Das Motiv der Vergänglichkeit. Analyse und Vergleich zweier ausgewählter Sonette "Es ist alles Eitel" und "Menschliches Elende" von Andreas Gryphius


Hausarbeit, 2015

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Leben von Andreas Gryphius

3. Geschichte und Aufbau des Sonetts

4. Gryphius´ Anwendung der Opitz´schen Regeln

5. Die Stilmittel und das Vanitas-Motiv

6. Die Sonettstrukur
6.1 Es ist alles Eitel
6.2 Menschliches Elende

7. Schlussbemerkung

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem barocktypischen Motiv der Vergänglichkeit. Als Grundlage dienen die beiden Sonette „Es ist alles Eitel“ sowie „Menschliches Elende“ von Andreas Gryphius. Es soll untersucht werden, inwiefern die Vergänglichkeit in diesen Werken Gryphius´ eine Rolle spielt und durch welche Mittel dieses Motiv dargestellt wird. MEID stellt fest, dass Gryphius Leiden, Vergänglichkeit und die Gebrechlichkeit des Lebens in den Mittelpunkt seiner Werke stellt und diese auf dem Fundament der von Martin Opitz herausgegebenen Vorstellungen in seinem Buch von der Deutschen Poeterey aufbaut (vgl. MEID, 2013, S. 120 f.). Deshalb wird ein Abschnitt dieser Arbeit die 1624 erschienenen Forderungen von Martin Opitz an die deutsche Dichtung aufgreifen, um sie mit den beiden zu behandelnden Werken von Andreas Gryphius zu vergleichen. Dabei wird untersucht, inwiefern Gryphius die Vorstellungen von Opitz nutzt, um das Vanitas-Motiv in den Mittelpunkt seiner Sonette zu stellen. Doch zuerst wird ein kurzer Überblick über das Leben von Andreas Gryphius und dessen Umstände gegeben. Im Anschluss folgt ein Blick auf das Sonett an sich. Wann ist diese Gedichtform entstanden, welche Formalien weist es auf und welchen Einflüssen folgt Gryphius mit „Es ist alles Eitel“ und „Menschliches Elende“? Nach dem Vergleich der Opitz´schen Forderungen mit Gryphius´ Umsetzung im Hinblick auf das Vanitas-Motiv werden weitere Stilmittel in den Sonetten analysiert, um mit ihnen die zentrale Fragestellung dieser Arbeit zu klären: Wie setzt Gryphius das Motiv der Vergänglichkeit in den beiden Sonetten um? Vor der Schlussbemerkung, die als Art Zusammenfassung dienen soll, wird geklärt, wie die Sonettstruktur zu betrachten ist und wie sich die einzelnen Strophen inhaltlich und formell zueinander verhalten. Zur Analyse der Sonette wurden unter anderem Metrik, Versmaß und Kadenzen bestimmt.

2. Das Leben von Andreas Gryphius

Das Leben des Andreas Gryphius war geprägt von persönlichen und familiären Schicksalsschlägen. 1621, im Alter von nur vier Jahren, verlor er seinen Vater. Es sollte nicht der einzige schwere Verlust des jungen Gryphius bleiben. Zwar pflegte er ein gutes Verhältnis zu seinem Stiefvater, den seine Mutter nur ein Jahr nach dem Tod von Gryphius´ Vater heiratete, aber dennoch hatte er 1628, Gryphius war zwölf Jahre alt, den Tod seiner Mutter zu verkraften. Dies bezeichnete er selbst später als seinen höchsten Verlust, den er zu erleiden hatte. Auch seine Stiefschwester Anna, die den Waisen bei sich aufnahm, verstarb 1640 (vgl. FLEMMING, 1965, S. 20 ff). Gryphius´ Leben war nicht nur im eigenen familiären Umfeld vom Tod geprägt. Zwei Jahre nach seiner Geburt begann der Dreißigjährige Krieg. Die Barockzeit war geprägt von Krieg, Armut, Hunger, Pest und damit unweigerlich auch vom Tod. Die Bevölkerung im deutschen Reich ging um etwa fünf Millionen Einwohner auf etwa zehn Millionen zurück (vgl. MEID, 2013, S. 104). Es scheint daher nicht verwunderlich, dass das Leben in Gryphius´ Werken kritische Beachtung findet und die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert wird. Gryphius hat am eigenen Leib erfahren, wie vergänglich das menschliche Dasein ist. Nach KAPPLER ist diese Vergänglichkeit und der Tod in den Werken Gryphius´ omnipräsent. „Nirgends findet sich bei Gryphius angesichts des Todes in der Natur eine Hoffnung auf Auferstehung. […] Er addiert gewissermaßen das Negative […] und kümmert sich überhaupt nicht ums Positive. Die periodische Wiederkehr in der Natur verwandelt sich unter seinem verzauberten Blick in unaufhörliche Wiederholung von Tod und Sterben“ (KAPPLER, 1936, S. 12). Dieser Darstellung widerspricht LÖTSCHER. Zwar sei sein Leben durch die Erlebnisse mit dem Tod durchaus geprägt, doch Gryphius habe die unbeständige Welt bejaht. „Nur wer die Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Welt ganz erfasst hat, kann einen Begriff von Ewigkeit und Zeitlosigkeit erlangen“ (LÖTSCHER, 1994, S. 32). Zudem spreche seine Gelehrsamkeit für eine positivere Einstellung zum Leben (vgl. LÖTSCHER, S. 33). Gryphius schaffte es dank stetiger Bemühungen, ein Gymnasium zu besuchen, was zu den kriegerischen Zeiten nicht einfach war. Zudem studierte er in Leyden, war als Magister befugt Kollegs zu halten und reiste zu Bildungszwecken viel durch Europa und schrieb ehrgeizig an seinen Sonetten, Trauerspielen etc. (vgl. ARNOLD, 1980, S. 106 ff). Das Sonett „Menschliches Elende“ erschien 1637 und war eines der 31 Sonette der sogenannten Lissaer Sonette. „Es ist alles eitel“ erschien sechs Jahre nach den Lissaer Sonetten unter dem Titel „Sonette. Das erste Buch“ und war eine überarbeitete Version von „Vanitas, Vanitatum, et omnia vanitas“. Diese Sammlung enthielt 50 Sonette, 29 davon waren Überarbeitungen aus den Lissaer Sonetten (vgl. BILLEN, 2005, S. 17). In „Menschliches Elende“ war der Tod seiner Stiefschwester Annas noch nicht absehbar und spielte im Gegensatz zu dem Verlust seiner Eltern keine Rolle.

