Piraten und Seeschlachten im spätmittelalterlichen Ostseeraum


Hausarbeit, 2017

18 Seiten, Note: 2,0

Jörgen Senfprun (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Zur Begriffserklärung:

III. Das Bild einer Auseinandersetzung

IV. Anzahl und Beschaffenheit der Schiffe, Schiffstypen

V. Bewaffnung, Besatzung
V.I.Bewaffnung der Schiffe
V.II.Bewaffnung der Soldaten

VI. Praktische Ausführung der Konflikte
VI.I. Feststellung der Identität
VI.II. Fahren von taktischen Manövern
VI.III. Ziel eines Kampfes

VII. Zusammenfassung

VIII. Bibliographie

I. Einleitung

Das Bild der Piraten ist stark durch den maßgeblichen popkulturellen Einfluss geprägt. Spricht man vom Ostseeraum im Mittelalter als Schauplatz maritimer Gefechte kommt man nicht an einem berühmten Namen vorbei: Klaus Störtebeker - der „Robin Hood der Meere“ - und seine Likkedeeler. Diese Norddeutsche Legende von dem edelmütigen Piraten, der Teile seiner Beute an die Armen verteilte, prägt heute das Bild der mittelalterlichen baltischen Seefahrtsgeschichte.

Abgeleitet von der romantischen Vorstellung edelmütiger Piraten, geht auch das Bild von lauten Seeschlachten einher. Große Kanonen und spektakuläre Manöver scheinen in der überlieferten Meinung zu einem Gefecht auf hoher See dazuzugehören.

In dieser wissenschaftlichen Arbeit soll anhand aktueller Forschungsliteratur und damit einhergehend der Prüfung zeitgenössischer Quellen ein Bild davon nachgezeichnet werden, wie ein Konflikt im Ostseeraum im Mittelalter womöglich aussah. Dabei wird insbesondere der Fokus auf folgende Fragestellungen gelegt: Wer waren die Piraten und was waren ihre Motive? Wie lief ein bewaffneter Konflikt auf hoher See ab? Wie viele Schiffe waren beteiligt und von welcher Beschaffenheit waren diese? Wie waren sie bewaffnet? Was war das militärische Ziel einer solchen Fehde?

Beginnen wird die Arbeit mit einer Begriffserklärung bzw. Abgrenzung von Begrifflichkeiten der Seeräuber, um verdeutlichen, was für eine Personengruppe vorherrschend war. Später wird das allgemeine Bild eines Kampfes auf See mithilfe von Forschungsliteratur und Quellen daraufhin untersucht, inwiefern es der Realität entspricht.

II. Zur Begriffserklärung:

Da in dieser Arbeit oft von Seeräubern die Rede ist, sollen zunächst durch eine Begriffserklärung gängige Missverständnissen vorgebeugt werden.

Worin besteht der Unterschied zwischen Piraten, Kaperfahrern, Freibeutern und Seeräubern ? Nicht nur in der trivialen Literatur, sondern auch in der Forschungsliteratur werden diese drei Begriffe oft in den Raum geworfen, ohne zuvor voneinander abgegrenzt zu werden. Die vier Begriffe beschreiben zunächst einmal Personen, die zu Wasser einen „illegale[n] Akt von Gewalt, Gefangennahme oder Wegnahme, der […] durch die Besatzung […] eines Schiffs erfolgt gegen ein anderes Schiff […]“[1] durchführen. Der Begriff Seeräuber kann also als Oberbegriff angewandt werden.

Dabei sind Freibeuter und Kaperfahrer nun Seeräuber, denen ihren Raubzügen eine Art der Legitimation - etwa in Form von Kaper- oder Markebriefen[2] - vorliegt. Oft stellte ein Herrscher Kaperbriefe aus, um einem politischen Gegner wirtschaftlichen Schaden zuzuführen.[3] Mit Kaperei wurden viele Kriege geführt, sodass man oft von Kaperkriegen spricht.

