Geteilte Handlungsrepräsentationen bei Task-Switching Problemen


Bachelorarbeit, 2014

89 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1 Geteilte Handlungen
2.1.1 Theorien zur Auswirkung sozialer Interaktionen.
2.1.2 Mechanismen geteilter Handlungen.
2.2 Geteilte Handlungsrepräsentationen in einem Task-sharing-Paradigma
2.2.1 Der Simon-Effekt
2.2.2 Das Modell der dimensionalen Überlappung.
2.2.3 Der Joint-Simon-Effekt
2.2.4 Der Handlungspartner als räumlicher Bezugsrahmen.
2.3 Das Aufgabenwechselparadigma
2.3.1 Die Operationalisierung der Wechselkosten
2.3.2 Zwei verschiedene Interpretationen der Wechselkosten
2.3.3 Das Konzept der kognitiven Kontrolle
2.4 Zusammenfassung und Ausblick auf das Experiment

3. Fragestellungen

4. Methode
4.1 Gesamtstichprobe
4.2 Experimentalbedingung A „Two-Choice”
4.2.1 Stichprobe
4.2.2 Material und Versuchsaufbau.
4.2.3 Versuchsdurchführung.
4.2.4 Versuchsdesign.
4.3 Experimentalbedingungen B und C „Go/Nogo“
4.3.1 Stichprobe
4.3.2 Material und Versuchsaufbau
4.3.3 Versuchsdurchführung
4.3.4 Versuchsdesign

5. Ergebnisse
5.1 Two-Choice Bedingung
5.1.1 Voranalysen
5.1.2 Hauptanalysen
5.2 Go/Nogo Bedingungen
5.2.1 Voranalysen „Individual Go/Nogo“.
5.2.2 Voranalysen „Joint Go/Nogo“.
5.2.3 Hauptanalyse für die Reaktionszeiten
5.2.4 Hauptanalyse für die Anzahl richtiger Reaktionen

6. Diskussion
6.1 Diskussion der Ergebnisse
6.1.1 Fragestellung A.
6.1.2 Fragestellung B
6.1.3 Fragestellung C
6.1.4 Fragestellung D
6.1.5 Fragestellung E.
6.2 Kritik an der durchgeführten Studie
6.3 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang A: Tabellen

Anhang B: Abbildungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zuteilung der Tastenbelegungsversionen zu den Probanden

Tabelle 2: Kombinationen der Programme A und Z mit den Versionen des Experiments

Tabelle 3: Kombinationen aus Bedingungsabfolge, Tastenbelegung und verwendeten Reaktionstasten

Tabelle 4: Reaktionszeiten und Streuungen in Abhängigkeit des Durchgangs

Tabelle 5: Anzahl richtiger Reaktionen und Streuungen in Abhängigkeit des Durchgangs

Tabelle 6: Reaktionszeiten, Streuungen und Wechselkosten in beiden Go-Nogo Bedingungen

Tabelle 7: Höhe der Wechselkosten in den drei Experimentalbedingungen

Tabelle 8: Mittelwert und Streuungen der Anzahl richtiger Reaktionen in Abhängigkeit Bedingung

Tabelle 9: Anzahl richtiger Reaktionen und Streuungen in Abhängigkeit des Durchgangs

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Exemplarische Darstellung einer Testreizkombination

Abbildung 2a: Erste Seite des Anamnesebogens

Abbildung 2b: Zweite Seite des Anamnesebogens

Abbildung 2c: Dritte Seite des Anamnesebogens

Abbildung 3: Versionen der Tastenbelegung

Abbildung 4a: Kombinationen der Tastenbelegung „A“ und „Ö“ mit den Versionen des Experiments

Abbildung 4b: Kombinationen der Tastenbelegung „Y“ und „-“ mit den Versionen des Experiments

Abbildung 5: Reaktionszeiten in Wechsel- und Wiederholungsdurchgängen der Individual Go/Nogo Bedingung

Abbildung 6: Reaktionszeiten in Wechsel- und Wiederholungsdurchgängen der Joint Go/Nogo Bedingung

Abbildung 7: Interaktion der Faktoren Bedingung und Wechsel in Bezug auf die Reaktionszeiten

Abbildung 8: Reaktionszeiten bei einem Aufgabenwechsel in Abhängigkeit der Bedingung

Abbildung 9: Reaktionszeiten bei einer Aufgabenwiederholung in Abhängigkeit der Bedingung

Zusammenfassung

Menschliches Handeln besteht aus einer Vielzahl sozial geteilter Handlungen. In bisherigen Versuchen sind geteilte Handlungen hauptsächlich mit der „Joint-Simon-Aufgabe“ untersucht worden. Die Ergebnisse dieser Studien wurden jedoch von aktuellen Forschungsansätzen, die die räumliche Komponente der Reiz-Reaktions-Kodierung in der Joint-Simon-Aufgabe in den Vordergrund rückten, in Frage gestellt.

In der vorliegenden Arbeit wurde erforscht, ob bei Task-Switching (Aufgabenwechsel) Problemen, bei denen räumliche Reiz-Reaktions-Kodierungen keine Rolle spielen, Hinweise auf geteilte Handlungsrepräsentationen oder soziale Erleichterungseffekte zu beobachten sind. Zudem sollten Mechanismen identifiziert werden, die für Leistungsverschlechterungen nach einem Aufgabenwechsel im Vergleich zu einer Aufgabenwiederholung (die sog.Wechselkosten) verantwortlich sind.

Es nahmen insgesamt 62 Probanden an den Untersuchungen teil. In der ersten Bedingung bearbeiteten 22 Probanden eine klassische Task-Switch-Aufgabe. In der zweiten und dritten Bedingung bearbeiteten 40 Probanden eine Go/Nogo Version dieser Aufgabe, bei der jeder Proband nur für eine Aufgabe verantwortlich war und keinen Aufgabenwechsel vollziehen musste. Es wurde überprüft, ob geteilte Handlungspräsentationen zu Wechselkosten in der Go/Nogo Version führen, wenn zwei Probanden zwei komplementäre Aufgabeteile bearbeiten.

