Können religiöse Überzeugungen überhaupt vernünftig sein? Zur rationalen Glaubensverantwortung


Hausarbeit, 2017

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Problemexplikation

3. Rationale Glaubensverantwortung
3.1. Was ist Glaube?
3.2. Was ist (epistemische) Verantwortung?
3.3. Was ist Rationalitat?

4. Welchen Beitrag leistet die Historische Theologie zur rationalen Glaubensverantwortung?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Aufgabe der Fundamentaltheologie[1] besteht darin, die Inhalte des christlichen Glaubens durch ihre Verantwortung vor der autonomen philosophischen Vernunft fur die sakularisierte Welt verstandlicher zu machen. Die neuzeitliche Philosophie sieht im Vergleich zur Theologie etwas Gegensatzliches zwischen Glauben und Vernunft, weshalb sie die Vernunft vor dem Glauben hoch schatzt. Die Theologie tritt eher fur „die Begegnung zwischen Glaube und Vernunft“[2] ein, dadurch dass sie nach Begrundungsmoglichkeit und -notwendigkeit religioser Rede fur Andersdenkende sucht. Die Aufforderung des 1. Petrusbriefes: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfullt.“ (IPetr 3,15) hat sich die christliche Theologie zum Motto gemacht. An jenem Ort, wo die Vernunft den Glauben beruhrt, besteht zumindest die Hoffnung, dass auch der Glaube Vernunft annimmt. Rationale Glaubensverantwortung sei noch immer „die beste Prophylaxe gegen Fundamentalismus, Fanatismus und Fideismus“.[3] Dabei geht es um den Glauben, der zu verstehen sucht (fides quaerens intellectum), den Glauben, der sich darauf verlasst, dass Gott die Welt so gestaltet hat, dass es sich lohnt, sich mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit alien Sinnen und aller Kraft, aber auch mit der Vernunft nach Gott zu reichen. Das Risiko besteht, wenn Glaube beilaufig wird, dass sich die Frage nach seiner moglichen VernunftgemaBtheit und dann letztlich die Frage nach seiner Identitat als Glaube aufkommt. Aus diesem Grund ist die Verhaltnisbestimmung von Glaube und Vernunft unerlasslich. Die katholischen Theologen haben den Anspruch, die Existenz Gottes beweisen und die wesentlichen Elemente des christlichen Glaubens als vernunftgemaB ausweisen zu konnen.

Die zeitgenossiche Debatte um das Verhaltnis von Glaube und Vernunft weist unterschiedliche theologische wie auch philosophische Ansatze einer Verhaltnisbestimmung auf.[4] Diese theoretischen Ansatze gilt es naher auszufuhren und anschlieBend im theologischen Sinne zu erklaren, um sie fur Andersdenkende plausibel zu machen. In dieser Arbeit wird zentral nach der Vereinbarkeit des Glaubens mit der Vernunft sowie den Kritierien der Glaubensverantwortung gefragt. Im Zusammenhang mit den oben genannten Ausfuhrungen ergibt sich folgende Fragstellung: Konnen religiose Uberzeugungen uberhaupt vemunftig sein?

Bei der Hausarbeit liegt folgender Aufbau zugrunde: als erstes befasse ich mich mit einem theologischen Problem, welches sich aufgrund der sakularisierten Welt ergab, indem ich skizziere, was Theologie eigentlich ist und ob diese eine Wissenschaft darstellt. Im Folgenden wird eine Begriffsanalyse in drei Schritten durchgefuhrt. Analysiert werden sollen hier die Begriffe: Glaube, (epistemische) Verantwortung und Rationalitat, um sie im spateren Verlauf in Beziehung zueinander zu setzen. Die Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf die Glaubensverantwortung. Bei der Untersuchung wird besonders der Frage nach der Verhaltnisbestimmung von Glaube und Vernunft nachgegangen, auch die Bedingungen von Rationalitat werden thematisiert. Als letztes wird die Bedeutung des theologischen Facherkanons sowie im Besonderen die Beziehung zur Historischen Theologie beleuchtet, um das Gesamtkonzept der Arbeit abzurunden.

Das anschlieBende Fazit meiner Arbeit beinhaltet zum einen die Beantwortung der obigen Fragestellung und stellt zum anderen einen kurzen Ausblick des Themas: Welchen Beitrag leistet die Historische Theologie zur rationalen Glaubensverantwortung, einen Bezug zur Ubung: Einfuhrung in die Geschichte und Disziplinen der Theologie heraus.

2. Problemexplikation

Theologie versteht und weist sich als „Rede von Gott“ aus. Sie bezeugt Gott mit Hilfe der Vernunft. Die zentrale Grundlage jeder christliche Gottesrede ist das Wort Gottes, welches durch Jesus Christus lebendig und ferner als Grund des Glaubens angefuhrt wird. Die Systematische Theologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielfalt der theologischen Disziplinen derart zusammenzulegen, sodass Moglichkeiten gegenwartiger Verantwortung des Glaubens ,,vor dem Forum der Vemunft“ fassbar werden.4[5] Zudem geht sie davon aus, dass der Glaube im lebendigen Vollzug des Glaubens selbst glaubwurdig wird und dass sich im Glauben die Vernunft annehmen lasst. Trotz alle dem taucht in der sakularen Gesellschaft Geltungsanspruchen zur Folge.[6]

Die theologische Wissenschaftstheorie stellt ein weiteres Problem in der Moderne dar. Fur sakulare Menschen ist es fraglich, ob Theologie eine Wissenschaft sein kann. In Bezug auf die Theologie als Wissenschaft hinterfragen sie deren Ernsthaftigkeit. Fur sie stellt Theologie keine ernstzunehmende Wissenschaft dar und somit gehort sie zum Beispiel auch nicht an die Universitat. Die Kolner Theologin Saskia Wendel folgt der grundsatzlichen Uberlegung,

„dass Theologie allein aufgrund der Tatsache, dass sie glauben voraussetzt und zugleich zum Thema ihrer Reflexion hat, nicht aus dem Kanon der Wissenschaften auszugrenzen ist, denn jede Wissenschaft setzt als Form von Wissen glauben bereits voraus.“[7]

3. Rationale Glaubensverantwortung

Angesichts der Eigenart religioser Uberzeugungen wie auch der noch offenstehenden Frage nach der rationalen Rechtfertigung religioser Uberzeugungen, ist eine Begriffsanalyse dreier essentieller Begriffe vonnoten. Diese Analyse geht in folgender Reihenfolge vor: 1. Was ist Glaube? - 2. Was ist (epistemische) Verantwortung? - 3. Was ist Rationalitat?.

3.1. Was ist Glaube?

Der Begriff „Glaube“ wird in der Moderne als problematisch angesehen, da die „Konflikte zwischen Religion und sakularer Gesellschaft angesichts moralischer und religioser Pluralitat“, aus diesem Terminus in ihrer Argumentation ein Merkmal einer unvernunftigen epistemischen Einstellung machen.[8] Generell unterscheidet man seit der Zeit des Augustinus‘ zwischen fides qua und fides quae.1 Der Glaube kann erst im lebendigen Glaubensvollzug selbst vernunftig werden.[9] [10] Fur Hans-Joachim Hohn muss „auch in postsakularen Zeiten Religion und Glaube Vemunft annehmen“, indem eine rationale Argumentation dem Denken das Selbstverstandliche des Glaubens plausibel macht.[11]

Neben der Verhaltnisbestimmung von Glaube und Vernunft untersucht die Forschung ebenfalls die Verbindung von Glauben und Wissen naher.[12] Wie bereits in der Problemexplikation erwahnt, macht Glauben (doxa) ein Teil des Wissens aus.[13] Der religiose Glaube kann sowohl als fiduzieller wie auch als doxastischer Glaube in der Religionsphilsophie dargestellt werden. Bei dem fiduziellen Glauben glaubt die Person a der Person b, weil a begrundetes Vertrauen in b hat. AuBerdem beinhaltet der fiduzielle Glaube einen doxastischen Glauben, das heiBt, dass Person a die Person b im Allgemeinen fur wahr halt. Das Furwahrhalten ist ein typisches Merkmal fur den doxastischen Glauben. Dort wurde die Person a glauben, dass ein bestimmter Sachverhalt besteht.[14]

3.2. Wasist (epistemische) Verantwortung?

Jeder Glaubige muss fur seine religiosen Uberzeugungen Verantwortung ubernehmen. Demnach haben Menschen die Verantwortung dafur, jemanden etwas zu glauben, der ihnen einen Beleg hervorbringen kann. Solange es keinen Beweis gibt, durfen sie nicht vorschnell urteilem.[15] Gerade in Zeiten des moralischen und religiosen Pluralismus ist die Glaubensverantwortung von besonderer Wichtigkeit. Aus diesem Grund geht es im Kontext der theologischen Epistemologie also um eine epistemische Verantwortung. Da stellt sich die Frage, wie man epistemische Verantwortung ubernehmen kann. Um eine genaue Antwort geben zu konnen, muss zunachst geklart werden, was Rationalitat bedeutet.

3.3. Was istRationalitat?

Rationalitat bezeichnet lediglich eine subjektive Vernunft, das heiBt die Befahigung von Menschen, vemunftig zu denken.[16] Das Wort rational bzw. vernunftig hat eine einheitliche Bedeutung. Im systematisch-theologischen Kontext geht es bei dem Begriff Rationalitat um die Kernfrage einer theologischen Disziplin, namlich der Frage nach der Glaubwurdigkeit kirchlichen Glaubens. Zur Klarung dieser Frage zieht man nun Rationalitatskriterien heran.[17] Im nachsten Schritt muss geklart werden, was als rationale Begrundung gilt. Die Konzepte Rationalitat und Rechtfertigung erlautem sich komplementar. Demzufolge erscheint es rational, solche Uberlegungen zu verfolgen, die angebracht sind. Angebracht scheinen demgegenuber solche Uberzeugungen zu sein, die rational annehmar sind, das heiBt also denen vernunftigerweise zugestimmt werden kann.[18] Die Voraussetzung fur die in der vorliegenden Arbeit formulierte Fragestellung nach der Rationalitat religioser Uberzeugungen bildet die moderne intellektuelle Gegenwart, in der es nicht mehr rational zum Ausdruck kommt, an Gott wahrhaftig zu glauben. In der heutigen Zeit werden religiose Uberzeugungen eher als irrational abgetan.[19] Nach Wolterstorff reicht zum Nachweis der Rationalitat einer Uberzeugung ein epistemischer Grundsatz aus. Folglich ist eine Person rational verantwortlich, bestimmte Uberzeugungen zu vertreten, solange sie keine guten Argumente hat, diese zu verwerfen. Somit sind Uberzeugungen rational, solange niemand Grunde dagegen aufbringt. Da keine externen Einwande vorliegen, sind die Uberzeugungen subjektiv annehmbar.[20] Die Zuruckweisung des evidentialistischen Kriteriums bedeutet zugleich, dass eine Minimalbedingung fur Rationalitat[21] von religiosen Uberzeugungen gegeben ist, da in diesem Fall Religion zumindest nicht-

[...]


[1] Zur Aufgabe der Fundamentaltheologie siehe etwa ARMIN KREINER, Wozu Fundamentaltheologie. In: Hilpert, Konrad/Leimgruper, Stephan (Hg.), Theologie imDurchblick. EinGrundkurs, Freiburgu.a2008,126133.

[2] BENEDIKT XVI: Glaube und Vernunft. Die Regensburger Vorlesung. Kommentiert von Gesine Schwan, Adel Theodor Khoury, Karl Kardinal Lehmann. Freiburg u.a. 2006. Die Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 12. September 2006 in Regensburg versteht sich als Fortsetzung der Enzyklika Fides et Ratio von Papst Johannes Paul II.

[3] GREGOR REIMANN, InDebate: Stranger Things? - Naturalistische Religionsphilosophie. In: Philosophic InDebate, 30. September 2016. https://philosophie-indebate.de/2724/indebate-stranger-things- naturalistischereligionsphilosophie/ (24.06.2017). Vgl. auch HANS-JOACHIM HOHN, Postsakular. Gesellschaft im Umbruch - Religion im Wandel, Paderbom u.a. 2007, 202.

