Übersetzung von Mehrsprachigkeit und Codeswitching im Film "L'Auberge Espagnole"

Kontrastiv Italienisch - Deutsch


Hausarbeit, 2017

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der theoretische Rahmen
2.1 Multilingualismus und seine Funktion im Film
2.2 Codeswitching
2.2.1 Typen des Code-Switching
2.2.2 Soziale Funktionen des Code-Switchings
2.2 Translation von Multilingualismus

3. Analyse
3.1 Das Original: Das Setting und die Funktion der Sprachen
3.2 Übersetzungsstrategie der deutschen und italienischen Version
3.3 Übersetzung von Codes-Switching anhand klassifizierter Beispielszenen
3.3.1 Expressive Funktion
3.3.2 Referentielle Funktion
3.3.3 Direktive Funktion
3.3.4 Poetische Funktion

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Filmographie

1. Einleitung

Seit Jahren schon gibt es mehrsprachige Filme und seit Neuestem (spätestens seit es das beliebte Programm Netflix gibt) sind auch mehrsprachige Serien im Trend. Um davon nur eine zu nennen, die seit Kurzem erschienen ist: Queen of South, eine Serie über den Drogendeal in Mexiko und den USA. Der Zuschauer bekommt nicht nur einen Einblick in die Drogenwelt, sondern erlebt auch einen interessanten Sprachmix zwischen Englisch und Spanisch unter den Charakteren. Dieses so genannte Code-Swichting ist in multilingualen Filmen üblich, wenn nicht sogar Bedingung, und spiegelt oft reale Situationen im Leben wieder. Durch die entstehenden Missverständnisse und komischen Konsequenzen wurden solche Szenarien in der Komödie ein Klassiker. Filme wie Bend it like Beckham, Gran Turino und Spanglish sind zum Beispiel dadurch zu Publikumsfavoriten geworden, erzählen jedoch auch dramatische Geschichten vom Leben der Migrantenfamilien.

Wie sieht es aber nun mit der Übersetzung von Multilingualismus im Film aus? Kann sie überhaupt gelingen und an das Original herankommen? Welchen Kriterien ist sie ausgesetzt? Gehen humorvolle Situationen und andere Effekte bei der Translation nicht verloren?

Diesen Fragen soll in dieser Arbeit inhaltlich nachgegangen werden. Dabei steht L’Auberge Espagnole, ein Film aus Frankreich (2002) von Cédric Klapisch, in dem es um das turbulente Leben junger Erasmusstudenten geht und ebenfalls zur mehrsprachigen Filmreihe zählt, als Korpus zur Verfügung. Der Film wird als Beispiel für die Analyse von Multilingualismus und Code-Switching und dessen Übersetzung dienen. Die Wahl für diesen Film fiel aus folgenden Gründen: Aufgrund der vielen gesprochenen Sprachen ist er ein exzellentes Beispiel für das linguistische Phänomen Code-Switching, da die Sprachen in situativ oder kommunikativ bedingten Situationen miteinander verknüpft werden. Er ist zudem authentisch und zeigt wahrhaftige Szenen von Studenten im Erasmus-Programm, mit denen sich sicherlich viele ehemalige Erasmusstudenten identifizieren können.

Konkret beschäftigt sich diese Arbeit mit folgenden zwei Quaestionen:

1. Welche Strategien gibt es für die Übersetzung von Mehrsprachigkeit im Film und welche wurden in L’Auberge Espagnole für die deutsche und italienische Version verwendet?
2. Welche Funktion hat das Code-Switching im Film und wie wurde seine Übersetzung in die DV und IV umgesetzt?

Methodisch wird deduktiv vorgegangen, das bedeutet, vom Allgemeinen (der Theorie) wird zum Speziellen (den Korpora) übergegangen, in diesem Fall den beiden übersetzten Versionen des genannten Films.

Nach der Einleitung sollen in Kapitel 2 zunächst die theoretischen Grundlagen und der aktuelle Forschungsstand im Hinblick auf die der Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen beschrieben werden. Kapitel 3 widmet sich der Vorstellung des Korpus und seiner Analyse. Abschließend folgt ein Fazit, das die aus der Analyse gewonnenen Ergebnisse zusammenfasst und mögliche zukünftige Forschungsansätze diskutiert.