Der Begriff Freibeuter tritt dahingegen erst im Zuge des Goldenen Zeitalters der Piraterie in der Karibik auf und da dieser Zeitraum nicht der dieser Arbeit zugrundeliegenden Epoche angehört, wir von dem Begriff Freibeuter abgesehen.

Bleibt nun der Begriff Pirat: Piraten sind Seeräuber, die ohne Legitimation und Auftraggeber durch die Meere ziehen und auf See andere Schiffe berauben. Die Problematik hierbei ist, dass eben diese Begriffe abhängig von der Perspektive sind - für die Opfer eines Überfalls waren die Räuber meist schlichtweg Piraten, ob und welche Legitimation sie zugrunde hatten, interessierte oftmals niemanden so richtig. Ein Kaperbrief wurde natürlich von der anderen Seite nicht anerkannt, beziehungsweise gab es kein Interesse an dem Grund des Überfalls. Oft sind „Piraten“ eine auf See auftauchende anonyme Masse, deren politische oder soziale Beweggründe außer Acht gelassen werden.[4] Dazu kommt, dass viele Seeräuber ihren „Rechtsstatus“ oft änderten, denn wenn beispielsweise Kaperkriege endeten, fiel die Legitimation weg, dennoch brauchten die Seefahrer weiterhin eine Einkommensquelle. Ob alle ihr Einkommen stets durch Piraterie erwirtschafteten ist nicht überliefert, jedoch haben einige Kaperfahrer weiterhin Seeraub betrieben und sogar Handelsschiffe der ehemaligen Schutzmacht überfallen.[5]

Bei dieser Gruppe hat man es mit sogenannten professionalisierten Gewaltanwendern zu tun. Diese Art von Söldnern erhielte oftmals keinen Sold von ihren Auftraggebern, sondern handelte „ up eventur(e) “, also nach Selbstversorgung. Sie behielten nach einer Prisenordnung einen festgesetzten Teil der erbeuteten Waren. Damit stellte der Auftraggeber sicher, dass die Seeräuber nicht ihr Sold einsteckten und nichts unternahmen, sondern, dass es auch in deren Interesse lag, gegnerische Schiffe aufzubringen. In diesem Zusammenhang tauchen im späten 14. Jahrhundert die Likedeeler und Vitalienbrüder auf, deren Existenz zwar bewiesen, aber deren tatsächlicher Einfluss auf die Seefahrtsgeschichte nicht exakt nachzuvollziehen ist. Ebenso gibt es mehrere Forschungsmeinungen, die zum einen die beiden Gruppen als zwei unterschiedliche, unabhängig voneinander agierende Gruppen sehen, wohingegen andere Historiker die beiden Gruppen gleichsetzen.

Die Gruppe der professionalisierten Gewaltanwender beschreibt nun diejenigen, die auf See eine gewaltsame Güterwegnahme vollziehen. Dabei sind die Seefahrer nicht per se in „Gut und Böse einzuteilen, vielmehr war „Gewaltanwendung und Güterwegnahme […] Teil des politischen und wirtschaftlichen Lebens.“[6] Die Gewaltanwender waren keine Outlaws, „sondern Geschäftsleute, die […] einem Broterwerb mit recht hohem persönlichen Risiko nachgingen.“[7] Welcher Kategorie sie zuzuordnen sind, liegt immer im Auge des Betrachters und liefert immer einen großen Interpretationsspielraum.

Da damals eine staatliche Gewalt fehlte, galt es sein eigenes Recht durchsetzen. Dabei ist die Schwelle zur „Piraterie“ leicht überschritten. Die dichotomische Unterscheidung zwischen legaler Kaperei und illegaler Piraterie verschwimmt. Was genau als Fehde, Seeräuberei oder Piraterie zu definieren ist, bleibt oftmals unklar.[8] Nicht ohne Grund schlägt Gregor Rohmann vor, die Terminologien Piraterie, Kaperei und Seeraub aufzugeben und durch Gewalthandeln und Güterwegnahme im maritimen Raum zu ersetzen.[9]

III. Das Bild einer Auseinandersetzung

Nicht nur das öffentliche Bild der Piraten ist in der Öffentlichkeit durch eine gewisse Faszination für die heroische Seefahrt verfälscht. Auch gewaltsame Auseinandersetzungen werden auf bestialische Art und Weise dargestellt. Nicht jeder, der sich über das Mittelalter informieren möchte ist ausgebildeter Historiker. Folglich ist die folgende Textstelle aus dem Internet, der am häufigsten genutzten Informationsquelle.

Die Koggen – Schwimmende Festungen

Die Koggen des Hochmittelalters waren wesentlich schwerfälliger als die schnellen Langboote. Dementsprechend unterschied sich die Taktik, in deren Rahmen sie eingesetzt wurden. Koggen verfügten über relativ hohe Bordwände. Am Bug und am Heck befanden sich hölzerne Kastelle, die Schutz vor Geschossen boten. Auch vom geschützten Mastkorb aus wurde gekämpft. Der Kampf zwischen Koggen begann in der Regel damit, dass die Schiffe aufeinander zu segelten und versuchten, eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Diese war wichtig, um dem Gegner einen möglichst heftigen Rammstoß zu verpassen und im besten Fall direkt zu versenken. Passierte dies nicht, kam es zunächst zu einem Schusswechsel mit Pfeilen, Bolzen und Büchsengeschossen. Anschließend wurden die Schiffe mit der Hilfe von Enterhaken fixiert und es kam zum Kampf Mann gegen Mann. Wichtig zu beachten ist, dass es beim Koggenbau keine Einheitsgröße gab. Das bedeutet, dass es durchaus bedeutende Größenunterschiede geben konnte und ein Kampf damit unter Umständen schon im Vorfeld entschieden war.[10]

Dieser Beitrag eines Internetblogs beschreibt mittelalterliche Gefechte nun so, dass die Schiffe aufeinander zufahren und dabei versuchen eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen, um sich gegenseitig zu rammen und damit im besten Fall zu versenken. Sollte dies nicht gelingen, gebe es einen Schusswechsel mit Pfeilen, Bolzen und Büchsengeschossen. Der einzige Schiffstyp, von dem hier die Rede ist, ist die Kogge, die sowohl am Bug als auch am Rumpf Kastelle besaßen, von denen ein Fernkampf vollzogen wurde. Quasi als letzte Option wird der Nahkampf genannt. Bezüglich der Schiffsgröße beschreibt der Autor ein größeres Schiff als ein bevorteiltes, je nach Größenunterschied könne ein Kampf sogar vor einem Aufeinandertreffen entschieden sein. Natürlich hat dieser Beitrag keinen wissenschaftlichen Anspruch, doch im ungefähren scheint er der öffentlichen Meinung zum Ablauf eines Kampfes zu entsprechen. Bekräftigt wird ein solcher durch einige Beiträge in der Forschungsliteratur, so gehen Fritz und Krause in ihrem Buch „Seekriege der Hanse“ davon aus, dass die Schiffe „bei Notwendigkeit mit Wurfmaschinen, den Bliden und dem Treibenden Werk versehen [wurden].“[11] Oft wird das Bild eines fatalen Zerstörungskampfes gezeichnet.

Im Folgenden sollen anhand eines beispielhaften Konfliktes und glaubwürdiger Forschungsliteratur die Aussagen überprüft werden, um zu dem Schluss zu kommen, inwiefern das gezeichnete Bild eines mittelalterlichen Seekampfes mit dem übereinspricht, was aus heutiger Sicht nachzuweisen ist.

IV. Anzahl und Beschaffenheit der Schiffe, Schiffstypen

Oft wird der Eindruck hinterlassen, die Hansekoggen seien die Flaggschiffe großer Hanseflotten gewesen, die auch noch zu großen Teilen aus eben diesen Koggen bestanden. Liest man aber Berichte aus den Hanserezessen, sieht man, dass eben dieser Schiffstyp einen sehr kleinen Teil der Schiffe ausmachte. Die Koggen gab es natürlich, größtenteils wurde aber mit den kleineren Schiffen gesegelt. Die mittelalterliche Wissenschaft war nicht weit entwickelt, daher war es schwierig, große Koggen zu bauen. Fortschreitende Innovationen führten dazu, dass die Koggen eher eine Seltenheit waren. Seeraub wurde nicht mit speziell ausgerüsteten Schiffen ausgeführt, die Seeräuber benutzten normale Handelsschiffe.[12] Häufig traten Schniggen oder Snicken auf.[13] Dieser Schiffstyp wurde oft in Ufernähe eingesetzt, da er relativ klein war und durch seine Beschaffenheit als Ruderschiff eine gute Kontrolle gegeben war. Die Schnigge hatte außerdem einen Mast für ein hohes Rahsegel[14] und wurde von etwa 20 Mann bedient.[15]

Die Schniggen wurden im 15. Jahrhundert durch Barsen oder Bardesen abgelöst, deren Beschaffenheit ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt. Während einige Hinweise für ein relativ kleines Ruderboot sprechen, gibt es auch einige Indizien dafür, dass es sich hierbei um große Segelschiffe handelte.[16] Einerseits konnten die Barsen von vier bis fünf Männern gesteuert werden und ihr Kaufpreis war relativ gering, andererseits liegen Nachweise für eine sehr hohe Tragfähigkeit vor. Wie genau die Barsen aussahen ist wohl nicht mehr zu rekonstruieren.

Der Kreier oder Kreiger ist nachgewiesen ein Segelschiff, bei dem die überlieferte Größe und Tragfähigkeit aber ebenfalls weit auseinandergehen. Es scheint von bereits sechs Mann bedient worden sein können, es sind aber auch Fahrten mit bis zu 36 Mann Besatzung überliefert.[17] Dieser Schiffstyp wurde hauptsächlich zum Warentransport genutzt.

[...]


[1] Rohmann, Gregor: Jenseits von Piraterie und Kaperfahrt, S.21.

[2] Kaperbriefe beschreiben eine vollständige Legitimation eines Herrschers, gegnerische Schiffe aufzubringen, wohingegen Markebriefe eine limitierte Anzahl der Waren beschreiben, die aufgebracht werden dürfen. Ein Markebrief wurde meist dann ausgestellt, wenn ein Händler überfallen wurde und dieser sich nun eigenmächtig seine verlorengegangene Ware wieder holen wollte. Da es keine exekutive Staatsmacht gab, mussten sich die betroffenen Händler allein um die Rückgewinnung ihrer Waren kümmern.

[3] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.124.

[4] Rohmann, Gregor: Jenseits von Piraterie und Kaperfahrt, S.13.

[5] Hormut, Dennis: Die Hanse in Fehde, S.15.

[6] Rohmann, Gregor: Politischer Alltag im Hanseraum, S.576.

[7] Rohmann, Gregor: Jenseits von Piraterie und Kaperfahrt, S.5.

[8] Andermann, Ulrich: Seeraub als Kriminaldelikt, S.25.

[9] Rohmann, Gregor: Jenseits von Piraterie und Kaperfahrt, S.49.

[10] https://dasmittelalterderblog.com/2015/11/22/der-kampf-zur-see-im-mittelalter/

[11] Fritze/Krause : Seekriege der Hanse, S.54.

[12] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.124.

[13] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.125.

[14] Rahsegel sind meist viereckige Segel, die quer zur Schiffslängsrichtung angebracht waren. Sie funktionierten nur, wenn Wind von hinten kam, waren aber einfach herzustellen.

[15] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.125.

[16] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.125f.

[17] Kammler, Andreas: Up Eventur, S.128.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Piraten und Seeschlachten im spätmittelalterlichen Ostseeraum
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V378517
ISBN (eBook)
9783668557062
ISBN (Buch)
9783668557079
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Piraten, Seeschlacht, Ostsee, Mittelalter, Kogge, Gefecht, Freibeuter, Kaperfahrer, Hanse, Bewaffnung, Soldaten, Manöver, Knoten, Zerstörung
Arbeit zitieren
Jörgen Senfprun (Autor:in), 2017, Piraten und Seeschlachten im spätmittelalterlichen Ostseeraum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378517

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