[4] Vgl. zum aktuellen Diskussionsstand: KLAUS MULLER, Vernunft und Glaube. Eine Zwischenbilanz zulaufenden Debatten, Munster 2005.

[5] Vgl. KATHARINA LAMMERS/ KLAUS VON STOSCH, Arbeitstechniken Theologie, Paderbom 2014, 14. der Rationalitatseinwand auf. Dieser Einwand hat die rationale Prufung von religiosen

[6] Zur Theorie diskursiver Rationalitat vgl. H.-J. HOHN, Religion - das vemunftgemaBe Andere der Vemunft? Kriterien zur rationalen Verantwortung religioser Uberzeugungen, in: Endreh, Martin u.a. (Hg.), Herausforderungen der Modemitat, Wurzburg 2012, 284tf.

[7] SASKIA WENDEL, Die Rationalitat der Rede von Gott. Thesen zur Legitimation der Theologie als Wissenschaft, in: Stimmen der Zeit (4/2002), 260).

[8] SEBASTIAN MALY, Glauben und Wissen, in: Schmidt, Thomas M./ Pitschmann Annette (Hg.), Religion und Sakularisierung. Ein interdisziplinares Handbuch, Stuttgart 2014, 291f. Vgl. dazu grundlegend THOMAS M. SCHMIDT, Vemunftiger Pluralismus - gerechtfertigte Uberzeugungen. Religioser Glaube in einer pluralistischen Gesellschaft, in: Thomas M. Schmidt/ Matthias Lutz-Bachmann (Hg.), Religion und Kulturkritik, Darmstadt 2006, 35-51.

[9] Vgl. PECH, JUSTINUS C., Glaube, in: Pech, Justinus C./ Schachenmayr, Alkuin (Hg.), Zwischen Philosophic und Theologie. Interpretationen zu zentralen fundamentaltheologischen Begritfen. 3., korrigierte Aufl., Heiligenkreuz 2016, 40.

[10] Vgl. KNAPP, MARKUS, Die Vemunft des Glaubens. Einfuhrung in die Fundamentaltheologie, Freiburg u.a. 2009, 146.

[11] HOHN, Postsakular, 192ff.

[12] Siehe fur einen umfassendenUberblickuber den Wissensbegriffbeispielsweise SEBASTIAN MALY, Glauben und Wissen, 292ff.

[13] Siehe Fuhnote 7.

[14] Hierzu vgl. SEBASTIAN MALY, Glauben und Wissen, 296ff.

[15] JURGEN, WERBICK, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, Freiburg u.a. 2000, 199.

[16] Vgl. hierzu STEFAN GOSEPATH, Einleitung/ Eine begriffliche Landkarte, in: Ders., Aufgeklartes Eigeninteresse. Eine Theorie theoretischer und praktischer Rationalitat, Frankfurt am Main 1992, 12f.

[17] ARMIN KREINER, Art: Rationalitat II. Systematisch-Theologisch, in: LthK 3, Bd. 8, Freiburg u.a., Sp. 848.

[18] Vgl. THOMAS M. SCHMIDT, Vemunftiger Pluralismus, 42.

[19] Ebd., 44.

[20] Ebd., 45f. Vgl. zur Zuruckweisung des evidentialistischen Kriteriums auch: ALVIN PLANTINGA/NICOLAS WOLTERSTORFF (Hg.), Faith and Responsibilty. Reason and Belief in God, Notre Dame 1983.

[21] Vgl. HOHN, Religion - das vemunftgemahe Andere der Vernunft, Anm. 5.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Können religiöse Überzeugungen überhaupt vernünftig sein? Zur rationalen Glaubensverantwortung
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Katholische Religion)
Veranstaltung
Geschichte und Disziplinen der Theologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V380955
ISBN (eBook)
9783668574762
ISBN (Buch)
9783668574779
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vernunft, Glaube, Rationalität, Glaubensverantwortung
Arbeit zitieren
Laura Sophie Kersch (Autor:in), 2017, Können religiöse Überzeugungen überhaupt vernünftig sein? Zur rationalen Glaubensverantwortung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380955

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Können religiöse Überzeugungen überhaupt vernünftig sein? Zur rationalen Glaubensverantwortung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden