kann summa summarum nicht von einem klaren Trend zu höher rentierlichen Veranlagungen gesprochen werden.

3 Social Trading

Im vorherigen Kapitel wurden mögliche Katalysatoren der Entwicklung von Social Trading diskutiert. Ziel dieses Abschnitts ist, zunächst das Basiskonzept und die damit verbundenen theoretischen Modelle aufzuzeigen. Danach wird Social Trading begrifflich definiert und die Funktionsweise dem Leser vorgestellt. Ein weiterer Teil vergleicht ausgewählte Plattformen und Produkte und hebt Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede einzelner Anbieter hervor. Abschließend wird untersucht welche Position Social Trading am Markt einnimmt und welches Potenzial diesem Phänomen in der Finanzindustrie eingeräumt wird.

3.1 Basiskonzept

Der Begriff Social Trading steht für eine noch relativ junge Veranlagungsmethode und kann in die Komponenten Social Web und Trading gesplittet werden. Das Kernelement für Social-Trading-Plattformen stellt das Prinzip der Kollektiven Intelligenz dar. Zusammen bilden diese drei Komponenten das Basiskonzept.

3.1.1 Social Web und Online Communitys

Ein wesentlicher Bestandteil von Social-Trading-Plattformen sind Anwendungen des Social Web wie sie im Kapitel 2.1 bereits beschrieben wurden. Ergänzend ist das Konzept von Online Communitys[12] zu nennen. Die Literatur kennt zahlreiche Definitionen, die diese Phänomene beschreiben, nach Ausrichtung (Ziel) klassifizieren und Communitys aus einem bestimmten Blickwinkel (kommunikationswissenschaftlich, soziologisch, multidisziplinär, etc.) betrachten.[13] Ebersbach, Glaser und Heigl (2016: 191-192) verwenden in ihrer Beschreibung Charakteristika, die in den unterschiedlichen Ansätzen immer wieder verwendet werden. Demnach kann eine Online Community als Gruppe von Individuen bezeichnet werden, die miteinander in Beziehungen stehen und ein zentrales Ziel vor Augen haben. Dabei werden die Möglichkeiten der computerbasierten Kommunikation genutzt.

Für Griesbaum (2013: 570) können virtuelle Communitys Mehrwerte schaffen, gemeinsames Wissen generieren und Einzelne ihre Fähigkeiten erweitern. Diese Ansicht deckt sich gut mit der weiter unten vorgestellten Grundidee der Kollektiven Intelligenz. Online Communitys sind somit in der Lage das in der Gemeinschaft befindliche Potenzial zu nutzen. In diesem Zusammenhang verweisen Ebersbach, Glaser und Heigl (2016: 202) auf das Gesetz von Metcalfe, das besagt, dass mit wachsender Teilnehmeranzahl auch die Interaktionen und dadurch der Nutzen in einer Community zunehmen.

Gleichzeitig bedarf es ein Mindestmaß an Aktivität der Mitglieder, um das „Überleben“ einer Online Community zu sichern. Deren Mitglieder können grob in zwei Gruppen unterteilt werden: Erstens in jene, die selbst Beiträge verfassen, Kommentare posten, etc. und zweitens in jene, die eine passive Rolle einnehmen und nur selten selbst aktiv werden. Letztere Gruppe ist stets in der Überzahl (Lampel und Bhalla 2007: 439-440). Nielsen (2006) geht einen Schritt weiter und postuliert die 90-9-1-Regel für Soziale Medien und Online Communitys. Demnach sind 90 % der User inaktiv (sogenannte Lurkers), 9 % tragen selten mit Inhalten zur Community bei und nur 1 % ist tatsächlich aktiv.

Die stetige Verbreitung der Internetnutzung in der Bevölkerung ab den späten 1990iger Jahren hatte zur Folge, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Interessen und Zielen in das WWW einstiegen. Gleichgesinnte „trafen“ sich auf Plattformen und schlossen sich zu Communitys zusammen, die dem Informationsgewinn und Meinungsaustausch via Foren dienten. In Internet- oder Webforen können Mitglieder Beiträge (Posts) verfassen und auf bestehende Kommentare antworten. Die daraus entstehende Diskussion ist einem Hauptthema gewidmet und kann in Unterforen gegliedert werden. Foren eignen sich besonders gut für den Aufbau von virtuellen Communitys und sozialen Strukturen (Stieglitz 2008: 75). Das Thema Börse und Finanzen blieb von dieser Entwicklung nicht unberührt.

1994 wurde boerse.de als erstes Online-Finanzportal in Europa gegründet und beinhaltete zu Beginn lediglich rudimentäre Informationen und Hyperlinks (Börsenverlag 2017). Im Jahr 1998 gingen eine Reihe von deutschen Online-Finanzcommunitys wie ariva.de, onvista.de und wallstreet-online.de mit wesentlich breiterem Informationsangebot und mehr Community-Tools (zum Beispiel: Foren) an den Start (ARIVA.DE 2017, OnVista Group 2017 und wallstreet:online 2017). Für Österreich können stellvertretend Seiten wie aktien-portal.at, austrostocks.com und bluebull.com genannt werden, für die Schweiz die Webadressen borsalino.ch, stockx.ch und swissinvest.com (Höller 2001: 198-199, 211-212).

Historisch betrachtet bildeten sich Online-Trading-Communitys, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Devisenmarkt, sprich Foreign Exchange (FX), um Foren herum. Aus diesem Grund fokussieren Social-Trading-Anbieter in ihrer Produktausgestaltung auf das FX-Thema (Glaser und Risius 2016: 3). Auf entsprechende Anbieter wird in Kapitel 3.3 noch näher eingegangen. Auch viele Online Broker haben Kommunikationstools wie Foren und Chats auf ihren Webseiten eingerichtet, um Kunden und Interessenten den Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu ermöglichen (Weinberger 2001: 24). Der folgende Unterpunkt 3.1.2 beschreibt das Prinzip des Online Brokerage ausführlicher.

Als Offline-Pendant von Online-Börsencommunitys können klassische Investmentclubs bezeichnet werden. Diese Zusammenschlüsse von Privatinvestoren verfolgen das Ziel, mit relativ kleinen Beträgen gemeinsam erfolgreich zu veranlagen und dabei das Risiko zu streuen. Der Informationsaustausch und das Lernen voneinander spielen ebenfalls eine Rolle. Die Clubs sind regional oder überregional in eher kleineren Gruppen organisiert. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig zu Club- und Infoabenden (Berlin.de 2012).

Investmentclubs haben zumindest in den USA durch das Aufkommen der Sozialen Netzwerke gemäß Heimer (2016: 2) an Bedeutung verloren. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) schätzt die Zahl der deutschen Investmentclubs im März 2016 auf 6.000, nachdem die Finanzkrise für regen Zulauf sorgte und es bundesweit etwa 7.000 Clubs gab. Für den Rückgang sind verschiedene Gründe verantwortlich. Social Trading bzw. Soziale Netzwerke wurden als Ursache von Tüngler nicht genannt (boerse.ARD.de 2016).

3.1.2 Online Brokerage und Online Trading

Um von der Community bzw. von einzelnen Tradern profitieren zu können, müssen Investment-Entscheidungen in konkrete Transaktionen bzw. Wertpapiergeschäfte umgesetzt werden. Einige Social-Trading-Anbieter haben daher eine Handelsfunktionalität auf ihrer Online-Plattform integriert und ermöglichen registrierten Nutzern ihre Geschäfte direkt oder indirekt über sogenannte Broker abzuwickeln.

Ein Broker nimmt eine Wertpapierorder (Kauf oder Verkauf) des Kunden entgegen und leitet sie an die jeweilige Börse bzw. den jeweiligen außerbörslichen Handelsplatz weiter. Er agiert somit im Auftrag des Kunden und übernimmt die Rolle des Agenten. Als Gegenleistung verrechnet er für diese Dienstleistung dem Kunden eine Gebühr (Spesen). Der Broker führt ferner Buch über die vermittelten Geschäfte seiner Kunden, die ihrerseits Wertpapierbestände ihres Depots und Kontostand einsehen können.

Bevor das Internet auch in diesem Bereich Einzug hielt, musste der Anleger seine Order bei seinem Broker entweder persönlich, per Telefon oder schriftlich aufgeben. Seit den 1990iger Jahren können Privatanleger via Internet ihre Wertpapierorders aufgeben, die direkt über die Handelssysteme der Broker ausgeführt werden. Die erste Online-Order wurde 1994 in den USA durch den Broker K. Aufhauser & Co. ausgeführt (TD Ameritrade 2017). Die Anfänge gehen bis in die 1980iger Jahre zurück. Trade*Plus wurde als Online-Finanzdienstleister 1982 von William A. Porter und Bernie Newcomb gegründet und konzentrierte sich zunächst auf Serviceleistungen innerhalb der Finanzbranche. Schrittweise erfolgten die Ausweitung des Angebots und die Erschließung des Marktes für Privatinvestoren. Schließlich positionierte Porter 1991 die Tochterfirma E*TRADE als ersten Online Broker am Markt. Die erste Online-Order wurde am 11. Juli 1983 von einem Zahnarzt in Michigan abgesetzt und über Trade*Plus platziert (Elegant und Montealegre 2002: 223, MarketsWiki 2017, Wikipedia 2017). Es dauerte somit noch ein gutes Jahrzehnt bis Orders von Online Brokern vollelektronisch ausgeführt werden konnten.

