Die interkulturelle Wirtschaftskommunikation mit Russland

Am Beispiel einer Videokonferenz im Großkonzern


Diplomarbeit, 2012

94 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Die Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
2.1 Modelle zur Erforschung von interkultureller Kommunikation
2.2 Vorschlag eines Kommunikationsmodells zur Erforschung von interkultureller Wirtschaftskommunikation (KWS-Modell)

3 Der Kulturbegriff
3.1 Die Fähigkeit zu großen Gefühlen und die Schicksalsergebenheit der Russen
3.2 Der mögliche Einfluss von stereotypischen Auffassungen auf Wirtschaftsbeziehungen
3.3 Das Metabild von Deutschen und Russen über einander
3.4 Sprachliche Aspekte in der interkulturellen Kommunikation

4 Der Fortschritt der Technik in der Telekommunikation:Videokonferenzen als neue Form der Kommunikation
4.1 Die Bedeutung von Videokonferenzen im internationalen Business

5 Die Einzelfallstudie als Forschungsansatz zur gesprächslinguistischen Analyse eines interkulturellen Videokonferenzgespräches
5.1 Vor- und Nachteile einer Einzelfallstudie
5.2 Ziele einer Einzelfallstudie
5.3 Erhebung und Auswertung der Daten der Einzelfallstudie

6 Die Transkription nach GAT 2 in der durchgeführten Einzelfallstudie

7 Die Einzelfallstudie zur Untersuchung der internationalen Wirtschaftskommunikation zwischen Russland und Deutschland anhand der Transkription eines Videokonferenzgespräches
7.1. Personenvorstellung der durchgeführten Einzelfallstudie

8 Gesprächslinguistische Untersuchung der Einzelfallstudie zur Wirtschaftskommunikation zwischen Russland und Deutschland
8.1 Aufgaben und Gliederung der Konversationsanalyse
8.2 Das Gespräch

9 Die Analyse der Makroebene einer Konversation
9.1 Die Konversationsphasen
9.1.1 Die Struktur der Gesprächseröffnung und Gesprächsbeendigung
9.1.1.1 Die Struktur der Gesprächseröffnung und Gesprächsbeendigung in der durchgeführten Einzelfallstudie
9.1.2 Die Struktur der Gesprächsmitte
9.1.2.1 Die Struktur der Gesprächsmitte in der durchgeführten Einzelfallstudie

10 Die Analyse der Mesoebene einer Konversation
10.1. Die Kategorien der Mesoebene
10.1.1 Der Gesprächsschritt (turn)
10.1.2 Die Gesprächssequenz in der durchgeführten Einzelfallstudie
10.1.3 Der Sprecherwechsel (turn taking)
10.1.3.1 Formen des Sprecherwechsels
10.1.4 Gliederungssignale: Sprecher- und Höreraktivitäten
10.1.5 Reperaturmechanismen

11 Nonverbale Kommunikation
11.1 Körpersprache im interkulturellen Kontext

12 Auswirkungen der Technik auf den Interaktionsprozess der durchgeführten Videokonferenz 68
12.1 Das Videokonferenzgespräch im Vergleich zum face-to-face Gespräch

13 Schlussfolgerung und Ausblick mit Hilfe des KWS-Modellvorschlags

14 Schlussbetrachtungen

Anhang

Literaturverzeichnis

Liste der Abbildungen

1 Abb. Organon Modell von Bühler .

2 Abb. KWS- Modell zur interkulturellen Wirtschaftskommunikation

1 Einleitung

„Wir stehen am Morgen einer neuen Globalisierungsphase“ (Kater 2006: FAZ).

Selbst 6 Jahre später haben international agierende Unternehmen Angst davor diesen Morgen zu verschlafen oder gar schon verschlafen zu haben. Die Weltwirtschaft wird täglich globaler und mit ihr steigt der Konkurrenzdruck. Dies ist insbesondere in der Industrielandschaft aufgrund der Auslagerung von Produktionsstandorten und Humankapital nach u.a. China oder Russland stark zu spüren. Es stoßen täglich nicht nur Länderkulturen, sondern auch Unternehmenskulturen und somit ebenso starke Mentalitätsunterschiede aufeinander. Diese Diskrepanzen bilden eine hervorragende Basis zur Untersuchung und Erörterung von sprachlichen Konflikten, wirtschaftlichen Potenzialen und neuen, sich selbstentwickelnden, interkulturellen Geschäftsstrukturen. In der sich anschließenden qualitativen Einzelfallstudie Die interkulturelle Wirtschaftskommunikation mit Russland am Beispiel einer Videokonferenz sollen in den ersten 6 Kapiteln eine theoretische Grundlage einerseits zum Verständnis des Ablaufes und der Parameter in der Wirtschaftskommunikation mit Russland (Kapitel 2) und anderseits eine genaue Definition des Kulturbegriffes und damit verbundene, kulturelle Verhaltensmuster (Kapitel 3) beschrieben werden. Des Weiteren wird der technische Stand der Telekommunikation (Kapitel 4) aufgearbeitet, die methodische Vorgehensweise der Einzelfallstudie (Kapitel 5) erläutert und die Bedingungen einer GAT-2 Transkription (Kapitel 6) verdeutlicht. Der analytische Teil der Arbeit orientiert sich zunächst an der Vorstellung der Rahmenbedingungen und Personen der Einzelfallstudie (Kapitel 7), um dann in die Analyse der sowohl Makroebene (Kapitel 9) als auch Mesoebene (Kapitel 10) der Transkription der Videokonferenz überzugehen. In Kapitel 11 wird das analytische Bild mit Hilfe der Untersuchung der nonverbalen Kommunikation vervollständigt, um in den Kapiteln 12 und 13 genaue Schlussfolgerungen und Ausblicke von Forschungsmöglichkeiten geben zu können. Es sollen hierbei Ansätze und Fragestellungen für weitere empirische Fallstudien in den unterschiedlichsten Wissenschaften wie den Wirtschaftswissenschaften, Kulturwissenschaften, Kommunikationswissenschaften, Psychologie und insbesondere in der Gesprächslinguistik geschaffen und insbesondere eine neue Richtung der Herangehensweise von Untersuchungen zur interkulturellen Wirtschaftskommunikation aufgezeigt werden. In vielen linguistischen Studien stehen lediglich sprachliche Aspekte im Vordergrund. Dem entgegen werden gesellschaftliche, technische und vor allem wirtschaftliche Einflüsse oftmals nur bedingt Aufmerksamkeit geschenkt. Ähnlich vollzieht es sich in betriebswirtschaftlichen Untersuchungen. Hierbei stehen profitable Ergebnisse wie Umsatzzahlen und Zielerreichungsgrade im Fokus. Nur selten spielen hierbei linguistische und kommunikative Aspekte eine bedeutende Rolle. Das Wissen über die gegenseitige Beeinflussung und Bereicherung von technischen, kulturellen, sprachlichen und gesellschaftlichen Aspekten in der internationalen Wirtschaftskommunikation soll in dieser Diplomarbeit jedoch bewusst im Zusammenhang untersucht werden und wie ein globales Brückennetz zwischen den unterschiedlichsten Wissenschaften aufbauen, um die Last der Konflikte in der interkulturellen Wirtschaftskommunikation aufzeigen und Ansätze einer stabileren Kommunikation aufzeigen zu können.

2 Die Interkulturelle Wirtschaftskommunikation

Mit Worten läßt sich trefflich streiten

Mephistopheles:

Im ganzen - haltet Euch an Worte!Dann geht Ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler: Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein. Mephistopheles:

Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;Denn eben wo Begriffe fehlen,Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.Mit Worten läßt sich trefflich streiten,Mit Worten ein System bereiten,An Worte läßt sich trefflich glauben,Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

(Goethe, J.W. Faust I Vers 1997 / Mephistopheles)

Die Kompetenz zur interkulturellen Kommunikation stellt heutzutage im internationalen Geschäftsumfeld nicht nur den Schlüssel für eine erfolgreiche Kommunikation weltweit, sondern ebenso den entscheidenden Vorsprung und Vorteil gegenüber der geschäftlichen Konkurrenz dar. Seit insbesondere den 90er Jahren gewann der Forschungsbereich der interkulturellen Wirtschaftskommunikation aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Öffnung der Grenzen verschiedener (europäischer) Länder an großer Bedeutung für das internationale Handeln.

Heute ist das „Ziel der interkulturellen Wirtschaftskommunikation […] bei Geschäftsleuten ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass, wenn eine interkulturelle Verhandlung ohne Missverständnisse verläuft, auch der Ausgang der Verhandlung besser sein wird, und dadurch werden gute Voraussetzungen für weitere Geschäftsabschlüsse geschaffen“ (Šukevičiūtė 2004: 23f).

Hierzu befasst man sich zum einem mit schriftlicher Wirtschaftskommunikation wie es beispielsweise bei E-Mails der Fall ist und mit mündlicher Wirtschaftskommunikation, die sich in Form von Videokonferenzen oder jeglicher Art der face-to-face Kommunikation darstellt. In dieser Arbeit soll sich intensiv mit der Analyse einer mündlichen und per Videokonferenz stattgefundenen Wirtschaftskommunikation auseinander gesetzt werden. Diese wird im Folgenden unter dem von Müller geforderten interdisziplinären Arbeitsweise betrachtet:

Internationale Wirtschaftskommunikation [bezeichnet] ein Forschungsfeld, welches sich mit sprachlich und kulturell bedingten Kommunikationsproblemen bei internationalen Wirtschaftsbeziehungen beschäftigt; seine Aufgabe ist, systematisch und interdisziplinär zu analysieren, welche Faktoren die grenzüberschreitende Kommunikation in Handlungsfeldern der Wirtschaft negativ oder positiv beeinflussen“ (Müller 1991: 9).

Insbesondere der interdisziplinäre Ansatz soll im Folgenden im Fokus stehen und somit Anregungen für neue, innovative Modelle und Herangehensweisen geben.

2.1 Modelle zur Erforschung von interkultureller Kommunikation

In der Geschichte der Erforschung der interkulturellen Kommunikation standen u.a. Modelle und Strategien einer nachhaltigen und konstruktiven Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen im Vordergrund. Da die Analyse der vorliegenden Arbeit empirisch und nur als Grundlage eines neuen theoretischen Ansatzes dienen soll, wird hier im Folgenden lediglich ein kleiner Überblick über die Modelle der interkulturellen Kommunikation gegeben, um hiervon Ableitungen vornehmen zu können. Die Kulturemtheorie von Oksaar aus dem Jahre 1988 beschäftigt sich mit kulturbedingten Verhaltensweisen in bestimmten, wiederkehrenden Situationen, die je nach verbalen, nonverbalen und extraverbalen Faktoren variieren würden und Fehler hervorrufen können. Die schriftliche Kommunikation spiele hierbei keine Rolle. Einen Schritt weiter in der Klassifizierung und systematischen Erfassung von kulturspezifischen Kommunikationsunterschieden gehe jedoch Ehlich mit seinem Xenismen-Konzept.

Hierbei stehen eine kulturspezifische und fremdsprachliche Textproduktion und die dadurch möglicherweise entstandenen Produktionsfehler im Vordergrund (vgl. Schröder 1994: 180 ff). J.A. Sorokin ergänzt dieses Konzept mit seinem Lakunen- Modell.

Er versteht sich als Beitrag zur Problematik des Übersetzens schriftlicher Texte aus einer Sprach- und Kulturgemeinschaft in eine andere und behandelt die damit verbundenen Aspekte der interkulturellen Kommunikation (vgl. Schröder 1994: 194f.).

Diese Konzepte sind für die Analyse der soziokulturellen Ebene der internationalen Wirtschaftskommunikation von Bedeutung. Ebenso hervorzuheben sind Ausführungen von Loenhoff (1992), Reimann (1992) und Hinnenkamp (1994). Wie schon erwähnt, handelt es sich bei der Analyse von Wirtschaftskommunikation um ein interdisziplinäres Unterfangen. Deshalb spielen Theorien und Arbeiten nicht nur auf dem Gebiet der Kulturforschung wie es z.B. bei Hofstede (1980) zu finden ist, sondern ebenfalls Untersuchungen aus wirtschaftlicher Sicht wie die von Adler (1992) und Potschepzov (2000) eine wichtige Rolle.

Jede Theorie in sich beinhaltet wichtige Aspekte der internationalen Wirtschaftskommunikation. Jedoch gibt es bisher kein Modell, das der Notwendigkeit der interdisziplinären Herangehensweise nachkommt. Nur ein Modell, das die theoretischen Ansätze nach gesellschaftlichen, technischen, kulturellen, wirtschaftlichen und linguistischen Gesichtspunkten darstellt und eine Vermeidung von Missverständnissen in der internationalen Wirtschaftskommunikation aufzeigt, kann eine umfassende und tiefgründige Analyse gewährleisten.

2.2 Vorschlag eines Kommunikationsmodells zur Erforschung von interkultureller Wirtschaftskommunikation (KWS-Modell)

Dieser Problematik der unzureichenden Darstellungsweise aus älteren Modellen soll im folgenden Kapitel nachgegangen und ein Ansatz eines umfassenden Modells für die Darstellung der internationalen Wirtschaftskommunikation geschaffen werden. Hierzu ist es notwendig zunächst einmal einen Schritt zurück zu gehen und sich dem Begriff der Kommunikation näher zu widmen. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte lässt sich erkennen, dass sich dies als kein einfaches und vor allem eindeutiges Unterfangen darstellt. Im Allgemeinen lässt sich jedoch zusammenfassend festhalten, dass man zwischen 3 Ebenen der Kommunikation unterscheiden kann. Bei der Informationstechnologisch-medialen Ebene „orientiert man sich primär an den Transmissionsbedingungen, unter denen Informationen (Nachrichten, Signale) von einem Sender A an einen Empfänger B übermittelt werden“ (Bolten 2007: 12ff). Während bei der Inhaltsebene thematisiert wird was genau gesagt wurde (Was?), konzentriert man sich bei der Beziehungsebene nicht nur auf die Art und Weise (Wie?), sondern ebenso auf die Frage nach dem Grund und der Intention (Wozu?) der Äußerung. Kommunikation ist demnach als das Resultat des Zusammenspiels von Information und Mitteilung zwischen einem Sender und Empfänger unter einer bestimmten Bedingung der Übertragung der Kommunikation zu verstehen (vgl. Müller 1991: 10ff). Das klassische Kommunikationsmodell von Bühler beinhaltet genau diese Faktoren und stellt einen starren Zustand der Kommunikation dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Organon Modell (Bühler 1982: 28)

Betrachtet man dieses Modell jedoch als einen dynamischen Prozess und ergänzt es um diese Komponente, so lässt sich ableiten, „dass jeder Kommunizierende durch seine Doppelstruktur von Sender- Empfänger geprägt ist und innerhalb des Kommunikationsprozesses keine feste, sondern eine prozessbedingt variable Größe darstellt, die sich (z.B. in ihren Ansichten, Einstellungen etc.) während der kommunikativen Handlung durchaus verändern kann. Da in Kommunikationsprozessen durch das Wechselspiel von Inhalts- und Beziehungsebene permanent neue Handlungszusammenhänge erzeugt werden, ist es angebracht, Kommunikations- als Handlungsprozesse aufzufassen“ (Bolten 2007: 18ff.).

Bühlers Modell wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte stets weiterentwickelt und auf sämtliche Untersuchungen von Konversationen angewandt. Einen starken Einfluss der Veränderung von Kommunikationsmodellen nahmen u.a. John Langshaw Austin (1986), Erving Goffman (1986) und Schulz von Thun (2006). Insbesondere im Zusammenhang mit dieser Arbeit stellt sich nun die Frage inwiefern diese Kommunikationsmodelle eine spezifische Kommunikation wie sie in der interkulturellen Wirtschaftskommunikation zu finden ist, hinreichend erklären und modellhaft darstellen können. Wie zuvor herausgearbeitet, wird deutlich, dass es kein Modell gibt, das den interdisziplinären Bedürfnissen der internationalen Wirtschaftskommunikation tatsächlich gerecht wird. Lediglich einzelne Aspekte lassen sich entnehmen und zu einem neuen Ansatz eines Modells zusammenfügen.

Aus diesem Grunde zeigt die nachfolgende Grafik einen Konzeptionsversuch zur Erfassung von relevanten Komponenten einer interkulturellen Wirtschaftskommuni-kation.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Modell zur interkulturellen Wirtschaftskommunikation

Dieses Modell soll die Voraussetzung zur Vermeidung von Misskommunikation in der interkulturellen Wirtschaftskommunikation darstellen und sich der oben bereits erwähnten Definition von Inga Šukevičiūtės als Zielerreichungsgrad heranziehen.

Ziel der interkulturellen Wirtschaftskommunikation [ist es] […] bei Geschäftsleuten ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass, wenn eine interkulturelle Verhandlung ohne Missverständnisse verläuft, auch der Ausgang der Verhandlung besser sein wird, und dadurch werden gute Voraussetzungen für weitere Geschäftsabschlüsse geschaffen (2004: 23f).

Denn „[D]as Auftreten von entweder regelmäßig wiederholten oder stark ausgeprägten Szenen oder Episoden von Missinterpretation, Missverstehen und Misskommunikation führt zu einer Schwächung unserer Fähigkeit und Bereitschaft zur Aufrechterhaltung von engen Banden mit Mitmenschen. Die Möglichkeit einer ausgeprägten Misskommunikation darf zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen werden (eigene Übersetzung Mortensen 1997: ixf).

Um dieses Modell näher zu erläutern, kann grundsätzlich festgehalten werden, dass Sender und Empfänger, die von äußeren, sowie von persönlichen/inneren Gegebenheiten beeinflusst werden, innerhalb einer Kommunikation die beiden Grundvoraussetzungen des dynamischen Modells darstellen. Während der Sender die verbale oder nonverbale Nachricht codiert und der Empfänger diese decodiert (hierzu zählt nicht nur die Entschlüsselung, sondern ebenso die Interpretation der Nachricht), können bei der Übertragung der Nachricht (z.B. schriftlich durch E-Mail oder mündlich durch Videokonferenzen) Störungen und somit Missverständnisse durch den Kanal auf der informationstechnologisch-medialen Ebene verursacht werden. Je geringer also die Störung im Kanal und somit je besser die Transmissionsbedingungen der des Gespräches, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Misskommunikation.

Die äußeren Faktoren sind Konditionen, die vom Sender und Empfänger nicht beeinflussbar und somit ebenso als gegebene Grundvoraussetzungen der Konversation anzusehen sind. Hierzu könnten beispielsweise Ort, Technik, Raum, Zeit und weitere Personen gehören.

Innere Faktoren (oder auch persönliche Umstände) stellen hingegen Faktoren dar, die durchaus beeinflussbar und schwankend sein können. Hierzu zählen zunächst einmal Erwartungen und Absichten, die sowohl der Sender als auch der Empfänger an die Konversation stellen. Je größer die Schnittmenge dieser beiden, desto geringer ist auch hier die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Misskommunikation.

Erwartungen und Absichten werden wiederum stark von den sogenannten KWS-Aspekten beeinflusst. Während der kulturelle Aspekt (K) u.a. Kultur, Sprachkompetenz und Weltkenntnis beinhaltet, umfasst der wirtschaftliche Aspekt (W) u.a. Komponenten wie Fachwissen, Politik und Ausbildung. Der soziale oder auch gesellschaftliche Aspekt (S) enthält die Gesichtspunkte, die sich am größten von denen des Gesprächspartners unterscheiden können wie z.B. Interessen, Charakterprägung, Werte und die soziale Stellung in der Gesellschaft. Festzuhalten ist, dass auch hier gilt: je größer die Schnittmenge der KWS Aspekte der jeweiligen Gesprächspartner, desto geringer ist die Chance der Entstehung von Misskommunikation. Dieses Modell nachdem die linguistische Analyse des Gespräches durchgeführt wurde, als Hilfsmittel herangezogen werden, um allgemeine Schlüsse und Anregungen zur Verminderung von Misskommunikation geben zu können. Zunächst gilt es jedoch einmal die notwendigen Grundbegriffe und methodischen Herangehensweisen dieser Arbeit zu erläutern.

3 Der Kulturbegriff

Die globalisierte Welt befindet sich an einem Punkt, an dem die Völkerverständigung am notwendigsten ist. Nie zuvor lebten so viele unterschiedliche Kulturen in einem Land, in einer Region, ja gar in einem Stadtviertel. Auch über die Ländergrenzen hinaus werden die Verbindungen enger geflochten. Distanzen verändern sich und rücken näher zusammen. Jeder steht mit jedem in einem Zusammenhang. Besonders in der heutigen globalen Wirtschaft ist dieses Phänomen deutlich zu spüren. Wer heutzutage erfolgreich in der Wirtschaft bestehen möchte, wird immer wieder auf Kommunikationsschwierigkeiten mit anderen Kulturen stoßen. Weltweit beschäftigen sich nicht nur international tätige Firmen, sondern ebenso zahlreiche Wissenschaftler damit, wie dieser Kommunikationsaufwand bestmöglich überwunden und sich aktiv am Annäherungsprozess der Kulturen beteiligt werden kann.

Die Implikation der kulturellen Vielfalt und der Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen sind das Hauptaugenmerk der praktischen Untersuchung von interkultureller Kommunikation- ein Feld, dass sich aus den verschiedensten Wissenschaften wie den Kulturwissenschaften, Anthropologie, Ethnologie, interkulturelle Psychologie und Übersetzungs- sowie aus den Sprachwissenschaften zusammensetzt (Roth 2001; eigene Übersetzung: 43).

In dieser Arbeit soll sich aus verschiedenen Sichtweisen der Problematik genähert werden. Hierzu ist es zunächst notwendig den Begriff der Kultur zur Darstellung der unterschiedlich vorliegenden, kulturellen Basis der russischen und deutschen Kommunikationspartner zu klären, um zu verstehen welche kulturellen Voraussetzungen in der durchgeführten, qualitativen Studie zur Untersuchung der Interkulturellen Wirtschaftskommunikation mit Russland am Beispiel einer Videokonferenz aufeinander treffen.

Kultur ist das wohl meist definierte Wort weltweit. So verschiedenartige Kulturen es gibt, so ungemein vielfältig erscheint der Begriff in der Fachliteratur. In dieser Arbeit soll sich jedoch an Gerhard Maletzkes Definitionsbegriff von Kultur orientiert werden:

Kultur bedeutet zunächst ganz allgemein die Art und Weise, wie die Menschen ihr Leben gestalten mitsamt ihren „Produkten“ ihres Denkens und Schaffens [...]. Ganz vereinfacht kann man sagen: Kultur ist die Art und Weise, wie die Menschen leben und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen (1996: 15f).

Demnach steht das Individuum im regen Austausch zur Kultur. Die Kultur verändert sich wiederum gemäß dem Verhalten des Individuums und prägt es somit intensiv.

Des Weiteren beinhaltet sie „[...] die Fähigkeiten und Sitten, welche der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat. Sie ist der geistige Inhalt, der dem Menschen durch die Gesellschaft, in der er lebt, zuteilwird. Kultur ist in der Gesamtheit kein individueller, sondern sozialer Inhalt, d.h. Sie realisiert sich nicht in einem Individuum, sondern in der ganzen Gesellschaft“ (Schmitz 1967: 440).

Es zeigt sich, dass eine jede Kultur ihre eigene Spezifik aufweist. Während zum Beispiel nach Baumgart und Jänecke der Westen jahrhundertelang danach strebte die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Seins und der Rolle des Menschen darin zu finden, reproduzierte der Osten die Welt aus seinen innersten Empfindungen heraus. Genau an diesem Punkt „[w]o die Kultur des Westens und die Kultur des Ostens aufeinandertreffen, an dieser Schnittstelle zwischen Okzident und Orient, liegt die russische Kultur“ (2000: 20) setzt auch die vorliegende Arbeit an. Denn Russland stellt durch seine zuvor beschriebene Charakteristik eine Brücke zwischen der westlichen und östlichen Kultur dar. Im Folgenden soll ein kurzer Eindruck für ausgewählte Besonderheiten des russischen Volkes gegeben werden, um kulturell bedingte Handlungsmuster und Reaktionen besser verstehen und interpretieren zu können.

3.1 Die Fähigkeit zu großen Gefühlen und die Schicksalsergebenheit der Russen

Mit dem Verstand ist Russland nicht zu begreifen,

Es ist nicht mit einer Elle zu messen,

Es hat etwas ganz Eigenes

An Russland muss man einfach glauben.

(F. I. Tjutschew)

Das russische Volk ist ein Volk voller Emotionen, die einen starken Einfluss auf das alltägliche Leben in Russland haben. Seien es negative Erregungen wie Trauer und Leid oder positive wie Freude und Zufriedenheit, sie werden nach außen getragen und mit dem Umfeld geteilt. Demnach besteht ebenso eine emotionale Bindung zur Kultur, die sich insbesondere in der russischen Literatur widerspiegelt und somit wissenschaftlich exakt nachvollziehen und untersuchen lässt. Noch heute ist es keine Seltenheit, dass der Großteil der russischen Bevölkerung Klassiker von Puškin und Gogol´ frei zitieren kann. Denn hier spiegelt sich eine jahrhundertelang gereifte, russische Seele wider, die mit Stolz präsentiert wird. Es ist demnach entgegen der deutschen Etikette in der russischen Kultur kein Verstoß, seine Gefühle auch Fremden gegenüber zu offenbaren und diese frei zu zeigen. Im geschäftlichen Umfeld kann dies bedeuten, dass man durchaus in persönliche und familiäre Angelegenheiten eingeweiht wird, bevor die eigentlichen Geschäftsverhandlungen beginnen. Dies sollte keinesfalls als aufdringlich und unnötig betrachtet werden, sondern vielmehr als ein Kompliment und eine Möglichkeit, eine persönliche Beziehung zum Verhandlungspartner aufzubauen. In Russland entscheiden gute persönliche Beziehungen zum Geschäftspartner oftmals über einen erfolgreichen Vertragsabschluss. Denn während in Deutschland eher Fakten wie vielversprechende Umsatzzahlen, ein attraktiver Produktionsstandort oder hochqualifizierte Mitarbeiter des kooperierenden Unternehmens im Vordergrund stehen, ist es für den russischen Partner von größerer Bedeutung, dass menschliche Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Verständnis und Flexibilität beim Geschäftspartner vorhanden sind (vgl. Baumgart/Jänecke 2000: 48ff).

Im Folgenden soll eine der Eigenschaften der Russen hervorgehoben werden, die bei Deutschen oftmals auf Unverständnis und Ratlosigkeit stößt. Die Eigenschaft der Schicksalsergebenheit der Russen hat ebenso einen starken Einfluss auf das tägliche Leben, wie die Wirtschaft und Gesellschaft Russlands.

Welch alte russische Krankheit, dieses Schmachten, dieses Gelangweiltsein, dieser Müßiggang- die ewige Hoffnung, daß irgendein Wesen mit einem Zauberring erscheint und alle Wünsche erfüllt: Man muß nur vor die Tür treten und den Ring von einer Hand an die nächste stecken. (Iwan Bunin) Das russische Volk besitzt einen starken Hang zum Fatalismus. Fatalismus ist „[...] die Überzeugung, der unentrinnbaren gesetzmäßigen Notwendigkeit eines Geschehensablaufes unterworfen zu sein“ (Brockhaus- Enzyklopädie 1971 Bd. 12:415f). Die Vorherbestimmung und die Unabwendbarkeit des Schicksals ist somit ein großer Bestandteil in der russischen Gesellschaft. Diese Schicksalsergebenheit half den Russen bisher schwere Zeiten, die durch Lebensmittelknappheit, Armut und Krieg geprägt waren, zu überstehen. Das reine Durchleben und passive Abwarten führten dazu, dass das Volk sich apathisch und unmündig zurücklehnte und den Staat regieren ließ. Dies ist heutzutage zwar weniger stark ausgeprägt als vor ca. 30 Jahren, sollte jedoch dennoch Beachtung insbesondere im Geschäftsalltag finden. Dem russischen Partner sollten zum einen nicht alle Entscheidungen, bei denen völlige Mündigkeit gefordert ist, bedingungslos überlassen und zum anderen genauso wenig feste und unflexible Vorgaben gegeben werden, in denen sich der Partner bevormundet fühlt. Diese Balance zu finden, stellt die Kunst der erfolgreichen internationalen Wirtschaftskommunikation im osteuropäischen Bereich dar..

Der heutige Literaturmarkt in Russland bietet zwar unzählige Bücher über Geschäfts- und Verhaltensetiketten weltweit, dennoch gibt es bislang kein maßgebendes und insbesondere aktuelles Standardwerk. In vielen Werken wird von dem typischen Russen bis bzw. kurz nach der Auflösung der UdSSR ausgegangen. Während der letzten 20 Jahre hat sich jedoch einiges in der russischen Gesellschaft getan. Die letzte Präsidentenwahl im Frühjahr 2012 zeigt, dass das russische Volk durchaus danach strebt, sich von seiner Unmündigkeit zu erheben, um einen selbstbestimmten, demokratischen Alltag leben zu können. Dies hat folglich ebenso Auswirkungen auf sämtliche Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Eine differenzierte und feinsinnige, internationale Wirtschaftskommunikation kann hier den entscheidenden Vorsprung eröffnen, um vorhandene Potenziale optimal auszuschöpfen und starke, vertrauensvolle Beziehungen zu knüpfen.

3.2 Der mögliche Einfluss von stereotypischen Auffassungen auf Wirtschaftsbeziehungen

Wirtschaftliche Beziehungen mit einem anderen Land einzugehen und Kooperationen, sowie Verbindungen aufzubauen, bedeutet gleichzeitig, sich mit stereotypischen Auffassungen zu beschäftigen und diese weitestgehend abzubauen. Stereotypen führen nicht nur zu unüberwindbaren Barrieren, sondern schränken den Beobachter in seiner Wahrnehmung ein und hemmen ihn das Volk tatsächlich näher kennen und verstehen zu lernen. Da Russland der Sowjetunion entsprungen ist und diese jahrelang einen starken Einfluss speziell auf den östlichen Teil Deutschlands hatte, gibt es unter den Deutschen besonders viele Vorurteile nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber anderen ehemaligen UdSSR Länder wie Polen, Ukraine, Litauen oder Kasachstan, deren Volk von Mitteleuropäern oftmals fälschlicher Weise ebenso als Russen bezeichnet werden. Diese Verallgemeinerung resultiert aus dem Desinteresse der westlichen Kultur an der östlichen Kultur.

So erlitt ein deutsches Beratungs- und Bildungsunternehmen eine geschäftliche Niederlage, weil es litauische Partner 1992 noch so behandelte, als wären es Russen. Da die russisch-litauischen Beziehungen nie die allerbesten waren und die Litauer sehr stolz auf ihre nationale Unabhängigkeit sind, haben sie den Fauxpas der deutschen Seite, sie als „Russen“ zu sehen - der zudem ebenfalls von den typischen Klischeevorstellungen begleitet wa r- sehr übel genommen (Baumgart/Jänecke, 2000: 21)

Demnach könnten eine genaue Differenzierung des Geschäftspartners und ein allgemeines Weltwissen über die entsprechende Kultur der Kooperationspartner durchaus Missstimmungen vermeiden.

3.3 Das Metabild von Deutschen und Russen über einander

Die Grundlage der Entstehung von Stereotypen liegt darin, dass es unter Völkern sogenannte „Abweichungen beim Blick auf fremde Kulturen“ (Baumgart/Jänecke, 2000: 88) gibt. Diese Abweichungen und das daraus resultierende Metabild des einen Volkes auf das andere, wurden im Zuge einer Befragung im Jahre 1994 von der süddeutschen Unternehmensberatung T.W.I.S.T ermittelt. Auf diese Studie soll im Folgenden punktuell eingegangen werden, um ein Bild des typischen Deutschen aus russischer Sicht und ebenso ein Bild des typischen Russen aus deutscher Sicht darlegen zu können. Während der typische Deutsche von den Russen in seinen positiven Eigenschaften u.a. als genau, geschäftstüchtig und ehrlich beschrieben wird und als negative Eigenschaften der Drang nach Überlegenheit, Arroganz und Inflexibilität genannt werden, wird der typische Russe von den Deutschen als ebenso herzlich und offen, sowie als stolz und faul beschrieben (vgl. T.W.I.S.T. 1994: 9ff). Das folgende Zitat vom russischen Schriftsteller P´ezuch spiegelt das Bild des Russen über die Deutschen wider:

[...] Jedes Volk hat seine Bestimmung. Die Bestimmung des deutschen Volkes würde ich so beschreiben- das Land zu kultivieren und es für ein bequemes Leben nutzbar zu machen. Alles ist sauber, gemütlich und befindet sich am richtigen Platz [...] (1995: 193).

Während er sein Volk hingegen folgendermaßen charakterisiert:

[...] Die Bestimmung des russischen Volkes ist es Bücher zu lesen. Es besteht ein Widerspruch zwischen der reinen europäischen Denkweise und der rein asiatischen Lebensweise. Der Russe kann ein hochgebildeter intelligenter Mensch sein und jahrelang mit ungeputzten Schuhen und zerrissenen Hosen herumlaufen. Welch ausgeprägte Disharmonie! Sie ist ärgerlich, sie ist seltsam, aber Realität. Man kann sie ebenso wenig bekämpfen, wie man den Donnerstag oder Regen bekämpfen kann (1995: 193).

Russen sind der Überzeugung, dass Deutsche Russland für einen zurückgebliebenen, unsozialisierten Staat halten, der durch Korruption geprägt ist, in dem jedoch noch verborgene Schätze zu holen sind. Hieraus resultieren nicht allzu selten Misstrauen, Ablehnung und Stolz der Russen gegenüber Ausländern. Die Deutschen hingegen glauben, dass die Russen Deutschland als ein reiches Land sehen, das von Wohlstand geprägt ist und in dem nur Menschen leben, die pflichtbewusst und arbeitsam sind. Aus diesen beiden gegensätzlichen Metabildern entsteht der Grundkonflikt für Geschäfts- und Kooperationsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland.

Während das deutsche Metabild nur so strotzt vor positiven Eigenschaften, deutet das russische Metabild klare Selbstzweifel an. Dennoch gaben in der Befragung 73% der Russen und 68% der Deutschen an, eine gute Zusammenarbeit zu haben. Als Hauptreibungspunkte für Konflikte werden jedoch u.a. Unterschiede im Arbeitsstil/Einstellungen (51% Russen, 34% Deutsche), von Russen Unterschiede in den Spielregeln im zwischenmenschlichen Bereich (31%) und von Deutschen Unterschiede im Zeitverständnis (22%) angegeben. Die Ursachen suchen die Deutschen jedoch nur zu 8% bei sich, während die Russen diese Fehler zu 28% bei sich suchen. Die vermutete deutsche Selbstsicherheit sei somit bestätigt und darauf hingewiesen, dass eine mangelhafte Kenntnis der jeweils anderen Kultur und Missachtung ihrer soziokulturellen Unterschiede zum Scheitern aller Beziehungen und Geschäfte führen kann (vgl. T.W.I.S.T. 1994: 12ff).

3.4 Sprachliche Aspekte in der interkulturellen Kommunikation

Im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung und des daraus folgenden Zusammenrückens von Personen, Kulturen und Völkern ist nur der Abbau von stereotypischen Vorstellungen, sondern ebenso die Beherrschung der Sprache des jeweiligen Gesprächs- und Kooperationspartner einer der wichtigsten Schlüssel zur Vermeidung von Misskommunikation und des Verständnisses der jeweils anderen Kultur. Die Kultur und der Prozess des Lernens der in ihr gesprochenen Sprache hängen unmittelbar miteinander zusammen. Während die Kultur den Grundbaustein legt, um einen Lebensraum und eine Lebensweise für die Sprache zu schaffen, entwickelt sich die Muttersprache mit ihr und fügt sich im Laufe eines Menschenlebens in diesen Rahmen ein. So spiegeln sich auch in der Sprache kulturelle Unterschiede wider, die es zu verstehen und zu deuten gilt.

Ein Beispiel für die russische Kultur stellt das im Vergleich zum Deutschen unterschiedliche Verständnis von Raum und Zeit dar. Im Russischen hat man die Möglichkeit eine Distanz oder einen Zeitpunkt unbestimmt auszudrücken. Dies ist ebenso auf ähnlicher Art und Weise im Deutschen möglich, indem man Wörter wie ungefähr oder in etwa verwendet. Auf diese Wörter ist der Russe jedoch nicht angewiesen. Denn ändert man im Russischen die Reihenfolge einer z.B. zeitlichen Phrase, so erhält man den Effekt des ungenauen oder in etwa angegebenen Zeitpunktes. So wird aus der konkreten Angabe в семъ часов (Punkt 7 Uhr) eine unkonkrete Angabe часов в семъ, die sowohl 6.30 Uhr als auch 7.30 Uhr bedeuten kann. Ebenso findet man im Russischen sogenannte dehnbare Begriffe. Diese haben im Deutschen eine eher konkretere Bedeutung, während man diese Ausdrücke im Russischen nicht wörtlich nehmen sollte. So muss zum Beispiel в двух - трех шагах (nur ein paar Schritte entfernt) oder рукой подать (Katzensprung) nicht unbedingt bedeuten, dass man nur wenige Meter zu laufen hat. Diese Distanz kann sich durchaus über mehrere Kilometer erstrecken. Besonders für einen Nichtmuttersprachler ist es schwer, die genaue Bedeutung dieser dehnbaren Begriffe zu deuten. Es erfordert einen langen Prozess des Beobachtens und Erfahrens von Kommunikationsabläufen in Russland. Die Ursache für die Verwendung dieser dehnbaren Ausdrücke findet sich durchaus in der Kultur wieder. Im Russischen liegt die Begründung dafür in der Gesichtswahrung. Die Vermeidung eines Gesichtsverlustes liegt darin verankert, dass die jeweilige Person bei einer verbindlich getroffenen Aussage gegenüber dem Geschäftspartner einer Erklärungspflicht unterliegen würde oder mit Hilfe der dehnbaren Ausdrücke eine Absage besser diplomatisch transferieren kann (vgl. Baumgart/Jänecke, 2000: 21). Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung spielt auch die englische Sprache insbesondere im Wirtschaftsbereich zunehmend eine wichtige Rolle. In wie fern die oben beispielhaft aufgeführten Prozesse im Englischen (von einem Russen gesprochen) angewandt und verstanden werden würden, wäre ein interessanter Forschungsansatz für weitere grundlegende linguistische Studien in der internationalen Wirtschaftskommunikation.