Das Motiv der Vergänglichkeit in den beiden genannten Gedichten wird im Folgenden untersucht und interpretiert. Dazu werden die Sonette mit den von Martin Opitz 1624 aufgestellten Vorschriften in seinem „Buch von der Deutschen Poeterey“ verglichen und auf ihre sprachlichen Mittel untersucht. Zunächst werden aber die Form des Sonetts und ihre Herkunft kurz dargestellt.

3. Geschichte und Aufbau des Sonetts

Das barocke Sonett in Deutschland hat italienische und französische Einflüsse. Schon im Jahr 1230 ist das Sonett in Sizilien entstanden. Seine kanonische Form weist 14 Verse auf, darunter zwei Vierzeiler, die als eine Art Aufgesang zusammengehörig sind, sowie zwei Dreizeiler als eine Art Abgesang. Zur Entstehungszeit herrscht in den beiden Vierzeilern die Reimstellung a b b a a b b a vor. Diese findet sich auch in den beiden vorliegenden Sonetten von Gryphius. In den Dreizeilern der ersten Sonette ist die Reimform bei drei Reimen c d e c d e. Hiervon weicht Gryphius in „Es ist alles eitel“ und „Menschliches Elende ab“. Die dortige Reimstellung ist jeweils c c d e e d, also ein Paarreim gefolgt von einem umschließenden Reim, was als Schweifreim bezeichnet wird. Französische Muster waren für deutsche Sonette bedeutungsvoller als italienische. In Frankreich setzten sich der Wechsel des Reimgeschlechts sowie der Alexandriner durch. Prosodische Unterschiede zwischen dem Italienischen sowie dem Französischen sind für die Stiländerung verantwortlich. Italienische Adverbien beispielsweise enden meist weiblich, französische eher männlich. Im Italienischen können Wörter durch Reime verbunden werden, deren Stamm nicht am Reim teilnehmen, da dies durch die Suffixe geschieht. Im Deutschen muss sich bei weiblicher Bildung auch die Stammsilbe reimen (vgl. BEHRMANN, 1989, S. 44 f). Während in italienischen Sonetten Reimpaare in den Dreizeilern vermieden werden, folgen deutsche Sonette dem französischen Vorbild, in dem Reimpaare in den Terzetten üblich sind. Alle vier Terzette der beiden vorliegenden Sonette Gryphius´ beginnen mit einem Reim. Das erste deutsche Sonett erschien 1556, verfasst von Christoph Wirsung als eine Übersetzung aus dem Italienischen (vgl. MEID, 2008 S. 70).

Vor allem Martin Opitz´ „Buch von der deutschen Poetery“ erklärte die Form des Sonetts, wie sie in Deutschland gelten sollte.

4. Gryphius´ Anwendung der Opitz´schen Regeln

Martin Opitz stellte 1624 mit seinem „Buch von der deutschen Poetery“ keine völlig neuen dichterischen Vorstellungen vor. In diesem Buch, die erste Poetik in deutscher Sprache, hat er aber mehr und zielstrebiger als alle anderen zuvor Vorschriften für alle Gattungen und Formen der Literatur gefordert. Als einzige wirkliche Neuigkeiten können die Forderung nach der Benutzung der deutschen Sprache sowie die Vorschriften zur Verskunst gelten (vgl. MEID, 2013, S. 113). Mit seiner Nationalisierung der humanistischen Poesie wurde Opitz´ 1624 erschienene Schrift zum Sinnbild einer literarischen Bewegung, die die deutschsprachige Dichtung auf eine neue Basis stellte (vgl. MEID, 2008, S. 83). Den Vorschriften Opitz´ folgte auch Andreas Gryphius. Im Folgenden werden die Opitz´schen Forderungen an ein Sonett mit Gryphius Werken „Es ist alles eitel“ sowie „Menschliches Elende“ verglichen.

1) „Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein jambicus oder trochaicus; nicht zwar das wir auff art der Griechen und Lateiner eine gewisse grösse der sylben können in acht nehmen; sondern das wir aus den accenten vnd dem thone erkennen welche sylbe hoch vnd welche niedrig gesetzt soll werden. […] Vnter den jambischen Versen sind die zuförderst zu setzen / welche man Alexandrinische […] zu nennen pfleget“ (OPITZ, 1624, S. 37) Sämtliche Verse der beiden zu untersuchenden Gedichte stehen in sechshebigen Jamben, so dass sie mit einer unbetonten Silbe beginnen. Dieses Versmaß wird Alexandriner genannt. Gryphius folgt den Opitz´schen Forderungen also gänzlich.

2) „Ein jeglich Sonett hat vierzehn verse / vnd gehen der erste / vierdte / fünffte vnd achte auff eine Endung des reimes aus; der andere / dritte / sechste vnd siebente auch auff eine. Es gilt aber gleich / ob die ersten viergenandten weibliche termination haben / vnd die andern vier männliche: oder hergegen.“ (OPITZ, S. 41)

Im Sonett „Es ist alles eitel“ enden der erste, der vierte, fünfte und achte Vers mit folgenden Wörtern: Erden, Herden, werden, Beschwerden. Der zweite, dritte, sechste und siebte Vers enden mit ein, seyn, Bein, Marmorstein. Es liegt also das geforderte Reimschema a b b a a b b a vor. Verglichen mit den Forderungen von Martin Opitz lässt sich feststellen, dass Gryphius diesen auch in diesem Punkt ausnahmslos gefolgt ist, da gleiches für „Menschliches Elende“ gilt. Vers eins, vier, fünf und acht enden auf Schmertzen, Kerzen, Schertzen und Hertzen, während die übrigen Verse der beiden ersten Quartette auf Zeit, Leid, Kleid, und Sterblikeit enden. In „Menschliches Elende“ tragen die gewählten Wörter für die Versendungen zum rhythmischen Klang des Sonetts bei, da es sich hier ausnahmslos um Substantive handelt. In „Es ist alles eitel“ reimen sich am Versende sowohl Nomen als auch Verben beziehungsweise Teile davon. „Menschliches Elende“ vermittelt durch den Rhythmus in den Reimen und vor allem mit der Auswahl der sich reimenden Wörter wie Leid, Sterblichkeit, Schmertzen, Hertzen und (abgebrante) Kerzen an dieser Stelle das so allgegenwärtige Motiv der Vergänglichkeit. „Es ist alles eitel“ weist dagegen mit Beschwerden nur ein negativ konnotiertes Wort am Versende auf.

3) „Die letzten sechs verse aber mögen sich zwar schrecken wie sie wollen; doch am bräuchlichsten / das der neund vnd zehende einen reim machen / der eilffte vnd viertzehende auch einen / vnd der zwölffte vnd dreyzehende wieder einen.“ (ebd.)

Opitz lässt den Autoren im Prinzip freie Wahl bei den letzten sechs Versen und gibt nur eine Empfehlung zur Reimform, die als Schweifreim bezeichnet wird. Doch auch hier folgt Gryphius Opitz gänzlich und verwendet in den Terzetten das empfohlene Reimschema c c d e e d. Zur weiteren Rhythmisierung verwendet Gryphius bei den a- und d-Reimen weibliche Kadenzen. Diese Verse enden also mit der 13. und unbetonten Silbe, während die anderen Verse männliche Kadenzen und demnach nur zwölf Silben aufweisen. Dieses Schema weisen alle Lissaer Sonette auf, zu denen auch „Es ist alles eitel“ gehört (vgl. SZYROCKI, 1964, S. 58). Auch in „Menschliches Elende“ findet sich das gleiche Muster wieder. Es wechseln sich also die Kadenzen von Reim zu Reim ab, es folgen niemals zwei unterschiedliche Reime in Folge mit der gleichen Kadenz.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Motiv der Vergänglichkeit. Analyse und Vergleich zweier ausgewählter Sonette "Es ist alles Eitel" und "Menschliches Elende" von Andreas Gryphius
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Lyrik des Barock
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V377865
ISBN (eBook)
9783668551879
ISBN (Buch)
9783668551886
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Barock, Gedichte, Andreas Gryphius, Vergleich, Sonett, Vergänglichkeit, Martin Opitz, Vanitas
Arbeit zitieren
Falko Schwetz (Autor:in), 2015, Das Motiv der Vergänglichkeit. Analyse und Vergleich zweier ausgewählter Sonette "Es ist alles Eitel" und "Menschliches Elende" von Andreas Gryphius, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377865

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