Wie wird die Implantatprothetik in Bezug auf die zahngetragene Prothetik wahrgenommen und reflektiert?

Eine Ist-Analyse auf Basis von Fachbüchern, Befragungen und Laborbefunden am Beispiel des Versorgungskonzeptes nach Maló


Masterarbeit, 2017

110 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Thematischer Hintergrund
1.2 Teamarbeit in der Zahnheilkunde
1.3 Abformung multipler Implantate
1.3.1 Grundlagen der zahnärztlichen Abformung
1.3.2 Verfahren der Abformung in der Implantatprothetik
1.3.3 Darstellung in der Literatur
1.4 Versorgungsformen zahnloser Kiefer
1.4.1 Kugelkopfankerversorgung
1.4.2 Locator-Versorgung
1.4.3 Teleskopkronen-Versorgung
1.4.4 Stegversorgungen
1.5 Leitlinie zur Versorgung des zahnlosen Oberkiefers
1.6 Maló-Konzept
1.7 Der Sheffield-Test
1.8 Zahnärztliche Fortbildungsformate
1.9 PEERS
1.10 Wie entstand das Forschungsinteresse?
1.11 Zielsetzung und Fragestellung

2 Methodisches Vorgehen
2.1 Darstellungen zum Thema Implantatabformung und Sheffield-Test in deutschsprachiger Fachbuchliteratur seit dem Jahre 2000
2.2 Befragungen in Fortbildungsveranstaltungen
2.2.1 Feldzugang
2.3 Online-Befragung innerhalb einer Expertengruppe
2.4 Charakterisierung der teilnehmenden Zahnärzte
2.5 Untersuchungen an Implantatabformungen in der Zahntechnik

3 Ergebnisse
3.1 Darstellungen in deutschsprachiger Fachbuchliteratur
3.1.1 Implantatprothetik - „Dental-Labor“ Fachbuchreihe 2002
3.1.2 Implantologie - Urban & Fischer Verlag 2004
3.1.3 Implantatprothetik 2- „Dental-Labor“ Fachbuchreihe 2004
3.1.4 Zahnärztliche Prothetik - Thieme-Verlag 2007
3.1.5 Lehrbuch der zahnärztlichen Prothetik - Für Studium und Beruf - Deutscher Zahnärzte Verlag 2007
3.1.6 Zahnärztliche Implantologie unter schwierigen Umständen - Thieme- Verlag 2007
3.1.7 Curriculum Prothetik Band III - Quintessenz-Verlag 2011
3.1.8 Implantatprothetik aktuell - Zahnärztlicher Fach-Verlag 2011
3.1.9 Sofortbelastung - Eine neue Ära der dentalen Implantologie - Quintessenz-Verlag 2013
3.1.10 ITI Treatment Guide Bd 6, Ausgedehnte Lücken in der ästhetischen Zone - Quintessenz-Verlag 2013
3.1.11 Implantatprothetik - Thieme-Verlag 2014
3.1.12 Implantatprothetik - ein patientenorientiertes Konzept - Quintessenz- Verlag 2014
3.1.13 Funktionelle Implantologie - Quintessenz-Verlag 2016
3.1.14 ITI Treatment Guide Bd 9, Implantatversorgungen bei alten und hochbetagten Patienten - Quintessenz-Verlag 2017
3.1.15 Zusammenfassung
3.2 Auswertung der Paper&Pencil-Befragung
3.2.1 Charakterisierung des Untersuchungsfeldes
3.3 Abformtechnik Paper&Pencil-Befragung
3.3.1 Befragung zur Thematik Abformung über Fragebogen
3.4 Versorgungsform des Unterkiefers aus der Paper&Pencil-Befragung
3.5 Versorgungsformen des Oberkiefers aus der Paper&Pencil-Befragung
3.6 Sheffield-Test
3.7 Auswertung der Online-Befragung (Mail-Survey)
3.7.1 Feldarbeit und Ausschöpfung der Online-Befragung
3.7.2 Demografische Daten in der Online-Befragung
3.7.3 Mitgliedschaften in implantologischen Fachgesellschaften und postgraduelle Weiterbildungen in der Online-Befragung
3.7.4 Verteilung nach Praxisform in der Online-Befragung
3.7.5 Abformtechnik in der Online-Befragung
3.7.6 Versorgungsformen des Unterkiefers in der Online-Befragung
3.7.7 Versorgungsformen des Oberkiefers in der Online-Befragung
3.7.8 Sheffield-Test
3.8 Vergleich Paper&Pencil- und Online-Befragung
3.9 Zahntechnische Untersuchung zur Abformtechnik

4 Diskussion
4.1 Betrachtung zu den Befragungen dieser Arbeit
4.2 Zusammensetzung der befragten Klientel
4.3 Abformung und Sheffield-Test im Spiegel der Fachbücher
4.4 Versorgungen der Zahnlosigkeit im Spiegel der Befragungen
4.5 Oberkieferversorgung im Spiegel der Befragung unter Einbeziehung der aktuellen S3-Leitlinie
4.6 Fazit
4.7 Ausblick

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhänge

Danksagung

Erklärung

1 Einleitung

1.1 Thematischer Hintergrund

Eine mund-, kiefer-, gesichtschirurgische und implantologische Praxis ist eine rein chi- rurgisch tätige Praxis, die auf Überweisung durch Hauszahnärzte chirurgische Auf- tragsleistungen durchführt. 30,6 Prozent der Zahnärzte sehen auch die Implantologie bei einem Spezialisten, einem Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen, angesiedelt und sind somit nur implantatprothetisch tätig.1 Nach Abschluss der mund-, kiefer-, gesichtschi- rurgischen Behandlung kehrt der Patient mit einem aussagekräftigen Arztbrief, der stets den Verlaufsberichten folgt, zu seinem Hauszahnarzt zurück. Im Falle der denta- len Implantologie erhält der Abschlussarztbrief in einer Zusammenfassung Empfeh- lungen zur prothetischen Weiterversorgung, zum größten Teil in Form von Literaturan- gaben. Bei eigenen Nachuntersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Emp- fehlungen oftmals nicht in Erwägung gezogen und/oder nicht zur Anwendung kamen. Nach dem OLG Zweibrücken legt „grundsätzlich (…) der [prothetische Zahn]Arzt die Behandlungsmethode fest, wobei er einen gewissen Entscheidungsspielraum hat“.

Mit der Einführung der 3D-Diagnostik in Kombination mit der Guided Surgery und der Behandlungsmethode nach dem Maló-Konzept wurde der prothetische Entscheidungsspielraum stark eingeschränkt. Das Maló-Konzept beinhaltet zwei gerade gesetzte Implantate im anterioren und zwei anguliert gesetzte Implantate im posterioren Kieferbereich, die als Träger einer festsitzenden Brücken- oder Stegkonstruktion bei Zahnlosigkeit dienen. Damit wird die prothetische Versorgung auf eine festsitzende Brücken- oder Stegkonstruktion reduziert.

Das Maló-Konzept ist der Überbegriff für diese Versorgungsform und erhielt seinen Namen nach seinem Erstbeschreiber und Entwickler Prof. Paulo Maló aus Lissabon. Dieser arbeitet mit dem Implantatanbieter Nobel Biocare® und das Konzept wird als All-on-4® Behandlungskonzept für den Unterkiefer bezeichnet und für den Oberkiefer als All-on-6®. Bei dem Implantatanbieter Dentsply Sirona ist es als SmartFix™-Kon- zept bekannt und bei der Firma Straumann® Pro Arch Lösung. Letztgenannte Implan- tatsysteme kommen in der mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen „Überweiserpraxis“ zur Anwendung.

Um den überweisenden Zahnärzten eine Einführung in diese technikaffine Thematik anzubieten, wurde 2013 eine Kickoff-Veranstaltung als industrieunterstützte „Über- weiserfortbildung“ mit dem Titel „SmartFix™-Sofortversorgungskonzept und compu- tergestützte Navigation“ durchgeführt. Es wurden alle Aspekte dieser Versorgungs- form in der „Überweiserfortbildung“ erläutert und auch insbesondere die prothetische Weiterversorgung mit allen seinen Behandlungsschritten in der Hauszahnarztpraxis demonstriert. Trotz telefonischer und schriftlicher Kommunikation sowohl vor als auch nach erfolgter Behandlung kam es immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten in der prothetischen Behandlung bis zum Behandlungsabbruch mit Verlust des Patienten für die Hauszahnarztpraxis und ggfs. Verlust des zahnärztlichen Überweisers für die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgiepraxis.

Zunächst wurde seitens der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie eine typische Schnittstellenproblematik vermutet, wie diese in der Masterarbeit „Schnittstellen zwi- schen MKG-Praxis und Überweisern“ von Albert-Deumlich2 bearbeitet wurde. Da eine ausführliche Kommunikation und ein unbelastetes interkollegiales Verhältnis bestan- den, wie Albert-Deumlich es als Grundvorrausetzung eruierte, wurde zunächst eine Stärkung der Teamarbeit3 in den Mittelpunkt gestellt. Es wurde eine Begleitung der Prothetik durch den jeweiligen Außendienstmitarbeiter des Implantatherstellers und unter Hinzuziehung eines zahntechnischen Labors mit entsprechender Kernkompe- tenz auf dem Gebiet der CAD/CAM-Technologie durch den Mund-, Kiefer- und Ge- sichtschirurgen vermittelt. Im Weiteren wurde für die zahntechnischen Laboratorien der Region das Maló-Konzept in einer eigenen Fortbildungsveranstaltung für Zahn- techniker4 erläutert.

Im Wiederholungsfalle, bei Anwendung eines anderen Implantatsystems nach dem gleichen Versorgungsprinzip oder bei großer zeitlicher Distanz zwischen zwei Versor- gungsfällen - nur 8 Prozent des Indikationsspektrum in der oralen Implantologie be- ziehen sich auf die Situation der Zahnlosigkeit5 und damit auf dieses Konzept - traten die gleichen Probleme erneut auf. Insbesondere wurde aus Gewohnheitsgründen in der zahntechnischen Laborauswahl wieder das zahntechnischen Labor ausgewählt, das seit Jahren genutzt wird und keine Kernkompetenz auf dem Gebiet der CAD/CAM- Technologie ausweist. Einen Hinweis für diese Problematik gibt vielleicht Daszkowski6 in ihrer Masterarbeit „Wahrnehmung und Umsetzung aktueller wissenschaftlicher Er- kenntnisse in der zahnärztlichen Praxis […]“, in der sie feststellte, „dass bei Zahnärzten kein selbstinitiierter aktiver Informationsbeschaffungsprozess stattfindet. […] Die Fra- gestellung, wie neues Wissen in den Praxisalltag integriert wird, nimmt im Bewusstsein der Zahnärzte keinen zentralen Platz ein“, obwohl „der effiziente Umgang mit Informa- tionen und Wissen eine zentrale Schlüsselqualifikation in der Informations- und Wis- sensgesellschaft ist. Die Ansprüche an Darstellung und Vermittlung von Wissen stei- gen ständig.“7 Andererseits gab es in der zahnärztlichen Profession immer schon ein hohes Fortbildungsverlangen und auch eine Fortbildungskultur. Bergmann-Krauss, Mi- cheelis und Walther8 konnten zeigen, dass unter allen Fortbildungsangeboten der Im- plantologie ein besonders großes Interesse galt. „Annähernd die Hälfte der Befragten hat sich im Beobachtungszeitraum [1. Halbjahr 2004] diesem Thema gewidmet.“9 Zu- dem besteht in der Zahnärzteschaft über das Berufsrecht die Verpflichtung zur Fortbil- dung10. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2004 die Fortbildungspflicht der Vertragszahn- ärzte auch im Sozialgesetzbuch geregelt11. Die detaillierte Regelung erfolgte mit dem Fortbildungsnachweis12.

1.2 Teamarbeit in der Zahnheilkunde

„Die Digitalisierung, insbesondere im Bereich der Zahntechnik, verändert die Zahnheilkunde und erfordert neue Therapie- und Teamwork-Konzepte. Wird der Begriff Teamarbeit unter der Suchmaschine Google eingegeben, werden ca. 853.000 Ergebnisse angezeigt. Wird das Verb „regeln“ hinzugefügt, er- scheinen ca. 1.270.000 Ergebnisse. Die stetig steigende Aufgabenkomplexi- tät in der Zahnheilkunde fordert ein hohes Maß an Teambildung ein, da In- formationsverarbeitung, Steuerung und Verantwortung nicht mehr problem- los von Einzelpersonen gehandhabt werden können. Hierbei ist es wichtig, dass die Teammitglieder möglichst unterschiedliche Qualifikationen besitzen, um sich gegenseitig optimal zu ergänzen (Abbildung 1)13. Dieses ist gerade in der Implantologie mit dem chirurgischen Implantologen, dem Mund-, Kie- fer- und Gesichtschirurgen, dem prothetischen Implantologen, dem Haus- zahnarzt als Lotse in der Zahnmedizin, und dem Zahntechniker gegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Teamuhr

In den ersten drei Phasen der Teamentwicklung kann der Außendienstmitar- beiter des Implantatanbieters bei diesem Konzept eine entscheidende Rolle übernehmen. Die Einstiegsphase ist durch Unsicherheit und mangelnde Kon- zeptkenntnisse gekennzeichnet. Es geht zunächst darum, dass Teammitglie- der sich miteinander bekannt machen und ihre Zugehörigkeit in einer Be- handlergruppe finden und absichern. Erste Ziele und Regeln werden defi- niert. Die Gruppe wendet sich […] der Aufgabe zu. Die Beziehungen der Teammitglieder untereinander sind noch unklar.14 Die zweite Phase birgt in der Teambildung die größten Gefahren, da hier viele Teams scheitern und anfangen, „gegeneinander“ zu arbeiten. Begünstigt durch das straffe Smart- Fix-Behandlungskonzept, einen koordinierenden Außendienstler und einen wertschätzenden Umgang der Teammitglieder untereinander, kann diese sonst kritische Phase erfolgreich überstanden werden. In der dritten Phase des „Norming“ werden Schnittstellen der Arbeitsabläufe und Versorgungs- konzepte diskutiert oder durch Übereinkunft gefunden und eingehalten. Die Teammitglieder haben ihre Rollen gefunden. In entscheidender vierter Phase „Performing“ handelt das Behandlerteam geschlossen und orientiert sich am gemeinsamen Behandlungsziel. Die Teammitglieder arbeiten erfolgreich zu- sammen in einer Atmosphäre von Anerkennung, Akzeptanz und Wertschät- zung.15 Um das Behandlerteam, das sich für die Behandlung eines Patien- tenfalles gebildet hat, weiter zu motivieren, sind die sehr gute kommunikative Fähigkeit und positive Ausstrahlung des Außendienstlers im Sinne einer in- tensiven Betreuung der Teammitglieder gefragt.16 Nur so können weitere Pa- tienten entsprechend dem SmartFix-Lösungskonzept therapiert werden und sich ein neues Behandlungskonzept in der Praxis etablieren. Ansonsten läuft das Team Gefahr, nicht über die Stormingphase hinauszukommen. Gerade die Patientenaufklärung ist geprägt von der Darstellung individueller Möglich- keiten einer Versorgung. Ein Behandler kann aber nur über Möglichkeiten einer Versorgung aufklären, wenn diese ihm bekannt sind. Besonders beim hier beschriebenen Konzept ist die Belastung für Patienten bezogen auf den unmittelbaren Benefit mit der Sofortversorgung gering, obwohl trotzdem manchmal parallel Knochenaufbauten notwendig sind. Das neue Patienten- rechtegesetz von 2013 gibt unter dem Punkt „Aufklärung des Patienten“ den eindeutigen Hinweis, dass auf Alternativen hinzuweisen ist, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken, Ergebnissen oder Heilungschancen führen können.“17

1.3 Abformung multipler Implantate

1.3.1 Grundlagen der zahnärztlichen Abformung

Die Verweildauer von Zahnimplantaten in der Mundhöhle ist wesentlich beeinflusst durch die Spannungsfreiheit der Suprakonstruktion.18 Spannungen in den ImplantatProthetik-Komponenten, die bei inkorrekter Passung zwischen Implantat und Abutment entstehen, können zu knöcherner Überlastung, krestalem Knochenabbau, Mukositis, Periimplantitis, Lockerung oder Fraktur der Abutmenthalteschraube und Implantatlockerung mit nachfolgendem Implantatverlust führen.

Die Übertragung der intraoralen Implantatsituation in eine Laborsituation erfolgt stets über eine Abformung, um von der intraoralen Situation eine Negativform zu erhalten. Die Negativform dient dazu, eine Positivform, das Modell, anfertigen zu können. Mit diesem besteht dann die Möglichkeit im zahntechnischen Labor eine entsprechende Restauration zu erstellen.19 Die Abformung ist abhängig vom Abformmaterial, von der Abformtechnik und dem Herstellungsprozess des zahntechnischen Modells auf dem die Suprakonstruktion erstellt wird. Treten in dieser Herstellungskette Fehler auf, er- fahren diese eine kumulative Häufung und ggfs. eine Verstärkung.20

Ein osseointegriertes Implantat ist starr im Knochen verankert. Die starre Verbindung zwischen Knochen und Implantat verlangt nach Spannungsfreiheit zwischen Implantat und Abutment. Die Forderung nach Spannungsfreiheit der einzubringenden Implantatprothetik ist in der Literatur unumstritten.21,22,23

1.3.2 Verfahren der Abformung in der Implantatprothetik

Seit Beginn der Implantologie befassen sich Studien mit der Abformtechnik in der Implantologie und deren Genauigkeit. Lee et al.24 fasste 2008 in seiner Metaanalyse bis dahin erhobene Ergebnisse aus 17 Studien zusammen. Er stellte die zwei existierenden Abformmethoden gegenüber:

1 Die indirekte geschlossene Abformung mittels Transferkappen, auch als Transfer- Methode oder Repositionsverfahren bezeichnet. Im Weiteren wird diese als indirekte Methode bezeichnet.
2 a Die einfache oder direkte Methode, auch als Pick Up-Methode oder offene Abfor- mung bezeichnet. Im Weiteren wird diese als einfache direkte Methode bezeich- net.
2 b Die einfache oder direkte Methode mit Verblockung, auch als offene Abformung mit Verblockung bezeichnet. Im Weiteren wird diese als einfache direkte Methode mit Verblockung bezeichnet.

1.3.2.1 Indirekte Methode

Bei der indirekten Technik oder Repositionstechnik finden Implantatabformpfosten Verwendung, die eine konische oder zylindrische Form besitzen. Sie sind durch Schrauben mit den Implantaten fixiert und verbleiben dadurch nicht in der Abformung. Anschließend werden die Abformpfosten gelöst und für die Herstellung des Meistermodells mit Implantatanaloga verschraubt. Die Abformpfosten werden mitsamt der Modellreplika in den Abdruck reponiert.

1.3.2.1.1 Verwendung unterschnittiger Abformpfosten

„Bei diesem Verfahren verbleiben die unterschnittigen, verschraubten Implantatabformpfosten nach Entfernung des Abdrucks im Mund. Die Schrauben werden erst nach Entnahme gelöst und die Pfosten in die Abformung reponiert. Dies kann aber auf Grund der Unterschnitte zu extrem verfälschten Positionen der Implantatanaloga im Modell führen.2526

1.3.2.1.2 Verwendung von Transfer-Caps

„Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Pick-Up- und Repositions- technik: Die in das Implantat eingeschraubten Abformpfosten werden mit je einem unterschnittigen Transfer-Cap aus Kunststoff versehen. Die Caps ver- bleiben nach Abdrucknahme in der Abformung. Anschließend wird zur Mo- dellherstellung je ein Laboranalogon in diese eingesteckt. Diese Technik weist gegenüber der herkömmlichen Repositionstechnik eine erhöhte Präzision auf.27,2829

1.3.2.2 Einfache direkte Methode

Die einfache direkte Methode, auch Pick-Up-Technik genannt, zählt zu den offenen Abformmethoden, bei welcher die unterschnittigen Abformpfosten in der Abformung verbleiben. Dieses ist von besonderer Wichtigkeit, da die Abformpfosten mit ihren Un- terschnitten ihre Retention in der Abformmasse finden. Ähnlich wie bei der Repositi- onstechnik wird der Abformpfosten mittels einer Schraube am Implantat befestigt. Als Abformlöffel kann ein spezieller Implantatabformlöffel z.B. Miratray Implant Löffel oder klassischerweise ein individueller Löffel mit Perforationen im Bereich der Implantate benutzt werden, wobei einige Anwender den Zugängen Verstärkungen hinzufügen, um die Abformpfosten zusätzlichen zu stabilisieren („Schornsteine“).

1.3.2.3 Einfache direkte Methode mit Verblockung

Eine Besonderheit ist die Verblockung der Abformpfosten untereinander mit Acrylatkunststoff und Zahnseide. Hierbei werden zunächst die Gingivaformer abgeschraubt und entfernt. Dann werden die Abformpfosten für die offene Implantatabformung aufgeschraubt. Im nächsten Schritt werden die Implantatabformpfosten mit Zahnseide in 8er-Ligaturen untereinander verblockt. Die Zahnseide wird mit schrumpfungsarmen Acrylatkunststoff GC Pattern Resin™ LS verstärkt.

1.3.3 Darstellung in der Literatur

Albert Franke30 hat in seiner Promotionsschrift aus dem Jahre 2014 die gesamte eng- lischsprachige Literatur aufgearbeitet. Diese Zusammenfassung bezieht sich im We- sentlichen auf das systematische Review31 aus dem Jahre 2008 über alle verfügbaren Studien zum Thema Implantat-Abformtechniken, welche in den Jahren 1980-2008 pu- bliziert wurden.

„Insgesamt hatten [Lee et al.] über allgemeine Recherchen 17 in vitro Studien ausfindig machen können, welche die Genauigkeit zwischen geschienter und nicht geschienter Abformtechnik untersuchten. Von den 17 Studien befürwor- teten sieben die geschiente Implantatabformung mittels Kunststoffverblo- ckung, während drei Studien bessere Ergebnisse bei den nicht geschienten Multi-Implantat-Abformungen vorfanden. Die übrigen Studien kamen zu dem Schluss, dass keine der beiden Methoden genauere Abformungen lieferte. Um […] zwischen geschlossener und offener Implantatabformung zu unter- scheiden, analysierten Lee et al. auch diese Studien und fanden insgesamt 14 Studien […]. Fünf Studien stellten eine höhere Abformungspräzision der offenen Abformtechnik, zwei Studien stellten akkuratere Abformungen bei der geschlossenen Abformung fest. Die restlichen Sieben Studien konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Methoden herausfin- den.“32

In Fortführung der Übersichtsarbeit von Lee et al. konnte Franke33 22 weitere Studien finden, die eine höhere Abformgenauigkeit bei verblockten Abformpfosten gegenüber unverblockten belegten. Laut Franke kamen fünf Studien zu prinzipiell anderen Resul- taten. Zehn Studien kamen zu dem Ergebnis, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Methoden existierten. Franke kam aufgrund seiner Statistik zu der Erkenntnis, dass 60 Prozent der Autoren eine Verblockung bevorzugen, 27 Prozent diese ablehnen und 13 Prozent keinem dieser Abformverfahren einen Präzisionsvorteil zuschrieben. Franke bewertete das von ihm untersuchte Studienmaterial kritisch, da hier stets parallel ausgerichtet Implantatmodelle zur Anwendung kamen. In seiner Ar- beit wurden Abutmentverblockungen für multiple Implantate im Oberkiefer mit deutlich unterschiedlicher Achsausrichtung, die der Praxisrealität viel näherkommen, nachun- tersucht. Seine „Ergebnisse zeigten signifikante Abweichungen. Die verblockte direkte Abformtechnik erreichte die präziseste Imitation des Urmodells, gefolgt von der Trans- fertechnik. Die unverblockte direkte Technik erzielte im Vergleich die ungenauesten

Werte.“34 Zudem hat die Wahl der Implantatabformungstechnik eine größere Auswir- kung auf die Genauigkeit des Abformergebnisses als die Wahl des Abformmateria- les.35,36 Ebenso hat die Wahl des verwendeten Implantatsystems einen Einfluss auf die Abformgenauigkeit.37 Die Abformtechnik hat zusammenfassend den größten Ein- fluss.

1.4 Versorgungsformen zahnloser Kiefer

Der zahnlose atrophe Kiefer, insbesondere der Unterkiefer, gilt als klassisches Indikati- onsgebiet für den implantatgetragenen Zahnersatz, wobei die Verankerung mittels Zahn- implantaten bei insuffizientem Prothesenlager als absolute Indikation einzustufen ist.38

1.4.1 Kugelkopfankerversorgung

Das Kugelkopfankersystem funktioniert nach dem Druckknopf-Prinzip. Der Kugelanker-Aufbau wird in das Implantat eingeschraubt, die Kappe passend in die Prothese eingearbeitet. Bei Aufsetzten der Prothese schnappt die Kappe über die Kugel ein und sichert so den Halt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kugelkopfanker-Aufbau mit Druckknopfkappe in Funktion und klinische Situation (Quelle: Dentsply Sirona)

1.4.2 Locator®-Versorgung

Der Locator®-Aufbau und die zugehörige Patrize wurden von der amerikanischen Firma ZEST Anchors entwickelt. Die Matrize besteht aus Metall mit einem Außenring, einer kleinen Innennut mit zentralen Vertiefung. Als Matrize dient eine Metallkappe, die einen patentierten Friktionseinsatz aus Hartplastik beherbergt, welche in die Patrize auf dem Implantat einschnappt. Die Friktions- oder Retentionseinsätze sind auswech- selbar und in verschiedenen, farbcodierten Haltekraftstufen verfügbar.39

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Locator™-Abutment mit Metallmatrize und Retentionseinsätze in Funktion und klinische Situation

(Quelle: Dentsply Sirona und Camlog Biotechnologies)

1.4.3 Teleskopkronen-Versorgung

Das zahntechnische Konzept der Teleskopkronen-Prothese, die abnehmbare Brücke, (Doppelkronen oder Konuskronen genannt) wurde in den 70er Jahren in Deutschland entwickelt.

1.4.3.1 Konzept der zahntechnisch individuell gefertigten Konuskronen

Der teleskopierende Zahnersatz besteht aus fest auf Implantataufbauten verbleiben- den, sogenannten Innenteleskopen, sowie dem abnehmbaren Anteil mit Außenteles- kop-Kronen und den ersetzten Zähnen. Die Innenteleskop-Kronen (es können auch speziell gefertigte Abutments sein) müssen so exakt parallel zueinander stehen, dass eine sogenannte gemeinsame Einschubrichtung entsteht, damit die Außenteleskop- Kronen über die Innenteleskope exakt gleiten können, bis sie in der Endposition die Innenteile komplett bedecken. Der Halt entwickelt sich durch Reibungshaftung (Friktion) zwischen den Innen- und Außenkronen, aus denen sich die Bezeichnungen Doppel- bzw. Teleskopkronen ableiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Doppel- bzw. Teleskopkronen auf Zahnimplantaten in klinischer Situation (Quelle: Camlog Biotechnologie)

1.4.3.2 Konzept der industriell gefertigten Konuskronen

Im Bereich der Implantat-Aufbau-Verbindungen stellt das Konusprinzip eine weitere Verbindungsmöglichkeit dar. Über die SynCone®-Halteelemente wird die SynCone®-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: SynCone®-Kappe und klinische Situation

(Quelle: Dentsply Sirona)

Prothese durch eine kraftschlüssige und quasi spaltfreie Verbindung präfabrizierter Konuskronen und -kappen mittels Friktion fixiert und sitzt dadurch höchst stabil und frei von Mikrobeweglichkeit. Die intraorale Integration der Kappen in die Prothese sorgt für spannungsfreien Sitz. So ermöglicht SynCone® eine weitestgehende Reduktion des Prothesenkörpers und erhält eine herausnehmbare Versorgung mit dem Tragekomfort einer festsitzenden Brücke.

1.4.4 Stegversorgungen

Die Verankerung einer Vollprothese auf Zahnimplantaten, die über einen Steg miteinander verbunden sind, ist die älteste und damit bewährteste Form des Zahnersatzes auf Zahnimplantaten. Mit dieser Technologie hat die Erfolgsgeschichte der Implantate durch Ingvar Brånemark40 in den 60er Jahren begonnen.

1.4.4.1 Gegossene Stegkonstruktionen

Die Idee für den Halt beruht dabei auf der Technik, Implantate untereinander durch einen gegossenen Metallsteg, meistens aus Gold, zu verbinden, damit eine sichere, verblockte Einheit entsteht, auf der der Zahnersatz Halt finden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Angestiftete Wachsmodulation und gegossener Steg auf dem Modell mit Zahnfleisch- maske

(Quelle: Zinser Dentaltechnik GmbH)

1.4.4.2 Dolder-Stegkonstruktionen

Der Dolder-Steg ist im Querschnitt oval oder tropfenförmig, Die Klemmwirkung wird von nach unten offenen Stegreitern aus Metall erzielt, die in die Prothesenbasis ein- gearbeitet werden. Das Dolder-Steggelenk ist ein Verankerungselement, das drei Frei- heitsgrade ermöglicht. Der Steg ist eiförmig und gestattet einen Resilienzausgleich. Die Abstützung und der Halt erfolgen überwiegend durch vom Zahnfleisch getragenem Zahnersatz (gingivale Abstützung). Beim Steggelenk nach Dolder besteht zwischen dem Steg mit ovalem Querschnitt und dem Reiter - in Ruhelage der Prothese - ein Resilienzspielraum von 0,5-1 mm. Dieser Abstand verringert sich mit zunehmendem Kaudruck durch das Nachgeben der Gingiva, bis die Belastung in eine parodontale Belastung übergeht.41

Abbildung 7: Doldersteg, der klassisch aus Permadorkappen und -drähten zusammengelötet wurde (Quelle: Camlog Biotechnologies)

1.4.4.3 CAD-CAM Stegkonstruktionen

Die individuell gefrästen Steg-Geschiebe-Konstruktionen sind mit der CAD/CAM Tech- nologie und der Herstellung aus Titan oder Nichtedelmetall-Legierungen (Cobalt, Chrom und Molybdän) aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit wieder ein Point of Interest in der Patientenversorgung. Massive Stege mit definierter Einschubrichtung unterstützt von Geschieben zur zusätzlichen Fixation sorgen für einen definierten Halt, bei dem kein Wackeln möglich ist. Diese Versorgungsform galt bis in die 90er Jahre als die beste Versorgungsform auf Zahnimplantaten bei Zahnlosigkeit. Der sehr hohe zahn- technische Aufwand und die dadurch extrem hohen Kosten, die zuletzt ursächlich im gestiegenen Goldpreis lagen, ließen diese Versorgungsform ein wenig aus der Mode kommen. Diese Entwicklung wurde durch die industriell gefertigten Implantat-Supra- strukturen, die komplett mit optimierten und individuellen fallabhängigen Frässtrate- gien gefertigt werden, aufgehoben. Diese aus massiven homogenen und porenfreien Titan- oder Kobalt-Chrom-Blöcken gefrästen Konstruktionen zeigen eine präzise und passive Passung der Implantat-Suprastrukturen in Übereinstimmung mit dem Sheffield-Fit-Test42.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: ATLANTIS™ Titan-Suprastrukturen 2in1 (Quelle: Dentsply Sirona)

1.5 Leitlinie zur Versorgung des zahnlosen Oberkiefers

Für die implantatprothetische Versorgung des zahnlosen Oberkiefers bestand auf Basis der Ergebnisse der DGI-Konsensuskonferenzen am 29./30.September 2010, 11. Januar und 25. April 2012 eine S3-Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde, die unter der AWMF-Registernummer 083 -010 abrufbar ist. Die Gültigkeit bestand bis Ende Dezember 2016 und ist abgelaufen. Die Methodik der Leitlinienerstellung basiert auf dem Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) und dem Deutschen Leitlinienbewertungsinstrument (DELBI) von AWMF und Ärztlichem Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Die Empfehlungsgraduierung dieser Leitlinie orientiert sich hauptsächlich an der methodisch aufgearbeiteten Evidenz.

In dieser S3-Leitline gab es einen Expertenkonsens zur Diagnostik und Planung, der wie folgt lautet:

„Gerade für den zahnlosen Oberkiefer ist eine ausführliche Planung unumgänglich. Im Sinne eines Backward Planning soll zunächst die prothetische Planung erfolgen.“43

Die S3-Leitlinie bezieht zur Anzahl der eingesetzten Implantate bei Zahnlosigkeit im Oberkiefer Stellung und trifft eine Aussage zur prothetischen Versorgungsform und deren Evidenz. Im Weiteren heißt es:

„Eine gleichmäßige anterior-posteriore Implantatverteilung im Sinne eines möglichst großen Unterstützungspolygons im Bereich des Zahnersatzes soll angestrebt werden.“44

„Der zahnlose Oberkiefer sollte hinsichtlich der Komplexität und des Aufwan- des der Behandlung nicht unterschätzt werden. Der atrophierte zahnlose Oberkiefer zählt laut SAC (straighforward, advanced, complex)- Klassifika- tion zu den fortgeschrittenen bis komplexen Behandlungs-formen45. Insofern spielt bei dieser Therapieform die Behandlungserfahrung des Zahnarztes eine entscheidende Rolle. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Zahn- arzt / Spezialisten für Prothetik und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen / Oralchirurgen [Spezialisten für Chirurgie] soll in anatomisch komplexen Situationen in Betracht gezogen werden.“46

Hier gibt die Leitlinie indirekt einen Hinweis auf die geforderte Teamarbeit in der Im- plantologie. Diese Leitlinie erfuhr ein Update und eine neue Gültigkeit bis zum Novem- ber 2019.47

1.6 Maló-Konzept

Anfang der Neunziger Jahre hat der Lissabonner Professor Paulo Maló48,49 dieses Konzept entwickelt. Die Indikation für dieses Konzept ist der zahnlose Unter- und Oberkiefer oder der Kiefer mit nicht erhaltungswürdiger Restbezahnung. Das Prinzip besteht darin, vier Implantate, je zwei gerade gesetzte Implantate im Frontzahnbereich und abgewinkelte Implantate im Seitenzahnbereich zu setzen, die dann eine proviso- rische, festsitzende und sofortbelastbare zirkuläre Brücke tragen. Der entscheidende Vorteil ist, dass mit den anguliert inserierten Implantaten im Seitenzahnbereich rele- vante anatomische Strukturen umgangen werden. Diese Implantate können im quali- tativ hochwertigeren Knochen verankert werden. Der Kontaktbereich zwischen Kno- chen und Implantat wird vergrößert, auch zum Teil durch den Einsatz von größeren Implantatlängen. Das bietet einen besseren Halt für die Prothetik. Augmentative Maß- nahmen sind meistens nicht notwendig, daher nur ein chirurgischer Eingriff. Mit dem festsitzenden Zahnersatz erlangen die Patienten unmittelbar mehr Lebensqualität. Der chirurgische Ansatz bietet das klassische Vorgehen mit der typischen Lappenbildung und das Konzept der Mini-Lappenbildung oder sogar flapless. Die endgültige protheti- sche Versorgung nach der Einheilungsphase ist als festsitzende prothetische Lösung möglich.

1.7 Der Sheffield-Test

Der Sheffield-Test50 ist eine aussagefähige Überprüfungsmethode des passiven Sitzes von zahnärztlichen Mesostrukturen. Der Sheffield-Test zeigt eindeutig die Passung oder Fehlpassung der Mesostruktur auf dem Modell und im Mund an. Mit einer Schraube wird die Mesostruktur auf dem Modell am distal positionierten Modellimplantat oder Abutment zur Kontrolle festgeschraubt51. Dabei darf kein Spalt zwischen Mesostruktur und den restlichen Abutments bzw. Implantaten vorhanden sein. Wird eine Spaltbildung festgestellt, liegt eine Passungenauigkeit vor. Diese Passungskontrolle wird wechselseitig an der Mesostruktur vorgenommen. Dieser Test wird bei der Stegoder Brückeneinprobe im Mund des Patienten wiederholt. Eine röntgenologische Überprüfung bei verschraubten Mesostrukturen reicht als Qualitätsmerkmal für einen passiven Sitz nicht alleine aus, gibt aber einen ersten Hinweis.

1.8 Zahnärztliche Fortbildungsformate

Die Leitsätze aus dem Jahre 2004 konkretisieren die Fortbildungspflicht der Vertrags- zahnärzte nach § 95 d SGB V52. Die detaillierte Regelung erfolgte mit dem Fortbil- dungsnachweis53. Zudem ist in den Leitsätzen54 der Bundeszahnärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Kassenzahn- ärztlichen Bundesvereinigung zur zahnärztlichen Fortbildung, gültig seit dem 01.01.2006 und in der aktualisierten Fassung verabschiedet 2016, dargestellt und be- schrieben, was die zahnärztliche Fortbildung umfassen muss. Sie ist ein integrierter Bestandteil der zahnärztlichen Tätigkeit. Die Fortbildungsinhalte und -methoden wer- den beschrieben. Das Qualitätsmanagement wird charakterisiert. Es umfasst die fol- genden Aspekte:

- die Relevanz der Fortbildungsinhalte
- die Qualität der Fortbildungsmethode
- die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen
- die Umsetzbarkeit in der täglichen Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Bewertungstabelle für die zahnärztlichen Fortbildungspunkte

(Quelle: Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg

Als letzter Punkt werden die ethischen Grundsätze der Fortbildung geregelt. Als geeignete Mittel der Fortbildung werden angesehen:

- Fortbildungsveranstaltungen (z.B. Kongresse, Seminare, Kurse, Kolloquien, Demonstrationen, Übungen)
- klinische Fortbildungen (z.B. Visiten, Hospitationen und Fallvorstellungen)
- interkollegiale Fortbildung wie Qualitätszirkel oder Studiengruppen
- Curricular vermittelte Inhalte, z.B. in Form Strukturierter Fortbildung
- Mediengestütztes Eigenstudium (Fachliteratur, elektronische, internetbasierte, digitale Lehr- und Lernmittel)

Die Anbieter sind vielfältig. Es sind Hochschulen, Bundes-, Landes- und Bezirkszahn- ärztekammern und freie Anbieter, wie z. B. Dentaldepots, Zahntechnische Laborato- rien, Dentalindustrie usw. Darüber hinaus kann sich der Zahnarzt nach dem Staats- examen entweder in einer strukturierten Fortbildungsreihe, einem berufsbegleitenden postgradualen Aufbaustudium, einer Habilitation oder einer Vollzeitweiterbildung zum Fachzahnarzt und nach zusätzlichem Medizinstudium auch zum Facharzt weiterquali- fizieren. Vor allem die Einführung des modularen Bewertungssystems nach dem Eu- ropean Credit Transfer and Accumulation System, abgekürzt zu ECTS, zur einheitli- chen Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit von Fort- und Weiterbildungsmaßnah- men als ein zentrales Instrument im Bologna-Prozess spielt in der Zahnheilkunde eine zunehmende Rolle. Hieran ist auch die Bewertungstabelle für die Punktebewertung für Fortbildung orientiert. 25 Fortbildungspunkte müssen pro Jahr erbracht werden, wobei 10 Punkte über das Selbststudium der Fachliteratur angerechnet werden.

1.9 PEERS

Peers ist eine Abkürzung und steht für Platform Exchange Education Research Sci- ence. 55 Dahinter verbirgt sich ein Netzwerk von ausgewählten Spezialisten mit langjäh- riger implantologischer Erfahrung aus Universität, Praxis und zahntechnischen Labo- ratorien. PEERS möchte die Wissenschaft und Fortbildung in der Implantologie voran- treiben und die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des implantologischen Teams ausbauen. Zielsetzung von PEERS ist ebenso der wechselseitige Austausch zwischen implantologischen Produktanwendern und Produktherstellern, um ein Feed- back aus dem implantologischen Markt zu erhalten, um frühzeitige Information zu ak- tuellen Entwicklungen im Unternehmen den Anwendern zu geben und Rückmeldun- gen zu neuen Produkten aus der Pre-Launch-Phase zu erhalten. PEERS ist unabhän- gig und der Wissenschaft verpflichtet, wird aber dennoch von dem Industrieunterneh- men und Implantathersteller Dentsply Sirona finanziert. PEERS fördert junge Wissen- schaftler und unterstützt durch Hospitationen und Supervisionen den kontinuierlichen

Erfahrungsaustausch. Dieses wird durch regionale Gruppentreffen 2-3mal pro Jahr gewährleistet. Zusätzlich einmal im Jahr findet ein PEERS-Jahrestreffens statt. Die Auswahl der Themen und Referenten für den Jahreskongress erfolgt aus den Regio- nalgruppen heraus. Auf dem Jahreskongress werden in jedem Jahr die PEERS-För- derpreise verliehen und die besten Arbeiten zu einem aktuellen Thema der Implanto- logie mit klinischer Relevanz ausgezeichnet. In folgenden Kategorien werden Preise verliehen: implantologische Fallpräsentationen, Poster, Video-Clips und Implantat- Prothetik-Preis.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: PEERS-Struktur Deutschland (Quelle: Dentsply Sirona)

1.10 Wie entstand das Forschungsinteresse?

Im Rahmen der prothetischen Versorgung der nach dem Maló-Prinzip gesetzten Im- plantate traten immer wieder Probleme (17 Prozent der Behandlungsfälle)56 auf. Zu- nächst war auffällig, dass sich die prothetischen Rehabilitationen über Zeiträume von zum Teil mehr als 16 Wochen hinzogen. Dann kam es nach Abschluss der protheti- schen Behandlung bei drei Patienten nach einem Zeitraum größer 18 Monaten zu Ta- schen- und Sekretbildungen an den Implantaten. In einem Patientenfall ging ein anguliert gesetztes Implantat verloren während das kontralaterale Implantat frakturierte. Der überwiegende Anteil der zahnärztlichen Prothetik ist nicht implantatbasiert. Folglich ist die zahngetragene Prothetik mit ihrer Abformtechnik das Tägliche in der Zahnarztpraxis und damit die Gewohnheit.

"Zuerst einmal sind Gewohnheiten gut. Wir sprechen zu Recht von den lieben Gewohnheiten. […] Doch Gewohnheiten haben auch eine Kehrseite. Ohne dass wir es bemerken, schränken sie unsere Wahrnehmung ein. Sie machen unflexibel und starr."57

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Implantatverlust und -fraktur nach Versorgung nach dem SmartFix-Konzept durch Span- nungen im CAD/CAM-Gerüst, da sich nichtrotationsgesicherte Aufbauten nach Stegher- stellung lösten und nachträglich versucht wurde, diese wieder in Position zu bringen. Die- ses erfolgte in der prothetischen Überweiserpraxis - persönliche Mitteilung. (Quelle: Praxis des Autors)

Die implantatgetragene Prothetik unterscheidet sich in der Abformung von der zahngetragenen Prothetik grundlegend. Das Maló-Konzept verlangt insbesondere nach dem von Gernet et al58 empfohlenen Praxistipp:

„Man benutzt immer die direkte Methode mit Verblockung, auch wenn nur zwei benachbarte Implantate abgeformt werden sollen.“

Die Hypothese des Autors ist, dass Zahnimplantate wie Zähne aus der Gewohnheit (siehe Seite II) heraus ohne Verblockung untereinander abgeformt werden.

1.11 Zielsetzung und Fragestellung

Ziel der Arbeit ist es, zunächst den Ist-Zustand des Wissens über Implantatprothetik insbesondere zum Thema anguliert gesetzte Implantate, der an den Fortbildungen teilnehmenden und befragten Zahnärzte zu eruieren.

Ist der Unterschied in der Abformungstechnik von Zähnen und Implantaten in der allgemeinzahnärztlichen Praxis bekannt? Es wurde nach der praktizierten Implantatabformmethode gefragt.

Zudem sollte, da das Institut der deutschen Zahnärzte bei seinen Untersuchungen zur Fortbildung des niedergelassenen Zahnarztes59 feststellen konnte, dass 90 Prozent der Zahnärzte das Selbststudium durch Fachliteratur als Fortbildungsart nutzen, nachgegangen werden, was in der seit 2000 erschienenen deutschsprachigen Fachbuchliteratur zur Thematik Abformtechniken und deren Überprüfungsmöglichkeiten den Lesern dargestellt und vermittelt wird.

Welches implantologische Versorgungskonzept des zahnlosen Ober- und Unterkiefers wird in der hauszahnärztlichen Praxis neben dem „Maló-Konzept“ im Allgemeinen an- gewandt und welche Evidenz besteht für die gewählte Therapie bezogen auf die S3- Leitlinie60 ?

2 Methodisches Vorgehen

Es werden zunächst die Schritte zur Erarbeitung einer Übersicht deutschsprachiger Fachbuchliteratur seit 2000 zur Thematik der Implantatabformung und dem SheffieldTest beschrieben, dann das Befragungs- und das Untersuchungsdesign sowie der Feldzugang vorgestellt.

2.1 Darstellungen zum Thema Implantatabformung und Sheffield- Test in deutschsprachiger Fachbuchliteratur seit dem Jahre 2000

Es wurden die Fachbuchverlage schriftlich angefragt und um Mitteilung der seit 2000 erschienenen Titel zur Thematik Implantologie und Implantatprothetik gebeten. Die gelisteten Lehrbücher wurden auf die Schlagworte verblockte Abformung und SheffieldTest hin untersucht, um zu eruieren, in welcher Form diese Thematik über das klassische Medium Fachbuch dem niedergelassenen Zahnarzt zugänglich ist.

2.2 Befragungen in Fortbildungsveranstaltungen

Mit der Bestellung eines Referenten durch einen Fortbildungsanbieter und durch die gewählte Ausschreibung dieser Veranstaltung wird von beiden Seiten, dem Anbieter als auch dem Teilnehmer, eine bestimmte Unterrichtsform, nämlich der Lehrervortrag, erwartet. Als Lehrervortrag wird eine Lehrtechnik bezeichnet, die darin besteht, dass Informationen in Form eines mündlichen Vortrages dargeboten werden. Der Vortrag kann mit dem Einsatz von Unterrichtsmedien, heute üblicherweise als PowerPoint- Präsentation, verbunden werden. Eingesetzt wird der Lehrervortrag z. B. bei der Ein- führung neuer Themen oder bei der Problemfindung. Die didaktische Funktion des Lehrervortrages besteht darin, Informationen oder Impulse zu liefern, die die neuartige Behandlungsform beschreiben und damit vorwärtstreiben. Wenn Impulse im Vorder- grund stehen, wird von einem Impulsreferat gesprochen. Somit handelt es sich hier bei der angebotenen Fortbildung um eine Mischung aus einem Lehrer- und Impulsvortrag, der der allgemeinen Erwartungshaltung entspricht.

[...]

1 Isbaner 2014

2 Albert-Deumlich 2013

3 Fangmann et al. 2015

4 Fangmann 2016a

5 Sulzer et al. 2004

6 Daszkowski 2007

7 Behm-Steidel 2016

8 Bergmann-Krauss et al. 2005

9 Bergmann-Krauss et al. 2005

10 https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/recht/mbo.pdf, S.5

11 http://www.kbv.de/media/sp/FAQ_Liste_Paragraph_95d_SGB_V_gesamt.pdf

12 http://www.kzbv.de/vertragszahnarztliche-fortbildung.440.de.html

13 Fangmann et al. 2015

14 Kauffeld 2001

15 Van Dick und West 2013

16 Kreuter 2012

17 Fangmann et al. 2016

18 Sahin und Cehreli 2001

19 Dumfahrt und Schäffer 1987

20 Marxkors und Brehler 2010

21 Inturregui et al. 1993

22 Assif et al. 1994

23 Herbst et al. 2000

24 Lee et al. 2008

25 König et al. 2006

26 Hirschfelder 2008

27 Behneke und Behneke 1999

28 König et al. 2006

29 Hirschfelder 2008

30 Franke 2015

31 Lee et al. 2008

32 Franke 2015

33 Franke 2015

34 Franke 2015

35 Hassfurth 2001

36 Holst et al. 2007

37 Weskott 2011

38 Koeck et al. 2004, S. 267

39 Troeltzsch et al. 2013

40 Brånemark 1986

41 Dolder 1966

42 White 1993

43 Schley et al. 2013a

44 Schley et al. 2013a

45 Dawson und Chen 2010

46 Schley et al. 2013a

47 Kern, J,-S. et al. 2017

48 Malo et al. 2015

49 Maló et al. 2003

50 White 1993

51 Eisenmann et al. 2004

52 http://www.kbv.de/media/sp/FAQ_Liste_Paragraph_95d_SGB_V_gesamt.pdf

53 http://www.kzbv.de/vertragszahnarztliche-fortbildung.440.de.html

54 Bundeszahnärztekammer 18.06.2016

55 Haßfeld 2017

56 Fangmann 2016b

57 Zeug 2013

58 Gernet et al. 2011

59 Bergmann-Krauss et al. 2005

60 Schley et al. 2013a

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Wie wird die Implantatprothetik in Bezug auf die zahngetragene Prothetik wahrgenommen und reflektiert?
Untertitel
Eine Ist-Analyse auf Basis von Fachbüchern, Befragungen und Laborbefunden am Beispiel des Versorgungskonzeptes nach Maló
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Fakultät für Humanwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
110
Katalognummer
V379335
ISBN (eBook)
9783668563438
ISBN (Buch)
9783668563445
Dateigröße
6278 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
abformung, implantat, sheffield-test, zahntechnik, prothese
Arbeit zitieren
Rainer Fangmann (Autor:in), 2017, Wie wird die Implantatprothetik in Bezug auf die zahngetragene Prothetik wahrgenommen und reflektiert?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379335

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