2. Der theoretische Rahmen

2.1 Multilingualismus und seine Funktion im Film

Laut Bußmann sind Mehrsprachigkeit und Multilingualismus, die Begriffe sind Synonyme, die ,,Fähigkeit eines Individuums, sich in mehreren Sprachen auszudrücken” (Bußmann, 2008). Normalerweise sind das mehr als zwei, um sich vom Bilingualismus abzugrenzen. Im Film wird die Mehrsprachigkeit meist nicht auf ein Individuum begrenzt, sondern auf mehrere Charaktere, die sich auf zwei oder mehr Sprachen unterhalten. Dabei ist zu erwähnen, dass ein mehrsprachiger Film nur dann als so einer bezeichnet werden kann, wenn dessen auftretenden Sprachen eine klare Funktion für die Geschichte im Film haben. So kann beispielsweise ein einfaches ‘Bonjour’, das ein Amerikaner zum Jungen an der Rezeption seines Hotels in einem Film mit der Hauptsprache Englisch, sagt, nicht dazu führen, dass der Film, in dem es auftaucht, als mehrsprachig gesehen wird (vgl. Diaz Cintas 2011: 217).

Mehrsprachige Filme haben eine lange Tradition und haben ihren Ursprung vor Allem im Postkolonialismus und der Globalisierung. Gerade durch die Migration und die technische Entwicklung hat sich dieses Genre sehr ausgeweitet und die Studien zu diesem Gebiet sind zahlreich (Diaz Cintas 2011: 219).

Was den multilingualen Film im Gegensatz zum monolingualen Film so besonders macht ist seine authentische und reale Ausstrahlung, wie Diaz es mit dem Begriff “reality mimesis” beschreibt (vgl. Diaz Cintas 2011: 218). Durch die Verwendung mehrerer Sprachen wird nicht nur der direkte Sprachkontakt simbolisiert, sondern durch die Sprachen drücken sich auch gleichzeitig multikulturelle Identitäten aus. Solche multilingualen und multikulturellen Situationen sind im heutigen Alltag keine Seltenheit mehr und haben Filmproduzenten dazu motiviert, diesen akuten Sprachkontakt im Film zu zeigen. ,,Polyglot films” kann also als ein Filmgenre verstanden werden, das die Realität der Gesellschaft widerspiegelt (Diaz Cintas 2011: 218).

Auch der Lokalkolorit trägt eine wichtige Funktion für den mehrsprachigen Film, denn er spiegelt die besondere Atmosphäre des Schauplatzes wider. In diesem Fall ist es in L’Auberge Espagnole die Stadt Barcelona. Dort sind offiziel zwei Sprachen anerkannt, nämlich Spanisch und Katalanisch, was den multiligualen beziehungsweise billingualen Status der Einwohner ausmacht. Die Verwendung mehrerer Sprachen im Film löst natürlich einige Effekte aus. Diese sind laut Diaz Cintas “[the] sense of rupture with the known” (2011: 216), also der Bruch mit dem Gewöhnlichem, das der Zuschauer kennt, denn dieser wird mit vielen Sprachen und Kulturen konfrontiert. Zudem wird Entfremdung zwischen Figuren im Film oder zwischen Figuren und Zuschauern durch unterschiedliche Situationen ausgelöst, zum Beispiel bei Missverständnissen bei der Kommunikation. Dies wiederum kann eine komische Konsequenz für die Figuren im Film wie für die Zuschauer haben (Diaz Cintas 2011: 216). Diese Art von Humor ist nicht selten bei mehrsprachigen Komödien und zeigt wieder einmal die authentische und reale Wirklichkeit.

2.2 Codeswitching

Des Weiteren ist der Begriff Code-Switching relevant, da es in dieser Arbeit um dessen Übersetzungsmethode geht und im Bezug auf die Mehrsprachigkeit eine wichtige Rolle hat. Unter Code-Switching versteht man den „Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen […] oder Varietäten eines Sprachsystems […] bei bi/multilingualen bzw. bi-/multidialektalen Sprechern innerhalb eines Gesprächs.” (Bußmann 2008). Der Begriff Code steht in der Soziolinguistik für die Sprachvarianten, die in der Kommunikation vorkommen (Bußmann 1990).

Der Sprachwechsel gilt als ein Sprachkontaktphänomen, bei dem zwei oder mehrere Sprachen vom selbem Individuum oder in einer Sprachgemeinschaft abwechselnd verwendet werden. ,,Demzufolge stellen Sprachmischungen ein besonderes Phänomen der Mehrsprachigkeit dar, die als Wörter, Sätze oder Kontexte definiert werden, in denen mehrsprachige Individuen ihre Sprachen verwenden” (Eichler 2011: 27).