Die Ergebnisse sprechen gegen die Theorie der geteilten Handlungsrepräsentation, sind aber ein Indiz für die Gültigkeit der Rekonfigurationstheorie des Aufgabenwechsels. Es konnte gezeigt werden, dass schnellere Reaktionen erfolgen, wenn eine Aufgabe zusammen mit einer anderen Person ausgeführt wird. Die Resultate bilden eine Grundlage für weitere Forschungsarbeiten zu geteilten Handlungen.

Schlüsselwörter: Geteilte Handlung, task-sharing, Aufgabenwechsel, Rekonfiguration

1. Einleitung

Geteilte Handlungsrepräsentationen bei Task-Switching Problemen

Das menschliche Leben ist voller geteilter Handlungen, angefangen bei einem Handschlag bis zu der Darbietung einer Symphonie (Clark, 1996). Wie dieses Zitat beschreibt, ist es im täglichen Leben wichtig, die eigenen Handlungen mit den Handlungen anderer Menschen zu koordinieren. Ob beim Sport, in der Musik, im Straßenverkehr oder im Arbeitsleben - ein Großteil menschlicher Aktivitäten wird durch einen sozialen Kontext und die Zusammenarbeit mit anderen Individuen beeinflusst. Die Untersuchung geteilter Handlungen mit ihren zugrundeliegenden Mechanismen ist seit längerer Zeit Gegenstand psychologischer Forschung und erfreut sich immer größerer Popularität.

Viele Alltagsbeispiele geteilter Handlungen können im Sport gefunden werden. Zum Beispiel muss im Tennisdoppel der einzelne Spieler nur jeden zweiten Ball zurückschlagen und ist somit nur für einen Teil der Aufgabe zuständig. Dabei wechselt er sich fortlaufend mit einem Tennispartner ab, der für den anderen Teil der Aufgabe verantwortlich ist. Ob es für den einzelnen Spieler einen Unterschied macht, diese Aufgabe alleine oder zusammen mit einem Partner auszuführen und inwieweit die individuelle Leistung durch die Zusammenarbeit mit einem Handlungspartner beeinflusst wird, sind Fragen denen sich schon viele Forscher gewidmet haben und die letztlich noch nicht eindeutig beantwortet werden konnten.

Um das gemeinsame Tennisspiel erfolgreich auszuführen, müssen die Spieler ihre Handlungen zeitlich und räumlich aufeinander abstimmen. Es wird vermutet, dass sie zudem eine Vorstellung davon entwickeln, unter welchen Bedingungen sich ihr Partner in einer bestimmten Weise verhalten wird und seine Handlungsabsichten in die eigene Handlungsplanung und -ausführung mit einbeziehen (Sebanz, Knoblich & Prinz, 2004). Ob dies tatsächlich einen grundlegenden Mechanismus geteilter Handlungen darstellt, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, indem ein Aufgabenwechselparadigma (Jersild, 1927) auf den Kontext geteilter Handlungen übertragen wird. Dadurch ergibt sich ein Task-sharing-Paradigma, welches vergleichbar mit dem zuvor erläuterten Alltagsbeispiel des Tennisdoppels ist. Zwei Personen arbeiten mit unterschiedlichen Zuständigkeiten an einem Aufgabenwechsel. Von besonderem Interesse sind dabei die Leistungsverschlechterungen in den Durchgängen, in denen ein Aufgabenwechsel stattfindet im Vergleich zu den Durchgängen in denen sich die Aufgabe wiederholt.

In der Arbeit soll zunächst ein Überblick über relevante Theorien und empirische Vorarbeiten zu geteilten Handlungen gegeben werden. Auf der Grundlage des Forschungsstandes werden zu prüfende Fragestellungen herausgearbeitet. Weiterhin wird das methodische Vorgehen ausführlich erläutert. Im Anschluss werden die Ergebnisse ausgewertet und reflektiert.

2. Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Geteilte Handlungen

Sebanz, Bekkering und Knoblich (2006) beschreiben geteilte Handlungen als jede Form sozialer Interaktion, in der zwei oder mehr Individuen ihre Handlungen in Raum und Zeit koordinieren, mit dem Ziel eine Veränderung in der Umwelt hervorzurufen. Ob eine erfolgreiche geteilte Handlung erfolgen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Zum einen ist es notwendig eine gemeinsame Vorstellung bzw. Repräsentation der Aufgabe zu entwickeln, zum anderen muss man in gewisser Weise voraussagen können wie sich ein Handlungspartner unter bestimmten Bedingungen verhalten wird. Darüber hinaus ist es unabdingbar, die vorausgesagten Effekte einer bestimmten Handlung sowohl mit der eigenen als auch mit der Handlung einer anderen Person in Einklang zu bringen (Sebanz et al., 2006). Die Koordination der Handlungen mehrerer Personen erfordert also ein Ineinandergreifen der individuellen Handlungs- und Verhaltensweisen, der Handlungspläne sowie der Wahrnehmungen. Auch Clark (1996) beschreibt die geteilte Handlungsrepräsentation und die Handlungskoordination als wesentliche Charakteristika geteilter Handlungen.

Wenke, Atmaca, Holländer, Liepelt, Baess und Prinz (2011) argumentieren jedoch, dass geteilte Handlungen nicht unbedingt eine Repräsentation der Reizbedingungen, unter denen sich ein Handlungspartner in bestimmter Weise verhalten wird, erfordern. Menschen, die sich eine Aufgabe teilen, repräsentieren demnach nicht die expliziten Reiz-Reaktionszuordnungen ihres Handlungspartners. Sie entwickeln lediglich eine Repräsentation davon, dass ein Handlungspartner für die komplementäre Reaktion zuständig ist und zu welchen Zeitpunkten diese ausgeführt wird.

Selbstverständlich ist es wichtig, welche Art der geteilten Handlung von einer bestimmten Aufgabe gefordert wird. Dabei ist es möglich, dass zwei oder mehr Individuen unterschiedliche Aspekte von ein und derselben Aufgabe bearbeiten. Ein klassisches Beispiel ist das Zusammenspiel eines Orchesters. Bei dieser „komplementären“ Handlung (Sebanz, Knoblich & Prinz, 2003) ergänzen sich verschiedene Aspekte von ein und derselben Aufgabe zu einem gemeinsamen Ziel. Jeder Mitwirkende des Orchesters bearbeitet sein Instrument ergänzend zu den anderen Musikern um das gemeinsame Ziel (z. B. die Darbietung einer Symphonie) zu erreichen.

In der experimentellen Psychologie werden beispielsweise in einem Reiz-Reaktions-Versuch komplementäre Teile einer Aufgabe (z. B. bestimmte Reaktionen auf rote und grüne Reize) auf verschiedene Akteure verteilt. Man bittet dazu Proband A nur auf einen bestimmten Reiz zu reagieren (z. B. „Reagiere nur auf rote Reize!“), während Proband B auf den anderen Reiz (z. B. „Reagiere nur auf grüne Reize!“) reagieren soll. Diese Versuchsanordnung wird als „Task-sharing-Paradigma“ bezeichnet (Sebanz et al., 2003). Bei geteilten Aufgaben arbeiten also zwei Personen mit jeweils unterschiedlichen Zuständigkeiten an ein und derselben Aufgabe.

2.1.1 Theorien zur Auswirkung sozialer Interaktionen.

Verschiedene Forschungsansätze beschäftigen sich mit den Auswirkungen sozialer Interaktionen bei der Bearbeitung bestimmter Aufgaben. Die Theorie der sozialen Erleichterung (Guerin, 1993) befasst sich mit der Frage, in welcher Weise die individuelle Leistung in einer Aufgabe von der Präsenz anderer Personen beeinflusst wird. Diesem Ansatz zur Folge bewirkt die Anwesenheit anderer Personen bei einfachen Aufgaben eine Verbesserung der individuellen Leistung, wohingegen die Bearbeitung einer komplexen Aufgabe erschwert wird. Nach Sebanz et al. (2003) impliziert diese Theorie, dass soziale Erleichterungseffekte nicht durch spezifische Handlungen, sondern durch die bloße Anwesenheit anderer Personen entstehen.

Aronson, Wilson und Akert (2008) definieren soziale Erleichterung als die Tendenz, bei leichten Aufgaben besser und bei komplexen Aufgaben schlechter abzuschneiden wenn man sich in der Gegenwart anderer Menschen befindet und zudem noch die eigene Leistung messbar ist. Die Gegenwart anderer sowie eine Bewertungsangst führen demnach zu einer Steigerung des individuellen Erregungsniveaus, die eine Leistungsverbesserung bei leichten Aufgaben bewirkt.

Dass die eigene Handlung eher durch bestimmte Handlungen anderer Personen als durch ihre bloße Anwesenheit beeinflusst wird, ist eine Annahme der ideomotorischen Theorie (James, 1890; Greenwald, 1970). Demnach führt schon die Beobachtung einer bestimmten Handlung bei dem Beobachter zu der Tendenz, diese Handlung selbst auszuführen (Sebanz et al., 2003). Der Begriff „Ideomotorik“ bezieht sich ursprünglich auf die Auslösung unwillkürlicher Bewegungen durch die Beobachtung oder Vorstellung von Bewegungsmustern (Heuer, 2013). Im Alltag kann dieser Effekt beispielsweise bei Sportveranstaltungen beobachtet werden. Trainer von Hochspringern machen zum Beispiel bei einem Sprung ihres Schützlings eine kleine Bewegung nach oben, parallel zum realen Sprung, mit. Ein anderes Alltagsbeispiel kann in Kinovorstellungen beobachtet werden. Wird in einem Film zum Beispiel eine schnelle Achterbahnfahrt mit einem Looping gezeigt, kann bei den Zuschauern beobachtet werden, dass fast jeder kleine Bewegungen mit Gesicht und Körper mitmacht – in etwa so, als müsse er sich tatsächlich selbst festhalten. Dieses Phänomen wird als Carpenter-Effekt bezeichnet (Dorsch, 2014).

2.1.2 Mechanismen geteilter Handlungen.

Nach Tollefsen (2005) ist die gemeinsame Aufmerksamkeit einer der grundlegenden Mechanismen geteilter Handlungen. Ein Individuum muss die Fähigkeit besitzen, seine Aufmerksamkeit auf das gleiche Ereignis zu richten wie sein Handlungspartner. Die daraus folgende ähnliche Wahrnehmung von Aspekten der Umwelt ist nicht nur für die gemeinsame Repräsentation von Objekten, Ereignissen und Zielen eine elementare Voraussetzung.

Um eine koordinierte Handlung zu initiieren oder eine bereits begonnene Handlung zu koordinieren bedarf es ebenfalls einer ähnlichen oder gleichen Wahrnehmungsbasis der Handlungspartner (Sebanz et al., 2006). Auch die Handlungsbeobachtung spielt eine zentrale Rolle bei geteilten Handlungen und führt zu einer Aktivierung der entsprechenden motorischen Programme bei der wahrnehmenden Person. Dieser Effekt wird als „motorische Resonanz“ bezeichnet (Rizzolatti & Sinigaglia, 2010).

Die Verbindung von Wahrnehmung und Handlung ermöglicht weiterhin die Bildung einer mentalen Vorstellung von den Handlungszielen eines Handlungspartners (Sebanz et al., 2006). Durch die Beobachtung einer Handlung und den daraus abgeleiteten Handlungszielen ist es dem Akteur also möglich in gewisser Weise vorherzusagen, wie sich sein Handlungspartner verhalten wird.

Eine weitere Möglichkeit Handlungen vorherzusagen erfolgt unabhängig von der Beobachtung. Dieser als „Aufgabenteilung“ oder „Aufgabenrepräsentation“ bezeichnete Mechanismus ist die Fähigkeit zu wissen, unter welchen Reizbedingungen sich ein Individuum in bestimmter Weise verhalten wird (Sebanz & Frith, 2004). Man stelle sich beispielsweise einen Rennfahrer beim Start eines Rennens vor. Dieser Fahrer weiß, dass seine Kontrahenten direkt starten, sobald der Countdown herunter gezählt worden ist und die Ampel „Grün“ zeigt. Er kann die Reaktion der anderen Fahrer vorhersagen, da er eine mentale Repräsentation der Aufgabe entwickelt hat. Die gemeinsame oder geteilte Aufgabenrepräsentation ermöglicht es also ebenfalls Handlungen in Bezug auf bestimmte Ereignisse vorherzusagen.

