Das Neue Steuerungsmodell. Modernisierung der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland. Umsetzungsstand und Erfahrungen


Bachelorarbeit, 2013

46 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Verflechtung der kommunalen Struktur in der Bundesrepublik Deutschland
2.1. Staatsaufbau im Föderalen System
2.2. Die kommunale Ebene

3. Einführung in den allgemeinen Verwaltungsaufbau

4. Das Neue Steuerungsmodell

5. Kernelemente und Ziele
5.1. Trennung von Politik und Verwaltung
5.2. Verfahrensinnovationen und Organisationsstruktur
5.3. Kunden- und Wettbewerbsorientierung

6. Umsetzungsstand
6.1. Überblick
6.2. Politik und Verwaltung
6.3. Organisationsstruktur
6.3. Verfahrensinnovationen
6.4. Kundenorientierung
6.5. Wettbewerb
6.6. Zwischenfazit

7. Das Neue Steuerungsmodell in Praxis
7.1. Erfahrungen
7.1.1. Organisationsentwicklung
7.1.2. Personalentwicklung
7.2. Bewertung

8. Gesamtfazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Elemente des Neuen Steuerungsmodells

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die weibliche Form ist in dieser Bachelorarbeit der männlichen Form gleichgestellt; lediglich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde die männliche Form gewählt.

1. Einleitung

Seit nun fast 20 Jahren ist in der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland ein Prozess der Verwaltungsmodernisierung im Gange, welcher federführend unter dem Namen Neues Steuerungsmodell (NSM) firmiert. Anfangs rein für den kommunalen Bereich konzipiert, ist die Reform mittlerweile auch von verschiedenen Landes- und Bundesverwaltungen aufgegriffen worden. Entsprechend findet sich das NSM mit seinen einzelnen Elementen heutzutage in einer ganzen Reihe von öffentlichen Bereichen wieder. Ausgelöst durch jahrelange Tatenlosigkeit im Bereich der Verwaltungsmodernisierung sollte das NSM mit Hilfe seiner Instrumente den aufgeladenen Reformstau durchbrechen und die Verwaltungen in kundenorientierte, effiziente und effektive Dienstleistungsunternehmen verwandeln.

Fast genauso lange wie der Reformprozess an sich, ist aber auch schon eine teilweise sehr leidenschaftlich geführte Debatte über Erfolg und Misserfolg dieser Maßnahmen in der Politik und unter Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen im Gange. Dies liegt unter anderem an dem Umstand, dass in der deutschen Verwaltungslandschaft zuvor keine vergleichbare Reform stattgefunden hat, welche die Entwicklung in diesem Sektor so tiefgehend nachhaltig geprägt hat. Wie steht es also in den einzelnen Städten und Gemeinden um den mit dem NSM eingebrachten Modernisierungsprozess und welche Erfahrungen wurden in der Praxis bei der Umsetzung gesammelt? Außer Frage ist sicherlich in diesem Zusammenhang, dass so eine umfangreiche Reform wie das NSM in den Verwaltungen und insbesondere in der Politik nicht ohne Argwohn aufgenommen wurde und zu Beginn nicht nur Unterstützer hatte, sondern sich erst einmal gegen eine Reihe von Kritikern durchsetzen musste. Hat das NSM dementsprechend unter diesem von außen aufgeladenen Druck sogar versagt und seine gesteckten Ziele nicht erreicht, wie es von unterschiedlichen Experten prognostiziert wurde?

Ziel dieser Arbeit ist folglich herauszufinden inwieweit das theoretische Modell des NSM in der Praxis Einzug gehalten hat und welche Erfahrungen damit verknüpft sind. Da, wie bereits angesprochen, das Modell ursprünglich für den kommunalen Sektor geschaffen wurde, sollen die Städte und Gemeinden den Untersuchungsgegenstand und somit die Grundlage der Analyse bilden, welche sich auf zu dieser Thematik publizierte Literatur, Erfahrungsberichte und Studien stützt. Um eine Aussage über den Umsetzungsstand und die Erfahrungen geben zu können, bedarf es zu Beginn einer kurzen Einführung in die Struktur und den Aufbau der deutschen Verwaltungslandschaft und eine Einordnung der kommunalen Ebene. Daneben soll in aller Kürze der allgemeine Verwaltungsaufbau skizziert werden, um so die im NSM empfohlen Maßnahmen besser nachvollziehen zu können. Entsprechend werden auch die im NSM diskutierten Elemente kurz aufgezeigt, bevor es dann zu einer Analyse des Umsetzungsstands und den gemachten Erfahrungen kommen kann. Den Schluss dieser Arbeit bildet eine Zusammenfassung, die gleichzeitig einen Ausblick geben soll, wie es um die Verwaltungsmodernisierung in der Bundesrepublik Deutschland gestellt ist.

Die Motivation für die Wahl dieses Themas ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass ich mich im Rahmen des Seminars „Erfahrungen im New Public Management“ bereits intensiv mit dem aus den Niederlanden stammenden Tilburgermodell auseinandergesetzt habe, welches bekanntlich die Grundlage des NSM bildet. Zum anderen war ich sehr daran interessiert, wie es gelingen kann, so ein eigentlich durch und durch starres System wie die öffentliche Kommunalverwaltung „unter Strom zu setzen“.

2. Die Verflechtung der kommunalen Struktur in der Bundesrepublik Deutschland

Bevor es in dieser Arbeit zu einer Beschreibung des Neuen Steuerungsmodells kommen kann und im weiteren zu einer Analyse dessen Umsetzungsstands, bedarf es zu Beginn einer kurzen Einführung über den Aufbau des öffentlichen Sektors in der Bundesrepublik Deutschland sowie einer intensiven Betrachtung der kommunalen Verwaltungsebene.

2.1. Staatsaufbau im Föderalen System

Der heutige Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland, welcher in einem bedeutenden Ausmaß mit der historischen Vergangenheit Europas verknüpft ist, kann spiegelbildlich als Kind seiner eigenen bewegten Geschichte betrachtet werden[1].

Als Ausgangspunkt aller politischen Ordnungen finden sich im Grundgesetz, neben den Normen der Grundrechte, auch die Regelungen der Staatsorganisation bzw. der damit verbundenen äußeren Gliederung der Verwaltung wieder[2]. Differenziert wird dabei insbesondere zwischen den Verwaltungsebenen des Bundes, der Länder sowie der Kommunen. Bereits aus diesem Kontext und der damit verbundenen föderalen Struktur lässt sich ableiten, dass es in Deutschland keine zentralisierte Einheitsverwaltung gibt[3]. Vielmehr bedient sich der Bund bei der Umsetzung der Bundesgesetze bei den Verwaltungen der Länder und Gemeinden[4]. Zwar verfügt auch der Bund über eigenständige Behörden, diese nehmen jedoch vorwiegend Sonderaufgaben wahr und müssen zusätzlich zu den Verwaltungsorganisationen der Länder und Gemeinden gesehen werden[5]. Jedem der drei genannten Bereiche kommt daher eine eigenständige Rolle zu, welche sich in den abgegrenzten und gebündelten Aufgabenfeldern wiederfindet. Entsprechend verfügen, bis auf die Ausnahmefälle der Aufgabenverwaltung sowie der Organleihe, weder der Bund noch die Länder über einen durchgehenden Behördenapparat.

Auf Grund der Verschiedenartigkeit der Bundesländer mit ihren eigenständigen Länder- und Kommunalverfassungen wird der Gesamtaufbau der Verwaltung zusätzlich verkompliziert. Bei Betrachtung der großen (z.B. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen) bzw. kleinen (z.B. Saarland oder Brandenburg) Flächenländer sowie der Stadtstaaten (Berlin, Bremen und Hamburg) fallen unterschiedliche Gestaltungsmerkmale auf. So wurde als Reaktion der vorhandenen Aufgabenkomplexität in den meisten großen Flächenländern mit der Einführung von Regierungsbezirken eine zusätzliche Ebene unter den Landesministerien geschaffen. Zusätzlich besitzen alle Flächenländer oberhalb der untersten örtlichen Verwaltung eine Ebene, welche die Verwaltung der Landkreise, der kreisfreien Städte sowie der Gemeinden übernimmt. Eine besondere Stellung nehmen in diesem Zusammenhang die Stadtstaaten ein, welche zugleich kreisfreie Städte sind[6].

Insgesamt gibt es gegenwärtig in der Bundesrepublik; 16 Bundesländer, 22 Regierungsbezirke, 402 Kreise (davon 107 kreisfreie Städte und 295 Landkreise) sowie 11.292 Gemeinden mit 2.054 Städten[7].

2.2. Die kommunale Ebene

Wie bereits im ersten Abschnitt dargelegt, bilden die Gemeinden und Kreise die unterste und damit dritte politisch-administrative Ebene der Bundesrepublik Deutschland[8]. Zwar sind die Kommunen staatsrechtlich den Ländern zu zuordnen und unterliegen auch deren Aufsichts- sowie Weisungsrechten; das Grundgesetz garantiert ihnen aber, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, größtmögliche Unabhängigkeit in der örtlichen Aufgabenerfüllung. Die Kommunen nehmen demnach auf lokaler Ebene die Umsetzung der von Bund und Ländern beschlossenen Gesetze[9] sowie die Ausführung gesetzlich vorgeschriebener Pflichtaufgaben[10] wahr, verfügen andererseits aber auch über ein breites Spektrum von eigenverantwortlichen Aufgaben, entsprechend eines dualen Aufgabenmodells[11]. Die kommunale Selbstverwaltung kann als wesentlicher Bestandteil des politischen Ordnungssystems der Bundesrepublik betrachtet werden. Sie stellt somit, wie der Föderalismus, eine Ergänzung des Gewaltenteilungsprinzips dar und ermöglicht eine Grobverteilung der politischen Macht und der politischen Aufgaben[12].

Im Rahmen der Entscheidungskompetenz der Bundesländer steht und stand es den jeweiligen Landesparlamenten frei, die kommunalen Aufgaben und Befugnisse in eigner Art und Weise festzulegen. Im Zuge dessen entwickelten sich vor allem in der Frühphase der Bundesrepublik nach Ende des 2. Weltkrieges, und damit auch unter Einfluss der Besatzungsmächte, unterschiedlichste Ausprägungen von Kommunalverfassungen, die sich für West-Deutschland, grob in die folgenden vier Ansätze unterteilen lassen:

- Süddeutsche Ratsverfassung (Baden-Württemberg, Bayern),
- Bürgermeisterverfassung (Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein),
- Magistratsverfassung (Hessen)
- Norddeutsche Ratsverfassung (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen)[13].

Vollkommen anders stellte sich dagegen die Situation auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik dar, in welchem der „demokratische Zentralismus" treibende politische Kraft war und die Städte und Gemeinden durch Auflösung der Länder, ihre Selbstständigkeit weitestgehend verloren hatten[14].

In den letzten Jahrzehnten, vor allem seit der Wiedervereinigung, zeichnet sich in diesem Feld jedoch ein stetiger Angleichungsprozess ab, so dass sich die bis dato vorwiegend in den südlichen Bundesländern praktizierte duale Ratsverfassung (Süddeutsche Ratsverfassung), wenn auch in modifizierter Form, in fast allen der 16 Bundesländern durchgesetzt hat[15]. Kernelement und damit charakteristisch für dieses Modell ist die, im Vergleich zu anderen Kommunalverfassungen, starke Stellung des Bürgermeisters, welcher in einer Direktwahl durch das Volk bestimmt wird[16]. Des Weiteren kommt dem Bürgermeister in diesem Modell ein erweitertes Aufgabenspektrum zu, das ihn zum stimmberechtigten Vorsitzenden des Gemeinderats sowie gleichzeitig zum Leiter der Verwaltung macht. Zusammenfassend können folgende Tätigkeiten dieser Position zugeschrieben werden: Ausführung der Beschlüsse der Kommunalverwaltung, Erledigung der laufenden Geschäfte sowie Leitung und Kontrolle der vom Staat übertragenen Aufgaben[17].

Trotz der eindeutigen Präferenz zugunsten der Süddeutschen Ratsverfassung, kommt es bundesweit dennoch zu unterschiedlich gestalteten Kompetenzregelungen sowie unterschiedlich langen Amtszeiten der Bürgermeister[18]. So charakterisiert sich die Gemeindeordnung mitunter darin, dass sich der Bürgermeister entweder allein für die gesamte Verwaltung zuständig zeigt oder dass er zusammen mit Beigeordneten in einem Gemeindevorstand eingebunden ist. Des Weiteren kann, je nach Größe der jeweiligen Kommune, eine weitere Ausdifferenzierung erfolgen, in welcher durch Dezernatsleiter die Dominanz des Bürgermeisters als Verwaltungschef eingeschränkt ist[19]. Der Verwaltungsstruktur und deren formalem Aufbau wird im nächsten Kapitel detaillierte Beachtung geschenkt.

Neben den bereits genannten Veränderungen, wurde im Zuge weiterer kommunaler Reformschritte durch die Einführung der Bürgerentscheide zu einer Stärkung des Demokratieprinzips beigetragen. Mit diesem Instrument wurde dem Bürger die Möglichkeit gegeben, nun über zentrale Gemeindeangelegenheiten selbst zu bestimmen bzw. durch Bürgeranträge Themen zur Entscheidung einzubringen[20]. Eine Zäsur stellten die in 1970er Jahren auf kommunaler Ebene durchgeführten Gebietsreformen dar. Dies führte allgemein zu einer Reduzierung der Anzahl von Gemeinden und der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften. Ziel dieser Maßnahme war es die administrative Leistungsfähigkeit der Kommunen durch Zusammenlegung zu steigern[21].

3. Einführung in den allgemeinen Verwaltungsaufbau

Verwaltungen als hochgradig arbeitsteilige Organisationen[22] sind in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Mittelpunkt von Reformvorhaben gerückt. Um die Reformansätze, auch die des Neuen Steuerungsmodells, besser nachvollziehen zu können, soll an dieser Stelle auf den formalen Aufbau von öffentlichen Verwaltungen auf der kommunalen Ebene eingegangen werden.

Im allgemeinen Sprachgebrauch spiegelt der Begriff Verwaltung erst einmal alle unterschiedlichen Arten von Dezernaten und Ämtern wieder; aber auch Eigenbetriebe und Beteiligungsgesellschaften werden unter diesem Begriff oftmals subsumiert[23]. Trotz dieser vermeintlich großen Anzahl von verschiedenen Organisationseinheiten, lässt sich eine generelle Modellstruktur des Verwaltungsaufbaus in der Bundesrepublik Deutschland skizzieren[24]. Im Mittelpunkt steht hier die grundlegende Unterteilung in die Ebenen der Makro-, Meso-, und Mikrostruktur.

In der Makrostruktur findet eine Zuordnung in die unterschiedlichen politischen sowie gesellschaftlichen Problembereiche statt. Je nach zugrundeliegendem Einrichtungsgesetz wird das Verwaltungssystem entsprechend den unterschiedlichen Politikfeldern strukturiert. Zusätzlich findet eine Strukturierung statt, die sich auf Grund der Einteilung in Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung ergibt. Es kann in diesem Zusammenhang auch von sogenannten Mehrebenen- und Mehrspartensystemen gesprochen werden. Mit dem Begriff der Mesostruktur werden einzelne Verwaltungen sowie deren Gliederung bezeichnet. Auf kommunaler Ebene wäre dies z.B. die Gliederung der Verwaltung in ihre einzelnen Ämter und Betriebe. Die Mikrostruktur bezeichnet die Ausgestaltung der einzelnen Verwaltungseinheiten, insbesondere ihre Aufbau- und Ablaufstruktur[25].

Vor allem dem aus der Organisationslehre bekannten Einliniensystem[26], mit seiner pyramidenförmigen Struktur, in der zwischen Ausführungsebene, mittlerer- sowie oberer Führungsebene differenziert wird, kommt in der Verwaltungspraxis eine entscheidende Rolle zu, zählt es doch zu dem am weitverbreitetsten Modell in diesem Bereich. Die oberste Führungsebene, meist durch nur ein Führungsorgan repräsentiert, bildet hierbei die Spitze der Verwaltung. Darunter finden sich in der Regel mehrere nebeneinander angegliederte Führungsstellen wieder, wobei die Differenzierung meist einen divisionalen Charakter ausweist und unter dem Aspekt der Querschnitts- (Organisation, Personal, Finanzen, etc.) und Fachaufgaben (Soziales, Bildung, Bauwesen, etc.) erfolgt[27]. Auf der nachgelagerten Ausführungsebene werden zumeist gleich gelagerte bzw. ähnliche Aufgaben durchgeführt[28]. Grundannahme dieses Systems ist die Eigenschaft, dass jeder Mitarbeiter nur einen Vorgesetzten hat, wobei die Kommunikation über dem Dienstweg bzw. Instanzenzug entlang der Linien erfolgt.

Eine Weiterentwicklung dieses Systems stellt das Stabsliniensystem dar, in welchem durch sogenannte Stäbe, auf den Führungs- bzw. Leitungsebenen, eine Ergänzung (z.B. durch Referenten) stattfindet. Diese auf Dauer ausgelegten Stabsstellen verfügen über kein unmittelbares Weisungsrecht und sind außerhalb der hierarchischen Ordnung der Linie angesiedelt. Im Mittelpunkt stehen vor allem beratende sowie unterstützende Tätigkeiten. Diese Form der Organisation findet sich daher meist in den größeren Städten wieder. Daneben existieren grundsätzlich noch weitere Formen und Modelle der Organisationslehre. Zu nennen seien hier bspw. die Matrix- oder Projektorganisation. Im Bereich der Verwaltung sind diese bis jetzt aber kaum etabliert[29].

4. Das Neue Steuerungsmodell

Mit dem Neuen Steuerungsmodell wurde in Deutschland erst relativ spät auf Reformtendenzen in der öffentlichen Verwaltung reagiert. Während im Vergleich dazu Länder wie die USA oder das Vereinigte Königreich bereits früh Reformen in diesem Bereich diskutierten und erste Maßnahmenkataloge umsetzten, die allgemein hin auch mit dem Begriff des New Public Management (NPM) umschrieben werden, war dies in Deutschland lange Zeit nicht der Fall. Zwar zeigten sich auch in der Bundesrepublik teilweise zu einem frühen Stadium erste Anzeichen und Ideen; zu einer konkreten Umsetzung kam es aber so gut wie nie[30]. Erst Ende der 1980er Jahre wurde, durch die in Köln ansässige Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung[31] (KGSt), unter Führung ihres damaligen Vorstands Gerhard Banner, mit dem sogenannten Neuen Steuerungsmodell erstmals einer breiten Öffentlichkeit ein mit dem NPM vergleichbares Konzept vorgestellt[32]. Ziel des Konzepts war es, den öffentlichen Sektor, in einer Zeit voller Umbrüche, fit für die Zukunft zu machen[33].

Ausgangspunkt des Reformmodells stellten dabei zuerst weniger haushaltspolitische Gründe, wie dies bei vergleichbaren NPM-Ansätzen in anderen Länder der Fall war, sondern vielmehr die Frustration der Führungskräfte in Bezug auf die Steuerung der Verwaltungen dar[34]. Erst später und auf Grund zunehmender finanzieller Schwierigkeiten im öffentlich Sektor, wurde auch dieses Themenfeld mit in das NSM aufgenommen[35]. Zur Ursachenanalyse und Beschreibung der Funktionsmängel, formulierte die KGSt eine Reihe sogenannter „Steuerungsmängel“, welche dabei helfen sollten, die zu dieser Zeit herrschende Problemlage der Verwaltungen genauer bestimmen zu können:

- Strategielücke: Fehlende Orientierung an klar definierten mittelfristigen Zielen sowie Prioritäten.
- Managementlücke: Mangelende Anreize zur Strukturanpassung und Leistungssteigerung, System der zentralen Ressourcenzuteilung, Lücke zwischen definierten Budget und erbrachter Leistung, keine zeitnahe Anpassung an Nachfrageveränderungen.
- Attraktivitätslücke: Sinkende Attraktivität des Verwaltungssektors und zunehmende Schwierigkeit qualifiziertes Personal zu akquirieren, starre Organisationsformen, mangelnder Gestaltungsmöglichkeiten auf Führungsebene.
- Legitimitätslücke: Mangelnde Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung, fehlende Rechenschaftsdarlegung über Effizienz, Zielgenauigkeit und Qualität der kommunalen Leistungen.[36].

Die Kritik richtete sich vornehmlich gegen das klassische Bild einer bürokratischen Verwaltung mit seiner zentralistischen Steuerung, wie sie bereits auch schon von Max Weber angeprangert wurde[37]. Im Rahmen der Konzeptentwicklung sowie des Reformdiskurs wurde von Seiten der KGSt immer wieder auf den bereits in der niederländischen Stadt Tilburg entwickelten Ansatz zurückgegriffen, da dieser in Hinblick auf seine betriebswirtschaftlichen Komponenten, als besonders vorbildlich angesehen wurde[38]. Die Stadt Tilburg avancierte für die KGSt daher aus mehreren Gründen zu einer Art Modellkommune. Zum einen wurden zwischen niederländischer und deutscher Kommunalverwaltung deutlich mehr Parallelen festgestellt, als dies bspw. im Vereinigten Königreich der Fall gewesen wäre. Zum anderen wurde befürchtet, dass die im angelsächsischen Raum angewandten Ansätze in Deutschland als zu radikal empfunden werden könnten und so möglicherweise ein Scheitern der Reformbemühungen provoziert hätten[39].

[...]


[1] Vgl. Hesse, J.; Ellwein, T. (2004), S.69ff

[2] Vgl. Unruh, P. (2002), S.399

[3] Vgl. Beyme, K. (2010), S.336

[4] Vgl. Art. 83 GG

[5] Vgl. Hesse, J.; Ellwein, T. (2004), S.310

[6] Vgl. Wagner, F.; Blümel W. (1997), S.110ff / Wolff, H. et al. (2004), S.52ff

[7] Vgl. Statistisches Bundesamt (2012), S.29

[8] Vgl. Ismayr, W.: (2003), S.477

[9] Vgl. Art. 30 GG / Art. 85 GG

[10] Vgl. Ismayr, W. (2003), S.478

[11] Vgl. Wollmann, H. (2008), S.86f

[12] Vgl. Wagner, F.; Blümel W. (1996), S.114

[13] Vgl. Wehling, H.; Kost, A. (2010), S.11

[14] Vgl. Osterland, M.; Wahsner, R. (1992), S.8

[15] Vgl. Ismayr, W. (2003), S.477ff

[16] Vgl. Walter-Rogg, M. et al. (2005), S.430

[17] Vgl. Wollmann, H. (2008), S.88

[18] Vgl. Kersting, N. (2004), S.128

[19] Vgl. Naßmacher, H.; Naßmacher, K. (2007), S.48

[20] Vgl. Naßmacher, H.; Naßmacher, K. (2007), S. 204f

[21] Vgl. Ismayr, W. (2003), S.479

[22] Vgl. Richter, P. (2012), S.91

[23] Vgl. Grimmer, K. (2004), S.23

[24] Vgl. Müller, H. (1996), S.188

[25] Vgl. Grimmer, K. (2004), S.24f

[26] Vgl. Freibert, A. (1989), S.138f

[27] Vgl. Reichard, C. (1996), S.53

[28] Vgl. Müller, H. (1997), S.191f

[29] Vgl. Freibert, A. (1989), S.141ff

[30] Vgl. Banner, G. (1991), S.10

[31] Seit 2005 firmiert sie unter dem Namen „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement“. Vgl. KGSt (2005), S.2

[32] Die KGSt, ein von Städten, Gemeinden sowie Kreisen getragenes Entwicklungszentrum für kommunales Management, stellt unabhängig vom Staat ihren Mitgliedern Grundsätze und Regeln zum Thema kommunales Management zur Seite und berät bei Fragen der Umsetzung. Das NSM kann somit als ein von den Kommunen auf freiwilliger Basis umgesetztes Konzept angesehen werden, da sowohl für das NSM sowie für andere Reformansätze der KGSt keine Umsetzungspflicht besteht. Die entwickelten Ansätze besitzen vielmehr einen Empfehlungscharakter. Vgl. KGSt (2008), S.2ff

[33] Vgl. Reichard, C. (2010), S.163f

[34] Vgl. ebenda, S.164

[35] Vgl. KGSt (1993), S.8

[36] Vgl. KGSt (1993), S.9ff

[37] Vgl. Jann, W. (2011), S.100

[38] Vgl. Reichard, C. (2010), S.164

[39] Vgl. KGSt (1993), S.24

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Das Neue Steuerungsmodell. Modernisierung der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland. Umsetzungsstand und Erfahrungen
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus)
Veranstaltung
Lehr- und Forschungsbereich für Verwaltungsmanagement, E-Government und Public Governance
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
46
Katalognummer
V379521
ISBN (eBook)
9783668565142
ISBN (Buch)
9783668565159
Dateigröße
699 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neues Steuerungsmodell, KGSt, Organisationslehre, öffentliche Verwaltung, Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, Tilburger Modell, Verwaltungsreform, New Public Management, Verwaltungsmodernisierung, Verwaltungsführung und -steuerung, Führungs- und Organisationssturktur, Outputsteuerung, Wettbewerbs- und Kundenorientierung, Reform, NSM, Rational Choice, Implementation, Neue Steuerungsmodell, Steuerungsmodell, Tilburg
Arbeit zitieren
Johannes Klein (Autor:in), 2013, Das Neue Steuerungsmodell. Modernisierung der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland. Umsetzungsstand und Erfahrungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379521

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