Exegese zu Joh 4,1-42. Jesu Begegnung mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen


Hausarbeit, 2017

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitungsfragen
2.1 Wahl der Übersetzung
2.2 Entstehungskontext
2.2.1 Zugrundeliegender historischer Hintergrund
2.2.2 Entstehungsort
2.3 Textwachstum der Perikope nach dem vierstufigen Modell Links
2.3.1 Die christologische Konzeption der einzelnen Textschichten
2.3.1.1 Die Grundschrift
2.3.1.2 Der Evangelist
2.3.1.3 Der Redaktor
2.3.1.4 Die Semeia-Quelle
2.4 Charakter und Gattung

3. Vorbereitende Schritte zur Textanalyse
3.1 Literarischer Kontext und Abgrenzung
3.2 Struktur des Textes
3.3 Überblick zur Quellenverarbeitung innerhalb der Perikope

4. Textanalyse
4.1 Reisenotiz: Rückzug Jesu aus Judäa nach Galiläa (V.1-4)
4.2 Situationsbeschreibung (V.5-7a)
4.3 Der Dialog Jesu mit der Samaritanerin (V.7b-26)
4.3.1 Das „lebendige Wasser“ (V.7b-15)
4.3.2 Die Männer der Samaritanerin (V.16-19)
4.3.3 Die Anbetung Gottes (V.20-26)
4.4 Überleitung: Der Aufbruch der Frau, die Ankunft der Jünger und der Samaritaner (V.27-30)
4.5 Das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern (V.31-38)
4.5.1 Die Nahrung Jesu (V.31-34)
4.5.2 Metaphernnetz zur Ernte (V.35-38)
4.6 Der Glaube in Samaria (V.39-42)

5. Die Perikope als Brunnengeschichte

6. Gesamtinterpretation des Textes

7. Quellenverzeichnis
7.1 Bilder
7.2 Bibelausgaben
7.3 Literatur

8. Erklärung..

1. Vorwort

Im Rahmen der Vorlesung zum Johannesevangelium und der johanneischen Gemeinde im 6. Semester des Studiengangs Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit, ist eine schriftliche Hausarbeit zur Exegese einer johanneischen Perikope vorgesehen. Nachdem wir die wichtigsten Grundzüge des Evangeliums im Rahmen der Vorlesung erfassten und in Zügen einige Perikopen exegetisch „anschnitten“, entschied ich mich in Hinblick auf die Hausarbeit für die Exegese von Joh 4,1-42. Im Gegensatz zu anderen Abschnitten des „geheimnisvollen“, theologisch und sprachlich im Vergleich zu den Synoptikern völlig eigenständigen Evangeliums, ist Kapitel 4 stark, aber auch sehr unterschiedlich erforscht und - so erschien es mir im Laufe der Arbeit - ein „Lieblingsgegenstand“ der Exegese ja beinahe ein „Exerzierfeld“ für Methoden, hermeneutische Planspiele und Interpretationen aus wechselnden Perspektiven geworden zu sein. Kurzum: Ein Text also an dem, durch dessen besondere Sprache und Theologie, ausgehend von den bereits formulierten Interpretationen und exegetischen Arbeiten, einem Menschen spirituell viel eröffnet und methodologisch viel gelernt werden kann. Da die Perikope allerdings sehr umfangreich ist, soll im Zentrum der vorliegenden Arbeit primär der Dialog zwischen Jesus und der samaritanischen Frau stehen, dessen theologische Dimensionen durch die Mittel der Exegese herausgearbeitet werden sollen. Eine besondere Rolle soll dabei der Schriftbezug von Joh 4,1 – 42 spielen, denn in besagter Perikope werden alttestamentliche Motive und Bilder aufgegriffen, welche den theologischen Inhalt der Perikope in alttestamentlichen Bildern spiegeln. Die Gesamtinterpretation am Ende der Arbeit soll eine kurze Synthese der wichtigsten, Arbeitsergebnisse darstellen und persönliche Erkenntnisse zur Sprache bringen.

2. Einleitungsfragen

Zunächst sollen grundsätzliche Einleitungsfragen zur allgemeinen historischen Einordnung, Strukturierung sowie zum inhaltlichen Verständnis der Perikope in den Blick genommen werden. Hierzu wird zunächst auf die gewählte Bibelübersetzung als Grundlage des exegetischen Arbeitens eingegangen, bevor Entstehungskontext, Textwachstum und Textgattung thematisiert werden.

2.1 Wahl der Übersetzung

Im Rahmen der vorliegenden exegetischen Arbeit soll sich an einer Übersetzung orientiert werden, welche versucht, den griechischen Urtext möglichst getreu wiederzugeben. Hierbei entschied ich mich für die des Münchener Neuen Testaments (MNT). Anders als bei anderen Übersetzungen steht hier weder literarische Ästhetik noch Lesbarkeit bzw. Verständlichkeit für den Menschen heute im Vordergrund. Die Priorität liegt vielmehr auf der möglichst wortgetreuen, deutschen Wiedergabe des griechischen Originaltextes, weshalb das MNT mit seiner Übersetzung auch so wenig wie möglich interpretierend eingreift.[1]

Zur Übersichtlichkeit und auch im Hinblick auf die Textanalyse wird die Übersetzung der Perikope nun segmentiert, d.h. die einzelnen Versteile werden durch Bezeichnung mit Kleinbuchstaben gegliedert. Außerdem wird die wörtliche Rede im Vergleich zu den erzählenden Teilen der Perikope eingerückt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[2]

In der Übersetzung des MNT fällt deutlich auf, dass die Zeit der Verbformen des griechischen Textes, anders als beispielsweise in der Einheitsübersetzung und auch im Falle des historischen Präsens, übernommen wird. Präsens und Aorist (griechische Vergangenheitsform) stehen deshalb als Gegenwart und Vergangenheit in der deutschen Übersetzung des MNT teilweise unversöhnt nebeneinander.

Weitere auffällige oder erwähnenswerte Übersetzungsunterschiede zwischen MNT und der Einheitsübersetzung werden im Rahmen der Textanalyse unter den einzelnen Abschnitten genauer in Betracht genommen.

2.2 Entstehungskontext

2.2.1 Zugrundeliegender historischer Hintergrund

Ohne die Kenntnis der gegenseitigen Verwerfungsgeschichte von Samaritanern und Judäern (Juden) ist Joh 4 nicht zu verstehen. Jene Spannungen haben ihren Ursprung bereits in der vorexilischen Polarität zwischen Nord- und Südreich, doch erst in nachexilischer Zeit eskalieren sie. Denn in dieser Zeit betrieb Nehemia in Jerusalem im Namen der vom Exil Heimgekehrten eine strenge Abgrenzungspolitik gegenüber Angehöriger verschiedener, fremdstämmiger Gruppierungen – darunter auch die Samaritaner[3]. Man warf ihnen u.a. vor, sie würden neben Gott noch ihre alten, assyrischen Götter anbeten und schloss sie deshalb auch aus dem Wiederaufbau des Tempels aus (Neh 4)[4]. Auch ein persönlicher Umgang mit den Samaritanern wurde aufgrund ihrer „religiösen Fragwürdigkeit“ möglichst vermieden – eheliche Verbindungen sogar gesetzlich verboten (Neh 2-6).

Ausgangspunkt des Konflikts waren vorangegangene religiöse Spannungen, ausgelöst durch das Heiligtum der Samaritaner auf dem Berg Garizim, welches um die Zeit Alexander des Großen entstanden sein muss. Nach der Zerstörung Samarias unter den Makedoniern (332 v. Chr.) verlegten die Bewohner ihr kulturelles und religiöses Zentrum von Samaria auf das ca. 10 km entfernte Sichem, also auf den Fuß des Garizim. Unter der hasmonäischen Herrschaft des Johannes Hyrkan I. (128 v. Chr.), der im Rahmen seiner Expansionspolitik ganz Palästina zu judaisieren versuchte und in den religiösen Stätten der Samaritaner Konkurrenz zum Jerusalemer Tempel sah, wurde sowohl das Heiligtum auf dem Garizim als auch das in Sichem zerstört. Hiermit war der Bruch zwischen Judäern und Samaritanern endgültig besiegelt. Die Samaritaner erklärten den Garizim zum einzig wahren Kultort und sprachen dem Jerusalemer Tempel jegliche Daseinsberechtigung als Heiligtum ab. Diese offensichtliche religiöse Abgrenzung Samarias gegenüber dem Judentum führte in der Folgezeit dazu, dass sich ein großer Teil seiner Bevölkerung um das 5./4. Jahrhundert v. Chr. zu einer eigenständigen Kultgemeinde außerhalb des Judentums entwickelte. Die zu dieser Glaubensgemeinschaft Zugehörigen bezeichnete man als „Samaritaner“. Unter den BewohnerInnen Samariens existierten aber noch weitere Glaubensgemeinschaften, weshalb die Gegend als religiös plural bekannt war. Bei den Judäern hatte Samaria deswegen auch den Ruf eines heidnischen „Mischvolkes“[5]. Streng gläubige Juden mieden deshalb den Kontakt zum „religiös-abtrünnigen“ Volk der Samaritaner. Selbst auf dem Weg nach Galiläa umging man trotz längerer Wegstrecke den Ort – nicht so aber Jesus wie die Perikope in Joh 4,4-42 zeigt.[6] Er setzt damit gewissermaßen also ein Zeichen und verkündet darin seine für alle geltende Botschaft.

Nach heutigem Forschungsstand muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Samaritaner - abgesehen von der Leugnung des Heiligtums in Jerusalem und die alleinige Verehrung - im Grunde weniger heidnisch waren als angenommen, denn sie teilten den jüdischen Glauben an einen Gott, an Mose als Propheten - für sie allerdings der einzige Prophet war - und die Erzeltern, insbesondere Jakob und Josef. Des Weiteren lebten sie wie auch die Juden nach den Gesetzen der Tora.[7]

Da Samaria unter Herodes, der sie als Geschenk von Augustus erhalten hatte, zu Ehren des Kaisers prachtvoll ausgebaut und umbenannt wurde, wurde die Stadt von diesem Zeitpunkt an nun nur noch „Sebaste“ (heute Nablus) genannt. „Samaria“ entwickelte sich zur Landschaftsbezeichnung – so auch im Neuen Testament[8]. Dieser Aspekt geht allerdings in den meisten Übersetzungen durch die (indirekte) Verwendung der Bezeichnung „Samaria“ als Stadtbezeichnung verloren. Das MNT hingegen übersetzt den Begriff durch das Einsetzen eines Artikels so, dass er deutlicher als Landschaftsbezeichnung zum Ausdruck kommt (vgl. V.4 „Er musste aber durchziehen durch die Samareia“)

2.2.2 Entstehungsort

Die Frage, die sich nun stellt ist, woher die Perikope stammt. Zunächst kann mit Sicherheit gesagt werden, dass die Erzählung keine Fiktion ist, sondern ihren Ursprung wohl in Palästina, möglicherweise sogar in Samaria selbst haben muss. Dafür sprechen vor allem die hervorragenden Ortskenntnisse des Textes.[9] Nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte (8,1.4-25) gelangte der christliche Glaube zwar erst nach der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem nach Samaria und Jesus selbst soll (nach Mt 10,5 f.) den Jüngern untersagt haben, dort – in einem Land der Heiden - zu missionieren, so lässt sich dennoch die Vermutung anstellen, dass in Joh 4 die Erinnerung an einen tatsächlichen Besuch Jesu in Sychar aufbewahrt ist. Auch der Evangelist Lukas (9,25-55) erzählt nämlich von einem Besuch Jesu in einem Dorf Samarias, wo ihm allerdings die Gastfreundschaft verweigert wurde. Etwas später, in Lk 17,11, geht es wiederum um Samaria, wenn von Jesu Wanderung „im Grenzgebiet von Samaria und Galiläa“[10] die Rede ist und ein Samaritaner Jesus für seine Heilung Dank ausspricht. Es gibt also durchaus Belege für die Historizität der in Joh 4,4-42 beschriebenen Begebenheit.

Allerdings ist die der Perikope zugrunde liegende Erzählung mit ihrer Brunnen-Szenerie und der Art und Weise zu erzählen (vgl. Punkt 5) derart stark in alttestamentlicher Überlieferung verwurzelt , dass sie unmöglich nur als Wiedergabe eines historischen Ereignisses aufgefasst werden kann. Deswegen ist wohl davon auszugehen, dass Joh 4 „eine narrative Verdichtung von nachösterlichen Missionserfahrungen in Samaria ist“[11]. Dies bedeutet, dass die samaritanischen Missionare mit jener Erzählung, die letztlich ja in der Aufnahme Jesu in Sychar endet, möglicherweise ihrer eigenen Aufnahme dort ein Denkmal gesetzt haben (vgl. V.40).

2.3 Textwachstum der Perikope nach dem vierstufigen Modell Links

Obwohl die Schilderung des Erzählverlaufs eine stimmig aufgebaute Geschichte erkennen lässt, die als solche auf den ersten Blick wenig Ansatzpunkte zu Quellen- und Schichthypothesen bietet, gibt es dennoch Modelle, welche verschiedene Quellen und Schichten unterscheiden. Mir persönlich erschien das vierstufige Modell, das Andrea Link im Rahmen ihrer Dissertation und in Anlehnung an die redaktionskritische Hypothese Richters ausführlich darstellt, am plausibelsten. Sie unterscheidet dabei vier Quellen - Grundschrift (G), Evangelist (E), Semeia-Quelle (S) und eine nachjohanneische Redaktion (R) – welche jeweils eigene christologische Akzente setzen und Spannungen im Text erklären. Sie wendet Richters Schichtenhypothese von 1974 also erstmals auf die Samaria-Perikope an, verweilt aber nicht bei einer reinen Verhältnisbestimmung von G und E innerhalb der Perikope Joh 4,1-42, sondern berücksichtigt bei ihrer literarischen Analyse die von Richter an anderen Stellen seiner Forschungen erwähnten „vorgrundschrifltlichen Traditionen“ (S) sowie eine Redaktion nach dem Evangelisten (R).[12]

Um die Quellenverarbeitung der Perikope nachvollziehen zu können, sollen nun die einzelnen, von Link und Richter angenommenen Schichten näher skizziert werden.

2.3.1 Die christologische Konzeption der einzelnen Textschichten

Bei der Charakterisierung der einzelnen Quellenschichten orientiert sich Link, angelehnt an Richter (1974), am Kriterium der unterschiedlichen christologischen Konzeption der Textschichten. Link hält jenes Unterscheidungskriterium deshalb für plausibel, weil sie die Christologie für das zentrale Thema des Johannesevangeliums hält und wie auch Richter im gesamten vierten Evangelium einen „Spiegel vier großer Stadien der christologischen Entwicklung innerhalb der johanneischen Gemeinde/n“[13] sieht – Stadien, welche die einzelnen Quellenschichten sichtbar machen.

2.3.1.1 Die Grundschrift

Die älteste Schicht des Johannesevangeliums und damit auch der Perikope selbst – die Grundschrift - ist getragen von einer „Prophet-Messias-Christologie“[14]. Jesus wird als der von Gott verheißene und erwählte Messias charakterisiert, der aber nicht von davidischer Herkunft ist, sondern wie Mose einzigartigen „Prophet-Charakter“ hat. Er kommt, ähnlich wie Mose, aus der Mitte seines Volkes (Sohn des Josef von Nazareth) und wirkt messianische Zeichen und Taten, welche als göttliche Bestätigung seiner Messianität aufzufassen sind. Hinter jener „Prophet-Messias-Christologie“ und der Grundschrift selbst steht wohl also eine Gemeinde, die aus einer Strömung des Diasporajudentums im nordpalästinisch-syrisch-ostjordanischen Raum hervorgegangen sein muss, wo ein von Mose verheißener Prophet als Messias erwartet wurde. Nach dem Ausschluss aus der Synagoge schuf sich jenes johanneische Judenchristentum eine evangelienähnliche Schrift, in der sie sich gegenüber Gegnern – insbesondere Judentum und Täufergemeinde – verteidigte und sich selbst Rechenschaft über den Glauben an Jesus als den prophetischen Messias gab.[15]

Die Grundschrift, so nimmt Richter an, ist deswegen gegen Ende der 80er Jahre n. Chr. entstanden, wobei seiner Meinung nach auch anderes bereits existierendes Material verwendet worden ist – u.a auch die sogenannte „Semeia-Quelle“ (vgl. 2.3.1.4)