Die Bildung einer mentalen Vorstellung von den Handlungen anderer Personen mit gleichzeitiger Integration in das eigene Handlungsschema wird als „Ko-Repräsentation“ oder „geteilte Handlungsrepräsentation“ (Sebanz et al., 2004) bezeichnet. Menschen generieren demnach nicht nur mentale Vorstellungen ihrer eigenen Handlungen. Vielmehr werden die Handlungsalternativen eines Handlungspartners ebenfalls kognitiv repräsentiert und zudem in die eigene Handlungsplanung und -ausführung einbezogen. Es wird also bei einer geteilten Handlungsrepräsentation eine mentale Vorstellung von den Aufgaben, den Reiz-Reaktionszuordnungen, sowie den Handlungsalternativen und -zielen eines Handlungspartners entwickelt. Diese Repräsentation wird in das eigene Handlungsschema integriert. Nach Sebanz et al. (2006) entstehen geteilte Handlungsrepräsentationen automatisch und selbst dann, wenn diese für die Ausführung einer bestimmten Aufgabe eher nachteilig sind.

Zudem ist die Handlungskoordination für eine gemeinsam vollzogene Handlung von großer Bedeutung. Einer Person muss es gelingen, die zeitlichen und räumlichen Dimensionen der Handlungen anderer Person in die eigene Handlungsplanung und -ausführung zu integrieren (Sebanz et al., 2006).

2.2 Geteilte Handlungsrepräsentationen in einem Task-sharing-Paradigma

Bei einem Großteil der Forschungsansätze zu geteilten Handlungen werden räumliche Reiz-Reaktionsaufgaben im Kontext des Task-sharing verwendet. Obwohl wir uns in der vorliegenden Arbeit aus verschiedenen Gründen für den Einsatz eines Aufgabenwechselparadigmas entschieden haben, besteht eine Notwendigkeit auf die Forschungen unter Verwendung des Task-sharing Paradigmas einzugehen. Dadurch können die elementaren Sachverhalte sowie die sich daraus ergebenden Fragestellungen ausführlich und nachvollziehbar dargestellt werden.

2.2.1 Der Simon-Effekt.

Zunächst ist zu erwähnen, dass viele der durchgeführten Studien zu geteilten Handlungsrepräsentationen verschiedene Varianten einer Simon-Aufgabe (Simon & Rudell, 1967) verwenden. In einer Simon-Aufgabe müssen Probanden mit rechts- und linksseitigen Reaktionen auf bestimmte Attribute (z. B. die Farbe) präsentierter Reize antworten, während die Reize auf der rechten oder linken Seite präsentiert werden. Obwohl der Erscheinungsort der Reize für die Aufgabenbearbeitung völlig irrelevant ist, lässt sich ein Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit der Probanden beobachten. So ist beispielsweise die Aufgabe der Probanden, auf rote Reize mit rechtsseitigem Tastendruck und auf grüne Reize mit linksseitigem Tastendruck zu reagieren. Üblicherweise sind Reaktionen schneller und weniger fehlerhaft, wenn der Erscheinungsort des Reizes mit der geforderten Reaktion übereinstimmt. Erscheint also ein grüner Stimulus auf der linken Seite und erfordert auch eine linksseitige Reaktion, führt dies zu einer schnelleren Reaktion, als wenn auf einen roten Reiz, der linksseitig dargeboten wird mit der rechten Hand reagiert werden soll.

2.2.2 Das Modell der dimensionalen Überlappung.

Die Erklärung des Simon-Effektes entspringt dem Modell der dimensionalen Überlappung (Kornblum, Hasbroucq & Osman, 1990). Die zentrale Annahme dieser Theorie ist die automatische Reaktionsaktivierung: Wenn ein Reiz und eine Reaktion strukturell, wahrnehmbar und/oder konzeptuell ähnlich sind, führt die Präsentation des Reizes zu einer Aktivierung der am stärksten zu dem Reiz assoziierten Reaktion. Ob nun das entsprechende Reizattribut (z. B. der Ort, an dem der Reiz präsentiert wird) für die Aufgabe relevant oder völlig unbedeutend ist, spielt bei dieser Aktivierung keine Rolle (Shiu & Kornblum, 1999).

Der Kompatibilitätseffekt, wie er in der Simon-Aufgabe auftritt, hat also offensichtlich seine primäre Basis auf der Antwortebene. Nach Shiu und Kornblum (1999) tritt der Simon-Effekt auf, da eine Überschneidung der irrelevanten räumlichen Dimension des Reizes mit der räumlichen Dimension der geforderten Reaktion stattfindet. Demnach wird die Reaktion, die mit der vom Stimulus aktivierten räumlichen Information korrespondiert, automatisch aktiviert. Dies wiederum führt dazu, dass die Reaktion schneller ausgeführt werden kann. Im Falle einer räumlichen Inkompatibilität von räumlicher Reizdarbietung und geforderter Reaktion entsteht ein Antwortkonflikt, welcher die Reaktionen verzögert. Auch Wühr (2013) bezeichnet diese dimensionale Überlappung als eine grundlegende Voraussetzung für die Entstehung von Reiz-Reaktions-Kompatibilitätseffekten.

2.2.3 Der Joint-Simon-Effekt.

Um den Aspekt geteilter Handlungsrepräsentation näher zu erforschen, entwarfen Sebanz et al. (2003) ein Reiz-Reaktionsexperiment unter Verwendung der Simon-Aufgabe im Kontext geteilter Handlungen. Ziel dieser Untersuchung war es herauszufinden, inwieweit die individuelle Aufgabenbearbeitung durch die Mitwirkung eines Handlungspartners beeinflusst wird. Die Annahme war, dass sich die Entstehung einer geteilten Handlungsrepräsentation bei der Bearbeitung einer komplementären Aufgabe auf die Handlungsplanung und -ausführung der einzelnen Akteure auswirkt.

Dazu verteilten die Forscher zwei sich ergänzende Handlungsalternativen von ein und derselben Aufgabe auf zwei Probanden. In dem Versuch bekamen die Probanden Bilder einer Hand präsentiert, an deren Finger sich entweder ein roter oder ein grüner Ring befand. Zusätzlich zeigte der Finger entweder nach links, nach rechts oder geradeaus. Die Zeigerichtung des Fingers war für die Bearbeitung der Aufgabe völlig irrelevant und sollte von den Probanden ignoriert werden. Die Probanden wurden instruiert auf die Farbreize, dargestellt durch den roten oder den grünen Ring am Finger, zu reagieren.

Es existierten drei unterschiedliche Bedingungen, in Form einer Gruppenbedingung und zweier Einzelbedingungen. In der Gruppenbedingung saßen zwei Personen nebeneinander vor einem Monitor, wobei jede Person nur auf einen farblichen Reiz mit einem Tastendruck reagieren sollte. Einer der beiden Probanden hatte die Aufgabe mit der rechten Reaktionstaste auf die roten Farbreize zu reagieren. Der andere Proband hatte die Aufgabe, ausschließlich auf die grünen Reize durch Bedienung der linken Reaktionstaste zu antworten. Diese Anordnung wurde als Joint Go/Nogo Bedingung bezeichnet. Generell wird durch Go/Nogo-Aufgaben die spezifische Fähigkeit zur Ausführung adäquater Reaktionen und zur Unterdrückung nicht-adäquater Reaktionen überprüft (Schuchardt & Mähler, 2013).

Die Einzelbedingungen dienten als Kontrollbedingungen. In der Individual Go/Nogo Bedingung saß ein Proband allein vor dem Monitor und hatte die Aufgabe nur auf rote bzw. nur auf grüne Reize zu reagieren. Die Joint Go/Nogo und die Individual Go/Nogo Bedingungen unterschieden sich also nur darin, ob die Probanden alleine oder zu zweit vor dem Monitor saßen. In beiden Bedingungen war die Aufgabe für den einzelnen Probanden an sich identisch. In der dritten Bedingung, der Two-Choice Bedingung, saß eine Proband allein vor dem Monitor und wurde instruiert auf beide Farbreize (z. B. drücke „Rechts“ bei „Rot“; drücke „Links“ bei „Grün“) zu antworten. Die Aufgabe in der Two-Choice Bedingung entsprach somit einer klassischen Simon-Aufgabe (Simon & Rudell, 1967).

Als abhängige Variable wurde die Reaktionszeit auf die Farbreize erfasst. Die unabhängigen Variablen waren zum einen die zugewiesene Bedingung und zum anderen die Kompatibilität zwischen Ort der Stimuluspräsentation und Ort der geforderten Reaktion. War auf dem Finger beispielsweise ein roter Ring zu sehen, erforderte dies eine rechtsseitige Reaktion. Zeigte nun der Finger zusätzlich nach rechts, war die räumliche (irrelevante) Dimension des Stimulus mit der geforderten Reaktion kompatibel. Als inkompatibel wurden die Durchgänge bezeichnet, in denen eine geforderte Reaktion nicht mit der Zeigerichtung des Fingers übereinstimmte (z. B. ein roter Ring auf dem Finger, der nach links zeigte). Ein neutraler Durchgang zeichnete sich dadurch aus, dass der Finger weder nach links noch nach rechts zeigte.

Bei der Auswertung der Reaktionszeiten in der Two-Choice Bedingung konnte ein signifikanter Effekt des Faktors Kompatibilität nachgewiesen werden. Die Probanden reagierten in dieser Bedingung am schnellsten, wenn Reiz und Reaktion räumlich kompatibel waren. Sobald ein Reiz und eine Reaktion räumlich kompatibel sind, führt dies zu einer deutlichen Leistungsverbesserung bei Reaktionszeitaufgaben (Proctor & Vu, 2006). Dieses Phänomen ist als Simon-Effekt bekannt (Lu & Proctor, 1995) und gilt als ein Beispiel dafür, wie aufgabenirrelevante Reize eine automatische Aktivierung bestimmter Handlungstendenzen hervorrufen können (Hommel, 2000).

In der Individual Go/Nogo Bedingung zeigte die Analyse der Reaktionszeiten keinen signifikanten Effekt der Kompatibilität. Ob die Zeigerichtung des Fingers mit der geforderten Reaktion kompatibel war, hatte in dieser Bedingung keinen statistisch bedeutsamen Einfluss auf die Reaktionszeiten. Interessanterweise trat in der Joint Go/Nogo Bedingung ein ähnlicher Kompatibilitätseffekt wie in der Two-Choice Bedingung auf. Die Reaktionszeiten waren schneller in kompatiblen und langsamer in inkompatiblen Durchgängen, obwohl die Aufgabe in dieser Bedingung für den einzelnen Probanden nahezu identisch mit der Aufgabe in der Individual Go/Nogo Bedingung war. Der einzige Unterschied bestand darin, dass nun ein zweiter Proband in die Aufgabe involviert und somit für die komplementäre Reaktion zuständig war.

Normalerweise treten räumliche Kompatibilitätseffekte nur in solchen Reaktionszeitaufgaben auf, in denen der Proband zwei Reaktionsalternativen zur Verfügung hat, nicht aber in einer Go/Nogo Aufgabe, in der ein Proband nur auf einen bestimmten Reiz reagieren soll (Sebanz et al., 2003). Die Ergebnisse der Reaktionszeitanalyse in der Joint-Go/Nogo Bedingung zeigten, dass die Zusammenarbeit mit einem Handlungspartner zu einer Verlangsamung der individuellen Reaktionen führte.

Dies sprach eindeutig gegen die Theorie der sozialen Erleichterung (Guerin, 1993), die besagt, dass schon die Anwesenheit anderer Personen bei leichten Aufgaben zu einer Leistungsverbesserung führt. Vielmehr bestätigten die Ergebnisse die Ideomotor-Theorie (James, 1890; Greenwald, 1970), nach der die komplementäre Handlung des Handlungspartners kognitiv mit repräsentiert wird, was wiederum einen Einfluss auf die individuelle Bearbeitung der Aufgabe hat (Sebanz et al., 2003).

Eine mögliche Erklärung für das Auftreten eines Kompatibilitätseffektes in der Gruppenbedingung liefern Sebanz et al. (2004). Die Handlungsalternative des Handlungspartners wird automatisch kognitiv repräsentiert, selbst wenn diese Repräsentation für die individuelle Aufgabenbearbeitung nicht relevant sondern eher hinderlich ist. Durch diese Repräsentation entsteht eine Überlappung der räumlichen Dimension des irrelevanten Reizes (der Zeigerichtung des Fingers) und der räumlichen Dimension der Reaktionsalternative. Die Zeigerichtung des Fingers aktiviert nun automatisch die räumlich korrespondierende Antwortalternative. Zeigt der Finger also beispielsweise nach rechts, aktiviert dies automatisch eine rechtsseitige Reaktion. Erfordert nun das relevante Farbmerkmal auch eine rechtsseitige Reaktion, kann diese schneller ausgeführt werden. Aktiviert aber die Zeigerichtung des Fingers eine Handlung, die nicht mit der durch den relevanten farblichen Reiz geforderten Reaktion übereinstimmt, entsteht ein Antwortkonflikt. Dieser Konflikt führt wiederum zu einer verzögerten Reaktion. Die Repräsentation der Handlung eines Handlungspartners beeinflusst demnach die individuelle Handlungsplanung und -ausführung. Dieser Effekt wird in der Literatur oft als „Social-Simon-Effekt“ (Vlainic, Liepelt, Colzato, Prinz, Hommel, 2010) bezeichnet. Da letztlich aber nicht erwiesen ist, dass es sich tatsächlich um einen sozial begründeten Effekt handelt, wird in der vorliegenden Arbeit der alternative Begriff „Joint-Simon-Effekt“ (Iani, Anelli, Nicoletti, Arcuri & Rubichi, 2010) verwendet.

Sebanz et al. (2004) kommen zu dem Schluss, dass die eigenen Handlungen und die Handlungen eines Handlungspartners in gleicher Weise kognitiv repräsentiert werden. Sebanz et al. (2006) vermuten weiterhin, dass Handlungsrepräsentationen notwendigerweise sozial geteilt werden und sehen die fundamental soziale Natur von Wahrnehmung und Handlung als entscheidenden Faktor für die Entstehung einer geteilten Handlungsrepräsentation.

2.2.4 Der Handlungspartner als räumlicher Bezugsrahmen.

Eine alternative Erklärung für das Auftreten räumlicher Kompatibilitätseffekte in der Gruppenbedingung liefern Guagnano, Rusconi und Umilta (2010). Ihre Annahme betont die Hauptfunktion des Handlungspartners in der Herstellung eines räumlichen Bezugsrahmens, der es einer Person erlaubt, die eigene Reaktion als rechts- oder linksseitig zu klassifizieren. Als Evidenz für diese Fragestellung dient unter anderem ein Befund der zeigt, dass der Joint-Simon-Effekt eliminiert werden kann sobald sich die Handlungspartner außer Reichweite befinden. In dem Experiment zeigte sich dieser Effekt nur, wenn die Handlungspartner in „Armreichweite“ (Guagnano et al., 2010) beieinander saßen. Der Effekt verringerte sich sobald sich die Handlungspartner weiter voneinander entfernten. Dieses lässt die Vermutung zu, dass ein Handlungspartner einen räumlichen Bezugsrahmen für die Kodierung der eigenen Reaktion als rechts- oder linksseitig vermittelt, solange er sich in Reichweite befindet.

In einer „normalen“ Simon Aufgabe sollen Probanden auf links- oder rechtseitig dargebotene Reize mit links- oder rechtseitigen Reaktionen antworten. Die Kodierung der Stimuli und die der dazugehörenden Reaktionen befinden sich somit auf einer gemeinsamen räumlichen (meist horizontalen) Dimension. In der Joint Go/Nogo Bedingung müssen Probanden nur eine Reaktion ausführen (entweder links oder rechts), weshalb eigentlich keine Notwendigkeit für eine räumliche Kodierung der Reaktion besteht. Doch wenn ein Handlungspartner genügend Aufmerksamkeit auf sich zieht (wenn z. B. beide Handlungspartner nah genug beieinander sitzen), könnte dieses dazu führen, dass die eigene Reaktion in Bezug auf die räumliche Position des Handlungspartners eingeordnet wird. Es findet eine Art Referenzkodierung statt (Guagnano et al., 2010).

Es sind keine visuellen oder auditiven Rückmeldungen der Reaktionen des Handlungspartners erforderlich, um einen räumlichen Kompatibilitätseffekt in der Gruppenbedingung hervorzurufen. Vlainic et al. (2010) manipulierten in ihrer Studie die Verfügbarkeit von sensorischer Rückmeldung über die Reaktionen eines Handlungspartners. In einem Experiment bekamen die Probanden abgedunkelte Brillen mit dem Ziel, handlungsbezogene Informationen über ihren Handlungspartner auszublenden. In einem weiteren Versuch erfolgte eine zusätzliche Ausblendung akustischer Hinweise, indem eine geräuschlose Tastatur als Reaktionsmedium verwendet wurde.

Die Ergebnisse zeigen einen räumlichen Kompatibilitätseffekt, auch wenn keine Rückmeldung über die Reaktionen des Handlungspartners erfolgte. Offensichtlich spielt schon das a priori Wissen über einen Handlungspartner eine Rolle bei der Entstehung einer geteilten Handlungsrepräsentation (Vlainic et al., 2010).

Möglicherweise führt schon dieses Wissen um einen Handlungspartner zu der zuvor beschriebenen Referenzkodierung. Denn weitere Evidenz für die Hypothese der räumlichen Referenzkodierung liefert eine aktuelle Studie von Dolk, Hommel, Prinz und Liepelt (2013). In verschiedenen Experimenten wurden unterschiedliche Objekte anstelle eines sozialen Handlungspartners neben die Probanden platziert. Die Salienz der verwendeten Objekte wurde von Experiment zu Experiment schrittweise verringert. Im ersten Experiment wurde dem Probanden eine winkende Katzenskulptur an die Seite gesetzt. Dieses Objekt erregte bei den Probanden genügend Aufmerksamkeit, um einen räumlichen Reiz-Reaktions-Kompatibilitätseffekt zu generieren. Im zweiten Experiment wurde eine Uhr als ein Objekt ohne soziale Attribute neben die Probanden platziert. Wieder reichte die Salienz des Objektes für die Entstehung eines räumlichen Kompatibilitätseffektes aus. Durch die Verwendung eines Metronoms als Objekt im dritten Experiment konnte sichergestellt werden, dass alle visuell wahrnehmbaren Bewegungen eliminiert wurden – lediglich der Ton des Metronoms war noch zu hören. Trotz dieser Elimination trat ein Kompatibilitätseffekt auf. Nur im letzten Experiment konnte das Auftreten eines räumlichen Kompatibilitätseffektes verhindert werden, indem ein geräuschloses Metronom als Objekt eingesetzt wurde.

Dies lässt vermuten, dass nur dynamische Ereignisse bzw. Objekte salient genug sind, um als Bezugsrahmen für die räumliche Kodierung der eigenen Reaktion zu dienen. Durch die Verwendung lebloser Objekte ohne jegliche soziale Attribute konnte gezeigt werden, dass ein Ereignis oder Objekt bei entsprechend hoher Salienz dazu geeignet ist, einen räumlichen Bezugsrahmen für die eigene Handlung zu vermitteln (Dolk et al., 2013).

Konsistent mit der Annahme einer räumlichen Antwortkodierung sind auch die Ergebnisse einer Studie von Dittrich, Rothe und Klauer (2012). So konnte sogar in einer Individual Go/Nogo Bedingung ein räumlicher Kompatibilitätseffekt erzeugt werden, indem die räumliche Komponente der Reaktion in ihrer Bedeutsamkeit erhöht wurde. Anstelle von Reaktionstasten wurde hier ein Joystick zur Reaktionsausführung verwendet. Diese Erhöhung der Bedeutsamkeit der räumlichen Dimension veranlasste die Probanden zu einer Kodierung ihrer Reaktionen als rechts- oder linksseitig.

Dieses Phänomen lässt sich mit dem Dimensional-Overlap-Modell (Kornblum et al., 1990) erklären: Sobald in einer Individual Go/Nogo-Bedingung eine Taste oder ein Knopf für die Reaktionen verwendet wird, besitzt die Antwortdimension keine räumliche Assoziation. Somit werden die Reaktionen auch nicht räumlich kodiert und überschneiden sich nicht mit der aufgabenirrelevanten räumlichen Dimension des Reizes. Erhöht man aber die Salienz der horizontalen Antwortdimension, wie beispielsweise durch die Verwendung eines Joysticks anstelle der Reaktionstasten, so erfolgt eine räumliche Einordnung der Reaktionen. Die rechts/links Bewegungen eines Joysticks statten die Reaktion mit einer eindeutig räumlichen Eigenschaft aus. Dies führt zu einer räumlichen Kodierung der Reaktion und damit zu einer Reiz-Reaktions-Überschneidung sobald sich der Zielreiz auf der gleichen räumlichen Dimension befindet (Dittrich et al., 2012).

2.3 Das Aufgabenwechselparadigma

Viele Situationen erfordern die Fähigkeit schnell und flexibel zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln. Als Alltagsbeispiel sei hier das Bewegen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr genannt. Ein Fahrer muss abwechselnd unterschiedlichste Aufgaben, die ihrerseits auch verschiedene kognitive und motorische Prozesse beanspruchen, bewältigen.

In der kognitiven Psychologie bezeichnet das Aufgabenwechselparadigma (Jersild, 1927) ein experimentelles Verfahren zur Untersuchung von zielgerichtetem Verhalten in Situationen mit mehreren Aufgaben. Der Proband bearbeitet dabei innerhalb eines Experiments zwei oder mehrere unterschiedliche Aufgaben, zwischen denen er in verschiedenen Durchgängen hin und herwechseln (switch) soll (Vandierendonck, Liefooghe & Verbruggen, 2010). Die Aufgaben beziehen sich meist auf verschiedene Elemente oder Eigenschaften derselben Reize. Oft werden die unterschiedlichen Aufgaben in einer Trainingsphase getrennt eingeübt, während im eigentlichen Experimentaldurchgang die Aufgaben gemischt präsentiert werden (Bermeitinger, 2013). Viele Studien zum Aufgabenwechsel bedienen sich objektbasierter, nicht-räumlicher Aufgaben wie zum Beispiel die der Klassifikation von Farben und Formen oder größer-kleiner Entscheidungen bezüglich bestimmter Zahlen (Meiran, 2005). Häufig werden Kombinationen von Buchstaben und Zahlen (z. B. „U8“) als Reize eingesetzt. Eine Aufgabe des Probanden besteht beispielsweise darin, den Buchstaben entweder als Konsonant oder als Vokal zu klassifizieren, wohingegen die andere Aufgabe in der Einordnung der Zahl als gerade oder ungerade bestehen kann. In diesem Beispiel ist das Reizmaterial ambivalent. Auf die dargestellte Reizkombination können beide Aufgaben angewendet werden.

Bei solchen Laboraufgaben werden die unterschiedlichen Reize in mehreren Durchgängen dargeboten. Dabei entstehen grundlegend zwei verschiedene Arten von Durchgängen, die als Wiederholungs- oder Wechseldurchgänge bezeichnet werden. Von einem Wiederholungsdurchgang (Repeat-Trial) wird gesprochen, wenn die aktuelle Aufgabe dieselbe ist wie im vorausgegangenen Durchgang (z. B. soll in zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen entschieden werden, ob der Buchstabe ein Vokal oder Konsonant ist; beides Aufgabe A). Unterscheidet sich jedoch die aktuelle Aufgabe von der zuvor ausgeführten, wird von einem Wechseldurchgang (Switch-Trial) gesprochen (z. B. soll im aktuellen Durchgang entschieden werden, ob der Buchstabe ein Vokal oder Konsonant ist, im vorherigen Durchgang sollte jedoch entschieden werden, ob die Zahl gerade oder ungerade ist; erst Aufgabe B, dann Aufgabe A). Wenn die Reaktionszeiten auf die Reize in Wiederholungs- und Wechseldurchgängen verglichen werden (z. B. AA vs. BA), finden sich generell langsamere Reaktionen und eine höhere Fehlerrate in den Durchgängen, in denen ein Aufgabenwechsel stattgefunden hat. Solche Verschlechterungen der Leistungen in Wechseldurchgängen werden als Wechselkosten bezeichnet, welche als Maß für die kognitive Flexibilität interpretiert werden (Monsell, 2003).

2.3.1 Die Operationalisierung der Wechselkosten.

Es existieren verschiedene Möglichkeiten den Probanden mitzuteilen, welche Aufgabe in einem Durchgang ausgeführt werden soll. Das sogenannte „Alternating-Runs Paradigma“ (Rogers & Monsell, 1995) zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Aufgaben in zuvor definierter Reihenfolge konstant abwechseln (z. B. AABBAABBAA). Diese festgelegte Reihenfolge macht den Aufgabenwechsel für den Probanden vorhersagbar. Ein Vorteil dieser Methode besteht in der Möglichkeit des Vergleichs von Wiederholungs- und Wechseldurchgängen innerhalb eines Blocks. Bei Rogers und Monsell wurde den Probanden durch die Position des Reizmaterials angezeigt, welche Aufgabe in einem bestimmten Durchgang bearbeitet werden sollte. Erschien der Reiz beispielsweise in der oberen Hälfte einer Vierfeldertafel, so sollte Aufgabe A bearbeitet werden. Tauchte der Reiz in der unteren Hälfte auf, sollte der Proband Aufgabe B bearbeiten. So kann die räumliche Position eines Stimulus als Hinweisreiz (Cue) dienen, der dem Probanden mitteilt, welche der beiden Aufgaben bearbeitet werden soll.

Eine andere Möglichkeit, die den Aufgabenwechsel für den Probanden unvorhersehbar macht, ist das „Task-Cueing Paradigma“ (Sudevan & Taylor, 1987). Bei diesem Verfahren wird dem Probanden meistens zu Beginn eines jeden Durchgangs ein Hinweisreiz dargeboten, der ankündigt, welche Aufgabe im Folgenden ausgeführt werden soll. Hier wechseln sich die Aufgaben nicht in einer zuvor definierten Reihenfolge ab. In einem Task-Cueing Paradigma besteht zudem die Möglichkeit die Zeitspanne zwischen dem Erscheinen des Hinweisreizes und der Darbietung des Aufgabenreizes (Cue-Stimulus-Intervall, CSI) zu variieren (Bermeitinger, 2013).

Ein Zusammenhang zwischen dem CSI und den Wechselkosten besteht in der Form, dass eine längere Vorbereitungszeit die Wechselkosten verringert. Dieses Phänomen wird als „Vorbereitungseffekt“ bezeichnet (Monsell, 2003). Doch selbst bei ausreichend langer Vorbereitungszeit lassen sich die Wechselkosten nicht komplett eliminieren. Diese verbleibenden Wechselkosten werden „Residualkosten“ genannt (Bermeitinger, 2013).

2.3.2 Zwei verschiedene Interpretationen der Wechselkosten.

Nach Vandierendonck et al. (2010) existieren zwei unterschiedliche Ansätze, die versuchen die Prozesse zu erklären, die es Menschen erlauben flexibel von einer Aufgabe zur anderen zu wechseln. Die Hypothese der Rekonfiguration (Rogers & Monsell, 1995) besagt, dass, sobald eine andere bzw. neue Aufgabe bewältigt werden muss, endogene Kontrollprozesse nötig sind, um das kognitive System zu rekonfigurieren. Diese endogenen, nicht durch äußere Reize hervorgerufenen Prozesse beinhalten die Aktivierung von zielgerichtetem Verhalten sowie die Unterdrückung von nicht geforderten Reaktionen. Bei einem Aufgabenwechsel muss das System stets neu auf die jeweilige Aufgabe vorbereitet werden. Die Wechselkosten reflektieren demzufolge die Zeit, die benötigt wird, um das „Task-Set“ zu rekonfigurieren (Mayr & Kliegel, 2000).

Unter einem Task-Set wird die Ansammlung bestimmter Kontrolleinstellungen und Aufgabenparameter verstanden, die das kognitive System auf die Reizidentifikation sowie die erforderte Reaktionsauswahl und -ausführung programmieren (Logan & Gordon, 2001). Rogers und Monsell (1995) sehen die Wechselkosten als ein Maß für die Dauer von kognitiven Kontrollprozessen, die zur Bildung einer aktuellen Aufgabenrepräsentation benötigt werden.

Nach dem zweiten Ansatz entstehen Wechselkosten aufgrund der Auswirkung proaktiver Interferenz. Nach dieser Hypothese, die als „Task-Set-Inertia“ (Allport, Styles & Hsieh, 1994) bezeichnet wird, wirkt sich die Aufgabenbearbeitung vorausgegangener Durchgänge auf die Leistung in der aktuellen Aufgabe aus. Die verschiedenen Task-Sets sind diesem Ansatz nach beide aktiv. Sollte eine Aufgabe in einem vorausgegangenen Durchgang nicht ausgeführt werden, musste die Aktivierung des Task-Sets anhaltend gehemmt werden. Wird dieses Task-Set jedoch im aktuellen Durchgang relevant, muss zunächst diese Unterdrückung aufgehoben werden. Dadurch entstehen Wechselkosten (Allport et al., 1994).

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Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Geteilte Handlungsrepräsentationen bei Task-Switching Problemen
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Institut für experimentelle Psychologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
89
Katalognummer
V381446
ISBN (eBook)
9783668579613
ISBN (Buch)
9783668579620
Dateigröße
1525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
task switch, geteilte handlungen, Aufgabenwechsel, Joint Simon Effekt
Arbeit zitieren
Christian Flach (Autor:in), 2014, Geteilte Handlungsrepräsentationen bei Task-Switching Problemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381446

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