Beim Code-Switching sind also zwei Sprachsysteme vorhanden, die entweder Dialekte oder Einzelsprachen sein können. In L’Auberge Espagnol e sind es Einzelsprachen, die im Code-Switching verwendet werden, daher liegt der Fokus auf Multilingualismus. Wenn also zwei Sprachen in derselben Interaktion gesprochen werden, ist meistens eine davon die Hauptsprache, Matrixsprache (matrix language) genannt, und die andere die eingebettete Sprache (embedded language). Die Sprache, welche am häufigsten gesprochen wird, ist die dominantere (Myers-Scotton 1993b: 4). Natürlich gibt es unter den Sprachwissenschaftlern noch andere Meinungen, wie zum Beispiel die von Muysken, der argumentiert, dass die Interaktionssituation mit den Wörtern der Matrixsprache beginne und die Matrixsprache zudem die Sprache sei, die die Sprecher am besten beherrschen (Muysken 1995: 182). Beide Argumentationen sind von Bedeutung für die spätere Analyse des Films, da es wichtig ist zu erkennen, welche Sprache die dominantere ist und welche nicht, um deren Funktionen zu beschreiben.

2.2.1 Typen des Code-Switching

Die Sprachwissenschaftlerin Poplack unterscheidet zwischen folgenden Typen von Code-Switching (Poplack 1980: 582 u. 615):

1. Intersententiele (interphrasale) Codeswitching, das zwischen den Sätzen stattfindet. Interphrasales Code-Switching ist zum Beispiel auch dann gegeben, wenn der Kommunikationspartner die Sprache wechselt.
2. Intrasententiale (intraphrasale) Codeswitching, das innerhalb eines Satzes stattfindet. Hier wird mitten im Satz die Sprache verändert, ohne dass der Redefluss gestört wird. Obwohl diese Form des Code-Switchings anspruchsvoller ist, da sie vom Sprecher grammatikalisch perfekt umgesetzt werden muss und somit eine sehr gute Beherrschung der Sprachen vorraussetzt, wird sie unter Zweisprachigen am meisten verwendet (Poplack 1980: 594-615).
3. Das emblematische Code-Switching, das mehrere Untertypen aufzeigt: Interjektionen (shit), Füllwörter (you know) und idiomatische Ausdrücke (no way). Es wird vom Sprecher keine allzu große sprachliche Kompetenz erwartet, da durch diese Art des Code-Switching die grammatikalische Struktur nicht beeinträchtigt wird, da es sich problemlos in fast alle Stellen innerhalb des Satzes einordnen kann (Poplack 1980: 589, 600 u. 614).

In bestimmten durch Konversation oder Situation gegebenen Verwendungskontexten wechseln die Sprecher von einer Sprache in die andere ohne vorheriges Überlegen. Um herauszufinden, warum und wann in einer gewissen Situation der Sprecher den Code wechselt, ist die jeweilige Funktion des Codes zu erfragen. Dazu haben Blom und Gumperz ihre eigene Funktionstheorien entwickelt und zwar die des situativen Code-Switching (situational Codeswitching) und die des methaphorischen bzw. Konversationellen Code-Switching (methaphorical codeswitching). Die Forscher haben herausgefunden, dass die verschiedenen Sprachen mit unterschiedlichen sozialen Situationen verbunden sind, und die Teilung von Blom und Gumperz zielt darauf, die Verwendung zweier Sprachen oder Sprachvarianten in verschiedenen Kontexten näher zu bestimmen (Heller 1988: 4-5).

Situativ bedingte Faktoren für das Wechseln von einer Sprache in die andere sind zum Beispiel bestimmte Situationen, in denen nur die eine Sprache gesprochen wird und eine Abweichung dieser Norm die Situation völlig verändern würde. Der Grad der Formalität, das Thema sowie die Beziehung zum Gesprächspartner sind weitere Faktoren die für das Code-Switching verantwortlich sind (Myers-Scotton 1993b:52). Konversationelles Code-Switching findet hingegen in derselben Situation statt und wird von gewissen Gesprächsthemen oder privaten Anliegen ausgelöst, die der Sprecher besser in der anderen Sprache ausdrücken kann (Nilep 2006: 8). Myers-Scotton (1993b: 52) ist der Meinung, dass beim konversationellen Code-Switching die inneren Motivationen des Sprechers betont werden. Somit sei weniger das Gesprächsthema entscheidend, sondern viel mehr die Art und Weise, wie die Teilnehmer das Thema sehen sowie Veränderungen im Verhältnis zwischen den Diskussionsteilnehmern.