Auch in Europa kam es zur Gründung von Direkt-Brokern.[14] In Deutschland startete mit der Direkt Anlage Bank (DAB) der erste Online Broker im Mai 1994. Kurz danach folgten ConSors im Juni 1994 und Comdirect im Februar 1995 (Carignani und Seifert 2000). Ab 1995 hatte auch Österreich mit direktanlage.at, einem Ableger der SKWB Schoellerbank AG, seinen ersten Direkt-Broker (Wiener Zeitung 2003) und in der Schweiz nahm im Herbst 1999 die Direktbank Fimatex ihre Geschäftstätigkeit auf (Höller 2001: 203).

[...]


[1] Die besagte Messe trug den Namen „West of England Fat Stock and Poultry Exhibition“ und fand im Herbst 1906 statt (Surowiecki 2005: 7).

[2] Kenneth F. Wallis (2014) entdeckte kleine Abweichungen zu den ursprünglich publizierten Daten. Das verblüffende Ergebnis wird durch seine Korrektur jedoch nicht beeinträchtigt.

[3] Der Ausdruck „Kollektive Intelligenz“ wird in dieser Arbeit als Eigenname verwendet und daher groß geschrieben.

[4] Während sich Eisenhofer auf die Jahrgänge X (1964-1979) und Y (1980-1995) bezieht, gibt es in der Literatur auch abweichende Angaben über die Jahrgänge. Der Autor verzichtet an dieser Stelle auf eine exakte Eingrenzung, da die Kernaussage Eisenhofers davon unberührt bleibt.

[5] Tim O‘Reilly verwendete den Begriff Web 2.0 erstmals auf einer Webkonferenz im Jahr 2004.

[6] Schätzung per 30.6.2016

[7] Stand per 31.3.2017

[8] 6,8 % der Deutschen ab 14 Jahre besitzen Aktien direkt (Deutsches Aktieninstitut 2016: 4).

[9] Nur 5,3 bzw. 3,5 % der österreichischen Haushalte besitzen Aktien bzw. Anleihen direkt (Keuschnigg und Kogler 2016: 41).

[10] Wenig schmeichelhafte Abkürzung für die Länder Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien, die während der Krise in den Medien Eingang fand.

[11] Der Vergleich beinhaltet die Länder Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien.

[12] Eine der ersten Online Communitys bildete sich an der University of Illinois Anfang der 1960iger Jahre. Das PLATO-System, ursprünglich als System für computerbasiertes Lernen konzipiert, wurde von vielen Community-Mitgliedern als einfaches Kommunikationsmittel genutzt (Ebersbach, Glaser und Heigl 2016: 15).

[13] Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Verständnisansätze findet der Leser bei Gupta und Kim (2004), Li (2004) und Stieglitz (2008).

[14] Die Bezeichnung Direkt oder Discount Broker wird im Sprachgebrauch oftmals synonym für Online Broker verwendet. Während die erste Bezeichnung auf die deutlich reduzierten Transaktionskosten abzielt, gibt die Bezeichnung für letztere lediglich an, dass diese ihre Dienstleistungen über das Internet anbieten. Da Direkt und Discount Broker rasch dazu übergingen den Online-Kanal zur Kundenkommunikation zu nutzen, ist eine synonyme Verwendung legitim.

Ende der Leseprobe aus 139 Seiten

Details

Titel
Social Trading. Nutzungsmotive aus Sicht des Privatanlegers
Untertitel
Eine Analyse im Licht der anhaltenden Banken- und Finanzkrise sowie Niedrigzinspolitik der Notenbanken
Veranstaltung
MSc Online Media Marketing 7
Autor
Jahr
2018
Seiten
139
Katalognummer
V383730
ISBN (eBook)
9783960951469
ISBN (Buch)
9783960951476
Dateigröße
4197 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Social Trading, Social Media, Börse, Wertpapierveranlagung, Privatanleger, Kollektive Intelligenz, Motive, Social Web, Rendite, Geldanlage, FinTech, Finanzkrise, Bankenkrise, Notenbank, Niedrigzinspolitik
Arbeit zitieren
MSc Erwin Hof (Autor:in), 2018, Social Trading. Nutzungsmotive aus Sicht des Privatanlegers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383730

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Social Trading. Nutzungsmotive aus Sicht des Privatanlegers



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden