Echtheit und Verwirrung des Gefühls. Die schwierige Liebesbeziehung zwischen dem Grafen und der Marquise von O bei Heinrich von Kleist


Hausarbeit, 2011

17 Seiten, Note: 18


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Heinrich von Kleist
2.1. Zum Leben
2.2. Zwischen Klassik und Romantik

3. Die Marquise von O: Analyse

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur
5.2.1. Schriftliche Quellen
5.2.2. Digitalquellen

1. Einleitung

Eine „abscheuliche Geschichte, lang und langweilig im höchsten Grad“1 lautete ein Kommentar zu Kleists Die Marquise von O…, das 1808 veröffentlicht wurde. „Nur die Fabel derselben angeben, heißt schon, sie aus den gesitteten Zirkeln verbannen“2 erklang eine weitere Kritik. Und die zeitgenössischen Leserinnen waren ebenso empört, denn kein Frauenzimmer könne die Novelle „ohne Erröten lesen.“3 All jene Bemerkungen zeugten von Entrüstung - außer denjenigen aus Kleists Freundeskreis. Letzterer schenkte dem Werk nämlich lobende Worte, wenngleich der einzige Vorwurf seine „etwas zu frühzeitig[e]“4 Erscheinung wäre. In der Tat, die Novelle steht nicht im Einklang mit den gesellschaftlichen und moralischen Konventionen der Zeit: Kleist hat sie regelrecht aufgelöst.

Diese Auflösung der Normen betrifft sowohl die Form als auch den Inhalt, denn

„[g]esellschaftliches Reformdenken und literarische Experimente gehen bei Kleist Hand in Hand.“5 In Die Marquise von O… schildert der Autor eine eigenartige Erzählsituation und greift Tabuthemen auf, was seinen ganz persönlichen, ‚modernen‘ Stil andeutet. Sein Werk ist von klassischen Tendenzen geprägt, enthält aber auch Züge der Romantik, da es u.a. wiederholend durch sichtbare Emotionen die Gefühle der Figuren zum Ausdruck bringt. Diese Gefühle sind aber verwirrend und ambivalent, und fordern den Leser zum Nachdenken auf - was wiederum eine aufklärerische Funktion mit sich bringt.

In dieser Arbeit soll erklärt werden, was die beiden Hauptfiguren, d.h. die Marquise und der Graf, für einander empfinden. Dabei soll auf die literarischen Ausdrücke eingegangen werden, die die Verwirrung der Gefühle aufzeigen und folglich dem Leser ihre Erkenntnis erschwert.

2. Heinrich von Kleist

2.1. Zum Leben

Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt/Oder als Sohn einer preußischen Adelsfamilie geboren. Bereits früh verliert er seine Eltern und ist zu einer Offizierslaufbahn bestimmt, doch mit zwanzig beschließt er u.a. Mathematik und Philosophie zu studieren.6 1800 verlobt er sich mit der Generalstochter Wilhelmine von Zenge und zieht mit ihr nach Berlin, wo er sich mit verschiedenen Philosophien auseinandersetzt.7 Beeindruckt vom Geist der Aufklärung übernimmt Kleist Kants Theorie, laut welcher es keine objektive Erkenntnis gibt, und stürzt 1801 in die sog. „Kantkrise.“8 Nachdem er Rousseaus Ideal der naturverbundenen Lebensart entdeckt, übersiedelt er in die Schweiz, um eine Existenz als Bauer aufzubauen.9 Dort fängt seine schriftstellerische Tätigkeit an. Seine Verlobte widersetzt sich dem Landleben, woraufhin die Beziehung beendet wird.

In den darauffolgenden Jahren unternimmt Kleist „in krankhafter Unruhe“10 verschiedene Reisen11 und erlebt erneut einen seelischen Zusammenbruch. 1804 tritt er in den preußischen Staatsdienst, den er 1807 quittiert.12 Nach dem Sieg Napoleons wird Kleist als Spion verdächtigt und unter französischer Gefangenschaft genommen.13 Nach seiner Befreiung verkehrt er in literarischen Kreisen und bringt 1808 mit dem Philosophen Adam Müller das Kunstjournal Phöbus heraus - ohne Erfolg. Ähnliche gescheiterte Versuche sowie die nationale Niederlage führen Kleist in eine dritte Lebenskrise;14 ihm sei „auf Erden nicht zu helfen.“15 Schließlich nimmt er sich 1811 mit seiner krebskranken Freundin, Henriette Vogel, am Wannsee bei Potsdam das Leben.

Obwohl der Autor viele bedeutende Werke geschrieben hat, wird sein Oeuvre erst im 20. Jahrhundert geachtet.16

2.2. Zwischen Klassik und Romantik

Aus der oben angeführten Lebensgeschichte Kleists lässt sich ablesen, dass der von seinen Zeitgenossen unbeachtete Schriftsteller stark umstritten war. Dies spiegelt sich auch in seinem Werk wider. Kleist gilt als Wegbereiter der literarischen Moderne, weil er sich weder der Klassik, noch der Romantik ganz zuordnen lässt. Diese Strömungen werden bei ihm zwar aufgegriffen, um jedoch gleichzeitig ad absurdum geführt zu werden.17 Sein Werk steht, wie bereits einleitend erwähnt, seiner Zeit voraus, weswegen es zu seinen Lebzeiten häufig missverstanden wird. Im Grunde kennzeichnen seine Schriften „den Beginn der Wende des aufklärerischen Weltbildes der Klassik zum Skeptizismus des modernen Zeitalters.“18

Klassik und Romantik stellen zwei gegenseitige literarische Stiltendenzen dar. Zentral bei beiden Strömungen ist das Verhältnis der Kunst zur Lebenswirklichkeit. Es geht darum, die verlorene Ganzheitlichkeit zurückzugewinnen.19 Der Unterschied liegt aber im Lösungsansatz: Die Klassik setzt auf Ganzheitlichkeit bzw. Idealisierung, wodurch Äein Gegenpol zur unvollkommenen Realität“20 gestaltet werden soll. Als Vorbild gilt weder zu viel Verstand (Aufklärung) noch zu viel Gefühl (Sturm und Drang), sondern das „apollinische Schönheitsideal des Altertums“21, d.h. eine maßvolle, strenge Form sowie eine ruhige und heitere Erhabenheit.22 Die Romantik setzt ihrerseits auf Fragmentarisierung mit Betonung auf „den Verlust der Ganzheitlichkeit in der Realität.“23 Bei der Romantik spielt das Phantastische, Fremde, Wunderbare und Unglaubliche eine zentrale Rolle.24 Kurz, während die Klassik eine sog. Kompensation der defizitären Wirklichkeit sucht, verzichtet die Romantik auf Scheinlösungen.25

So hat sich aus diesen Strömungen Kleists Grundthema entwickelt: „Wie kann sich ein Mensch, der aus seinen Gefühlen lebt, in einer (rationalen) Welt voller Zufälle und Schicksalsschläge zurechtfinden?“26

[...]


1 Nach : Christian Wagenknecht, Nachwort, in : Heinrich von Kleist, Die Marquise von O…/ Das Erdbeben in Chili. Stuttgart: Reclam, 2004, S.82.

2 Karl August Böttiger, in : Ditmar Strotzki, ÄKleists ‚Die Marquise von O…‘: Vom Ärgernis radikaler Wahrheiten und den Schwierigkeiten, damit umzugehen, in: Wolfgang Barthel; Rudolf Loch (Hrsg.), Beiträge zur Kleist-Forschung. Im Auftrag der Kleist-Gedenk- und Forschungsstätte. Frankfurt (Oder): 1992, S.49-62, hier S.49.

3 Dorothea Stock, Schwägerin des Schiller-Freundes Körner, in: Ditmar Strotzki, ÄKleists ‚Die Marquise von O…‘: Vom Ärgernis radikaler Wahrheiten und den Schwierigkeiten, damit umzugehen, S.49.

4 Adam Müller, in : Christian Wagenknecht, Nachwort, in : Heinrich von Kleist, Die Marquise von O…/ Das Erdbeben in Chili, S.82.

5 http://www.heinrich-von-kleist.org/startseite/heinrich-von-kleist/

6 Vgl. http://www.heinrich-von-kleist.org/startseite/heinrich-von-kleist/biographie/

7 Vgl. Ebd.

8 Vgl. http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Kleist.htm Bereits vor der Lektüre von Kants Theorie ist Kleist verzweifelt, weil er glaubt, er sei der Zufälligkeit des Weltgeschehens ausgeliefert. Seine unaufhörliche Suche nach der ‚Wahrheit‘ erreicht einen Höhepunkt bei der Lektüre Kants. Er stellt entsetzt fest, dass die ‚Wahrheit‘ für den Menschen unergründbar bleibt, da jedes Individuum subjektiv urteilt: „So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint.“ Vgl. http://xlibris.de/Autoren/Kleist/Biographie?page=0%2C1

9 http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/kleist.htm Das damalige Ziel Kleists ist es, in der ländlichen Idylle Selbstverwirklichung zu suchen in der Verbundenheit mit der Natur. Zudem erhofft er sich finanzielle Unabhängigkeit. Sein Wunsch bleibt jedoch unerfüllt: Kleist wird krank und 1802 von seiner Schwester Ulrike zurück nach Preußen gebracht. Vgl. http://xlibris.de/Autoren/Kleist/Biographie?page=0%2C1

10 http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/kleist.htm

11 Nach Dresden, Bern, Mailand, Genf und Paris. Vgl. http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Kleist.htm

12 Barbara Baumann ; Brigitta Oberle : Deutsche Literatur in Epochen. Ismaning: Max Hueber Verlag, 1996, S.125.

13 Vgl. http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Kleist.htm

14 Vgl. Ebd.

15 http://xlibris.de/Autoren/Kleist/Biographie?page=0%2C2 Dies schreibt Kleist 1811 in einem Abschiedsbrief an seine Schwester Ulrike, der er sehr nah steht.

16 Vgl. http://www.referate10.com/referate/Epochen/1/Romantik-reon.php Heute werden einige seiner Erzählungen verfilmt (z.B. Die Marquise von O… durch Eric Rohmer, 1976), im Theater aufgeführt und seine Dramen oft von den berühmtesten Regisseuren inszeniert. Vgl. http://www.uni-due.de/literaturwissenschaft- aktiv/Vorlesungen/epik/kleist.htm

17 Vgl. http://xlibris.de/Autoren/Kleist/Biographie?page=0%2C3

18 Ebd.

19 Vgl. Albert Meier : Handout zu ÄRomantik/Klassik“ aus dem Oberseminar Literaturgeschichtliches Territorium. Kiel: Institut für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Medien, 2005.

20 Ebd.

21 Barbara Baumann ; Brigitta Oberle : Deutsche Literatur in Epochen, S.101.

22 Vgl. Ebd.

23 Albert Meier : Handout zu ÄRomantik/Klassik“.

24 Vgl. Barbara Baumann ; Brigitta Oberle : Deutsche Literatur in Epochen, S.126.

25 Vgl. Albert Meier : Handout zu ÄRomantik/Klassik“.

26 Barbara Baumann ; Brigitta Oberle : Deutsche Literatur in Epochen, S.120.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Echtheit und Verwirrung des Gefühls. Die schwierige Liebesbeziehung zwischen dem Grafen und der Marquise von O bei Heinrich von Kleist
Hochschule
Université libre de Bruxelles
Note
18
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V378627
ISBN (eBook)
9783668557024
ISBN (Buch)
9783668557031
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
marquise von o, kleist, klassik, romantik
Arbeit zitieren
Krystel van Hoof (Autor:in), 2011, Echtheit und Verwirrung des Gefühls. Die schwierige Liebesbeziehung zwischen dem Grafen und der Marquise von O bei Heinrich von Kleist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378627

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