2.2.2 Soziale Funktionen des Code-Switchings

Dieses Unterkapitel behandelt die sozialen Funktionen des Code-Switchings, die den genaueren Grund für das Wechseln einer Sprache erläutern und somit auch den daraus resultierenden Effekt. Die Forscher Appel und Muysken (1987) differenzieren beim Code-Switching sechs verschiedene soziale Funktionen:

1. Referentielle Funktion (referential function): Der Sprecher wechselt die Sprache, weil er sich so besser ausdrücken kann. Es kann sich dabei auch nur um ein Wort oder ein paar Wörter handeln, die der Sprecher in seiner Ausgangssprache nicht kennt oder ihm gerade nicht einfallen (Appel und Muysken 1987: 118).
2. Direktive Funktion (directive function): Der Sprecher wechselt die Sprache, um entweder andere Menschen aus der laufenden Konversation aus- oder mit einzuschließen (Appel und Muysken 1987: 119). Diese Funktion kommt in L’Auberge Espagnole vor, wenn jemand eine private Angelegenheiten klären möchte, ohne dass der derjenige, um den es geht, es verstehen soll.
3. Expressive Funktion (expressive function): In diesem Fall wechselt der Sprecher in die eingebette Sprache, um seine gemischte Identität zu zeigen (Poplack 1980: 594).
4. Phatische Funktion (phatic function): Bei der phatischen Funktion wird die Sprache gewechselt oder etwas in beiden Sprachen wiederholt um es zu betonen und dem Zuhörer seine Aussage somit deutlicher zu machen. Es ändert sich der Ton der Diskussion (Appel und Muysken 1987: 119).
5. Metalinguistische Funktion (metalinguistic function): Bei der metalinguistischen Funktion wird etwas, das in der anderen Sprache gesagt wurde, kommentiert. Dabei kann es sich um ein Zitat handeln, wie zum Beispiel eine Zeile aus einem Songtext (Appel und Muysken 1987: 120).
6. Poetische Funktion (poetic function): Die letzte Funktion ist die poetische Funktion, die vor Allem in der eingebetteten Sprache bei Witzen und Wortspielen zum Ausdruck kommt (Appel und Muysken 1987: 120).

Das Wechseln von einer Sprache in die andere kann also unterschiedliche Gründe haben. Im Korpus finden sich einige dieser aufgelisteten Funktionen des CS wieder, die in Kapitel 4 näher analysiert werden.

2.2 Translation von Multilingualismus

In diesem Kapitel werden Problematiken der Übersetzung von Mehrsprachigkeit vorgestellt sowie Methoden und Strategien benannt, die heutzutage in Filmen angewendet werden.

Audiovisuelle Übersetzung ist ein aktives Forschungsgebiet und ist fast so alt wie das Kino selbst. Schon in den frühen ‘90er Jahren wurden Zwischentitel eingeführt und es wurde nach Übersetzungsstrategien für ausländisches Publikum gesucht. Das verfolgte Ideal der Romantik im 19. Jahrhundert, in der eine Sprache für eine Nation in der Lyrik galt, wurde durch den Postkolonialismus aufgehoben und gab somit Raum für multilinguale Filme. Heutzutage sind die drei gängigsten Methoden für das Übersetzen von Filmen das Verwenden von Untertiteln, Synchronisation und das Voice-Over, eine Art Begleitkommentar (Bréan und Cornu 2012: 1-2). Die Aufgabe des Übersetzers liegt darin, sich für die laut ihm beste Methode zu entscheiden und diese strategisch anzuwenden. Seine Arbeit liegt zwischen Kunst und brillianter Kreativität (vgl. Bréan und Cornu 2012: 2).

Die Entscheidung wie und ob mehrere Sprachen übersetzt werden, kommt heutzutage auf die Funktion der jeweiligen Sprachen im Film an. Dabei wird zwischen der quantitativen und qualitativen Perspektive unterschieden, d.h. es wird untersucht wie viele Sprachen vorkommen und wie oft sie zu hören sind während die qualitative Perspektive festlegt, welche Funktion diese Sprachen haben und welche Effekte sie jeweils erzielen (Diaz Cintas 2011: 220).

