Das Projekt der funktional vernetzten und wettbewerblichen Jurisdiktionen (FOCJ): Ein realistisches Konzept


Seminararbeit, 2004

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Problemstellung und Gang der Untersuchung

2. Die Idee der funktionalen, überlappenden, wettbewerblichen Jurisdiktionen (FOCJ)
2.1 Was sind FOCJ?
2.2 FOCJ sind funktional
2.3 FOCJ sind überlappend
2.4 FOCJ sind wettbewerblich
2.5 FOCJ - Körperschaften mit Steuerhoheit und Zwangsgewalt

3. Ist der Ansatz der FOCJ ein realistisches Konzept?
3.1 Hohe Transaktionskosten bei Ein- und Austritt
3.2 Akzeptanz von FOCJ in gewachsenen und nationalstaatlich geprägten Strukturen
3.3 Mangelnde Koordinationsmechanismen zwischen den FOCJ
3.4 Das Problem der Judikative bei FOCJ
3.5 FOCJ und der Föderalismus der Europäischen Union in ihrer heutigen Erscheinung

4. Fazit: FOCJ – Utopie oder Chance?

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Einführung

Functional Overlapping Competing Jurisdictions (FOCJ) ist ein vom Schweizer Wissenschaftler Bruno S. Frey kreierter Begriff. Frey ist Universitätsprofessor für Ökonomie an der Universität Zürich (CH).

Die EU, insbesondere Staaten wie Deutschland oder die Schweiz, weist einen formal föderalistischen Aufbau auf. Frey geht mit seiner speziellen Föderalismus-Theorie entschieden weiter als alle bestehenden staatlichen föderalen Gebilde. Statt einer vertikalen und vor allem territorialen Aufteilung der einzelnen öffentlichen Körperschaften schlägt Frey eine Aufteilung in Körperschaften mit verschiedenen spezialisierten Funktionalitäten vor. Ein sogenannter FOCUS (per Definition der Singular für FOCJ) ist nur für eine öffentliche Aufgabe zuständig, hierauf aber stark spezialisiert. Ferner kann er diese Aufgabe „überlappend“, also Kantons- oder Ländergrenzen übergreifend anbieten, und vor allem auch die gleichen Territorien abdecken wie andere FOCJ, eventuell auch solche mit gleichen Funktionalitäten.

1.2 Problemstellung und Gang der Untersuchung

Zielsetzung dieser Seminararbeit ist es zu diskutieren, ob es sich bei den funktionalen, überlappenden und wettbewerblichen Jurisdiktionen um eine föderalistische und ökonomische Utopie handelt oder ob FOCJ vielmehr ein realistisches Konzept ist. Realistisch meint hierbei nicht bloß die Frage: Ist die Theorie in sich stimmig, sondern darüber hinaus auch: Sind FOCJ, oder Elemente davon, in eine bestehende Staatenordnung mit gewachsenen Traditionen und bestehenden Körperschaften, wie z.B. der Europäischen Union in ihrer heutigen Form übertragbar und realisierbar?

Zunächst wird in Abschnitt 2 die Idee der Functional Overlapping Competing Jurisdictions vorgestellt. Dabei werden in den jeweiligen Unterabschnitten die wesentlichen Charakteristika Funktionalität, Wettbewerb, Überlappung und körperschaftliche Elemente erläutert. In Abschnitt 3 werden verschiedene kritische Punkte der FOCJ-Systematik angesprochen, diskutiert und deren Für und Wider gegeneinander abgewogen. Im Fazit folgt eine abschließende Beurteilung aus Sicht des Verfassers.

2. Die Idee der funktionalen, überlappenden, wettbewerblichen Jurisdiktionen (FOCJ)

2.1 Was sind FOCJ?

Die Idee der FOCJ ist grundsätzlich der Vorschlag eines „neuen Föderalismus für Europa“[1]. Die „unbestreitbaren Vorteile eines europäischen Zusammenschlusses sollen mit den fundamentalen Vorteilen von Demokratie und Dezentralisierung (Föderalismus) verbunden werden.“[2] Die Grundidee der FOCJ beruht vor allem darauf, Politikern Anreize zu verschaffen, in ihrem Handeln und in ihren Entscheidungen auf die Präferenzen der Bürger einzugehen.

Im Kern handelt es sich bei FOCJ um öffentliche Körperschaften mit den Merkmalen staatlicher Macht. Wesentlich ist, dass ein FOCUS keine private Institution bildet, sondern wie ein Staat Zwangsgewalt und Steuerhoheit inne hat. Bürger oder Gemeinden können frei zwischen der Zughörigkeit zu durchaus verschiedenen FOCJ wählen und jederzeit wechseln. So soll ein gemeinwohlfördernder Wettbewerb der FOCJ entstehen. FOCJ entstehen frei und sind geprägt von starken Elementen direkter Demokratie. Im Unterschied zu den bisherigen, existenten Gebietskörperschaften ist das Ziel der FOCJ aber nicht die Beherrschung eines bestimmten Territoriums, sondern die Erbringung einzelner, öffentlicher Leistungen[3]. Einzelne Ausgestaltungsmerkmale und Charakteristika von FOCJ werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt.

2.2 FOCJ sind funktional

Bisher bestehende Gebietskörperschaften, z.B. Gemeinden, Länder oder Bundesstaaten, sind in der Regel Generalisten. Sie bieten eine Fülle unterschiedlicher öffentlicher Dienstleistungen an – vom staatlichen Kindergarten über Schulen, Universitäten oder Autobahnen bis zur Abschreckung potenzieller Feinde mittels atomarer Rüstung. „[...] Central administrations have often usurped tasks far beyond the original list, for example in industry regulation, education, welfare provision, environmental matters and local government.“[4] Die Idee der FOCJ beinhaltet im Gegensatz dazu, dass Körperschaften ihre Dienstleistungen effizienter erbringen wenn eine bestimmte, zunächst trivial erscheinende, Bedingung erfüllt ist: Leistungsempfänger und Kostenträger, sprich Steuerzahler, müssen übereinstimmen.[5] Anders ausgedrückt: „Je kleiner die spill-overs sind“, um so größer die Effizienz. „Spillovers sind vorhanden, wenn die in einer Region erstellten öffentlichen Leistungen nicht nur die Wohlfahrt der eigenen Einwohner beeinflussen, sondern auch Einwohnern, die darüber weder befunden noch sie realisiert haben, zugute kommen.“[6] Zu unterscheiden sind positive und negative spill-overs. Spill-ins bewirken eine Verzerrung der Allokation der Ressourcen – Ein Beispiel: Die Nutzung eines Kurparks durch Bürger der Nachbargemeinde. Der umgekehrte Fall sind die so genannten spill-outs.[7] Hier werden Bürger, die nicht unmittelbar Nutzenempfänger sind, belastet oder geschädigt, entweder finanziell oder in anderer Weise. Ein Beispiel wäre die Emissionsbelastung der grenznahen deutschen Orte durch ein ausländisches Kraftwerk, oder die Zahlung von Ökosteuern beim Kauf deutschen Auto-Kraftstoffs durch Gebietsfremde. Diese profitieren nicht von der Entlastung des deutschen Rentensystems, die durch die Ökosteuer u.a. bezweckt werden soll. FOCJ sollen solche Allokationsverzerrungen vermeiden helfen.

Ein zweiter wesentlicher Vorteil wird in der Möglichkeit der Spezialisierung gesehen. FOCJ erfüllen nur eine bestimmte öffentliche Aufgabe – es findet also eine weitere, öffentliche Form der Arbeitsteilung statt. FOCJ sind Spezialisten in der Erfüllung einer möglicherweise stark eingeschränkten Nische öffentlicher Leistungen. Dies ermöglicht eine vollständige Ausnutzung der „economies of scale“[8]. Funktionale Gebietskörperschaften bieten also nur gezielte Leistungen oder Leistungsbündel an. Denkbar sind innerhalb des Modells funktionale Einheiten für Bildung, Abfallversorgung oder Landesverteidigung.

Eine weitere Folge der Funktionalität ist die Möglichkeit, „Leistungen [gezielt] an die Nachfrage der Bürger anzupassen.“[9] Es ist also im Konzept der FOCJ effizienter wenn nicht alle öffentlichen Leistungen von einer Gebietskörperschaft erbracht werden. Eine Vielzahl spezialisierter FOCJ sind eher in der Lage, den sie betreffenden Wirkungskreis kostengünstig und effizient abzudecken.[10]

2.3 FOCJ sind überlappend

Die Überlappung ist einer der unkonventionellsten Ansätze innerhalb der Theorie der FOCJ. Einerseits ist ein Überlappen von Körperschaften unterschiedlicher Aufgaben angedacht. Bürger gehören damit nicht wie bisher einer speziellen Gebietskörperschaft allein (beispielsweise nur einer Gemeinde), sondern einer ganzen Fülle von FOCJ an. So ist denkbar, dass ein einzelner Bürger gleichzeitig Bürger eines Schul-FOCUS, eines Abwasser-FOCUS, eines Verteidigungs- und eines Kultur-FOCUS ist.[11] Diese Variante ist jedoch nicht revolutionär. Auch heute gehören Bürger oder zumindest Gemeinden oft zu einem Kreis, der aber geografisch nicht zwingend mit dem Wasserverband oder dem Abfallentsorger übereinstimmen muss. So ist beispielsweise die nordrhein-westfälische Gemeinde Hückeswagen Teil des Oberbergischen Kreises, dessen Grenzen politisch bestimmt sind. Zum Anderen ist sie Mitglied des Wupperverbandes. Dieser erstreckt sich aber territorial auf das Einzugsgebiet des Flusses Wupper. Die jeweiligen Gebiete stimmen nur zu einem geringen Teil überein. Gleichzeitig existiert ein Abfallwirtschaftsverband, der zwei Kreise umfasst, und eine gemeinsame Deponie betreibt. Die städtische Sparkasse wird mit einer zweiten Kommune betrieben. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die genannten Gebietskörperschaften wesentliche andere Kriterien von FOCJ, wie Steuerhoheit und Wettbewerb, nur bedingt oder, wie Elemente direkter Demokratie und freiem Wechsel der Körperschaften, überhaupt nicht erfüllen.

[...]


[1] Frey, Bruno S., Ein neuer Föderalismus für Europa – Die Idee der FOCJ, 1995, S. 1f.

[2] Frey, Bruno S., Ein neuer Föderalismus für Europa – Die Idee der FOCJ, 1995, S. 9.

[3] Vgl. Eichenberger, Reiner, Eine „fünfte Freiheit“ für Europa, 1996, S. 111.

[4] Kasper, Wolfgang, Federations: Competing Jursdictions, 1996, S. 14.

[5] Vgl. Eichenberger, Reiner, Eine „fünfte Freiheit“ für Europa, 1996, S. 113.

[6] Frey, René L., Zwischen Föderalismus und Zentralismus, 1977, S. 31.

[7] Vgl. Frey, Bruno S./Eichenberger, Reiner, New Democratic Federalism, 1999, S. 40.

[8] Eichenberger, Reiner, Eine „fünfte Freiheit“ für Europa, 1996, S. 113.

[9] Frey, Bruno S., Ein neuer Föderalismus für Europa – Die Idee der FOCJ, 1995, S. 14.

[10] Vgl. Eichenberger, Reiner, Eine „fünfte Freiheit“ für Europa, 1996, S. 113.

[11] Vgl. Frey, Bruno S., Ein neuer Föderalismus für Europa – Die Idee der FOCJ, 1995, S. 14.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Projekt der funktional vernetzten und wettbewerblichen Jurisdiktionen (FOCJ): Ein realistisches Konzept
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Veranstaltung
Seminar Ordnungspolitik
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V38176
ISBN (eBook)
9783638373289
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Seminararbeit über Functional Overlapping Competing Jurisdictions (FOCJ), Uni Marburg
Schlagworte
Projekt, Jurisdiktionen, Konzept, Seminar, Ordnungspolitik
Arbeit zitieren
Thorsten Breitkopf (Autor:in), 2004, Das Projekt der funktional vernetzten und wettbewerblichen Jurisdiktionen (FOCJ): Ein realistisches Konzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38176

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