Die Alexander-Imitatio des Caracalla im Spiegel seiner Zeit


Hausarbeit, 2017

14 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Alexander-Imitatio im römischen Reich

3. Zeugnisse der Alexander-Imitatio Caracallas
3.1. Literarische Zeugnisse
3.1.1. Cassius Dio
3.1.2. Herodian
3.1.3. Historia Augusta
3.1.4. Inschriften
3.2. Archäologische und bildliche Zeugnisse

4. Motive und Einordnung

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sah man in der älteren Forschung eine Nachahmung Alexander des Großen bei einigen Herrschern des römischen Reiches, z.B. Cäsar, noch als gegeben an, wird eine Alexander-Imitatio heute in zunehmenden Maße kritischer gesehen. Als unbestritten gilt sie unter anderem bei Kaiser Marcus Aurelius Antonius, besser bekannt als Caracalla - was nicht überrascht: von allen römischen Feldherren und Politikern des römischen Reiches, die Alexander nachgeahmt haben, sticht er in besonderem Maße hervor. So ist bei ihm eine Alexander-Imitatio in beispiellos übersteigerter Form zu beobachten. Angesichts seines Verhaltens wäre es nicht abwegig, ihm jenseits der politischen Instrumentalisierung auch eine persönliche Nähe, vielleicht sogar eine Verehrung Alexanders zu unterstellen. Ob sich diese Unterstellung bestätigen lässt, soll unter anderem im folgenden Text behandelt werden.

Um Caracallas Verhalten und seine Motive verstehen zu können, muss man zunächst seine Zeit und das in ihr vorherrschende Alexanderbild betrachten. Es gilt zu untersuchen, wie der Alexandermythos im römischen Reich, insbesondere in der Kaiserzeit, als politisches Instrument genutzt wurde und wie die Bevölkerung, beziehungsweise die vom Herrscher adressierte Zielgruppe, zu Alexander oder einem Herrscher, welcher sich in dessen Tradition stellt, stand.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ist eine Differenzierung des Begriffs der Alexander-Imitatio sinnvoll. In der modernen Literatur ist eine Unterteilung in eine Comparatio (eine angebliche Nachahmung Alexanders durch

eine Person, die in den antiken Quellen unterstellt wird), eine Aemulatio (das Streben einer Person, sich mit Alexander zu Messen oder ihn gar zu übertreffen) und einer tatsächlichen Imitatio (der Versuch einer Person, sich mit Alexander zu vergleichen oder ihn zu imitieren) üblich1. Nachweise einer Imitatio oder Aemulatio in Caracallas Verhalten sind hierbei von besonderer Bedeutung.

Eine Imitatio lässt sich auf vielfältige Weise erkennen und auch im Fall Caracallas gilt es, sowohl literarische als auch archäologische Zeugnisse nach Belegen zu durchforsten. Als literarische Zeugnisse sind hier insbesondere die beiden direkten Zeitzeugen Cassius Dio und Herodian sowie die Historia Augusta zu nennen. Als archäologische Zeugnisse dürfen die Bildnisse des Caracalla, insbesondere auf Münzen, als relevant erachtet werden.

Diese Zeugnisse einer Nachahmung in einen Zusammenhang mit der Zeit und dem Ort des Geschehens zu setzen, gibt Aufschluss über mögliche politische und persönliche Motive Caracallas. Diese Motive zu einem Gesamtbild über Caracallas Alexander-Imitatio zusammenzufügen soll Ziel des folgenden Texts sein.

2. Alexander-Imitatio im römischen Reich

Während Rückgriffe auf Alexander im Hellenismus bereits kurz nach dem Ableben Alexanders möglich waren und auch genutzt wurden2, begannen römische Politiker und Feldherren erst spät, sich in die Tradition Alexanders zu stellen. In der Zeit der Republik, in der „rex oft mit tyrannis gleichgesetzt wurde“3, gestaltete sich eine Bezugnahme auf den Alleinherrscher Alexander als denkbar schwierig. Erst seit Pompeius lässt sich auch im Rom eine Alexander-Imitatio überhaupt feststellen.

In den östlichen Provinzen, die ehemalige Teile des Alexanderreichs und mehr vom Hellenismus beeinflusst waren, war eine Imitatio dafür umso erfolgreicher4. Sie konnte sich, wie dies beispielsweise bei den Soldatenkaisern der Fall gewesen ist, direkt an die Bevölkerung und Soldaten dieser Provinzen richten, was durch numismatische Zeugnisse belegt werden kann5. Die Eliten in den östlichen Provinzen zeigten, beeinflusst von den Ideen der Zweiten Sophistik6, ein lebhaftes Interesse an der Blütezeit griechischer Geschichte - Alexanders Perserfeldzug ist hier zu nennen. Stand ein Partherfeldzug vor (für Caracalla taten dies derer zwei), war eine Imitatio attraktiv, ließen sich doch dadurch römische und griechische Identitäten und Interessen miteinander verschmelzen7.

In der römischen Kaiserzeit kommt es während der Regierungszeit Trajans zu einer regelrechten Alexander-Renaissance8. Dies spielgelt sich im Interesse der antiken Autoren dieser Zeit an Alexander wieder. Sowohl Arrians Anabasis als auch Plutarchs Alexanderbiographie fallen in diese Zeit. Nachdem in der darauffolgenden Zeit das Herrschermodell Alexander des Großen zunächst an Bedeutung verlor, kam es zur Zeit der Severischen Kaiser, während Caracallas Herrschaft und Lebenszeit also, zu einer erneuten Alexander-Renaissance9.

In der Historia Augusta wird beschrieben, wie das Bild Alexanders als Glücksbringer und in verschiedenen Arten von Schmuck10 Verwendung fand, was auf ein entsprechend hohes Ansehen Alexanders in der Bevölkerung zur Zeit der Soldatenkaiser schließen lässt. Bereits im Zuge der Ära Caracallas kann ein „deutlicher Anstieg der Alexanderbegeisterung der Bevölkerung“11 festgestellt werden.

Die Alexander-Imitatio Caracallas trifft somit auf andere Bedingungen, als sie bei den Kaisern und Politikern der frühen Kaiserzeit oder Republik noch vorherrschten. Dementsprechend sollte sein Handeln unter den Gesichtspunkten des Alexanderbilds in der Bevölkerung dieser seiner Epoche, seiner militärischen Ziele und Vorhaben, z.B. dem Partherfeldzug und den verschiedenen Zielgruppen (der Bevölkerung der Ost- und West-Provinzen) betrachtet werden.

3. Zeugnisse der Alexander-Imitatio Caracallas

3.1. Literarische Zeugnisse

3.1.1. Cassius Dio

Lucius Claudius Cassius Dio Cocceianus, 160 n. Chr. in Nicaea geboren, war Mitglied des römischen Senats. Als solcher hatte er schon vor Caracallas Herrschaft aufgrund des elitenfeindlichen Verhaltens von Septimus Serverus eine negative Grundhaltung gegenüber dem Severischem Herrscherhaus12. So verwundert es nicht, dass er auch über Caracalla, einem Mitglied dieses Hauses, sehr kritisch berichtet. Wichtig anzumerken ist, dass Cassius Dio ein direkter Zeitzeuge Caracallas ist. Sein Werk, die R ö mische Geschichte, ist eine „in weiten Teilen wohl korrekte Schilderung der historischen Ereignisse“13, von der allerdings keine Originalversion vorliegt, sondern nur die aus dem 11. Jh. stammenden Exzerpten des byzantinischen Mönches Johannes Xiphilinos14.

Cassius Dio führt mehrere Beispiele für die von ihm negativ bewertete15, übersteigerte Alexander-Imitatio Caracallas an. So benutzte er Waffen und Trinkgefäße, von denen er glaubte, sie hätten Alexander gehört. Außerdem ließ er sowohl in den Heerlagern als auch in Rom Bildnisse von Alexander aufstellen16. Im Vorfeld der Patherfeldzüge17 formierte er eine auf makedonische Art bewaffnete Truppe, die er „Phalanx Alexanders“ nannte18. Außerdem soll er während dieses Feldzuges Elefanten mitgenommen haben, um den Eindruck zu erwecken, er ahme Alexander oder vielmehr Dionysos nach19. Weil er glaubte, dass Aristoteles mitschuldig an Alexanders Tod sei, ließ er die Aristoteliker bestrafen, indem er ihnen zahlreiche Rechte entzog und ihre Bücher verbrennen ließ20. Während Caracalla sich selbst „Augustus“ nannte, bezeichnete er Alexander als „Augustus des Ostens“ und schrieb an den Senat, Alexander sei in Augustus (ihm selbst) wiedergeboren21. Cassius Dio beschreibt an einem Beispiel mit einem makedonischen Tribunen, den Caracalla bis zum Rang eines Expraetors befördert, wie er die Makedonier bevorzugt22. Einem Richter, der einen Verbrecher mit dem Namen Alexander beschimpfte, drohte Caracalla mit seiner Entlassung23.

Caracalla soll eine kameradschaftliche Beziehung zu seinen Soldaten gehabt haben. So habe er in Germanien die Strapazen mitertragen und auf jegliche Bevorzugung verzichtet24.

Erwähnung findet bei Cassius Dio auch die von Caracalla erlassene Constitutio Antoniniana25. Dabei erwähnt er jedoch keinen Bezug zu Alexander. In diesem Erlass von 212 n. Chr. wurde allen freien Einwohnern des Reiches das volle römische Bürgerrecht gewährt26. Weil die meisten reichen Bürger der Provinzen ohnehin die Bürgerrechte hatten, ist die Constitutio Antoniniana zumindest nicht mit dem Ziel, mehr Steuereinnahmen zu generieren, erlassen worden. Eine Analogie zu Alexanders Verschmelzungspolitik wäre hier nicht auszuschließen27. Ein weiterer und eindeutigerer Bezug zur Verschmelzungspolitik ist, dass Caracalla um die Hand der Tochter von Artabanos V., dem Großkönig der Parther, anhielt28.

Insgesamt beschreibt Cassius Dio Caracalla als einen wahnhaften und despotischen Herrscher und erwähnt in diesem Zusammenhang auch seine Vorliebe für Alexander. Jedoch üben seine Zeitgenossen kaum Kritik an der Alexander-Imitatio Caracallas29.

3.1.2. Herodian

Herodian, um 180 n. Chr. im griechischen Osten geboren, war wie Cassius Dio, dessen Werk ihm die wichtigste Quelle war30, ein Zeitzeuge Caracallas und war diesem ebenfalls negativ gesonnen. Allerdings ist sein Werk, die Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel, im Gegensatz zur derjenigen des Cassius Dio, oft mit nachweislich falschen Details ausgeschmückt31. Er selbst schrieb, er schildere nicht alle Ereignisse, sondern nur das „Wesentliche und Bedeutsame“32. Das ganze Werk beschreibt vor allem die Machtergreifung der einzelnen Kaiser und den Vergleich mit seinem Vorbild Marc Aurel33.

Herodian berichtet, wie er beim Besuch des Grabes Alexanders seinen Mantel und seine Wertsachen auf dessen Grab ablegt34. Des Weiteren berichtet Herodian auch, in etwas veränderter Form, wie Cassius Dio über Beispiele der übersteigerten Alexander-Imitatio. Im Falle der bereits angesprochenen „Phalanx Alexanders“

[...]


1 Kühnen 2008, 10-11.

2 Siehe Bohm 1989.

3 Kühnen 2008, 8.

4 Ebd. 120; 226.

5 Ebd. 236.

6 Siehe Anderson 1993.

7 Kühnen 2008, 239.

8 Anderson 1989, 145.

9 Kühnen 2008, 225-226.

10 HA Tyr. trig. 14,4-6. Speziell wird die Familie Macriani genannt, die diesen Schmuck getragen haben soll.

11 Kühnen 2008, 206.

12 Kemkes 2013, 8.

13 Ebd.

14 Kolb 1972, 40.

15 Cass. Dio (78,9,1.) bezeichnet Caracalla im Zusammenhang mit seiner Vorliebe für Militär und Soldaten sowie seiner Kriegslust als „Alexandernarr“ (φιλαλεξανδρóτατος).

16 Ebd. 78,7,1.

17 Kühnen 2008, 207.

18 Cass. Dio 78,7,1 f.

19 Ebd. 78, 8, 4.

20 Ebd. 78,7,3.

21 Ebd. 78,7,2.

22 Ebd. 78,8,1 f.

23 Ebd. 78,8,3.

24 Ebd. 78,13,1 f.

25 Ebd. 78,9,5.

26 Pferdehirt, Barbara u. Scholz, Markus 2013, 44.

27 Kühnen 2008, 210. Bezieht sich auf Buraselis, Kostas: Theia dorea, Athen 1989.

28 Cass. Dio 79,1,1.

29 Kühnen 2008, 207.

30 Kolb 1972, 159.

31 Kemkes 2013, 8 f.

32 Herodian 2,15,7.

33 Kemkes 2013, 8 f. Bezieht sich auf Hidber, Thomas: Herodians Darstellung der Kaisergeschichte nach Marc Aurel, Basel 2006.

34 Herodian 4,8,9.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Alexander-Imitatio des Caracalla im Spiegel seiner Zeit
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Proseminar: Alexander der Große
Note
1,3
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V381063
ISBN (eBook)
9783668581296
ISBN (Buch)
9783668581302
Dateigröße
657 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alexander der Große, Alexander, Imitatio, Alexander-Imitaio, Nachahmung, Caracalla, Rom, Kaiser, römisch, Cassius Dio, Angleichung, römisches Reich, Hausarbeit, Hellenismus
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Die Alexander-Imitatio des Caracalla im Spiegel seiner Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381063

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