2.3.1.2 Der Evangelist

Diese Textschicht, so nehmen Richter und Link an, ist wohl aus einer Gruppe innerhalb der Gemeinde hervorgegangen, die sich um den sogenannten „Evangelisten“ bildete. Die Quellenschicht ist geprägt von einer „Sohn-Gottes-Christologie“[16], die Jesus als den vom Himmel herabgekommenen, präexistenten Sohn Gottes, den vom Vater gesandten, eschatologischen Heilsbringer verkündet und vom Glauben an Jesu Gottessohnschaft das Haben bzw. Nicht-Haben von Heil abhängig macht.[17] Eng verknüpft mit jener „Sohn-Gottes-Christologie“ ist die „präsentische Eschatologie“[18] innerhalb der Evangelisten-Schicht. Während die Rede vom Messias in der Grundschrift rein auf das Kommende, Zukünftige bezogen ist, macht die „Sohn-Gottes-Christologie“ deutlich, dass in Jesus das Heil nicht erst in (naher) Zukunft kommt, sondern bereits angebrochen ist und wirkt. Es ist im Grunde schon im Jetzt spürbar, aber eben noch nicht vollendet. Das Entstehen dieser neuen christologischen Tendenz sieht Richter beeinflusst durch die Erlösungslehren des häretisch-gnostizierenden Judentums, von welchen man sich abzugrenzen versuchte. Nicht das ganze johanneische Judenchristentum allerdings, sondern nur ein Teil vollzog jene Entwicklung zur „Sohn-Gottes-Christologie“ tatsächlich mit, da diese neue Tendenz unweigerlich zur Trennung von der judenchristlichen Muttergemeinde führte. Diese Auseinandersetzungen werden innerhalb des Textkorpus nun also in die Zeit Jesu re-projeziert und beeinflussen die Rede vom Judentum, die an einigen Stellen beinahe schon als abfällig bezeichnet werden kann.

2.3.1.3 Der Redaktor

Die christologische Konzeption des „Evangelisten“ und dessen Betonung der Gottessohnschaft Jesu barg in sich nun die Gefahr, in den Doketismus abzudriften. Dieser leugnet die Menschlichkeit und Leiblichkeit Jesu und sieht ihn ausschließlich als himmlisches Wesen. Er definiert Jesus also als immer ganz und gar Gott geblieben und sieht in seiner Leiblichkeit lediglich einen „Scheinleib“. Richter und Link nehmen an, dass sich eben dieses doketische Missverständnis Jesu ausgehend vom „Evangelisten“ zunehmend ausbreitete und aufgrund dessen die Schrift von einem Redaktor antidoketisch nachbearbeitet wurde. Jene Einschübe des Redaktors spiegeln sich deshalb in einer besonderen Betonung und Hervorhebung der Menschheit und Leiblichkeit Jesu wieder, wie sie vor allem in Joh 1 und 2 zum Tragen kommt.. Auf dieser Ebene wird zudem die präsentische Eschatologie des „Evangelisten“ durch die Aussage über die endzeitliche Auferweckung der Toten und ein Gericht nach den Werken ergänzt. Auch die ethisch-mahnenden Einschübe zum Bleiben in der Gemeinde und der rechten Lehre sind nach Richter und Link auf jene Spaltungsbewegung durch die Doketisten zurückzuführen. Später wurde das redaktionell nachbearbeitete Johannesevangelium wohl auch für die nichtjohanneischen Gemeinden als akzeptabel betrachtet und fand so letztlich Eingang in die werdende Großkirche.[19]

[...]


[1] Vgl. MNT, 1988, S.7

[2] Jersusalem ist gemeint

[3] Theobald, 2009, S.298

[4] Lantzerath, 2003, S.44

[5] Kügler, 2013, S. 22

[6] Vgl. Lantzerath, 2003, S. 44

[7] Vgl. Kügler, 2013, S.22-23

[8] Vgl. Theobald, 2009, S. 299

[9] Vgl. Hengel, 1989, S. 297-308

[10] Lk 17,11

[11] Theobald, 2009, S. 304

[12] Vgl. Link, 1992, S. 177

[13] Link, 1992, S. 173

[14] Link, 1992, S. 173

[15] Vgl. Link, 1992, S. 173

[16] Link, 1992, S. 174

[17] Vgl. Link, 1992, S. 174

[18] Link, 1992, S.174

[19] Vgl. Link, 1992, S.175

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Exegese zu Joh 4,1-42. Jesu Begegnung mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
Das Johannesevangelium und die johanneische Gemeinde
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
42
Katalognummer
V381053
ISBN (eBook)
9783668584181
ISBN (Buch)
9783668584198
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exegese, Johannesevangelium, Samariterin, Samaritanerin, Joh 4
Arbeit zitieren
Julia Siegert (Autor:in), 2017, Exegese zu Joh 4,1-42. Jesu Begegnung mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381053

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