4 Der Fortschritt der Technik in der Telekommunikation: Videokonferenzen als neue Form der Kommunikation

Mit der zunehmend weltweiten Verknüpfung in nicht nur kulturellen und politischen, sondern ebenso in wirtschaftlichen Bereichen steigt insbesondere in international aufgestellten Unternehmen der Kommunikationsaufwand. Hierzu wird aktiv nach alternativen Lösungen zu teuren face-to-face Gesprächen gesucht und in innovative Technik investiert. Die Videokonferenz hat sich hierbei im Laufe der letzten 40 Jahre als die vermeintlich beste Alternative zum face-to-face Gespräch entwickelt. In den 1970er Jahren von AT&T erfunden, waren Videokonferenzen bis in die späten 1990er Jahre lediglich staatlichen Führungspersönlichkeiten und dem Militär aufgrund des hohen Kostenaufwandes und der sich noch in der Entwicklungsphase befundenen Internets vorbehalten. Mit der Erfindung des ISDN und der kostenlosen Einführung von online Videotelefonie durch die Anbieter Skype und iChat wurde das Telefonieren mit Videoübertragung ab dem Jahre 2000 für jedermann zugänglich. Bis heute hat sich die Videotelekommunikationstechnik rasant entwickelt und verändert sich nun jährlich zunehmend dahingehend das Videogespräch noch näher an die face-to-face Kommunikation anzupassen. Hochauflösende, bewegte Bilder und gute Sprachübertragung sind keine Zukunftsvision mehr, sondern stellen den aktuellen technischen Standard der Videotelefonie dar (vgl. Meyer 2008: 3ff).

4.1 Die Bedeutung von Videokonferenzen im internationalen Business

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Videotelefonie insbesondere für internationale Unternehmen als ein unabdingbares Instrument in der Wirtschaftskommunikation erwiesen.

Denn „Konferenzsysteme unterstützen die synchrone Kommunikation zwischen einer genau adressierbaren Menge von Kommunikationspartnern, wobei die Unterstützung vor allem in der Raumüberbrückung besteht“ (Teufel:1995:12).

Kommunikationsexperten streiten sich jedoch bislang über den Erfolg oder Misserfolg der Kommunikation per Videokonferenz. Deshalb sollen im Folgenden zunächst einmal die Vor- und Nachteile der Nutzung von Videokonferenzen insbesondere im Hinblick auf den möglichen Ersatz von face-to-face Gesprächen im internationalen Geschäftsumfeld kritisch untersucht werden. Mit face-to-face Gesprächen im internationalen Raum sind vor allem hohe Reisekosten und ein großer Zeitaufwand verbunden. Die reisenden Geschäftspartner kämpfen oftmals gegen Jet Lag und Zeitmangel aufgrund des häufig eng gesteckten Zeitraumes des Businesstrips. Zusätzlich kann es technische Schwierigkeiten geben, wie z.B. die Zugriffsverweigerung von unternehmensinternen Laufwerken mit dem mitgebrachten Notebook aufgrund von Berechtigungsbeschränkungen im ausländischen Unternehmen oder gar das Nichtvorhandensein einer stabilen und gesicherten Internetverbindung im Ausland. Des Weiteren sehen sich Geschäftsreisende mit kulturellen und sprachlichen Schwierigkeiten im jeweiligen Land konfrontiert. Während die Geschäftspartner meist ebenso der englischen Sprache mächtig sind, gilt diese Vorgabe nicht gleichzeitig für die restliche Bevölkerung im Land. So kann sich z.B. ein Deutscher, der des kyrillischen Alphabets nicht mächtig ist, sich in einer russischen Stadt durchaus verloren fühlen. Diese beispielhaft genannten Schwierigkeiten könnten durch ein Gespräch per Videokonferenz vermieden bzw. umgangen werden. Hierbei können nicht nur erhebliche Kosteneinsparungen, sondern ebenso eine höhere Produktivität des Unternehmens erzielt werden. Demnach fallen alle reisebezogenen Ausfallzeiten wie z.B. Reisevorbereitung, An- und Abreise, Mietwagen, Verspätungen und Wartezeiten weg und könnten anstelle dessen für häufigere oder gar regelmäßige Videokonferenztermine genutzt werden. Der Vorteil der optimierten Entscheidungsfindung ist hingegen stark diskutiert. Es wird ein vermeintlich schnellerer und besserer Informationsfluss bei wichtigen Entscheidungsfindungen und in Abstimmungsprozessen angegeben (vgl. Meier 1999: 3ff.). Des Weiteren ist bei größeren Problemen aufgrund der direkten Kommunikation eine schnelle Reaktionsmöglichkeit gegeben, sodass Vorschläge auch kurzfristig ausgetauscht und Lösungen sofort gemeinsam mit der Unterstützung von Spezialisten und Dokumenten, die am Bildschirm von allen Personen eingesehen werden können, gefunden werden können. Hieraus ließe sich eine Optimierung der Kommunikation zwischen den jeweiligen Geschäftspartnern im Vergleich zu Telefonkonferenzen schließen. Die Videokonferenz wird jedoch zunehmend als Ersatz von face-to-face Gesprächen gesehen. Genau in diesem Punkt treten die Nachteile der Videokonferenz hervor. Im Gegensatz zum face-to-face Gespräch ist es in der Kommunikation per Videoübertragung nicht nur schwierig den Blickkontakt aufrechtzuerhalten, sondern vielmehr die Körpersprache des Gegenübers lesen und deuten zu können. Denn diese kann aufgrund der ungewohnten Situation vor der Videokamera unnatürlich zum Ausdruck gebracht werden und zu Missinterpretation führen. Auch die mögliche zeitliche Verzögerung des Gesagten kann zur Misskommunikation beitragen. Diese technischen Voraussetzungen wie z.B. auch eine stabile, schnelle und sichere Internetverbindung auf beiden Seiten sind oftmals nicht erfüllt und fordern eine regelmäßige Wartung sowie jederzeit abrufbaren IT-Support des Videokonferenzsystems. Zunehmend wichtig wird der Fakt der Umweltschonung. Dieser Vorteil wird oftmals gleichzeitig mit Hilfe eines Marketingkonzeptes offiziell kommuniziert, um ein umweltschonendes und verantwortungsvolles Image des Unternehmens aufzubauen. Der wohl wichtigste Vorteil von Videokonferenzen im Unternehmen ist jedoch der positive Wirtschaftlichkeitsfaktor. Insbesondere Unternehmen, die international operieren, haben eine starke Kosten- und Kapitalbelastung aufgrund von teuren Flügen und langen Reisezeiten der Mitarbeiter. Mit Hilfe von Videokonferenzen entfallen somit vor allem unnötige Wartezeiten und ein starker Emissionsausstoß durch Flugzeuge oder PKWs. Einher geht hierbei der Vorteil der Verbesserung der Work-Life-Balance insbesondere für vielreisende Mitarbeiter. Hierbei sei anzumerken, dass der Großteil der Videokonferenznutzer im Gegensatz zum Unternehmenseigentümer nicht den monetären, sondern den zeitlichen Nutzen in der Anwendung der Videokonferenz sieht. Es entstehen durch die Nutzung und Förderung von innovativen Telekommunikationstechniken in international agierenden Großunternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber unmittelbaren Unternehmenskonkurrenten. Ziel ist der gewisse Vorsprung durch Technik. Dieser Vorsprung, sowie die genannten Vor- und Nachteile der Nutzung von Videokonferenzen in der Wirtschaftskommunikation sollen in den folgenden Kapiteln anhand der Durchführung einer Einzelfallstudie in einem Großkonzern kritisch und mit Hilfe einer linguistischen Konversationsanalyse detailliert untersucht werden.

5 Die Einzelfallstudie als Forschungsansatz zur gesprächslinguistischen Analyse eines interkulturellen Videokonferenzgespräches

Wer nicht gewahr werden kann, dass ein Fall oft tausende wert ist, und sie alle in sich schließt, wer nicht das zu fassen und zu ehren imstande ist, was wir Urphänomene genannt haben, der wird weder sich noch anderen jemals etwas zur Freude und zum Nutzen fördern können (Goethe 2005: 91f).

Wie Goethe schon feststellte, kann die Beobachtung des einzelnen Falles durchaus ebenso Aufschluss über größere, gar häufiger auftretende und komplexe Sachverhalte geben.

Die Einzelfallstudie wird in der empirischen Psychologie als eine Beobachtungtechnik verstanden „bei der ein einzelnes Individuum gründlich und intensiv beobachtet wird in der Hoffnung, auf diese Weise universelle Prinzipien entdecken zu können. [….] Dabei können als Einzelfall auch Personen, Gruppen, Kulturen oder ganze Gesellschaften angesehen werden. Sowohl in der pädagogischen als auch in der psychologischen Forschung haben Einzelfalluntersuchungen eine lange Tradition (z.B. von Ebbinghaus 1885 bei seinen Studien zur Erforschung des Gedächtnisses verwendet)“ (Lexikon für Psychologie und Pädagogik: 3888).

Demnach spielen Einzelfallstudien zunehmend eine große Rolle in kulturellen, wirtschaftlichen und sprachlichen Wissenschaften wie beispielsweise in der Gesprächslinguistik, die der Sprachwissenschaft zuzuordnen ist und durchaus Einflüsse aus der Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Pädagogik erfährt. Bei Einzelfalluntersuchungen handelt es sich somit keinesfalls um eine klar definierbare Erhebungstechnik, sondern vielmehr um einen Forschungsansatz, der sich durchaus verschiedener Erhebungstechniken bedienen kann.

5.1 Vor- und Nachteile einer Einzelfallstudie

Die Vor- und Nachteile der Einzelfallstudie resultieren aus genau dieser beschriebenen Charakteristik. Die Einzelfallstudie bietet die Möglichkeit einen Untersuchungsgegenstand mit unterschiedlichen und kombinierbaren Techniken zu analysieren. So können beispielsweise ermittelte Ergebnisse mit Hilfe anderer Analysemethoden entweder bestätigt oder gar um Untersuchungsdimensionen erweitert werden.

Durch eine qualitative Vorgehensweise der Analyse können jedoch Methodenfehler schwer aufgedeckt und vermieden werden. Die Einzelfallstudie gilt deshalb auch als ein unstandardisiertes und unkontrollierbares Verfahren, das für verzerrende Einflüsse jeglicher Art und Weise sorgen kann. Um diese negativen Aspekte zu vermeiden sei insbesondere darauf geachtet, dass die Datenerhebung dem Kriterium der Natürlichkeit der sozialen Realität entspricht. Die wichtigsten Prinzipien sind demnach Kommunikativität, Naturalität, Offenheit, Interpretativität und die Erfassung der Individualität in seinem Gesamtumfang (vgl. Bortz/Doring 2002: 253f).

Somit kann weitestgehend ein realistisches Abbild des sozialen Umfeldes der Untersuchungsobjekte gezeichnet werden. Hierbei handelt es sich entweder um Einzelpersonen oder sogenannte soziale Einheiten wie Kulturen, Unternehmen oder Familien. Letztere werden hierbei als homogen betrachtet (vgl. LMU Falkultät für Psychologie und Pädagogik).

5.2 Ziele einer Einzelfallstudie

Das Material zur Analyse der Einzelfallstudie kann sich durch unterschiedliche Möglichkeiten wie z.B. durch Interviews, Berichte, E-Mails, Gruppendiskussionen, Analysen von Autobiografien, Dokumente, Berichte teilnehmender Beobachtung oder Videoaufnahmen zusammensetzen.

Die Einzelfallstudie kann durchaus für die Zielerreichung verschiedenartigster Erkenntnisse eingesetzt werden. Sie kann zum einen unterschiedliche Facetten des Untersuchungsbereiches ermitteln und somit als Basis für nähere Ermittlungen, andere Erhebungsmethoden oder Hypothesen dienen. Des Weiteren lassen sich auch persönliche und individuelle Eindrücke herausfiltern und können zu einem vollständigeren Abbild des Untersuchungsobjektes beitragen. Es ist durchaus nicht leicht, geeignete Untersuchungsobjekte für eine Studie zu finden. Die Einzelfallstudie kann hierfür als entsprechendes Instrument dienen, um Realisierungschancen einer empirischen Studie vorab zu testen. Zum anderen kann sie dabei helfen verschiedene Facetten einer eventuell schon bestehenden Hypothese aufzuzeigen oder diese um andere Dimensionen zu erweitern. Somit können völlig neue Lösungen und richtungsweisende Ansätze entstehen.

5.3 Erhebung und Auswertung der Daten der Einzelfallstudie

Bei der Datenerhebung für die Einzelfallstudie sei nach Bortz und Doring (2002) darauf geachtet, dass eine natürliche Atmosphäre vorhanden ist und keine die zwecks der Studie erschaffen wurde. Somit könne eine Kommunikativität und Natürlichkeit des Sprechaktes gewährleistet werden. Hierzu könne man u.a. auf offene und narrative Interviews, Gruppendiskussionen, Quellenanalysen oder auf eine teilnehmende bzw. verdeckte Beobachtung zurückgreifen. Die Wahl dieser Techniken richte sich u.a. nach theoretischen Voraussetzungen, den Besonderheiten der Untersuchungsobjekte und nach möglicherweise schon erhobenen Erkenntniszahlen (vgl. 2002: 253f).

Bei der Auswertung der Daten in dieser Diplomarbeit soll der Fokus jedoch zum einen auf äußere Einflüsse des Gespräches und zum anderen insbesondere auf Aspekte des Inhalts und dessen Vermittlung während der Kommunikation stehen. Hierzu ist eine Charakterisierung und Wirkung auf die Umwelt der teilnehmenden Personen unabdingbar. Man spricht bei dieser vielschichtigen Herangehensweise von einem multimethodischen Ansatz, durch den unterschiedliche Aspekte der Einzelfallstudie beleuchtet werden können. Diese Ergebnisse regen aufgrund ihres individuellen Statuses nicht nur zur Modifikation von Gesetzmäßigkeiten, sondern ebenso zu dessen Hinterfragung an.

6 Die Transkription nach GAT 2 in der durchgeführten Einzelfallstudie

Seit dem Beginn der modernen Gesprächsanalyse in den 60er und 70er Jahren gilt die Transkription einer Interaktion als grundlegende Voraussetzung zur Analyse einer Konversation. Insbesondere in der Linguistik, sowie in anderen Disziplinen wie in u.a. der Psychologie, Soziologie oder Pädagogik stellte man frühzeitig fest, dass sprachliche Interaktionen mit dem standardisierten Schriftsystem lediglich unzureichend erfasst werden und somit ein Transkriptionssystem unabdingbar für eine umfassende Gesprächsanalyse ist. So wurden in den verschiedenen Disziplinen jeweils eigene Transkriptionskonventionen (beispielsweise CHAT, DIDA, DT, HIAT, GAT) entwickelt, die im Laufe ihrer praktischen Anwendung stets weiterentwickelt wurden. Sogar innerhalb der eigenen Disziplin war es aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Transkriptionskonventionen und-ansätze nur schwer möglich diese mit einander zu vergleichen oder gar in einen Zusammenhang zu bringen. In der Gesprächslinguistik wurde aus diesem Grund 1998 das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT) von Margret Selting, Peter Auer, Birgit Barden, Jörg Bergmann, Elisabeth Couper-Kuhlen, Susanne Günthner, Christoph Meier, Uta Quasthoff, Peter Schlobinski und Susanne Uhmann entwickelt, um einheitliche Konventionen und eine untereinander vergleichbare Basis zu schaffen. Somit war ein eindeutiger Austausch von erhobenen Daten möglich, auch wenn deren Schwerpunkt in unterschiedlichen Forschungsansätzen lag. Im Jahre 2009 wurde dieses System erneut überarbeitet und unter dem Namen GAT 2 veröffentlicht (vgl. Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 2009 353ff).

Diese überarbeitete Version „[…] gibt detaillierte Anweisungen zum Erstellen gesprächsanalytischer Transkriptionen auf drei Detailliertheitsstufen, dem Minimal-, Basis- und Feintranskript, sowie neue Vorschläge zur Darstellung komplexerer Phänomene in Sonderzeilen (Gesprächsforschung: Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 2009: 353).

Des Weiteren unterliegt sowohl GAT 1 als auch GAT 2 den folgenden, allgemein festgelegten Parametern einer Transkription:
1. Ausbaubarkeit und Verfeinerbarkeit der Notation ("Zwiebelprinzip"): Ein
Transkript einer bestimmten Detailliertheitsstufe soll ohne Revision der weniger differenzierten Version ausbaubar und verfeinerbar sein.
2. Lesbarkeit des Transkripts: Die Transkription soll auch für Nicht-Linguisten
lesbar sein. Für das Gesprächstranskript verbietet sich also eine Spezialdarstellungsweise wie z.B. eine phonetische Umschrift. Diese kann jedoch für bestimmte Zwecke ergänzt werden.
3. Eindeutigkeit: Das Transkriptionssystem soll eine genaue Anweisung geben, wie auditive Phänomene in der jeweiligen Ausbaustufe von GAT darzustellen sind. Jedem darzustellenden Phänomen wird ein Transkriptionszeichen zugeordnet. Dieses ist eindeutig definiert.
4. Ikonizität: Transkriptionszeichen sollen möglichst nicht vollständig arbiträr
sein, sondern ikonischen Prinzipien folgen.
5. Relevanz: Es sollen die Phänomene erfassbar und darstellbar gemacht werden,
die sich aufgrund bisheriger Forschung als relevant für die Interpretation
und Analyse verbaler Interaktion erwiesen haben.
6. Formbezogene Parametrisierung: Die Notationskonventionen sollen eine
formbezogene Transkription ermöglichen. Dazu sollen statt interpretierender

Kommentare - wie z.B. "erstaunt" - die Einzelparameter, die dieser Interpretation zugrunde liegen, formbezogen und getrennt darstellbar sein (Gesprächsforschung -Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 2009: 356 ff.).

Die Transkription nach dem GAT-Verfahren lässt sich in 2 unterschiedlichen Stufen durchführen. Sie richtet sich nach dem Zwiebelprinzip. Somit kann das sogenannte Minimaltranskript durch das Basistranskript und dies wiederum durch das Feintranskript erweitert werden. Ersteres enthält hauptsächlich Informationen zur Verlaufsstruktur des Gesprächs. Hierzu zählen ebenso Überlappungen, simultanes Sprechen und Pausen, wobei diese entweder bis auf die Sekunden gemessen ((1.74)) oder grob in Mikropausen ((.)), kurze ((-)), mittlere ((--)) oder längere Pausen ((---)) unterschieden werden können. Des Weiteren werden Lachen, Ein- und Ausatmungen, Verschleifungen innerhalb von Einheiten, Verzögerungssignale und unverständliche Passagen ((unverständlich)) angegeben (Vgl. Gesprächsforschung -Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 2009: 392f.). In der Erweiterung durch das Basistranskript werden zusätzlich u.a. Tonhöhenbewegungen am Ende von Intonationsphrasen und interpretierende Kommentare mit einer gewissen Reichweite aufgeführt. Beim Akzent werden im Basistranskript nur der Fokusakzent (akZENT), sowie gesondert ein extra starker Akzent (ak!ZENT!)berücksichtigt. Das Feintranskript ergänzt diese Akzentuierung um den Nebenakzent (akzEnt). Des Weiteren enthält es über das Basistranskript hinausgehende Informationen, die vor allem den Bereich der Prosodie betreffen Bei dieser Art der Transkription werden auffällige Tonsprünge (↑/↓), ein verändertes Tonhöhenregister ( <<h/t > >), intralineare Notation von Akzenttonhöhenbewegungen und Lautstärke- und Sprechgeschwindigkeitsveränderungen mit Extension und Veränderung sowohl der Stimmqualität als auch der Artikulationsweise gekennzeichnet. Das Feintranskript stellt nicht die Regel einer Transkription dar, da es sehr aufwändig ist. Es ist insbesondere für die Linguisten interessant, deren Forschungsgebiete in Schnittstellen zwischen Konversationsanalyse und Intonationsphonologie liegen (vgl. Gesprächsforschung -Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 2009: 393f.). Es wurde hierbei auf alle drei Transkriptionsverfahren eingegangen, um die Möglichkeit einer Intensivierung der Gesprächsanalyse der durchgeführten Einzelfallstudie zu betonen. Dies könnte in einer anderen Arbeit als ein erweiterter Ansatz dienen. Für die gesprächslinguistische Analyse ist jedoch in dieser Arbeit die Nutzung der GAT-2 Standards für das Minimaltranskript völlig ausreichend und soll als solide Basis dienen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Die interkulturelle Wirtschaftskommunikation mit Russland
Untertitel
Am Beispiel einer Videokonferenz im Großkonzern
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
94
Katalognummer
V383023
ISBN (eBook)
9783668586673
ISBN (Buch)
9783668586680
Dateigröße
861 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die DA enthält ein eigens entwickeltes Sprachmodell zugeschnitten auf die internationale Wirtschaftskommunikation in Unternehmen. Der Anhang enthält das komplette Minimaltranskript nach GAT 2.
Schlagworte
Internationale Wirtschaftskommunikation, interdisziplinäre Einzelfallstudie, Transkription, GAT 2, Kultur, Textlinguistik, Praxisbeispiel, Gesprächslinguistik, Konversation, Makroebene, Mesoebene, Technik, Interaktionsprozesse, internationale Beziehungen, Telekommunikation, Videokonferenz, Mimik, Russland, Gestik, Körpersprache, Wirtschaftsbeziehung, Deutschland, Sprachmodell, KWS Modell, Organon Modell, Bühler
Arbeit zitieren
Janine Heiner (Autor:in), 2012, Die interkulturelle Wirtschaftskommunikation mit Russland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383023

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