Flüchtlinge in der Schule

Rahmenbedingungen, Perspektiven und Möglichkeiten für eine Arbeit mit Kindern in besonderen Lebenslagen in der Primarstufe, schwerpunktmäßig besorgt für den Bereich der Grundschule im städtischen Raum


Masterarbeit, 2016

85 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundschule in Rheinland-Pfalz
2.1 Normative Vorgaben
2.2 Allgemeine und strukturelle Merkmale
2.3 Inhaltlich-pädagogische Aspekte / Schwerpunkt Sprachförderung

3 Migranten und Migrantinnen in Rheinland-Pfalz
3.1 Begriffsbestimmung und Migrationsgründe
3.2 Historische und rechtliche Grundlage
3.3 Aktuelle Zahlen und Fakten / Unterstützungssysteme

4 Flüchtlingsarbeit im regionalen Kontext
4.1 Staatliche Organisationen / Institutionen
4.2 Nichtstaatliche Organisationen / Institutionen
4.3 Schule und Sprachförderung

5 Fazit und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Das Flüchtlingsthema ist derzeit in sämtlichen Medien omnipräsent. Fast kein Tag vergeht, an dem nicht über das Für und Wider der Flüchtlingsströme debattiert wird. Sei es im Fernseher, dem Radio oder im Internet. Vorrangig drehen sich die Diskussionen dabei um die Frage nach der Belastbarkeit des eigenen Landes. Eine wesentlich entscheidendere Frage bleibt hierbei oft unbeantwortet. Was passiert eigentlich mit den vielen Flüchtlingskindern, wenn sie - sei es alleine oder in Begleitung ihrer Eltern - in Deutschland einreisen? Ab wann und wie wer- den sie beschult? Gibt es spezielle Förderangebote, um die Sprachbarriere möglichst schnell und effektiv zu überwinden? Wo befindet sich Raum für Verbesserungen? All diese Fragen sind im Kontext der Grundschularbeit von eminenter Bedeutung und werden daher in dieser Ausarbeitung bearbeitet. Zu Beginn wird die Grundschule in Rheinland-Pfalz auf normativer Ebene dargestellt. Das anschließende Unterkapitel widmet sich den allgemeinen und struktu- rellen Merkmalen des landesspezifischen Bildungssystems. Den Abschluss findet das Kapitel in der Beleuchtung der inhaltlichen-pädagogischen Aspekte im Grundschulalltag. Besonders die Sprachförderung wird an dieser Stelle schwerpunktmäßig thematisiert. Im folgenden Ka- pitel wird dann der Bogen von der Schule zu den Migranten und Migrantinnen in Rheinland- Pfalz geschlagen. Nach einer genauen Begriffsbestimmung folgt ein Blick auf die historische und rechtliche Entwicklung der Migrationsbewegungen innerhalb des Landes. Dieser wird daraufhin um aktuelle Zahlen und Fakten erweitert. Auch die Einteilung in verschiedene Migrationsmotive sowie die genaue Betrachtung diverser regionaler Unterstützungssysteme für die in Not geratenen Menschen werden in diesem Kapitel thematisiert. Das daran an- schließende Kapitel nimmt daraufhin insofern konkretere Züge an, als dass hier die Flücht- lingsarbeit im regionalen Kontext thematisiert wird. Hier werden zunächst einmal Organisati- onen und Institutionen vorgestellt, die sich für das Wohlergehen der Migranten einsetzen und diese unterstützen. Die Rolle der Schule sowie der Sprachförderung steht hierbei selbstver- ständlich nicht außen vor. Den Abschluss bildet ein Fazit, das gleichbedeutend auch einen Ausblick in die nähere Zukunft der Flüchtlingssituation an rheinland-pfälzischen Grundschu- len gibt.

2 Grundschule in Rheinland-Pfalz

Das deutsche Bildungswesen steht grundsätzlich unter der Aufsicht des Staates. Die Entschei- dungsgewalt liegt qua Grundgesetz jedoch bei den einzelnen Bundesländern. Diese föderalis- tische Grundausrichtung der Bundesrepublik ermöglicht eine sehr heterogene Bildungsland- schaft mit großen Unterschieden in der Schulgesetzgebung der einzelnen Länder. So ist bei- spielsweise zu erklären, weshalb ein Grundschulkind in Berlin oder Brandenburg insgesamt sechs Jahre in dieser ersten staatlichen Bildungsinstitution verbringen wird, ein Kind aus Sachsen, Bayern oder Bremen jedoch nur vier Jahre. An dieser Stelle ist daher explizit darauf hinzuweisen, dass sich die folgende Betrachtung ausschließlich mit dem rheinland- pfälzischen Schulsystem befasst. Die normativen Vorgaben, sprich die gesetzlichen Grundla- gen vom Grundgesetz über die Landesverfassung bis hin zum Schulgesetz und der zugrunde- liegenden Schulordnung, werden hierbei im folgenden Kapitel zum Gegenstand der Betrach- tung erhoben. Ferner weist das Bildungssystem charakteristische Strukturen und allgemeine Merkmale, wie beispielsweise die verschiedenen Schularten und -formen auf, die anschlie- ßend erläutert werden. Zum Abschluss dieses einleitenden Kapitels werden alsdann inhaltlich- pädagogische Aspekte der Rahmenpläne und des Orientierungsrahmenplanes aufgegriffen. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf die Sprachförderung gelegt.

2.1 Normative Vorgaben

Die elementaren Richtlinien für das deutsche Bildungssystem finden sich bereits im Grundge- setz. Geisteswissenschaftlich gesprochen werden hier auf Makroebene unumstößliche Maxi- me abgesteckt, die weder durch eine Landesverfassung noch durch deren Schulgesetze ver- letzt werden können. In den ersten 19 Artikeln der Verfassung sind die Grundrechte eines je- den Staatsbürgers festgelegt. Das wichtigste Gut des Menschen ist hierbei seine Würde. Sie ist per Gesetz unantastbar (vgl.: GG Art. 1 Abs. 1). Ein weiterer Grundsatz liegt in der Gleichheit eines jeden Menschen vor dem Gesetz. Weder das Geschlecht, die Abstammung, die Sprache, die Herkunft, religiöse und oder politische Anschauungen dürfen zu einer Be- nachteiligung des Individuums führen. Auch eine Diskriminierung gegenüber Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung darf es hiernach nicht geben. (vgl.: GG Art. 3 Abs. 3). Ferner genießt die Familie, entsprechend der Verfassung, einen gesonderten Stellen- wert, den es zu schützen gilt. Es ist gesetzlich geregelt, dass die Erziehung und die Pflege der

Kinder das natürliche Recht der Eltern ist, welches nur in besonderen Fällen und zum Wohle des Kindes durch den Staat beschnitten werden darf (vgl.: GG Art. 6 Abs. 1 und 2). Das ge- samte Schulwesen wird im anschließenden Artikel der Aufsicht des Staates unterstellt. Dabei wird nicht zwischen staatlichen oder privaten Schulen unterschieden. Letztgenannte bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen alsdann den Landesgesetzen. Auch der Besuch des Religionsunterrichtes wird an dieser Stelle beschrieben. Die bindende Teilnahme für Schülerinnen und Schüler ist dabei ausgeschlossen. Dies gilt auch für die zuständigen Lehrer, die nicht dazu verpflichtet werden können, einen entsprechenden Unterricht anzubieten (vgl.: GG Art. 7 Abs. 1-4). Von besonderer Bedeutung für das Bildungssystem der einzelnen Bun- desländer ist jedoch ein weiterer Artikel. Zwar ist das Landesrecht zu jedem Zeitpunkt dem Bundesrecht untergeordnet (vgl.: GG Art. 31), doch so lange durch die jeweiligen Gesetzes- vorgaben der Landesverordnung das Grundgesetz nicht verletzt oder beeinträchtigt wird, liegt die Ausübung der staatlichen Befugnisse in den Händen der Bundesländer (vgl.: GG Art. 30). Dieser Artikel führte in den ersten Jahren der noch jungen Bundesrepublik zu einem sehr un- gleichen Bildungswesen in Deutschland. Um diesem Trend entgegenzuwirken trafen die zu- ständigen Kultusminister in den darauf folgenden Jahren verschiedene Abkommen zwischen den Ländern zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens.

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Abbildung 1: L ä nder ü bergreifende Vereinbarungen

Die drei bedeutendsten länderübergreifenden Vereinbarungen werden nun in Kürze skizziert. Mit Beschluss des Jahres 1955 verabschiedete die Kultusministerkonferenz das Düsseldorfer Abkommen. Primär sollte diese Resolution der Zersplitterung des Schulwesens entgegenwir- ken, die auch auf die Verschiedenheit der Besatzungszonen und einer unterschiedlichen wirt-

schaftlichen und sozialen Struktur der Länder zurückzuführen war, indem ein gemeinsam gül- tiger Rahmen für das allgemein bildende Schulwesen geschaffen werden sollte. Das Abkom- men enthielt unter anderem Vereinbarungen und Bestimmungen über den Schuljahresbeginn, die Ferienordnung, die Bezeichnungen, Organisationsformen und Schultypen der Mittelschule und der Gymnasien sowie die Anerkennung von Prüfungen und Bezeichnungen der Notenstu- fen (vgl.: KMK 1955, S. 2 ff.). Sämtliche Änderungen bezogen sich zu diesem Zeitpunkt auf die Mittelschulen und Gymnasien. Die ehemaligen Volksschulen blieben von diesen Modifi- kationen zunächst unberührt. Erst mit der Unterzeichnung des Hamburger Abkommens wur- den auch sie darin aufgenommen. Der Beschluss war im Wesentlichen eine Weiterentwick- lung des Düsseldorfer Abkommens und zeitgleich seine logische Konsequenz. Von nun an sollte die für alle Schüler gemeinsame Unterstufe die Bezeichnung „Grundschule“ tragen. Die darauf aufbauenden und differenzierenden Schulen bekamen die Bezeichnung „Hauptschule“, „Realschule“, „Gymnasium“ und „Sonderschule“ (vgl.: KMK 1971 § 4 und § 5). Überdies konnte man sich auf einen einheitlichen Schuljahresbeginn einigen (vgl.: KMK 1971 § 1). Weitere Beschlüsse können in dem angegebenen Abkommen zwischen den Ländern der Bun- desrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens nachgelesen werden. Eine weitere wesentliche Weichenstellung innerhalb der deutschen Bildungspolitik, die für den Prozess der Arbeit deutlich relevanter ist, stellte gut 25 Jahre später der Konstanzer Be- schluss dar. Im Zentrum der Überlegungen stand die Sicherung der Schulqualität. Auslöser für diese empirische Neuausrichtung war das defizitäre Abschneiden der deutschen Schüle- rinnen und Schüler bei der TIMS-Studie von 1995. Im Vergleich zu anderen (außer-) europäi- schen Ländern zeigten sich besonders im Bereich der naturwissenschaftlichen Bildung offen- kundige Rückstände. Des Weiteren wurde auch zwischen den einzelnen Bundesländern ein beachtliches Leistungsgefälle sichtbar. Daher beschlossen die Kultusminister der Länder eine regelmäßige und länderübergreifende Durchführung der Vergleichsuntersuchungen zum Lern- und Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler, um die Ergebnisse auch durch die Ausrich- tung und Entwicklung grundlegender Kompetenzen langfristig aneinander anzupassen und letztlich zu optimieren. In erster Linie wurde der Schwerpunkt dabei auf den Erwerb von mut- tersprachlichen, mathematischen, naturwissenschaftlich-technischen und fremdsprachlichen sowie auf die Herausbildung von übergreifenden sozialen und personalen Kompetenzen ge- legt. Zu diesen viel zitierten Schlüsselqualifikationen zählen beispielsweise die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit aber auch die Fähigkeit zu problemlösenden Denken und selbstständigen Handeln (vgl.: KMK 1997, S. 1). Als weitere Konsequenz galt die Vermei-

dung von Rückstellungen zum Schulanfang. Eine frühere Einschulung, so die Überlegungen, sollte die aktive Lernzeit der Kinder optimal ausschöpfen (vgl.: KMK 2002, S. 9). Gleichwohl hielt sich der Erfolg dieser Maßnahmen in den ersten Jahren in Grenzen, was sich vor allem durch das Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler beim PISA-Test belegen lässt (vgl.: PISA 2000, S. 9ff.). Um diesem Missstand entgegenzutreten, gingen die Kultusmi- nister den eingeschlagenen Weg konsequent weiter, indem sie verstärkt auf ein umfassendes Bildungsmonitoring setzten, an dessen Ende länderübergreifende Bildungsstandards für jedes Fach und jede Schulform stehen sollten (vgl.: KMK 2004, S. 3). Langfristig sollten die von der Kultusministerkonferenz vorgelegten Bildungsstandards die Grundprinzipien eines jeden Unterrichtsfaches aufgreifen, die fachbezogenen Kompetenzen sowie die zu erwarteten Leis- tungen in Anforderungsbereichen beschreiben, ohne jedoch die Gestaltungsmöglichkeiten der Schulen zu beschneiden. Veranschaulicht werden diese theoretischen Vorgaben durch praxis- nahe Aufgabenbeispiele (vgl. KMK 2005, S. 6). Anhand der verbesserten Resultate der letz- ten PISA-Tests lässt sich der Erfolg durch den Strategiewechsel vom inputorientierten hin zum kompetenzvermittelnden Unterricht auch empirisch belegen (vgl.: PISA 2012, S. 5ff.). Mehr als ein Schritt in die richtige Richtung ist dies jedoch noch nicht. Zum einen gibt es, mit Ausnahme der Fächer Deutsch und Mathematik für die 4. Jahrgangsstufe, für den Primarbe- reich keine bundesweit einheitlichen Bildungsstandards. Zum anderen sind die Bundesländer in entscheidenden Fragen zum Bildungswesen nach wie vor weit von einem Konsens entfernt. Dies betrifft zum Beispiel den Beginn und die Dauer der Schulpflicht, die Anzahl der Schul- jahre bis zum Abitur und die Bezeichnung der einzelnen Schulformen. In Saarland spricht man von erweiterten Realschulen, in Thüringen gibt es Regelschulen und Rheinland-Pfalz setzt auf das Prinzip der Realschule plus. Alles in allem ist die Bundesrepublik hernach noch weit von einem einheitlichen Bildungssystem entfernt. An dieser Stelle wird nun die Makro- ebene der Bundesgesetzgebung verlassen. Es folgt ein Blick auf Mesoebene in die zuständige Landesverfassung. Das Schul- und Bildungswesen ist hier in Abschnitt 3 (vgl.: LV Art. 27- 40) geregelt. Zentrale Aspekte der Schulzeit sind vor allen Dingen die Herausbildung christli- cher Werte wie Nächstenliebe und Gottesfurcht. Aber auch ein Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt und die Erziehung zu Völkerversöhnung zählen zu den Grundsätzen der Schulerziehung (vgl.: LV Art. 33). Der hohe Stellenwert christlicher Maxime wird auch in dem folgenden Artikel aufgegriffen. Hier wird der Religionsunterricht, mit Ausnahme be- kenntnisfreier Privatschulen, als ordentliches Lernfach beschrieben. (vgl.: LV Art. 34). Zu- ständig für die Umsetzung und Ausführung des Lehrauftrages sind per Landesverfassung die

Lehrer, die ihr Amt als Erzieherinnen und Erzieher im Sinne der Verfassung auszuüben haben (vgl.: LV Art. 36). Das Ziel ist immer die persönliche Weiterentwicklung und Entfaltung ei- nes jeden Kindes. Dieses Recht ist durch den Staat geschützt (vgl.: LV Art. 24). Konkrete Rahmenbedingungen beinhaltet die Landesverfassung jedoch nicht. Eine genauere Determina- tion der von der Landesverfassung angegebenen Vorgaben findet sich im rheinland- pfälzischen Schulgesetz. Hier gibt das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur einen in sieben Teile untergliederten Leitplan für das landesspezifische Bildungssys- tem an. Der erste Teil umfasst Grundlagen, wie die Gliederung des Schulwesens oder die Zu- sammenarbeit von Schule und Schulverbund. Im anschließenden zweiten Teil liegt der Fokus auf allen für die Schule relevanten Personengruppen, sprich auf den Lehrkräften wie glei- chermaßen den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Ganz konkret finden sich hier rechtliche Hin- und Verweise zu Themen wie der Schülerzeitung, den Lehrerkonferenzen oder dem Schulelternbeirat. Der dritte Unterpunkt des Schulgesetzes thematisiert die Ordnung des Schulbesuches, mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Schulpflicht eines jeden Kin- des. Der vergleichsweise kurze Teil vier widmet sich den finanziellen Förderungsmöglichkei- ten einzelner Personen im Sinne der Schulgeldfreiheit und Ausbildungsförderung. Im fünften Segment wird dieses Thema aufgegriffen und auf die Institution Schule übertragen. Aufgeteilt in die Unterkapitel Personal- und Sachbedarf, Schulbau, kommunale Schulverwaltung und Schulorganisation werden hier Möglichkeiten der finanziellen Bezuschussung staatlicher Schulen festgehalten. Im sechsten Teil werden nachfolgend bis dahin offen gebliebene Fragen zum Thema Schulaufsicht beantwortet. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die staat- lichen Aufsichts- und Schulbehörden gelegt, unter die beispielsweise auch die Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit von Schulen fällt. Der siebte und gleich- zeitig abschließende Teil des Schulgesetzes trägt den Titel Schlussbemerkungen und vereint Themen wie Ordnungswidrigkeiten, Staatliche Prüfungen und Mehrbelastungsausgleich. Ins- gesamt umfasst das gesamte Schulgesetz 110 Paragraphen (vgl.: SchulG). Neben dem für alle Schulformen gültigen rheinland-pfälzischen Schulgesetz existiert noch eine landesweit gültige Schulordnung für die Primarstufe mit dem Titel Schulordnung für die öffentlichen Grund- schulen. Hierin werden noch einmal dezidiert alle für die Grundschule relevanten Daten und rechtlichen Grundlagen aufgeführt. Insgesamt umfasst die Schulordnung 65 Paragraphen, un- terteilt in 13 Abschnitte. Im Wesentlichen finden sich hier Punkte wieder, die auch schon im Schulgesetz Beachtung finden. Ergänzt werden diese jedoch durch Themen wie etwa der rechtlichen Aufnahme in sowie dem Wechsel an eine andere Grundschule, der schulartspezi-

fischen Leistungsfeststellung und -beurteilung und dem Aufstieg im Klassenverband. Auch zum großen Komplex des Unterrichtes findet sich ein Abschnitt. Schwerpunktmäßig wird hier allerdings auf die konkrete Unterrichtszeit, die rechtlichen Folgen bei Schulversäumnissen oder einer Beurlaubung und weniger auf einzelne Unterrichtsinhalte eingegangen (vgl.: Schu- lO).

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Abbildung 2: Normen und Vorgaben Primarbereich Rheinland-Pfalz

Bis zum Jahre 2002 wurden die Unterrichtsinhalte noch in den jeweiligen Rahmenplänen festgehalten. Im selben Jahr erschien jedoch mit dem Teilrahmenplan Mathematik der erste neuere, verstärkt auf einen Kompetenzerwerb ausgerichtete Beschluss. Insgesamt dauerte es bis ins Jahr 2012, ehe mit dem Teilrahmenplan Ethik das letzte für die Grundschule relevante Schulfach mit einem Teilrahmenplan ausgestattet werden konnte. Die drei Rahmenpläne Deutsch als Zweitsprache, Herkunftssprachenunterricht und Islamischer Religionsunterricht fehlen in der chronologischen Auflistung, da sie entweder keine Leistungsprofile vorweisen können oder noch in der Erprobungsphase sind. Inhaltlich markiert das Aufkommen der neu- en Teilrahmenpläne eine grundlegende Veränderung für den Unterricht in der Grundschule. Im Sinne der neu aufgekommenen Ausrichtung auf die Qualitätssicherung legten die Teil- rahmenpläne fortan verbindliche Anforderungen für das jeweilige Unterrichtsfach sowie zu erwartende Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler bis zum Abschluss der vierten Jahr- gangsstufe fest (vgl.: MBWWK 2014a, S. 3). Strukturell gleichen sie einander. Lässt man den Anhang außen vor, so ergeben sich für jeden Teilrahmenplan sechs Hauptgliederungspunkte. Dabei handelt es sich um das generelle Leistungsprofil des Schulfaches, der zu erwartenden Wissens-, (Könnens-) und Kompetenzentwicklung, der jeweiligen didaktisch-methodischen Leitvorstellungen, dem anschließenden Orientierungsrahmen, einiger Regelungen zur Fest- stellung des Lernerfolges und deren Qualitätsindikatoren. Schlussendlich sollen die Nachjus- tierungen innerhalb der Teilrahmenpläne natürlich eine messbare Verbesserung der Schüler- leistungen ergeben.

Zum Zwecke der umfassenderen Einordnung von Schülerleistungen dienen seit der Kultusmi- nisterkonferenz von 2010 die Niveaustufen der Bildungsstandards. Dieses Instrument zur wei- teren Qualitätssicherung kann eine entscheidende Hilfe bei der Eingruppierung von Schüle- rinnen und Schüler entsprechend ihrer Leistungen in einem jeden Schulfach darstellen. Insge- samt existieren fünf Niveaustufen. Werden die Minimalerwartungen von Schülerseite inner- halb der ersten vier Jahre im Primarbereich nicht erfüllt, so wird er der ersten Kompetenzstufe zugeordnet. Können die Minimalerwartungen erreicht werden, spricht man vom Mindeststan- dard. Bei der Erbringung durchschnittlicher Leistungen ist die Rede von Regelstandards. Nach Erwartungen der Kultusministerkonferenz ist erst das Erreichen dieser Stufe die Vor- aussetzung für einen erfolgreichen Grundschulabschluss. Schülerinnen und Schüler, die über- durchschnittlich gute Leistungen erbringen können, werden der Niveaustufe vier mit der Be- zeichnung Regelstandard plus zugeordnet. Ihr Bildungsweg ist durch ein überwiegend positi- ves Abschneiden in den diversen Leistungsüberprüfungen charakterisiert. Übertreffen die

Leistungen eines Schülers oder einer Schülerin die festgelegten Erwartungen der Bildungs- standards bei weitem, so werden sie in die Niveaustufe fünf eingruppiert. Diese Maximalstan- dards werden jedoch statistisch gesehen nur von einer Minderheit der Schülerinnen und Schü- ler, die über sehr gute oder ausgezeichnete individuelle Lernvoraussetzungen verfügen, er- reicht (vgl.: KMK 2010).

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Abbildung 3: Niveaustufen der Bildungsstandards

Das folgende Unterkapitel widmet sich nun den allgemeinen und strukturellen Merkmalen der verschiedenen Schulformen.

2.2 Allgemeine und strukturelle Merkmale

Insgesamt werden in Rheinland-Pfalz acht verschiedene Schulformen voneinander unter- schieden. Diese sind wiederum auf diverse Schulstufen aufgeteilt (vgl.: SchulG § 9 Abs. 1). Sofern beim Schuleignungstest im Vorschulalter keine Auffälligkeiten festgestellt wurden, werden die schulpflichtigen Kinder in die Grundschule eingeschult. Als schulpflichtig gelten alle Kinder, die bis zum 31. August das sechste Lebensjahr vollendet haben (vgl.: SchulG

§ 57). Die Dauer der Grundschulzeit beträgt, sofern der Schulstoff in Gänze bewältigt werden kann, vier Jahre. In dieser Zeit werden den Schülerinnen und Schülern die Grundlagen für die weiterführende Bildung und ein lebenslanges Lernen vermittelt. Im Fokus steht zum einen die Verbesserung der Sprachkompetenz, zum anderen die Ein- und Hinführung in mathematische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Während der Grundschulzeit werden alle Kin- der gleichen Alters, ob hochbegabt oder eher lernschwach, in einer Klassenstufe unterrichtet. Dies bedeutet, dass die Grundschule eine hochgradig heterogene Bildungseinrichtung des Landes darstellt. Erst mit der Beendigung des vierten Schuljahres erfolgt eine erste Differen- zierung. Die Schülerinnen und Schüler werden, ihren schulischen Leistungen entsprechend, vom Primarbereich in die Sekundarstufe I versetzt. Als Grundlage für eine möglichst genaue Bewertung des jeweiligen Schülers dient das klassische Notensystem, welches die Ziffern von Eins bis Sechs umfasst. Eine Eins ist dabei mit einer sehr guten, eine sechs hingegen mit einer ungenügenden Leistung gleichzusetzen (vgl.: KMK 1971, § 19 Abs. 5). Vor dem Wechsel in die Orientierungsstufe einer weiterführenden Schule gibt der Klassenlehrer in Absprache mit den jeweiligen Fachlehrern jedem Kind eine individuelle Empfehlung. Diese ist für den betreffenden Schüler und seine Eltern jedoch nicht bindend. Die endgültige Entscheidung über den weiteren Bildungsweg liegt somit in der Verantwortung der Erziehungsberechtigten und den in Frage kommenden weiterführenden Schulen (vgl.: SchulG § 59 Abs. 1). Grund- sätzlich stehen hier vier Möglichkeiten zur Auswahl. Die Leistungsanforderungen sind dabei von der Förderschule über die Realschule plus bis zur Integrierten Gesamtschule und dem Gymnasium stark aufsteigend. Auch dort werden den jeweiligen Schülerleistungen angemes- sene Noten verteilt. Zu beachten ist dabei, dass eine Fünf oder Sechs auf dem Abschlusszeug- nis, also eine mangelhafte bzw. ungenügende Leistung in dem jeweiligen Fach, zu einer Wie- derholung des Schuljahres oder zu einem Wechsel der Schulform führen kann. Besonders gu- te Noten hingegen können ebenfalls zu einem Wechsel der Schulart auf die nächst höhere Bildungsinstitution oder aber zum Überspringen einer Jahrgangsstufe führen. Das Bildungs- system ist demnach zu jeder Zeit durchlässig (vgl.: SchulG § 9 Abs. 4).

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Abbildung 4: Struktur Schulwesen Rheinland-Pfalz

Bei allen Unterschieden in den Leistungsanforderungen der verschiedenen Schulformen eint sie ein gemeinsames Merkmal. Der Sekundarbereich I beruht in erster Linie auf dem Grund- satz einer allgemeinen Grundbildung, einer individuellen Schwerpunktsetzung und einer leis- tungsgerechten Förderung (vgl.: KMK 2001, S. 5). Die besondere Aufgabe der Förderschule besteht darin, jeden Schüler entsprechend seiner persönlichen Stärken, seien diese durch geis- tige und oder körperliche Beeinträchtigungen im Vergleich zu seinen gleichaltrigen Klassen- kameraden weniger stark ausgeprägt oder nicht, zu fördern. Ziel ist dabei immer eine mög- lichst starke Verbesserung der Ausgangssituation auf dem Weg des Schülers über einen be- rufsbefähigenden Bildungsgang, Anschluss und Integration ins spätere Berufsleben zu erhal- ten (vgl.: SchulG § 10 Abs. 10). Auch die Realschule plus und die Integrierte Gesamtschule bilden die Schülerinnen und Schüler zur Berufsreife aus. Diese ist in beiden Schulformen mit Beendigung des 9. Schuljahres erreicht. Darüber hinaus kann der erfolgreiche Abschluss die- ser Schulform auch zum Zugang in studienbezogene Bildungsgänge und den Eintritt in die gymnasiale Oberstufe berechtigen (vgl.: SchulG § 10 Abs. 3 und 6). Im Vergleich dazu führt der gelungene Besuch des Gymnasiums zur allgemeinen Hochschulreife. Die gymnasiale Oberstufe, welche ab der 10. Jahrgangsstufe auf insgesamt zwei bis maximal vier Jahre aus- gelegt ist, wird der Sekundarstufe II zugeordnet. In den aufeinander aufbauenden Grund- und Leistungskursen können die Schülerinnen und Schüler den Schwerpunkt ihrer Schulbildung selber wählen. Dieser kann die gesamte Bandbreite der Unterrichtsfächer vom mathematisch-

naturwissenschaftlich-technischen über einen sprachlich-literarisch-künstlerischen bis hin zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld umfassen. Inhaltlich ist die Sekundarstufe II durch ein vermehrt wissenschaftliches und fachtheoretisches Lernen charakterisiert. Zudem ändert sich die Notenvergabe in dieser Zeit von der klassischen Notengebung zu einem 15- Punkte System, an dessen Ende verschiedene Abschlussprüfungen stehen (vgl.: SchulG § 10 Abs. 4 und 5). Auch die Berufsschule bietet seinen Schülerinnen und Schülern die Möglich- keit des Zugangs zur qualifizierten Berufstätigkeit beziehungsweise der Hochschulreife. Sie ist ebenfalls der Sekundarstufe II zugeordnet und bietet eine schulische Ausbildung, die zu- meist in Kooperation mit Ausbildungsbetrieben in einem dual angelegten System erfolgt (vgl.: SchulG § 10 Abs. 7). Die Abendschule und das Kolleg werden ebenfalls der Sekundar- stufe II zugeordnet. Im Unterschied zu den vorangegangenen Schulformen richten diese Schularten ihr Angebot jedoch vorrangig an bereits berufstätige sowie berufserfahrene Men- schen, die über diesen Weg zur allgemeinen Hochschulreife gelangen möchten (vgl.: SchulG § 10 Abs. 8 und 9). Aktuell gibt es in Rheinland-Pfalz über 1.500 Schulen.

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Abbildung 5: Schulen in Rheinland-Pfalz

Seit Einführung der Realschule plus im Jahre 2010 ist die Zahl der Hauptschulen und der ehemaligen Realschulen stark zurückgegangen. Die Anzahl der Realschulen plus und der In-

tegrierten Gesamtschule im Land sind hingegen auf mittlerweile knapp 200 bzw. 55 angestie- gen. Im Bereich der Gymnasien sowie der Förderschulen ist in den letzten acht Jahren kaum eine nennenswerte Veränderung eingetreten. Die Anzahl der Grundschulen ist in dieser Zeit hingegen ebenfalls zurückgegangen. Dies ist unter anderem auf den demographischen Wandel zurückzuführen. Eine Gesellschaft, deren Geburtenzahlen Jahr für Jahr sinken braucht zu- künftig auch weniger Schulen. Gerade in ländlicheren Regionen könnte der Flüchtlingszu- wachs dieser Tendenz jedoch nachhaltig entgegenwirken. Ein weiteres Merkmal des rhein- land-pfälzischen Schulsystems ist die Vorreiterstellung, die das Land bei der Einführung und Etablierung der Ganztagsschule innehat. Per Definition der Kultusministerkonferenz muss eine Ganztagsschule mindestens drei Anforderungen genügen. Demnach versteht man unter einer solchen ganztägig ausgerichteten Bildungseinrichtung Schulen, die an mindestens drei Tagen pro Woche für jeweils sieben Zeitstunden ein Betreuungsangebot für die Schülerschaft bereitstellen können und an allen Tagen der Ganztagsbetreuung für ein Mittagessen der Kin- der sorgen. Ferner müssen die zusätzlichen Angebote in einem konzeptionellen Zusammen- hang mit dem Unterricht stehen. Die Verantwortung hierfür sowie für die Organisation und die Aufsicht obliegen der Schulleitung (vgl.: KMK 2015a, S. 4). Unterschieden werden die Ganztagsschulen in Deutschland ebenfalls mittels Definition der Kultusministerkonferenz in drei Formen. Zunächst einmal gibt es die voll gebundene Form. Dabei sind alle Schüler der betreffenden Schule verpflichtet an mindestens drei Tagen pro Woche für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen. Des Weiteren gibt es die teilweise gebundene Form, bei der sich nur ein Teil der Schülerschaft einer Schule, zumeist einzelne Klassen oder Klassenstufen, dazu verpflichtet an den bereits beschriebenen Zeiten am ganztägigen Angebot zu partizipieren. Die offene Form hingegen bietet einzelnen Schülern, unabhängig von der Klasse oder Klassenstufe, die Möglichkeit, sich in Absprache mit den Erziehungsberechtigten für oder gegen das Ganztagsangebot zu entscheiden (vgl.: KMK 2015a, S. 5). Ausschlaggebend für den Ausbau der Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz war die Verabschiedung des Investitionsprogramms Zukunft, Bildung und Betreuung. Das dafür bereitgestellte Budget in Höhe von 4 Milliarden Euro diente dem Ausbau und der Wei- terentwicklung neuer Ganztagsschulen, der Schaffung zusätzlicher Plätze an bestehenden Ganztagsschulen und der qualitativen Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten in allen 16 Bundesländern. Es gibt zwei Beweggründe für diese politische Maßnahme. Zum einen ist der Bedarf nach einer ganztägigen Betreuung der Kinder in den vergangenen Jahren stetig gestie- gen. Die Ursache hierfür liegt in einer veränderten Arbeitswelt und dem damit verbundenen

Wunsch vieler Eltern, den Beruf besser mit der Familie vereinbaren zu können. Zum anderen führten die ersten PISA-Ergebnisse dazu, dass die Diskussionen über die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ein effektiveres schulisches Lernen zunahmen. Sowohl Wissen- schaftler als auch Lehrer, Eltern und Politiker forderten daraufhin die Einführung der Ganz- tagsschulen (vgl.: KMK 2015a, S. 4). Um den Ausbau der Ganztagsschulen in Deutschland weiter voran zu treiben, finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Vorhaben weiterhin jährlich mit mehreren Million Euro (vgl.: BMBF 2015, S. 4). Als logi- sche Konsequenz ist die Zahl der Ganztagsschulen aber auch der Anteil von Ganztagsschülern an allen Schülern bundesweit in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Die Kultusminister sehen in dieser Entwicklung primär drei Chancen. Als erstes bietet die Ganztagsschule eine zusätzliche Möglichkeit der besseren individuellen Förderung. Dabei ist die Unterstützung für lernschwache Kinder aber auch die Hochbegabtenförderung mit eingeschlossen. Außerdem stellt die Ganztagsschule eine Chance für die Integration von Migrantenkindern dar. Ergän- zende Deutschkurse können hierbei eine wichtige Hilfe sein. Durch die Ausweitung der An- gebote eröffnet sich für die Lehrpersonen letztlich auch die Möglichkeit andere Lern- und Ar- beitsmethoden einzusetzen, die speziell auf die Bedürfnissen der Schülerschaft eingehen und dem zeitlichen Druck des Vormittagsunterrichts entgegenwirken (vgl.: KMK 2015b, S. 21). Die geschilderten allgemeinen und strukturellen Merkmale der rheinland-pfälzischen (Grund- ) Schulen bilden den festen Rahmen, in dem Lernen stattfindet. Um dieses Ziel zu optimieren, haben die Kultusminister der Länder inhaltlich-pädagogische Aspekte herausgearbeitet, die zur bestmöglichen Förderung eines jeden einzelnen Kindes beitragen sollen. Das folgende Kapitel wird die wichtigsten Aspekte herausstellen. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf dem Faktor der Sprachförderung.

2.3 Inhaltlich-pädagogische Aspekte / Schwerpunkt Sprachförderung

Grundlegende Bildung als aufgerufenes Ziel der Grundschule ist sowohl gegenwarts- als auch zukunftsorientiert. Demnach müssen Inhalte und Verfahren des Unterrichts aktuellen, aber auch künftigen Anforderungen gerecht werden (vgl. GDSU 2002, S. 2). Die Schule genügt diesem Anspruch dadurch, indem sie den Schülerinnen und Schülern neben fachlichen Inhal- ten vor allem Kompetenzen, Haltungen und Einstellungen, multiperspektivisches Denken, sozial verantwortliches Handeln, Toleranz, Fairness, Gerechtigkeitsgefühl, Gestaltungswille und -vermögen vermittelt. Die Kernpunkte schulischen Lernens sind hierbei sprachliches und mathematisches Handeln sowie das Sammeln ästhetischer, religiöser und ethischnormativer

Erfahrungen (vgl. KMK 2014, S. 8f.). Bei allen bindenden Vorgaben ist der eigentliche Un- terricht jedoch immer auch an den Fragen und dem Interesse der Schülerschaft auszurichten. Die Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts wird dabei an die Erfahrungen, Fragen, Anliegen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler geknüpft (vgl. KMK 2013, S. 109). Dieses genetische Konzept der Schülerorientierung nutzt die intrinsische Moti- vation der Schüler, unterstützt die ganzheitliche Entwicklung eines jeden Kindes und stärkt von Beginn an seine Person. Dabei kann die Heterogenität der Lernvoraussetzungen ein reichhaltiges Potential darstellen, Unterricht nutzbringend miteinander zu gestalten. Bildung ist demnach sowohl wissensorientierte Arbeit an der Sache als auch eine auf das Können des Subjekts abzielende Tätigkeit. Zum Erreichen dieses Zieles werden vom zuständigen Lehr- körper inhaltliche Grob- und Feinziele in Anlehnung an den jeweiligen Teilrahmenplan for- muliert. Exemplarisch wird dies nun anhand des Leistungsprofils und der Kompetenzbereiche des Faches Deutsch skizziert. Die Sprachhandlungskompetenz in der Grundschule ist zu- nächst einmal in vier Unterpunkte gegliedert. Neben dem Schreiben und Lesen, sprich der Fähigkeit mit Texten und Medien umzugehen, zählen auch das Sprechen und Zuhören sowie das Untersuchen der Sprache und des Sprachgebrauchs zu den zu erlernenden Kompetenzen. Zur Schreibfähigkeit gehören die orthographische Korrektheit, das Wissen über grammatika- lische Regelungen und Strukturen sowie die Kenntnis über verschiedene Textsorten und deren Aufbau. Lesen wird in erster Linie als Sinnkonstruktion verstanden und ermöglicht eine Aus- einandersetzung mit der Welt. Ferner wird zwischen genießendem, informierenden, selekti- ven, interpretierenden und kritischen Lesen unterschieden. Der Teilbereich Sprechen und Zu- hören hingegen umschließt alle mündlichen Kommunikationen und wird als soziales Handeln verstanden. Durch die Entwicklung demokratischer Gesprächskulturen und der Erarbeitung szenischer (Rollen-) Spiele oder Präsentationen wird die mündliche Sprachhandlungskompe- tenz zusätzlich verbessert. Im Komplex Sprache und Sprachgebrauch untersuchen die Kinder abschließend den Gegenstand Sprache auf Ebene der Wörter, Sätze und Texte. Entscheidend hierfür ist eine erhöhte Abstraktions- und Reflexionskompetenz der Schüler. Schlussendlich stehen die Teilbereiche jedoch keinesfalls isoliert für sich. Vielmehr sollen sie im Sinne eines integrativen Deutschunterrichts aufeinander bezogen werden (vgl. KMK 2004a, S. 7 ff.). Im Laufe der Grundschulzeit sollen die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der erworbenen Kompetenzen von der konzeptionellen Mündlichkeit zur konzeptionellen Schriftlichkeit ge- führt werden. Auch die Erweiterung der Sprachkompetenz von der Stufe der Alltagssprache hin zur Bildungs- bzw. Fachsprache gilt als ausgewiesenes Ziel des Deutschunterrichts.

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Abbildung 6: Der Rahmenplan f ü r die Grundschule in den jeweiligen F ä chern

Ein Blick in die Leistungs- und Anforderungsprofile der anderen Schulfächer lässt erkennen, dass viele der angestrebten Kompetenzen fächerübergreifend angelegt sind. Im Bereich der Sprachförderung weisen besonders der Deutsch- und Sachunterricht eine hohe Verzahnung auf. Doch auch der Fremdsprachenunterricht knüpft an die Spracherfahrung der Schülerinnen und Schüler an und erweitert diese mit interkulturellen Lerninhalten. Die Toleranz gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ist wiederum ein essentieller Bestandteil der Entwicklung grundlegender Werte wie Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung (vgl. KMK 2013, S. 107f.). Die Relevanz einer adäquaten Sprachförderung wird in der Stundentafel für die Grundschule überdeutlich. Im Schnitt fallen etwa 55 % aller zu erteilenden Unterrichtseinheiten auf die beiden Hauptfächer Deutsch (inklusive Sachunterricht) und Mathematik. Die Nebenfächer Religion, integrierter Fremdsprachenunterricht und die auf einen ästhetischen Kompetenzge- winn ausgerichteten Fächer Musik, Kunst und Sport teilen sich folglich die verbleibenden 45 % der Unterrichtszeit. Dies liegt primär daran, dass die Verbesserung der Sprachkompetenz sowie das sichere Beherrschen mathematischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu den wesentli- chen Grundvoraussetzungen für ein lebenslanges Lernen gezählt werden.

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Abbildung 7: Stundentafel f ü r die Grundschule

Ein weiteres Zeichen für die Bedeutsamkeit des Sprachunterrichtes ist der kürzlich erschiene- ne Teilrahmenplan Deutsch als Zweitsprache. Dieser steht in engem Zusammenhang mit der Verwaltungsvorschrift Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund.

Allgemeiner Grundsatz ist hierbei die bestmögliche Integration der betroffenen Kinder in das bestehende Schulwesen und der Beitrag zur Persönlichkeitsbildung im interkulturellen Kon- text (vgl.: BMBFJ 2006, Abs. 1). Als oberste Maxime gilt auch hier die individuelle Ausrich- tung am Schüler. Das bereits vorhandene Sprachpotential muss dabei optimal genutzt und ent- faltet werden. Der Rahmenplan dient dabei nicht als ein fest vorgegebener Lehrgang. Er be- schreibt vielmehr individuell mögliche Lernentwicklungen der Schülerinnen und Schüler. Letzten Endes sollen sich die Kinder die Sprache zunehmend selbstständig aneignen. Dem Lehrkörper kommt dabei eine elementare Rolle zu, da er durch eine offene Unterrichtsgestal- tung zum Begleiter der Lernenden in ihrem Spracherwerbsprozess wird. Eine große Schwie- rigkeit bei der praktischen Umsetzung liegt im beachtlichen zeitlichen Mehraufwand, den ein Lehrer in diesem Zusammenhang leisten muss. Das Sprachtraining soll in enger Kooperation mit der regulären Unterrichtsplanung stehen, bedarf also eines regen Austausches über den Unterrichtsverlauf mit allen unterrichtenden Lehrkräften. Dieser Dialog ist im Schulbetrieb sicherlich nicht immer problemlos zu bewältigen, doch lohnt sich die zusätzlich investierte Zeit und Mühe, spätestens ab dem Moment an dem die betroffenen Kinder mit zunehmender Sprachsicherheit auch im Regelbetrieb den Schulstoff schneller verstehen und ihn bewältigen können. Als Erleichterung der Unterrichtsplanung dienen in dem spiralförmig angelegten Curriculum zusätzlich die sechs großen Lernfelder „Ich und Du, Lernen, sich orientieren, mit- einander leben, was mir wichtig ist und sich wohl fühlen“. Ein jedes Lernfeld besteht darüber hinaus aus einem Signalthema, fixierten Kerninhalten, einem lexikalischen Bereiche, syntak- tischen Mitteln sowie möglichen Schüleraktivitäten, die dem Lehrkörper die Vorbereitung erleichtern sollen. Allgemein ist noch zu erwähnen, dass der Rahmenplan sowohl einen Grund- als auch einen Aufbaukurs umfasst. So kann den unterschiedlichen Entwicklungs- und Wissensständen der Schülerschaft Rechnung getragen werden. Das Signalthema soll die Kin- der, egal ob diese im Grund- oder Aufbaukurs lernen, an authentischen Erlebnissen und Er- fahrungssituationen anknüpfen lassen und zur Kommunikation auffordern.

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Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Flüchtlinge in der Schule
Untertitel
Rahmenbedingungen, Perspektiven und Möglichkeiten für eine Arbeit mit Kindern in besonderen Lebenslagen in der Primarstufe, schwerpunktmäßig besorgt für den Bereich der Grundschule im städtischen Raum
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
85
Katalognummer
V379775
ISBN (eBook)
9783668631342
ISBN (Buch)
9783668631359
Dateigröße
1043 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundschule, Bildung, Flüchtlinge
Arbeit zitieren
Master of Education Tobias Thurau (Autor:in), 2016, Flüchtlinge in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379775

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