Diaz Cintas erklärt als Faustregel, dass Sprachen, die oft vorkommen, so übersetzt werden müssen, dass dem Zuschauer bewusst ist, dass es sich um Mehrsprachigkeit handelt (2011: 220). Diese Regel scheint plausibel und logisch, da so in einem gewissen Grad die Vielfalt der Sprachen erhalten bleibt. Welche strategische Möglichkeiten hat nun der Übersetzer?

Die einfachste Strategie, die der Übersetzer anwenden kann, ist, die Hauptsprache in die Zielsprache zu übersetzen und die restlichen Sprachen original zu übernehmen (Diaz Cintas 2011: 221). So kann der Zuschauer der Zielsprache den relevanten Filminhalt ohne Probleme verstehen. Dialoge in anderen Sprachen, die irrelevant für das Verständnis des Zuschauers sind (Ausgangs- und Zielsprache), werden nicht übersetzt und die Effekte, die beim Original mit der Mehrsprachigkeit erzielt werden, bleiben somit ebenfalls erhalten. Die zweite Strategie ist die einsprachige Synchronisation (vgl. Diaz Cintas 2011: 221), die sprachliche Unterschiede tilgt, da die Ausgangssprache komplett durch die Zielsprache ersetzt wird. Ein Vorteil ist nun, dass der Zuschauer keine Verständnisschwierigkeiten haben wird, jedoch geht der Effekt der sprachlichen Vielfalt verloren, und damit auch der symbolische Wert des Multilingualismus, der in bestimmten Szenen gezielt verwendet wurde. Um einen Ausgleich zum Original zu schaffen, kann die sprachliche Vielfalt mit folgenden unterchiedlichen Formen markiert werden: Lexikalisch wie z.B. durch Neologismen, bestimmter Auswahl von Wörtern oder Gebrauch von Wörtern nach Klasse und Alter; syntaktisch: Beispielsweise mit Pausen, unterbrochenden Sätzen und Anakoluthen; pragmatisch durch Modalpartikel oder falschem Start oder phonetisch wo die Synchronisationsstimmte mit einem Akzent unterlegt wird (vgl. Heiss 2004: 211). Für viele Übersetzer ist diese Strategie keine Option, aus dem Grund, da jeder Charakter im Film mit Mehrsprachigkeit ein Teil seiner Persönlichkeit zeigt (vgl. Diaz Cintas 2011: 221), und Sprache auch die kulturelle sowie soziale Dimensionen der Figuren schildert (vgl. Diaz Cintas 2011: 216). Die originale Atmosphäre wird durch diese Methode beeinträchtigt oder geht sogar ganz verloren (Heiss 2004: 211).

Die drittgenannte Strategie ist die Verwendung von einsprachigen Untertiteln, um die Mehrsprachigkeit im Original zu behalten. Die Vorteile sind, dass erstens, die audiovisuellen Sprachen nicht verändert werden und zweitens, die Zuschauer die Chance haben, das Original zu schauen, und für den Fall, wenn es Verständnisschwierigkeiten geben sollte, sie die Untertitel lesen können (Diaz Cintas 2011: 222).

Die vierte Strategie ist eine Kombination von zwei Methoden: Die Hauptsprache wird synchronisiert, während bei den anderen Sprachen Untertitel eingeblendet werden. Diese Strategie wird seltener angewendet.

Trotz der genannten strategischen Möglichkeiten, können für den Übersetzer folgende Problematiken zur Hürde werden: Manchmal ist die Übersetzungsstrategie, die angewendet werden soll, nicht ganz klar, wenn die zweite oder dritte Sprache nur gelegentlich vorkommen, jedoch eine aus einem bestimmten Grund verwendet wird anstatt der Originalsprache (Diaz Cintas 2011: 220). Ebenfalls kann für den Übersetzer eine Schwierigkeit bestehen, wenn eine der Sprachen im Original die Zielsprache ist, in die übersetzt wird (Chiaro 2009: 159).

3. Analyse

3.1 Das Original: Das Setting und die Funktion der Sprachen

Das ausgewählte Korpus für die folgende Analyse ist der multilinguale Film L’Auberge Espagnole von Cédric Klapisch aus dem Jahre 2002. In diesem Film gibt es mehr als eine Sprache: Neben Französisch, der Hauptsprache im Original, wird zudem auf Spanisch und Englisch kommuniziert. Auch wird in ein paar Situationen Katalanisch gesprochen.

Die französische Komödie spielt zum Teil in Frankreich (Paris) und hauptsächlich in Spanien (Barcelona). Der Film erzählt die Geschichte von dem aus Paris stammenden Wirtschaftstudenten Xavier, der für zwei Semester nach Barcelona geht um dort Spanisch zu lernen. Seine Freundin Martine lässt er traurig zurück. Nach einiger Zeit findet er eine Bleibe in einer europäischen WG, und erlebt dort zusammen mit seinen Mitbwohnern, die alle aus verschiedenen Ländern stammen, alle Facetten des chaotischen und bunten Erasmuslebens.

Die Stadt Barcelona setzt ein multilinguales Setting mit Mehrsprachigkeit voraus, denn die Hauptstadt Kataluniens hat zwei Amtssprachen: Spanisch und Katalanisch. Xavier erzählt seine Geschichte selbst, was im Film mit Hilfe des Voice-Overs umgesetzt wird. Französisch wird zudem von seiner Mutter, seiner Freundin Martine und dem jungen Ehepaar Jean-Pierre und Anne-Sophie gesprochen. Die WG-Mitbewohner von Xavier sind Wendy (Engländerin), Soledad (Spanierin), Tobias (Deutscher), Lars (Däne) und Alessandro (Italiener). Später kommt noch die Belgierin Isabelle hinzu, deren Muttersprache Französisch ist. Durch diese bunt gemischten Nationalitäten wird für das gegenseitige Verständnis hauptsächlich Englisch miteinander gesprochen, jedoch in manchen Situationen auch Spanisch. Alle Erasmusstudenten sind Spanischanfänger und haben somit nur Basiskenntnisse, zumindest zu Beginn des Films. Jedoch ändert sich das nach und nach im zunehmenden Kontakt mit Spaniern und das beeinflusst auch den regen Sprachwechsel unter den WG-Mitbewohnern. Soledad, die einzige Spanierin aus der WG, spricht mit ihrem Freund, dem Dänen Lars, nur auf Spanisch, und bringt sich bei Konversationen mit den anderen manchmal auf Spanisch ein, während die anderen auf Englisch reden. Die zwei häufigsten Kommunikationssprachen sind also Englisch und Spanisch unter den Erasmusstudenten. Neben diesen Sprachen treten auch Interaktionen in weiteren Sprachen auf, nämlich einmal auf Dänisch und Katalanisch. Katalanisch wird nebenbei an der Universität, zum Beispiel vom Professor in der Vorlesung gesprochen, das sowohl in der deutschen als auch in der italienischen Version originalgetreu übernommen wird.

Wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben, ist die Sprache Teil der Kultur, der man angehört, und zeigt die Persönlichkeit eines Charakters. In diversen Situationen im Film wird dies deutlich, beispielsweise wird bei Wut oder anderen Emotionen in die Muttersprache gewechselt oder einzelne Wörter fallen in der anderen Sprache, da sich so besser ausgedrückt werden kann. Soledad, die einen sehr temparamentvollen Charakter hat und sich schnell über Dinge aufregt, bringt ihre Gefühle so zum Ausdruck, indem sie auf Spanisch flucht oder schreit. Xavier, der eigentlich eher ruhiger ist und nicht gleich bei jeder Kleinigkeit laut ausbricht, sondern eher leise flucht, hat sich das typische joder von ihr und den Spaniern angewöhnt, das wohl das gängigste Schimpfwort in Spanien ist. Lars und der etwas chaotische Alessandro sind vom Charakter her ähnlich, sie sind gelassen und versuchen Dinge in aller Ruhe zu klären. Wendy ist als Londonerin etwas empfindlich und bevorzugt meist eher Englisch, bringt sich jedoch des Öfteren auch auf Spanisch mit ein. Isabelle ist mit ihrer direkten Art die Offenste von allen, für sie gibt es kein Tabuthema und sie spricht sowohl Englisch als auch Spanisch.

Während Französisch unter denselben Landsleuten gesprochen wird und auch eine narrative Funktion hat (Voice-Over), hat Englisch meist die Funktion des gegenseitigen Verständnisses, des Versöhnenes bei Auseinandersetzungen und wird in gemäßigten Diskussionen verwendet. Spanisch wird hingegen bei Diskussionen mit Spaniern gesprochen, in der Universität, bei Geheimnissen und persönlichen Anliegen, die nicht jeder verstehen soll. Die sozialen Funktionen des CS (siehe Kap. 2.2.2) können mit der Funktion der Sprachen verknüpft werden: So kann beispielsweise ein Sprachwechsel von Englisch zu Spanisch mit einer direktiven Funktion begründet werden wenn ein privates Anliegen geklärt werden soll. Oder es liegt ein expressives CS vor, wenn eine Person, die Englisch sprach, zum französischen Gesprächspartner zu Französisch wechselt, da sie sich dessen Kultur verbunden fühlt. Die detailierte Betrachtung dieses Sprachphänomens wird in Kapitel 3.3 analysiert.

3.2 Übersetzungsstrategie der deutschen und italienischen Version

Auf der DVD werden dem deutschen Zuschauer zwei Versionen angeboten um den Film anzuschauen: Er kann zwischen der originalen Fassung mit Mehrsprachigkeit mit deutschen Untertiteln und der synchronisierten TV-Fassung wählen. Da in dieser Arbeit der Fokus auf die audiovisuelle Übersetzung gelegt wird, wird nur die deutsche TV-Fassung in Betracht gezogen, dessen Filmtitel mit Barcelona für ein Jahr übersetzt wurde. Die angewandte Übersetzungsstrategie stimmt mit keiner der oben genannten Strategien ganz überein. Sie kann jedoch als eine Variation der ersten Variante betrachtet werden: Die Hauptsprache Französisch, wurde in die Zielsprache (Deutsch) übersetzt, jedoch sind die restlichen Sprachen (Englisch, Spanisch, Katalanisch) nicht alle originalgetreu erhalten geblieben. Englisch wird ebenfalls in die Zielsprache übersetzt, Spanisch und Katalanisch sind wie in der Originalversion. Fremdsprachliche Szenarien, die nicht relevant für das inhaltliche Verständnis des deutschen Zuschauers sind, sind weder übersetzt, noch tragen sie Untertitel. Relevante Szenarien auf Spanisch sind jedoch mit deutschen Untertiteln versehen. Die Mehrsprachigkeit ist teilweise erhalten, jedoch überwiegt in dieser Version mehr das Verständnis des Zuschauers der Zielsprache, weshalb vermutlich auch die englischen Dialoge in der WG alle synchronisiert worden sind.

In der italienischen Version L´appartamento spagnolo wurde ebenfalls mit Synchronisation gearbeitet, die Hauptsprache wurde in die Zielsprache (Italienisch) übersetzt, während alle restlichen Sprachen (inklusive Englisch und Spanisch) wie im Original bewahrt bleiben. Auch Katalanisch bleibt originell erhalten. Lediglich die Szene wo sich Xavier und Isabelle mit den spanischen Studenten über kulturelle Identitäten unterhalten, wurde komplett ins Italienische synchronisiert, während in der DV Untertitel verwendet wurden. Es ist im Vergleich zur deutschen Version aufällig, dass mehr Wert auf den Erhalt der Mehrsprachigkeit gelegt worden ist, da Englisch als eine der Hauptsprachen im Film nicht übersetzt wurde. Es treten in der IV jedoch ein paar Besonderheiten beim linguistischen Sprachphänomen auf, die in der folgenden Untersuchung erläutert werden (siehe Kap. 3.3.4). Der jeweilige Akzent der Studenten ist zudem herauszuhören und bleibt markant, im Gegensatz zur deutschen Version. Es wird auch kein lexikalischer oder phonetischer Ausgleich geschaffen, was darauf hindeutet, dass die Effekte der Mehrsprachigkeit keine hohe Relevanz haben.

3.3 Übersetzung von Codes-Switching anhand klassifizierter Beispielszenen

In diesem Kapitel werden anhand von konkreten Beispielen aus dem Film originelle Passagen mit der deutschen und italienischen Version analysiert und verglichen. Die Beispiele sind nach der Funktion des CS klassifiziert und sollen einen direkten sprachlichen sowie inhaltlichen Vergleich aufzeigen. Dabei wird nach folgenden Kriterien untersucht: Typ des CS, Hauptsprache (Matrixsprache) und eingebettete Sprache, Effekte der MS sowie die Funktion des CS.

3.3.1 Expressive Funktion

Beispiel 1) Das WG-Casting

Zur Situation: Xavier hat ein Casting mit seiner zukünftigen WG und muss ein paar Fragen beantworten. Um sich gegenseitig zu verstehen, wird auf Englisch kommuniziert. Tobias, der Deutsche, fragt Xavier was er glaubt, wie sein Leben in 5 Jahren aussehen werde, worauf alle Mitbewohner anfangen wild durcheinander zu reden. Lars nutzt die Gelegenheit, mit Xavier auf Französisch zu reden und ihn etwas zu beeindrucken:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Von der Hauptsprache Englisch, die von dem letzten Satz von Lars zu entnehmen ist (I speak French) verändert Lars plötzlich den Code und spricht zu Xavier auf Französisch (eingebettete Sprache). Die Situation bleibt dieselbe, daher handelt es sich um konversationelles Code-Switching. Der Typ des Code-Switchings ist interphrasal, da die zweite Sprache im neuen Satz anfängt. Es handelt sich hier um die expressive Funktion des Code-Switchings, weil Lars Xavier zeigen möchte, dass er seine Sprache beherrscht und sein Land bzw. seine Kultur bereits kennt. Er fühlt sich also mit der französischen Sprache verbunden. Gleichzeitig ist der Sprachwechsel auch direktiv, denn Lars wendet sich automatisch von der laufenden Diskussion der anderen ab und Tobias soll wohl auch nicht verstehen, was über ihn im zweiten Satz gesagt wird. Er erzählt Xavier von der WG-Lage, die normalerweise nicht so chaotisch sei, ohne dass die anderen verstehen, was er sagt.

In der deutschen Version spricht Tobias auf Deutsch aufgrund der einsprachigen Synchronisation, jedoch ist Lars’ Kommentar somit auch auf Deutsch übersetzt worden. Inhaltlich wird etwas freier übersetzt, da im ersten Absatz Lars sagt, dass er die Franzosen gut leiden kann, und der zweite Absatz ist sprachlich etwas informeller ausgedrückt als im Original. Die einsprachige Synchronisation verhindert ein Code-Switching, jedoch wird so nicht derselbe Effekt erreicht, wie in der OV. Im Grunde können die Mitbewohner somit verstehen, was Lars sagt, was in der OV nicht beabsichtigt ist.

Die italienische Version behält die englische Sprache, nur das Französische wird ins Italienische übersetzt. Inhaltlich und sprachlich hat die Version mehr Ähnlichkeit zum Original, und in diesem Fall findet CS wie in der OV statt, mit demselben Typ und der gleichen Funktion. Im Vergleich zur DV ist hier keine Problematik durch die Übersetzungsstrategie gegeben, weil der Effekt der Mehrsprachlichkeit und die Funktion des CS nicht verloren gehen.

3.3.2 Referentielle Funktion

Beispiel 2) Szene am Kühlschrank

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Situation: Soledad und die Mitbewohner befinden sich in der Küche, als Alessandro mit feuchten Füßen und im Bademantel in die Küche kommt und den Kühlschrank öffnet. Soledad macht ihn auf Englisch, der üblichen Kommunikationssprache in der WG, auf die nassen Fußabdrücke aufmerksam, während Alessandro auf Italienisch antwortet, dass es nur Wasser sei. Dieser Sprachwechsel hat eine referentielle Funktion, weil Alessandro diesen Gedanken in seiner Muttersprache besser ausdrücken kann als auf Englisch. Der Typ des CS ist interphrasal, da das CS beim anderen Kommunikationspartner stattfindet, und es wird von der Matrixsprache in die eingebettete Sprache gewechselt, da die Interaktion auf Englisch beginnt und es die Sprache ist, die beide Kommunikationspartner am besten können.

In der deutschen Version wird die Mehrsprachigkeit durch die einsprachige Synchronisation verdeckt, die deutsche Antwort von Alessandro lautet jedoch Oh, tut mir echt Leid in ironischer Tonlage. Inhaltlich stimmen die Aussagen nicht überein, und CS ist in diesem Fall nicht vorhanden.

Die italienische Version hingegen bewahrt die Mehrsprachigkeit, Soledads Kommentar bleibt unverändert, jedoch ist Alessandros Antwort hier nicht auf Italienisch geblieben, sondern wird mit einem Oh, relax übersetzt, was den CS ebenfalls auslöscht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Übersetzung von Mehrsprachigkeit und Codeswitching im Film "L'Auberge Espagnole"
Untertitel
Kontrastiv Italienisch - Deutsch
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
21
Katalognummer
V383463
ISBN (eBook)
9783668587496
ISBN (Buch)
9783668587502
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Übersetzung, Mehrsprachigkeit, Codeswitching, Italienisch, Deutsch
Arbeit zitieren
Julia Nowakowski (Autor:in), 2017, Übersetzung von Mehrsprachigkeit und Codeswitching im Film "L'Auberge Espagnole", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383463

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