Die Möglichkeiten der Langsamkeit in einer modernen Zeit der Geschwindigkeit


Diplomarbeit, 1998

89 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Versuch einer Annäherung an den Themenkomplex Langsamkeit
1.1 Langsamkeit als Aspekt der Eigenzeit
1.2 Langsamkeit als Aspekt in Anbetracht der Kürze des Lebens
1.3 Langsamkeit als Aspekt der Geschwindigkeit
1.4 Das Lob der Langsamkeit

2. Die Langsamkeit als individuelle Chance
2.1 Der Roman Die Entdeckung der Langsamkeit
2.1.1 Gattungsart und thematische Aussagen
2.1.2 Inhaltliche Zusammenfassung
2.2 Die Kennzeichen der Langsamkeit im Roman
2.2.1 Die besondere Art der Wahrnehmung
2.2.1.1 Die Sorgfalt gegenüber Einzelbildern
2.2.1.2 Die allmählichen Veränderungen
2.2.1.3 Die Konzentration auf das Wesentliche und der Entdeckerblick
2.2.1.4 Die Ahnung und die Gewißheit in der Wahrnehmung
2.2.1.5 Das stillstehende Einzelbild
2.2.1.6 Die Bewegungsabläufe
2.2.1.7 Parallelen zur Optik im Film
2.2.2 Die Methoden zur Anpassung an die Schnelligkeit
2.2.2.1 Das Auswendiglernen
2.2.2.2 Das Pausenmachen
2.2.2.3 Das Mißbilligen
2.2.2.4 Der starre Blick
2.3 Die Möglichkeiten der individuellen Langsamkeit
2.3.1 Das Meer und die Schiffahrt
2.3.2 John Franklins System
2.3.2.1 Das Leben mit der Langsamkeit
2.3.2.2 Die erste Arktisexpedition
2.3.2.3 Die zweite Arktisexpedition
2.3.2.4 In der Strafkolonie
2.3.2.5 John Franklins Ziel

3. Facetten und Chancen der Langsamkeit in der heutigen Gesell-schaft
3.1 Die unterschiedliche Geschwindigkeit der Kulturen
3.2 Tempus, Verein zur Verzögerung der Zeit
3.3 Die Studienstätte Tempo Giusto
3.4 Eine Reise zu Fuß durch Frankreich
3.5 Peter Fischli und David Weiss
3.6 Die Slow Food Bewegung

Abschließende Betrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

»Bis ich oben bin...

Als der Meister gefragt wurde, ob es ihn denn nicht entmutige, daß all seine Mühe anscheinend kaum Früchte trug, erzählte er die Geschichte von einer Schnecke, die an einem kalten, stürmischen Tag im späten Frühjahr aufbrach, um den Stamm eines Kirschbaums emporzuklettern.

Die Spatzen auf dem Nachbarbaum lachten über ihr Unterfangen. Da flog ein Spatz auf die Schnecke zu und piepste sie an: „He du Dummkopf, siehst du nicht, daß auf dem Baum keine Kirschen sind?“ Der Winzling ließ sich nicht aufhalten und sagte: „Macht nichts, bis ich oben bin, sind welche dran.“«[1]

Beschleunigung ist in der heutigen, modernen Gesellschaft ein allgegenwärtiges Thema. Aus der Fülle der Beispiele, die sich dafür angeben ließen, seien nur zwei genannt, die auf Dimensionen hinweisen, die nicht automatisch mit dieser Thematik assoziiert werden und gerade deswegen auf die Ausdehnung des Phänomens hinweisen sollen. Als erstes das sogenannte Asylbeschleunigungsgesetz, das seit dem ersten Juli 1992 wirksam ist, und mithilfe dessen eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge ermöglicht werden soll.[2] Bestrebungen die Schulausbildung zu verkürzen haben auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas mit Beschleunigung zu tun, auf den zweiten Blick schon eher, wenn sie sich etwa in Gestalt eines ‚Expreßabiturs‘ verdeutlichen.[3] Zunehmende Geschwindigkeit spielt also in vielen Lebensbereichen eine Rolle, wie aber steht es mit der Langsamkeit?

Als eigenständige Thematik spielt die Beschäftigung mit den verschiedenen Ausformungen, Möglichkeiten und Auswirkungen einer bedächtigen Haltung bisher noch keine allzu große Rolle im wissenschaftlichen Diskurs. Dennoch läßt sich eine außergewöhnliche, umfassende Beachtung der Folgen der Beschleunigung und vieler damit
verbundener Phänomene beobachten.[4] Aus dieser Perspektive ergibt sich allerdings, für die Untersuchung der Langsamkeit, nur mehr ein Negativbild, das den Ausblick auf die Chancen, die die Aspekte langsamerer Lebensformen bereitstellen könnten, nicht zuläßt, oder verfälscht. Auf diesem Wege entwickelt sich eine Blickrichtung, die Aussagen über alles das macht, was Beschleunigung nicht ist und folglich Langsamkeit sein soll. Der Anspruch an diese Bearbeitung der Thematik war es jedoch, einen positiven Ausblick auf die Möglichkeiten der Langsamkeit zu wagen, um festzustellen wo diese liegen, sinnvolle Problemlösungen anbieten könnten und wo ihre Grenzen gezogen werden müssen. Dabei hat sich im Laufe der Vertiefung in die Thematik der hier vorgestellte Zugang herauskristallisiert. Die Abgrenzung zu naheliegenden, verwandten oder sich überschneidenden Themenbereichen, wie beispielsweise der Entwicklung von Zeitempfinden, einem Bewußtsein über zeitliche Strukturen und den Umgang damit, oder ökologischen Gesichtspunkten, wie sie etwa im Rahmen der ‚Ökologie der Zeit‘ entfaltet werden, hat sich nicht immer einfach gestaltet. Andererseits wurde jedoch deutlich, daß eine umfassende, ausführliche Herstellung von Bezügen, unter anderem zu den gerade genannten Aspekten, nicht möglich ist. Aufgrund dieser Situation, hat sich folgende Gliederung als geeignet erwiesen.

Der erste Teil der Ausarbeitung ist der Versuch einer Annäherung an den Themenkomplex Langsamkeit. Indem unterschiedliche Verknüpfungspunkte beleuchtet werden, wird versucht zu den tieferen Schichten und Erscheinungsformen vorzudringen. Ein Zugang liegt in der geschichtlich - soziologischen Entwicklung von privater und öffentlicher Zeit, der Herstellung der weltweiten Gleichzeitigkeit. Auf diesem Hintergrund wird die Möglichkeit zur Herausbildung von, auch langsamer, Eigenzeit und den gesellschaftlichen Wechselwirkungen und die dadurch in Erscheinung tretenden Folgen, betrachtet. Den Stellenwert, den Langsamkeit in einem ausgewählten philosophischen Konzept einnimmt, beleuchtet einen weiteren Blickwinkel auf das Thema. Darin sind die langsamen Aspekte in die Vorstellung von der Begrenztheit des menschlichen Lebens eingebunden. Dabei steht die Langsamkeit in einem fast antagonistischen Gegenspiel zur Schnelligkeit, die Auflösung findet sich in einer Lebenszeit, die es versteht beide Phänomene gleichberechtigt zu integrieren. Anhand der Betrachtung von Geschwindigkeit soll die Relativität der Wahrnehmung einer langsamen oder schnellen Bewegung herausgestellt werden. Die Bedeutung, die der Empfindung eines Vorgangs als zu hektisch oder zu zähfließend zugesprochen wird, hängt mit den Relationen, die in Bezug auf die Geschwindigkeit gebildet werden, zusammen. Langsamkeit hat also auch ‚relative Charakterzüge‘. Die Beschreibung der positiven Seiten von Vorgehensweisen, deren Grundlage eine langsame zeitliche Struktur aufweist, ist der letzte Annäherungsversuch an die Thematik. Dadurch sollen die Möglichkeiten der Langsamkeit in einer modernen Gesellschaftsform zu Tage gefördert werden.

Anhand des Romans Die Entdeckung der Langsamkeit und der darin agierenden Hauptfigur John Franklin, werden im zweiten Teil die Möglichkeiten der Langsamkeit als individuelle Chance untersucht. Die herausragende Eigenschaft des Protagonisten ist seine extrem langsame Wesensart. Im Verlauf des fiktiven Lebensverlaufs werden verschiedene Anpassungsleistungen an die Umwelt notwendig, um nicht ständig ‚hinterherzuhinken‘. Welcher Art die Kennzeichen der Langsamkeit sind wird genauso beleuchtet, wie die Auflösung des Widerspruchs, in Bezug auf die schnelle Umgebung. Von besonderer Wichtigkeit sind jedoch die, in der Langsamkeit begründeten, außergewöhnlichen, individuellen Möglichkeiten und Chancen.

Im dritten Teil findet eine mosaikartige Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen von Langsamkeit in der heutigen Gesellschaft statt. Aus den ausgewählten, exemplarischen Facetten zeichnet sich der Teilausschnitt eines Bildes, das mögliche Bedeutungen der Langsamkeit aufzeigt. In der unterschiedlichen Geschwindigkeit einer Kultur manifestiert sich die, ihr zugrundeliegende, Wichtigkeit, die einer langsamen oder schnellen Lebensform den Vorzug gibt. Ein Überblick, der sich an den Ergebnissen der aktuellen Untersuchung von Robert Levine und seiner Forschungsgruppe orientiert, stellt den voneinander abweichenden Umgang einiger Kulturen mit Zeit dar. Es gibt ausgesprochen eilige, flinke Gesellschaften, wie die Schweiz oder Japan, genauso wie besonders gemächliche, gemütliche Staaten wie Mexiko und Brasilien existieren. Anhand der Vorstellung verschiedener Gruppierungen, vom Verein zur Verzögerung der Zeit, über die Studienstätte Tempo Giusto, hin zur Slow Food Bewegung, zu künstlerischen Konzepten oder einer langsamen Art zu Reisen, verdeutlichen sich einerseits die Möglichkeiten der Langsamkeit in einer beschleunigten Welt, andererseits tritt aber auch der gesellschaftliche Status solcher Aktivitäten zu Tage, die sich eher in einer Randposition befinden.

Hier soll jedoch, trotz der in manchen Bereichen sicherlich angebrachten und offensichtlich fehlenden gemächlicheren Gangart, der Langsamkeit kein Loblied gesungen werden. Im gleichen Maße, wie die permanente Beschleunigung negative Auswirkungen aufweisen kann, gilt dies für die Langsamkeit. Die Wichtigkeit, die Möglichkeiten und Chancen der Langsamkeit in einer modernen Welt der Geschwindigkeit sollten nicht vergessen und Außeracht gelassen werden, genauso gilt dies aber für ihre Grenzen.

»Spannkraft.

„Dich macht die Gemächlichkeit des Lebens kaputt“, sagte der Meister zu einem Schüler, der es von der lockeren Seite nahm. „Nur eine Katastrophe kann dich retten.“

Und so machte er seine Feststellung deutlich:

„Wirf einen Frosch in eine Wanne heißes Wasser, und er wird in Sekundenschnelle herausspringen. Setz ihn in eine Wanne Wasser, das ganz allmählich erwärmt wird, und er wird die Spannkraft zum Springen verlieren, wenn der Moment zum Hüpfen gekommen ist.“«[5]

1. Versuch einer Annäherung an den Themenkomplex Langsamkeit

»Die Moderne ist gekennzeichnet durch einen prometheischen Geist, eine rastlose Energie, die sich auf Geschwindigkeitsrekorde und Abkürzungen stürzt; sie denkt nicht an die Vergangenheit, kümmert sich nicht um die Zukunft, existiert nur für den Augenblick und auf die schnelle.«[6]

Auf den ersten Blick scheint Langsamkeit in modernen Gesellschaften keine allzu große Rolle zu spielen. Im Vordergrund stehen die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Produktionsprozessen, ein Erreichen erhöhter Geschwindigkeit in der Herstellung und Weiterentwicklung von, auf technischem Sektor bedeutsamen, Erfindungen. Diese Tendenz setzt sich, durch die Geschichte hindurch, bis in die heutige Zeit fort. Besonders in der zunehmenden Bedeutung der Kommunikations- und Informationsmedien spiegelt sich die Wichtigkeit der Beschleunigung wieder. Möglichst schnelle Datenübertragung soll Zeit sparen und größtmögliche Information gewährleisten.[7] Langsamkeit hat dabei nur einen hemmenden, störenden Charakter. Mit der Perspektive der Betrachtung ändert sich jedoch auch der angenommene Stellenwert der Langsamkeit. Wird die Moderne auch als ein Zeitraum gesehen, in dem vor allem eine Steigerung der Geschwindigkeit prägend wirkt, so lassen sich aus einem rückwärtsgewandten Blick Bereiche ausmachen, die durchaus Langsamkeit als einen Aspekt aufweisen. Über die Beleuchtung verschiedener Phänomene, aus verschiedenen Positionen heraus, soll eine Annäherung an das Thema Langsamkeit versucht werden.

Langsamkeit ist mit zeitlicher Wahrnehmung verbunden. In der Beschäftigung mit der Entwicklung der Zeitbestimmung und der damit verbundenen Auswirkungen, auf die Empfindungen der Menschen, wird Langsamkeit, als ein Aspekt der als individuell wahrgenommenen Zeit, die hier Eigenzeit genannt werden soll, beleuchtet.

Die andere Perspektive richtet sich aus der begrenzten Lebenszeit des Menschen auf seine zeitliche Bestimmtheit. Dabei spielt die Langsamkeit als Gegenstück zur Schnelligkeit eine Rolle. Beide Begriffe ergänzen und begründen sich gegenseitig.

Geschwindigkeit bildet den Überbegriff dem die Bestandteile Schnelligkeit und Langsamkeit zugehörig sind. Wie Bewegung wahrgenommen wird, hat also Auswirkungen auf die Beurteilung ihrer Qualität, ob sie als zähfließend oder gleichbleibend, hastig oder behende bewertet wird.

Daran anschließend folgt der Versuch die Möglichkeiten der Langsamkeit auszuloten. Indem verschiedene Bereiche beleuchtet werden, in denen die Wichtigkeit der Bedächtigkeit zu Tage tritt, soll ein Einblick in die Chancen, die sich anbieten, ermöglicht werden.

Mittels einer Betrachtung der oben ausgeführten, aneinander angrenzenden und sich überschneidenden, teils kontroversen Thematiken, soll eine Annäherung an den Themenkomplex Langsamkeit versucht werden. Die verschiedenen Blickrichtungen dienen dabei der Freilegung der Tiefenschicht und der unterschiedlichen Zusammenhänge des Begriffs Langsamkeit.

1.1 Langsamkeit als Aspekt der Eigenzeit

Im Leben jedes Menschen spielt Zeit eine besondere Rolle.[8] Einerseits durch seine biologisch angelegten Zyklen und Rhythmen bestimmt, ist auf der anderen Seite eine Anpassungsleistung an den gesellschaftlich vorgegebenen Rahmen der sozialen Zeit notwendig. Die ganz individuelle Geschwindigkeit eines Menschen spiegelt sich in seiner Eigenzeit wieder, so hat Langsamkeit, als ein Aspekt, Anteil an dieser eigenen Zeit. Mittels einer überblicksartigen, geschichtlich - soziologischen Betrachtung der Entdeckung und Entstehung von privater im Gegensatz zu öffentlicher Zeit, soll auch eine Annäherung an den Komplex der Langsamkeit versucht werden. Verschiedene Gesichtspunkte der Eigenzeit weisen Überschneidungen auf, andere sind weiter entfernt, dennoch treten zumindest die Phänomene in den Blickwinkel, die in Wechselwirkung zur Langsamkeit, ihrer Möglichkeiten und Grenzen, stehen.

In, historisch gesehen, früheren Gesellschaftsformen, gilt die soziale Zeit der Gemeinschaft für alle Mitglieder und es besteht kein Bedürfnis nach einer sich davon abgrenzenden, dem Individuum zur Verfügung stehenden, eigenen Zeit. Die Eigenzeit der Gemeinschaft ist wichtiger, als die der einzelnen Mitglieder. Die zeitliche Struktur wird durch die Gruppe bestimmt und hergestellt, beispielsweise in ritualisierten Handlungen. Die Bewegung des Individuums, heraus aus einem gemeinschaftlichen zeitlichen Gefüge, hin zu einer selbstbestimmten Zeit, findet erst in der Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft, in der sich die Orientierung an Subjektivität als einem Wert an sich herauskristallisiert, statt. Der Bereich der Arbeit wird mit öffentlicher Zeit verbunden, der der Familie entspricht der privaten Zeit. Beide sind klar voneinander getrennt und schaffen durch ihre scharfe Abgrenzung einen Blickwinkel, der als Ausgangspunkt eine kennzeichnende individualisierte Zeit hat und zwischen Eigenzeit und Fremdzeit unterscheidet.

Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung der Uhr[9], mit ihrer Funktion als Zeitmeßgerät, wird die allmähliche Herausbildung der individuellen, eigenen Zeit besonders deutlich. Welcher bestimmte Wert ihr beigemessen wird, hängt immer auch mit den gesellschaftlichen Bedingungen zusammen, da der Mensch auf der einen Seite durch seine soziale Umwelt und ihren zeitlich vorgegebenen Rahmen geprägt wird. Auf der anderen Seite ist aber auch seine persönliche, individuelle Eigenzeit speziell kennzeichnend für jeden Menschen im gemeinschaftlichen Zusammenleben.

Im mittelalterlichen Europa wird die soziale Struktur der Zeit hauptsächlich durch die, sich wiederholenden, religiösen Aspekte und den natürlich vorgegebenen landwirtschaftlichen Arbeitsrhythmus bestimmt. Erst mit der Entwicklung und Verwendung von Uhren, Kalendern und der Vereinheitlichung der regional unterschiedlichen Lokalzeiten findet eine Veränderung statt.

Das typische Zeitverständnis der Industriegesellschaften ist verknüpft mit der Auffassung, die durch das kapitalistische Muster der Gleichsetzung von Produktionszeit und Gewinn, das heißt der Zeitwert entspricht dem Geldwert (Zeit = Geld), entstanden ist. Hier trennt sich die klar abmessbare Arbeitszeit von der Zeit zum Leben. Das Verhältnis zwischen der eigenen und der sozialen Zeit ist unter die ökonomischen Gesetze der Zeit
geraten.

Somit beginnen sich, um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert, auch die Strukturen von Raum und Zeit besonders einschneidend zu ändern. Mittels technischer Erfindungen, wie dem Telegrafen, dem Telefon oder dem Radio werden räumliche Distanzen überwindbar. Mobilität und Freiräume sind mithilfe von Eisenbahn, Automobil und Fahrrad eroberbar. Der Tag- und Nachtrhythmus wird durch elektrisches Licht vorgegeben, der Kinematograf ermöglicht neue Perspektiven, Bewegungen an sich werden wahrnehmbar gemacht, sie können beschleunigt oder verlangsamt wiedergegeben werden. Damit geht nicht nur eine Verkleinerung der geographischen Entfernungen einher, es findet ebenfalls eine Öffnung der sozialen Räume statt. Hierarchische Strukturen, soziale Rangordnungen weichen auf, im Zuge einer Technik, die einer breiteren Masse Möglichkeiten zu Veränderungen bietet. Beispielsweise können mit dem Telefon unnötige Wartezeiten abgekürzt werden, das Kino löst Kultur und Unterhaltung aus einer, dem Bürgertum vorbehaltenen, Position.

Das Interesse der Wissenschaften konzentriert sich ebenso auf das Verhältnis zwischen Raum und Zeit. Im Bereich der Physik schafft die allgemeine Relativitätstheorie Einsteins 1916[10] neue Erkenntnisse über die spezielle, eigene Zeit jedes beschleunigten Körpers. Psychologie und Philosophie beschäftigen sich mit der subjektiven, inneren Zeit, die der Mensch erlebt und der objektiven, äußeren Zeit und deren Meßbarkeit.

Die individuellen Raum- und Zeitbestimmungen und ihre subjektive Berechtigung dringen immer stärker in das Bewußtsein der Menschen. Die Trennung zwischen einer, von Arbeit und Kalender vorgegebenen, Zeit der Allgemeinheit und einer persönlichen Zeit, bestimmt durch körperliche Bedingungen und Emotionen, wird deutlich. Sie verlangt auch nach Erklärungen bezüglich des Verhältnisses der unterschiedlichen Zeiten zueinander.

Die Begeisterung an der Beherrschung der Zeit und der Überwindung des Raumes mittels Geschwindigkeit, ihre kontrollierbare Steigerung und die damit verbundenen Chancen, breiten sich in der gesamten Gesellschaft aus. Technische Errungenschaften ermöglichen eine schnellere Veränderung sozialer Gegebenheiten. Daß diese Verknüpfung nicht automatisch den erwarteten Erfolg, sprich die Beseitigung gesellschaftlicher Ungleichheiten, hervorbringt, zeigt sich erst aus einem heutigen Blickwinkel. Es entwickelt sich ein regelrechter Geschwindigkeitsrausch. Im futuristischen Manifest, von Marinetti 1913[11] verfaßt, findet sich ein emotionaler Ausbruch in einen unbedingten Jubel auf die Energie, die sich aus der Geschwindigkeit, der Beschleunigung ergibt und die letzten Endes in Selbstzerstörung und Krieg mündet.[12]

Der andere Effekt der Begeisterung verdeutlicht sich in der Entdeckung der globalen Gleichzeitigkeit.[13] Die Grundlage bildet die Einführung einer weltweit einheitlichen Zeiteinteilung auf der internationalen Meridiankonferenz 1884.[14] Hierdurch und unter Benützung der neuen Transportsysteme werden internationale, wirtschaftliche Beziehungen eingerichtet. Auch individuell können Verbindungen unter dem Aspekt der Gleichzeitigkeit hergestellt werden, das bedeutet, ein Individuum hat die Möglichkeit die verschiedenen Ereignisse an jedem Ort, zu jeder Zeit mitverfolgen zu können. Die neuen technischen Geräte ermöglichen, denen die Zugang zu ihnen haben, also hauptsächlich dem Bürgertum, eine weltweite Kommunikation und Information. Die Menschen sind durch Raum und Zeit nicht mehr eingeengt, sondern machen die Erfahrung, daß ihre individuelle, zeitliche Personalität Bestandteil der Realität ist. Damit bilden die ökonomischen Verbindungen und die technischen Mittel zur Erzeugung der Gleichzeitigkeit die Grundlage für eine Begründung der Eigenzeit, als spezifisch personale Zeit, in der Öffentlichkeit. Die Verbindung dieser Eigenzeiten erzeugt eine zeitliche Allgemeingültigkeit, die von der, technisch machbaren, Gleichzeitigkeit hervorgerufen wird und als Berechtigung des individuellen Empfindens dient. Es gibt nun nicht mehr nur eine objektive Zeit der ganzen Welt, diese gliedert sich vielmehr auf in die vielen verschiedenen subjektiven Zeiten, der miteinander kommunizierenden, unterschiedlich fühlenden, denkenden und informierten Menschen. Die eigene zeitliche Personalität wird auf diese Art und Weise zum berechtigten Teil des Ganzen der öffentlichen Zeit. Innerhalb der scheinbaren Gleichzeitigkeit, deren offensichtliches Bestehen durch die Technologien als gesichert gilt, gibt es einen Ort für die individuelle Subjektivität als Bestandteil der objektiven Realität von Raum und Zeit.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nach dem Zweiten Weltkrieg, wird die Gleichzeitigkeit wiederentdeckt. An der Überwindung von Raum und Zeit haben, im Unterschied zu den Privilegierten des Bürgertums, nun aber eine größere Anzahl von Menschen Anteil. Zumindest in den Industrienationen steigt der Gebrauch von Technologien des Informations- und Telekommunikationssektors. Die anderen Länder folgen mit langsameren Geschwindigkeiten. Es findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Bereiche statt. Damit wird eine umfassende technische, als auch wirtschaftliche Infrastruktur gebildet, die die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine annähernde Gleichzeitigkeit in der Kommunikation und im Handeln der Menschen herstellt.

Die anfänglich gemachte Erfahrung des Vorhandenseins einer individuellen Zeit und ihrer subjektiven Berechtigung, wird durch die Strukturierung dieser Zeit in vielen Bereichen, etwa durch Arbeitszeitregelungen, aufgehoben. Die Eigenzeit löst sich in der öffentlichen Zeit auf, mittels der Kommunikationstechnologien ist eine permanente Verfügung über die private Zeit der einzelnen möglich. Gleichzeitigkeit wird in alltägliche Abläufe integriert, die Menschen sind aus zeitlicher Blickrichtung immer präsent, im realen oder im virtuellen Raum.

Die Folgen dieser Vorgänge sind weitreichend und dehnen sich in den sozialen und individuellen Bereich aus. Der moderne Mensch beginnt unter ständigem Zeitmangel zu leiden.[15] Beispielsweise wird die wöchentliche Arbeitszeit kürzer, die Anfahrtswege zum Betrieb aber immer länger. Weiterhin verrichten Frauen mehr Hausarbeit als Männer, trotz der Tatsache, daß sie ebenfalls berufstätig sind und trotz dem Gebrauch von vermeintlich zeitsparenden Haushaltsmaschinen. Ebenso kann die umfassende Präsenz der Telekommunikationsmedien in vielen sozialen Bereichen skeptisch betrachtet werden. Rückzug aus der Gemeinschaft und damit verbundene, verstärkte Individualisierung sind denkbare Auswirkungen.

Die wissenschaftliche Betrachtung richtet sich nun auf die biologischen, soziologischen und politischen Dimensionen von Eigenzeit. Um eine Übereinstimmung zwischen der individuellen und der öffentlichen Zeit zu ermöglichen, müssen die, dem Menschen durch die Biologie vorgegebenen Rhythmen und seine ganz persönliche Eigenzeit, untersucht werden.[16]

Haben die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien auch einen größeren Verbreitungsgrad, so schaffen sie dennoch keine gesellschaftlichen Ungleichheiten ab. Die Verschiedenartigkeiten äußern sich nun jedoch innerhalb von zeitlichen Dimensionen. Schnelligkeit wird, passend zu den technischen Entwicklungen zum erstrebenswerten Ziel. Die, die daran nicht teilhaben können werden ausgeschlossen. Langsamkeit, als ergänzender Gesichtspunkt, verliert die gesellschaftliche Anerkennung. Die Gleichzeitigkeit hat nur einen scheinbaren Charakter; zwar gelingt, mithilfe der Technologien, eine immer größer werdende Annäherung, Raum und Zeit werden aber nicht gänzlich überwunden, die sozialen Hierarchien übertragen sich in zeitliche. Es entsteht ein Zwang zur möglichst schnellen Anpassung, der einen Verlust, den der eigenen „Entwicklungsgeschwindigkeit“[17] bedeutet. Als Beispiel auf gesellschaftlicher Ebene können hierfür die sogenannten Entwicklungsländer gesehen werden. Sie verlieren das Recht auf eine Umformung ihrer Gesellschaft, nach für sie sinnvollen, zeitlichen Maßstäben. Die für das jeweilige Land typische Kultur, die Art zu leben, gilt schnell als rückständig, wenn sie sich, dem aus dem Westen vorgegebenen, Anpassungszwang, der Fortschritt als stetiges, kontinuierliches Weiterkommen entlang eines linearen Zeitpfeils[18] definiert, widersetzt. In den westlichen Industrienationen leben die Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, in einer anderen Zeit. „Die Langsamen sind die sozial Zurückgelassenen.“[19] Sie besitzen ein ‚Zuviel‘ an freier Zeit, in einer Gesellschaft in der angesehen ist, wer keine Zeit hat und einen vollen Terminkalender. Die Lebenszeit eines Arbeitslosen ist sinnentleert, weil der gesellschaftliche Wert des einzelnen Menschen über seine Produktivität im Beruf festgelegt ist; folglich verstreicht sie quälend langsam, ist unnütz, gleicht einem auf der Stelle treten.

Durch die Illusion und technische Vorgabe der Gleichzeitigkeit, die doch zeitliche Unterschiede hervorruft, entsteht ein „Nebeneinander der Zeiten“.[20] Diese Strukturierung von eigener Zeit hat eine gesellschaftliche und eine individuelle Dimension. Der Konflikt zwischen der öffentlichen, institutionalisierten, von außen vorgegebenen Zeit und der individuellen, aus einem persönlichen Blickwinkel betrachteten, Eigenzeit, muß aufgelöst werden. Er verdeutlicht sich beispielsweise im Verhältnis der Arbeitszeit zur Freizeit. Die zeitlichen Differenzen führen zu sozialen Unterschieden, die sich immer mehr vergrößern. Wieviel an einer zeitlichen Auseinanderbewegung eine Gemeinschaft tragen kann ist noch unklar. Ebenso stellt sich die Frage nach der Entschleunigung, ob Beschleunigung bewußt gebremst, verlangsamt werden kann oder muß. Der andere Aspekt des zeitlichen Nebeneinanderbestehens von Eigenzeiten ist im individuellen Bereich angesiedelt. Die personale Zeit eines Menschen ist stets mit seiner Biographie verbunden. Durch die Verbindung der einzelnen Lebensabschnitte kann soziale Identität entstehen und entwickelt werden. Der einzelne Mensch steht jedoch, in einer stark differenzierten Gesellschaft, vor dem Problem der Verknüpfung von Anforderungen und Erwartungen der Fremdzeit der Institutionen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen, die sich durch die Eigenzeit herausbilden.[21]

1.2 Langsamkeit als Aspekt in Anbetracht der Kürze des Lebens

Im folgenden Abschnitt soll Langsamkeit in ihren Zusammenhängen aus einer philosophischen Perspektive betrachtet werden. Auch hier spielen Überlegungen zur Beziehung zwischen individueller und öffentlicher Zeit eine Rolle. Sie richten sich schwerpunktmäßig jedoch auf die Begrenztheit der menschlichen Lebenszeit und der sich hieraus ergebenden Auswirkungen. Langsamkeit nimmt dabei den Stellenwert einer, in Ergänzung zur Schnelligkeit stehenden, Eigenschaft ein. Die Wichtigkeit der Pluralität der eigenen Zeit wird als bedeutsamer angesehen, als die Bildung einer Einheit der Zeit.

Odo Marquard bezieht sich in seinem Text[22] einerseits auf Hans Blumenberg. Dieser entwickelt in dem Buch Lebenszeit und Weltzeit[23] folgende Gedanken. Die Kürze des menschlichen Lebens ist das zentrale Zeitproblem. In der objektiven Welt besteht eine fast unendliche, kaum zu begreifende „Weltzeit“.[24] Je mehr die Menschen diese Weltzeit wahrnehmen, desto klarer erkennen sie, daß ihr eigenes Leben, ihre „Lebenszeit“[25] vergleichbar kurz ist. Der Tod setzt dieser Zeit und allen Handlungen in ihr, eine definitive Grenze.

Andererseits stützt er sich auf Johann Baptist Metz. Besonders er hat betont, daß durch eine wissenschaftlich objektive Betrachtung und die Grenzenlosigkeit der Weltzeit, heute die Entdeckung ihrer „Entfristung“[26] ermöglicht und benötigt wird. Die Weltzeit ist nicht mehr bestimmt durch einen zielgerichteten Blick auf eine religiöse Vorstellung vom Anbruch einer neuen Welt, also von einer Zeit der Erlösung oder „Heilszeit“.[27] Dadurch wird die Weltzeit zu einer nicht mehr zielgerichteten „offenen, evolutionär entfristeten Zeit“.[28] Ebenso gilt dies für die ideologischen Ersatzvorstellungen wie beispielsweise für den Marxismus. Das bedeutet, daß „die Objektivierung und Entgrenzung der Weltzeit“[29] bestimmt ist, durch die nun nicht mehr befristete Heilszeit und die Entfristung der modernen, ideologischen Ersatzkonstruktionen.

Aufbauend auf diesen beiden Grundlagen entwickelt Marquard seine These. Als Ausgleich der modernen Erfahrungen, einer nicht mehr durch die Heilszeit befristeten und festgelegten Weltzeit, richtet sich die philosophische Betrachtung auf die Zeit, der von Grund auf Grenzen gesetzt sind. Die individuelle Lebenszeit der Menschen steht im Mittelpunkt des Interesses. An die Stelle, die früher erlösungstechnische Zielgerichtetheit innerhalb einer Lebenszeit eingenommen hat, tritt heute die Sterblichkeit des Menschen. Marquard betrachtet diese Kürze des menschlichen Lebens als Bestandteil einer „Temporalphänomenologie“.[30] Das heißt, die Lebenszeit jedes Menschen ist nicht endlos, sondern festgelegt und kurz. Unter vier Aspekten erfolgt nun die weitere Betrachtung. „1. Vita brevis; 2. Forcierung der Schnelligkeit; 3. Kompensatorische Langsamkeit; 4. Multitemporalität.“[31]

Ausgangspunkt bildet die Schrift „De brevitate vitae“ von Seneca.[32] Dieser argumentiert gegen die Kürze des Lebens. Das Leben sei nicht kurz, es würde durch verschwenderischen Umgang mit der Zeit in Eigenverantwortung verkürzt. Doch gerade das setzt voraus, daß ein Mensch nicht einen unbegrenzten Vorrat an Zeit besitzt. Das Leben ist kurz, genauso wie die Lebenszeit nicht unendlich ist. Das wird um so deutlicher, je mehr der Tod eine Rolle spielt. Die Lebenszeit ist befristet, ihr Ende findet sie im Tod. Bis dahin vergeht sie, verrinnt sie, meist läuft sie zu eilig davon. Für den Menschen ist also die wichtigste Erfahrung mit der Zeit, daß seine Lebenszeit begrenzt und endlich ist und daß die Zeit eine Frist ist, die ihr Ende im Tod findet. Diese subjektive, befristete Lebenszeit ist für den Menschen, im Vergleich zur objektiven Weltzeit, wirklicher. Er erfährt sie am eigenen Leib, lebt und durchlebt diese Frist. Und die Zeit, die ihm dabei zur Verfügung steht, ist meist zu kurz. Als Zuspätgeborener reicht dem Menschen seine Lebenszeit zu oft nicht aus, egal wie lange er leben mag, das Leben ist zu kurz. Daraus folgert Odo Marquard verschiedene zeitliche Lebensformen. Allen voran „das temporale Doppelleben“.[33] Das Leben ist kurz und begrenzt. Alles Neue, jede Veränderung oder Verbesserung muß möglichst schnell erreicht werden, bevor der Tod das Leben beendet. Das heißt, die begrenzte Lebenszeit begründet die menschliche Schnelligkeit. Das ist die erste Folge der befristeten Zeit.

Die zweite Folge besagt das Gegenteil. Weil das Leben kurz ist, muß der Mensch langsam sein. Durch die befristete Lebenszeit begründet, sind wir Menschen nicht in der Lage nur Erneuerungen zu schaffen. Die Schnelligkeit, das heißt unsere Fähigkeit zur Veränderung[34], stellt eine starke Bindung zu unserer Vergangenheit her, die mit der Langsamkeit verknüpft ist. Die Vergangenheit bildet eine Basis für den Menschen, die ihn bremst im Wunsch nach ständigem Voranschreiten, ihn also langsam macht. Er kann diese „Herkunftshaut“[35], als Teil seiner gewesenen und immer noch bestehenden Identität, nicht so einfach abstreifen.

Drittens läßt sich aus der endlichen Lebenszeit das temporale Doppelleben des Menschen folgern. Die Begrenztheit des Lebens zwingt zu Langsamkeit und Schnelligkeit. Dieses zeitliche Doppelleben bietet den notwendigen Schutz vor einer, nur Erneuerung suchenden, auf die Zukunft ausgerichteten, das heißt schnellen Lebensweise. Ebenso verhindert es ein nur durch die Herkunft festgelegtes, langsames Leben. Hier zeigt sich der Antagonismus des schnellen und gleichzeitig langsamen Lebens, der zwingend in der heutigen Zeit und in der individuellen Lebenszeit herrscht. Gerade heutzutage müssen wir diesen Widerstreit aushalten und „beides leben, unsere Schnelligkeit und unsere Langsamkeit, unsere Zukunftsbegierde und unsere Herkunftsbezogenheit, sonst leben wir unser Leben nur halb.“[36]

In der heutigen, modernen Welt wird die Schnelligkeit heftig vorangetrieben. Als Folge daraus ergibt sich eine scheinbare Überbetonung der Schnelligkeit im Leben und ein täuschender Verlust der langsamen Lebenszeit. Die moderne Welt ist also gekennzeichnet durch eine zunehmende Beschleunigung, die immer mehr Neuerungen, also Innovationen, innerhalb eines gesteigerten Fortschritts, ermöglicht. In gleichem Maß veralten die bestehenden Dinge mit höherer Geschwindigkeit.[37]

Dieser Vorgang der Beschleunigung wird mittels einer bestimmten Methode machbar. Die Innovationskräfte des Fortschritts heben planmäßig die Wirkung der Langsamkeit, der von Traditionen bestimmten Welt des Menschen, auf. Die üblichen Gepflogenheiten werden neutralisiert, um möglichst schnell, neue, andere Handlungsprinzipien zu schaffen. Solch eine Entwicklung läßt sich, in den Naturwissenschaften wie in der Technik, der Wirtschaft und im Bereich der Kommunikation, feststellen. Die traditionellen Grundlagen werden durch fortschrittlichere, künstlich geschaffene, ersetzt. Der Neutralisierungsprozeß, der auf die menschliche Langsamkeit, die „Herkunftstradition“[38] einwirkt, bedingt somit, die sowieso schon bestehende, Beschleunigungsforderung von Menschen, in einer beschleunigten Umwelt.

In einer derartigen, beschleunigten Lebenswelt gibt es natürlich Vor- und Nachteile. Eine Tatsache, die das Leben des fortschrittlichen Menschen sicher erschwert, ist folgende. Je schneller der Fortschritt und die damit verbundene Neuerung und Veränderung voranschreitet, desto schneller ist Bekanntes überholt. Es wird vergessen und weggeworfen, weil es nicht mehr benötigt wird. Dieses höhere Tempo des Fortschritts ist ein klares Hindernis. Trotzdem sieht Marquard die Kritik vieler Zeitforscher an diesem Phänomen und ihre Forderung nach mehr Langsamkeit oder Schnelligkeit als einseitig an. Aus seiner Sicht muß der Mensch, bedingt durch seine befristete und kurze Lebenszeit, schnell und langsam sein. Nur mit Hilfe beider Eigenschaften kann er ein vollständiges Leben führen.

Die andere Seite der zeitlichen Doppelwertigkeit ist die Langsamkeit des Menschen. Wie kann es nun gelingen, in einer schnellen und immer noch schneller werdenden, dadurch sich ständig verändernden, fremden Welt, trotzdem und notwendigerweise langsam, mit dem Bekannten verbunden, zu leben? Ein Beispiel findet sich im Verhalten von kleinen Kindern. In einer großen, unbekannten Welt, gleichen sie den Mangel an Vertrautheit aus, indem sie einen Gegenstand, den sie in und auswendig kennen, etwa einen Teddybären, ständig mit sich herumtragen. Dieser Teddybär entspricht dem Freudschen „Übergangsobjekt“.[39] Auch Erwachsene zeigen dieses Verhalten, wenn sie beispielsweise auf Klassiker („mit Goethe durchs Jahr; mit Beethoven durch Bonn“[40]) vertrauen, bei denen man sicher wissen kann, woran man ist. Allgemein weist dieses Verhalten auf eine vermehrte Vergangenheitssicherung durch Vertrautheiten, bei sich immer schneller verändernder Zukunft, hin.

Einerseits widerspricht dieser Tatsache die heutige Wegwerfkultur. Aber auf der anderen Seite gibt es auch eine respektvolle Erinnerungskultur mit vielen Museen oder der Denkmalpflege. Die moderne, schnelle Welt, die ständig im Wandel begriffen ist, ist besonders gekennzeichnet durch diese Bewahrung der Kontinuität. Daraus entsteht vor allem der „historische Sinn“[41] als ein Sinn für die Langsamkeit, für die ununterbrochene Fortdauer. Das gilt ebenso für den „ästhetischen Sinn“.[42] Beide stehen für einen Ausgleich der zunehmenden Schnelligkeit. Im Besonderen zehrt die moderne ästhetische Kunst, neben dem unverzichtbaren innovativen Element, von der langandauernden, sensiblen Orientierung. Kunstwerke fordern eine langanhaltende Beschäftigung mit ihnen ein. Durch diese Kontinuitätsbewahrung kehrt die Langsamkeit, die die Menschen brauchen, wieder in ihr Leben ein.

Zusätzlich gibt es noch die Traditionen. In der schnellen Welt werden sie zwar unwirksam gemacht, dennoch sind sie meist unversehrter als erwartet und in einer Vielgestaltigkeit vorhanden. Die alten Gewohnheiten haben einen großen Vorteil. Da sie schon alt sind, werden sie von den Neuerungen nicht so schnell berührt. Die Folgerung, die sich daraus ziehen läßt ist, daß die Menschen begrenzt durch ihr kurzes Leben, ihre befristete Lebenszeit, sowieso langsam sein müssen. Und gerade die modernen Menschen gleichen die zunehmende Schnelligkeit „durch Langsamkeitspflege, durch Bewahrungskultur“[43] aus. Auch kann die Innovationsgeschwindigkeit als Quelle der Langsamkeit dienen. Durch Schnelligkeit ist Zeitersparnis möglich. Diese gewonnene Zeit kann als Grundlage, ausgleichend zum hektischen Leben genützt werden. Eine andere Möglichkeit langsam zu leben bietet die Arbeitszeitverkürzung, die aus der schnelleren Produktion resultiert. Außerdem läßt sich in der Geschichte eine fortdauernde Wiederholung vom Neuen zum Alten und umgekehrt feststellen. Getrost kann der Mensch abwarten, das Alte taucht wieder als Neues auf. So ist es dem modernen, langsamen Menschen möglich, seiner Zeit entsprechend, mit einer großen Veränderungsgeschwindigkeit zu leben.

Die Grundlage der Philosophie Odo Marquards bildet der Satz von der Kürze des Lebens.[44] Er ist aus der Erfahrung gewonnen und nicht apriorisch. Der anthropologischen Betrachtungsweise des Menschen als Mängelwesen, fügt er eine zeitliche Dimension hinzu. Die Endlichkeitserfahrung des Menschen offenbart sich ihm zuerst im Angesicht
seines Todes. Die Lebenskürze ist zwar eine Grenzerfahrung für den Menschen, aber ebenso weist ihn die Einmaligkeit seiner Lebenszeit auf seine Begrenztheit hin. Er hat nur ein einziges, eigenes Leben. Diese Erfahrung von der Einzigartigkeit und der Begrenztheit unserer Zeit zum Leben macht deutlich, daß wir immer zu wenig Zeit haben. Aber dieser Mangel kann ausgeglichen werden. Indem wir unsere Lebenszeit mit unseren Mitmenschen teilen, als Ausgleich zur fehlenden Zeit mit ihnen im Austausch stehen, können wir an anderer Lebenszeit teilhaben und somit auch unsere eigene Zeit verlängern. Das bedeutet „für uns die Möglichkeit, mehr Zeit zu haben als wir haben: denn geteilte Zeit ist vielfache Zeit. Diese Pluralisierung unserer Lebenszeit als Lebenspluralisierung - brauchen wir“.[45] Ermöglicht wird sie durch die Mitmenschen und die Vielfalt und Verschiedenheit von Zeit, die durch viele Menschen entsteht. Durch diese „Multitemporalität“[46] wird auch die Menschlichkeit gesteigert.

Der vorgestellte Zugang zur Thematik Langsamkeit geht also von einer nur scheinbaren Überbetonung der Schnelligkeit aus. Die moderne Gesellschaft ist zwar durch eine zunehmende Beschleunigung gekennzeichnet, jedoch sind den Menschen bestimmte Mechanismen eigen, die es ihnen ermöglichen, die zu hohe Geschwindigkeit auszugleichen und zu kompensieren. Nur in der Integration beider Aspekte, der Schnelligkeit und der Langsamkeit, ebenso wie in der als gemeinschaftlich erfahrenen Zeit, kann ein erfülltes Leben gelingen.

1.3 Langsamkeit als Aspekt der Geschwindigkeit

Langsamkeit ist ein Bestandteil der Geschwindigkeit. In gleichem Maße wie die Wahrnehmung von Geschwindigkeit von der beobachtenden Person abhängig ist, gilt dies für die Einschätzung von Langsamkeit. Eine Annäherung an dieses Phänomen soll durch die nähere Beschäftigung mit dem Komplex Geschwindigkeit versucht werden.

Geschwindigkeit an sich wird immer dadurch bestimmt, daß Relationen zu Bewegungsabläufen hergestellt werden. Sie ist also „keine „natürlich“ (Kennzeichnung im Original) vorgegebene Seinslage“[47], sondern das Ergebnis kognitiver Prozesse. Der Mensch vergleicht verschiedene Bewegungen miteinander. Ein Tier läuft schneller als das andere, oder es läuft schneller als gerade eben, das heißt es hat beschleunigt; verliert es an Geschwindigkeit, ist seine Bewegung verlangsamt. Schnelligkeit und Langsamkeit sind beschreibende Ausprägungen von Geschwindigkeit. So ist die Beschleunigung ein Ausdruck für zunehmende, steigende Geschwindigkeit; Verlangsamung oder Entschleunigung bedeutet zurückgehende Geschwindigkeit. Es wird deutlich, daß nur durch den Vergleich zwischen den Begriffen, ihre Unterschiedlichkeit hervortritt.

„Die Bewegung ist das Gesetz des Lebens, Bewegung, animal - anima zu sein bedeutet, bewegungsfähig zu sein, nicht schlaff zu sein. Das Gesetz der Bewegung geht zusammen mit dem Gesetz der Beschleunigung oder der Verlangsamung oder Entschleunigung, wenn man so will. Die Bewegung hat zwei Gänge, Geschwindigkeit ist nicht der Gegensatz von Langsamkeit. Die Langsamkeit ist eine andere Geschwindigkeit, eine Entschleunigung. Lebendig sein bedeutet, daß man dem Gesetz der Bewegung gehorcht, d.h. diesem Element der Geschwindigkeit.“[48]

Eine weitere wichtige Größe zur Bestimmung von Geschwindigkeit ist der Zeitmaßstab, der verwendet wird. „Um von Beschleunigungen reden zu können, ob in technisch - physikalischen, in sozialen oder in subjektiven Bezugssystemen, ist die Annahme einer kontinuierlichen Größe notwendig, einer Einheit, an der Beschleunigung gemessen oder erfahren werden kann. Nur in Bezug auf eine gleichmäßige und unabhängige Zeit kann die Zunahme der Geschwindigkeit formuliert werden.“[49] Solch eine Konstruktion einer, in diesem Fall, linearen Zeitvorstellung, bildet die Grundlage für ein Bewußtsein über die Zeit. Dabei wird deutlich, daß Zeit keineswegs absolut ist, obwohl sie so erscheinen mag, sondern, bedingt durch äußere, gesellschaftliche Voraussetzungen entworfen und benützt wird.

Aber bereits die Wahrnehmung von Geschwindigkeit an sich stellt sich als Problem dar. Die Wahrnehmung des Menschen ist geprägt durch das Registrieren von Bewegung, also einer Veränderung von Zuständen im Raum. Erst mittels des Begriffs der Geschwindigkeit kann die Veränderung in Beziehung gesetzt werden, bildet sich die Voraussetzung ein Schneller - oder Langsamer - als überhaupt festzustellen. „ Geschwindigkeit ist nicht „wahrnehmbar“, sondern ist vielmehr eine kognitive Transzendierung des wahrgenommenen Bewegungsganzen in Form von Größer - Kleiner - Relationen[50] (Kennzeichnung und kursiv im Original). Der Mensch sieht nicht, ob ein Tier tatsächlich schneller rennt, als das andere. Er nimmt nur die Bewegung als Ganzes wahr und interpretiert sie nach seinen gelernten, vergleichenden Kategorien. Die Begriffe werden dann in eine Beziehung, die eindeutig ihre Relationen festlegt (eine Gazelle ist schneller als eine Schnecke), gesetzt.

Und selbst die Bewegungswahrnehmung unterliegt den Gesetzen der Relativität, sie steht immer in Abhängigkeit zum Beobachter. Das manifestiert sich beispielsweise im Phänomen der indizierten Bewegung, das zwischen zwei Zügen stattfindet, von denen der eine anfährt, der andere dagegen noch nicht abfährt. Befindet sich eine Person in dem Zug, der sich in Bewegung befindet und blickt auf den noch stehenden Zug, so nimmt sie diesen als eigentlich fahrend wahr, was den realen Gegebenheiten jedoch nicht entspricht. Die Relativitätstheorie Einsteins überträgt die Relativität der Bewegung außerdem auf physikalische Systeme im Bereich des gesamten Universums. Die Erkenntnis, die der Mensch durch seine Sinne aufnimmt ist also relativ und nur durch die Bildung von Relationen möglich. Die Wahrnehmung von Geschwindigkeit und Bewegung ist folglich intentional und selektiv.

„Bereits die Annahme eines Beobachter standpunktes, der erst die Wahrnehmung von Bewegungen ermöglicht, ist eine intentionale Idealisierung, sofern sie auf eine Form von Unbewegtheit des Beobachters abzielt.“[51] (Kursiv im Original). Einen ruhenden Beobachter, der sich außerhalb des Systems befindet, das er betrachtet, gibt es nicht. Das gesamte Universum befindet sich immer in Bewegung und mit ihm auch der Standpunkt des Betrachters. Es kann also nicht von einem unbewegten Bezugspunkt ausgegangen werden, von dem aus es möglich sein sollte Bewegung und Geschwindigkeit zu erfassen.[52]

„Es besteht eine geheime Verbindung zwischen der Langsamkeit und dem Gedächtnis, zwischen der Geschwindigkeit und dem Vergessen. Denken wir an eine äußerst banale Situation: ein Mann geht auf der Straße. Plötzlich will er sich etwas ins Gedächtnis rufen, doch die Erinnerung versagt. In diesem Moment verlangsamt er automatisch seine Schritte. Umgekehrt beschleunigt jemand, der versucht, einen gerade erlebten schmerzlichen Vorfall zu vergessen, unbewußt seine Gangart, als wolle er sich rasch von dem entfernen, was zeitlich noch allzu nahe bei ihm liegt. In der existentiellen Mathematik bekommt diese Erfahrung die Form zweier Gleichungen: der Grad der Langsamkeit verhält sich direkt proportional zur Intensität des Vergessens.“[53]

Der Eindruck von Langsamkeit und Schnelligkeit hängt also immer auch mit Geschwindigkeit zusammen, die wiederum unweigerlich mit einer Raum- und Zeitwahrnehmung und den Beziehungen, die dadurch hergestellt werden, verknüpft ist. Ob eine Bewegung also als zu rasch, oder als zu behäbig eingeschätzt wird, steht in enger Verbindung mit dem jeweiligen Zeitverständnis. Diese Tatsache erweist sich als besonders wichtig, in Anbetracht der Beurteilung der Notwendigkeit und Qualität von Langsamkeit. Ebenfalls deutet sie an, welche Rolle die Geschichtsauffassung, in Verbindung mit den Chancen, die die Langsamkeit anbieten kann, spielt. Wird eine zu eilige, hektische Fortschrittsgeschwindigkeit angenommen, so schließt sich die Forderung nach einer Verlangsamung oder Entschleunigung an; steht jedoch die möglichst schnelle Entwicklung von Innovationen im Vordergrund wird der Beschleunigung der Vorzug gegeben.

1.4 Das Lob der Langsamkeit

Der nachfolgenden Betrachtungsweise der Langsamkeit liegt ein Geschichtsmodell zugrunde, das von einer, sich steigernden, Beschleunigung ausgeht, die sich, in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgebildet hat, deren Entwicklung nicht übergreifend von Vorteil war und der es gilt Einhalt zu gebieten. Vor diesem Hintergrund werden die Möglichkeiten der Langsamkeit in der heutigen Gesellschaft gezeichnet. Die Perspektive richtet sich ganz bewußt einseitig auf die positiven Seiten, um die Chancen, die sich anbieten, deutlicher hervortreten zu lassen.

In der ‚Vormoderne‘[54] war der Lebensrhythmus der Menschen noch eng mit den, in der Natur beobachteten, Zyklen, wie den Jahreszeiten oder Regen- und Trockenperioden, verbunden. Eine Veränderung tritt um das 12./13. Jahrhundert ein, als die mechanische Zeitmessung erfunden wird. Damit ändert sich auch das Zeitempfinden der Menschen. Ab dem 17. Jahrhundert verstärkt sich diese Ablösung immer mehr, hin zu einem Leben, das hauptsächlich durch die Arbeitszeit bestimmt ist. Mit Einsetzen der industriellen Revolution in der Moderne, wird Zeit mit Geld gleichgesetzt, sie ist meßbar, teilbar. Dieser Umstand trägt zur, das Leben wie die Arbeit der Menschen betreffenden, umfassenden Beschleunigung bei. Bis heute, in die ‚Postmoderne‘[55] hinein, hat sich das fortgesetzt und verstärkt. Möglichst vieles soll beschleunigt werden, mit dem Ziel größtmöglicher Zeitersparnis.[56] Ironischerweise sind gerade die Apparate, die Informationen sehr schnell übermitteln können und dies auch tun, also etwa Computer mit Internetzugang, auf der anderen Seite richtiggehende „»Zeitverlangsamungsmaschinen« (Kennzeichnung im Original): Damit nämlich die elektronisch verschlüsselten und übermittelten Signale für das menschliche Auge oder Ohr (Gehirn) überhaupt verständlich und lesbar sind, müssen sie abgebremst und wieder in akustische und visuelle Zeichen zurückverwandelt werden.“[57] Bremsen sind also einfach notwendige, logisch begründbare wichtige Bestandteile, die für eine Beherrschung der Beschleunigung unerläßlich sind. So kann man sich mit Helga Nowotny fragen: „gehört eine gut funktionierende Bremsvorrichtung nicht zu jeder anständig konstruierten Maschine? Muß nicht jeder, der eine Maschine bedient, wissen, unter welchen Bedingungen zu beschleunigen und unter welchen zu verlangsamen ist?“[58] Bisher sind die Versuche wohl eher vom Wunsch schneller zu werden, denn vom Gegenteil, bestimmt.

[...]


[1] De Mello, Anthony: Eine Minute Unsinn. Weisheitsgeschichten. Aus dem Englischen von Robert Johna. Freiburg im Breisgau 1993, 53.

[2] Vgl. Roma - UnterstützerInnen - Gruppe Bochum: Flüchtlingsverwaltung und Abschiebeknäste in Nordrhein - Westfalen. In: Die Beute 1/1997, 8-23.

[3] Vgl. unter der Rubrik: BILDUNG. Behler beschleunigt Schulen in NRW. In: die tageszeitung vom 1.7.1998; im Literaturverzeichnis unter Angabe des Titel aufgeführt.

[4] Exemplarisch möchte ich hier nur auf die Werke von Paul Virilio und der kontroversen Diskussion über seine Thesen hinweisen. Gleichzeitig wirken sich die Bestrebungen zu immer noch höheren Geschwindigkeiten in allen Lebensbereichen aus. Am deutlichsten zeigt sich diese Tatsache wohl in der individuellen Automobilbenützung, als auch im Eisenbahnverkehr, oder der Datenübertragung. Größere Mobilität und vor allem die stetige Steigerung der Geschwindigkeit bilden hier die Maxime.

[5] De Mello, 110

[6] Rifkin, Jeremy: Uhrwerk Universum. Die Zeit als Grundkonflikt des Menschen. Aus dem Amerikanischen von Mara Huber. München 1988, 23.

[7] Vgl. Rifkin, 21-42, 93-157, 225-270.

[8] Eine ausführliche Beschäftigung mit der Thematik Zeit und Zeitverständnis scheint mir im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht so möglich zu sein, als daß sie der Tragweite des Gegenstandes gerecht werden würde, deswegen bleibt es bei nur skizzenhaften Einblicken. Besonders hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang aber auf Elias, Norbert: Über die Zeit. Arbeiten zur Wissenssoziologie II. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach und Michael Schröter (Hg.). Frankfurt am Main 1984.

[9] Zur Geschichte der Zeitmessung und ihren Auswirkungen vgl. beispielsweise Dohrn - van Rossum, Gerhard: Zeit der Kirche - Zeit der Händler - Zeit der Städte. Die mechanische Uhr und der Wandel des Zeitbewußtseins im Spätmittelalter. In: Zoll, Rainer (Hg.): Zerstörung und Wiederaneignung von Zeit. Frankfurt am Main 1988, 89-119 und Dohrn - van Rossum, Gerhard: Schlaguhr und Zeitorganisation. Zur frühen Geschichte der öffentlichen Uhren und den sozialen Folgen der modernen Stundenrechnung. In: Wendorff, Rudolf (Hg.): Im Netz der Zeit. Menschliches Zeiterleben interdisziplinär. Stuttgart 1989, 49-60.

[10] Vgl. Nowotny, Helga: Eigenzeit. Entstehung und Strukturierung eines Zeitgefühls. Frankfurt am Main 1989, 21 f.

[11] Vgl. Wendorff, Rudolf: Zeit und Kultur. Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa. Opladen 1980, 558; zum Futurismus siehe desweiteren Weibel, Peter: Die Beschleunigung der Bilder. In der Chronokratie. Bern 1987, 20 ff.

[12] Vgl. Nowotny, 27 f.; zum Schlagwort Geschwindigkeitsrausch vgl. Wendorff 1980, 550-562.

[13] Zum Aspekt der Gleichzeitigkeit vgl. auch Wendorff 1980, 414-427; zu Gleichzeitigkeit in der Kunst siehe Weibel, 32-43.

[14] Vgl. Nowotny, 25.

[15] Vgl. zum Beispiel Schräder - Naef, Regula: Zeit als Belastung? In: Wendorff 1989, 17-25.

[16] Für den Bereich der Chronobiologie vgl. beispielsweise Roenneberg, Till: Zeit als Lebensraum. In: Held, Martin/Geißler, Karlheinz A. (Hg.): Ökologie der Zeit. Vom Finden der rechten Zeitmaße. Stuttgart 1993, 41-51; in Bezug zu wirtschaftlichen Gesichtspunkten vgl. Rinderspacher, Jürgen P.: Mit der Zeit arbeiten. Über einige grundlegende Zusammenhänge von Zeit und Ökonomie. In: Wendorff 1989, 91-104.

[17] Nowotny, 35.

[18] Zum Unterschied zwischen zyklischem und linearem Zeitverständnis vgl. zum Beispiel Schmied, Gerhard: Zyklische Zeit - lineare Zeit. In: Wendorff 1989, 118-127; Whitrow, Gerald J.: Die Erfindung der Zeit. Aus dem Englischen von Doris Gerstner. Hamburg 1991, 43-115; außerdem Gendolla, Peter: Punktzeit. Zur Zeiterfahrung in der Informationsgesellschaft. In: Wendorff 1989a, 128-139.

[19] Nowotny, 34.

[20] Nowotny, 43.

[21] Für den gesamten Abschnitt vgl. Nowotny, 7-45.

[22] Marquard, Odo: Zeit und Endlichkeit. In: Baumgartner, Hans Michael (Hg.): Das Rätsel der Zeit. Philosophische Analyse. Freiburg, München 1993, 363-377; es wurde gerade diese Rede ausgewählt, weil Langsamkeit darin ein ausdrückliches Thema ist.

[23] Blumenberg, Hans: Lebenszeit und Weltzeit. Frankfurt am Main, 1986.

[24] Blumenberg zit. nach Marquard, 363.

[25] Blumenberg zit. nach Marquard, 363.

[26] Metz (zuerst auf dem Gießener Philosophenkongreß 1987) zit. nach Marquard, 364.

[27] Marquard, 364.

[28] Metz zit. nach Marquard, 364.

[29] Marquard, 364.

[30] Marquard, 365.

[31] Marquard, 365.

[32] Seneca zit. nach Marquard, 365.

[33] Marquard, 367.

[34] Vgl. Marquard, 368.

[35] Marquard, 368.

[36] Marquard, 369.

[37] Hier beruft sich Marquard auf Reinhart Koselleck und Hermann Lübbe, vgl. 369.

[38] Marquard, 368.

[39] Marquard, 371; auch „transitional objekt“, ebd.

[40] Marquard, 372.

[41] Marquard, 372.

[42] Marquard, 372.

[43] Marquard, 373.

[44] Vgl. Marquard 375.

[45] Marquard, 376.

[46] Marquard, 376.

[47] Kirchmann, Kay: Verdichtung, Weltverlust und Zeitdruck. Grundzüge einer Theorie der Interdependenzen von Medien, Zeit und Geschwindigkeit im neuzeitlichen Zivilisationsprozeß. Opladen 1998, 127.

[48] Virilio, Paul in der Radiosendung von Müser, Mechthild: Fortschrittskrank - Vom Leben in der beschleunigten Gesellschaft ausgestrahlt von Radio Bremen am 24.2.1997. Paul Virilio ist nicht unumstritten. Der von ihm entworfene Geschwindigkeitsbegriff wird unter anderem als zu unsystematisch und undifferenziert kritisiert. In diesem Rahmen, er hat sich dafür als ungeeignet erwiesen, soll keine ausführliche Beschäftigung mit Virilios Thesen stattfinden; anhand des Zitates gelingt vielleicht ein kleiner, oberflächlicher Einblick in seine Auffassung. Im zweiten Teil werden außerdem verschiedene Ansätze Virilios angerissen. Vgl. hierzu besonders Kapitel 2.1.1, 25 f. und Kapitel 2.2.2.4, 43-46. Zur Kritik an Paul Virilio vgl. Kirchmann, 142-148.

[49] Gendolla, Peter: Vom Ende der Beschleunigung oder Die Entdeckung der Langsamkeit. In: Konkursbuch 21: Reisen. Tübingen 1989b, 25-41. Hier: 26.

[50] Kirchmann, 129.

[51] Kirchmann, 130.

[52] Vgl. Kirchmann, 109-133, besonders 127 ff.

[53] Kundera, Milan: Die Langsamkeit. Roman. Aus dem Französischen von Susanna Roth. München, Wien 1995, 40 f.

[54] Der Begriff wird in diesem Zusammenhang von Karlheinz A. Geißler verwendet; vgl. Geißler, Karlheinz A.: Mit den Zeiten ändern sich die Zeiten. In: Universitas 12/1997, 1228.

[55] Auch diese Begrifflichkeit verwendet Karlheinz A. Geißler; vgl. Geißler, Karlheinz A.: Mit den Zeiten ändern sich die Zeiten. In: Universitas 12/1997, 1234.

[56] Vgl. Geißler, Karlheinz A.: Zeit leben. Vom Hasten und Rasten, Arbeiten und Lernen, Leben und Sterben. Weinheim, Berlin 1992a, 47-56.

[57] Olonetzky, Nadine: Chronik von Chronos. In: du. Die Zeitschrift der Kultur. 10/1997, 03.36.

[58] Nowotny, 153.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Die Möglichkeiten der Langsamkeit in einer modernen Zeit der Geschwindigkeit
Hochschule
Hochschule Fulda  (Sozialwesen)
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
89
Katalognummer
V38063
ISBN (eBook)
9783638372473
Dateigröße
803 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diplomarbeit über die Möglichkeiten der Langsamkeit: Es geht um den Helden aus dem Buch "Die Entdeckung der Langsamkeit", Zeitverständniss und "Zeitverzögerer" im Alltag.
Schlagworte
Möglichkeiten, Langsamkeit, Zeit, Geschwindigkeit
Arbeit zitieren
Ulrike Jurcec (Autor:in), 1998, Die Möglichkeiten der Langsamkeit in einer modernen Zeit der Geschwindigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38063

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