Ein neues Projektmanagement-System für die Telecom der SBB

Chancen und Herausforderungen für die Schweizerischen Bundesbahnen


Diplomarbeit, 2017

178 Seiten, Note: 5 (gut)


Leseprobe


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Management Summary
Für den Betrieb eines gesamtschweizerischen Schienennetzes für den Güter- und Perso-
nenverkehr ist der Einsatz sehr leistungsfähiger und zuverlässiger Telekommunikationssys-
teme von großer Bedeutung, hängen doch sowohl die kundennahen und bahnbetrieblichen
als auch die administrativen Abläufe schweizweit von leistungs- sowie funktionsfähigen In-
formatik- und Telekommunikationsmitteln ab. Diese hochtechnologischen Systeme mit ihren
kurzen Lebenszyklen stellen hohe Ansprüche an Konzeption, Architektur sowie die Integrati-
on in den laufenden Betrieb der Bahn. Das digitale Zeitalter schreitet mit der Industrialisie-
rung 4.0 voran. Die Agenden der Top-Führungskräfte sind voll mit Themen wie: Cloud Com-
puting, Internet der Dinge (IoT), Automation der Stellwerke und des ganzen Bahnbetriebs
etc. Es entstehen neue Chancen und Herausforderungen an Telecom- und IT-Services. Dies
bedingt Transaktionen mit großen Investitionen für den Um- und Ausbau der bestehenden
Telecom-Anlagen. Nicht nur in neue und bessere Infrastrukturen und Services wird investiert,
sondern auch in qualifiziert aus- und weitergebildetes Personal. Das Erzielen der bestmögli-
chen Ergebnisse mit den Ressourcen bedingt überlegte Erneuerungen und gezielter Anpas-
sung. Die kontinuierliche Verbesserung und Standardisierung von Prozessen, Tools und
Hilfsmitteln ist unabdingbar. Die Hauptfrage dabei ist:
Welche Chancen werden für die Weiterentwicklung des Projektmanagement-Systems
der Telecom SBB erkannt?
Um diese Frage zu beantworten, werden im Theorieteil dieser Masterarbeit relevante
Schwerpunktthemen wie: Projektmanagement Strategie, Organisationale Kompetenz, das
Projekt Management Office (PMO), Agilität und Agile Methoden, Kulturelle Aspekte im Pro-
jektmanagement sowie die Einführung und Weiterentwicklung von Projektmanagement-
Systemen erforscht. Dazu werden Annahmen aufgestellt, welche die Fragestellung aus theo-
retischer Sicht beantworten. Anschließend erfolgen im empirischen Teil Interviews mit Exper-
ten der SBB zu diesen Schwerpunktthemen bzw. theoretischen Annahmen. Im Auswertungs-
teil werden dann die Annahmen den Kernaussagen aus der empirischen Datenerhebung
gegenübergestellt. Anhand der Konklusionen, die daraus entstanden sind, wird letztlich die
zentrale Kernfrage der Masterarbeit beantwortet. Im Weiteren dienen die Konklusionen als
Grundlage für die Handlungsempfehlungen, mit denen das Projektmanagement-System der
Telecom SBB weiterentwickelt werden könnte.
Schlüsselthemen: Die Telecom der SBB, Projektmanagement-Systeme, Chancen und Herausforde-
rungen von PM-System Entwicklung, Agile Methoden, Reifegrad-Modelle des Projektmanagements,
Strategisches Projektmanagement, Organisationale Kompetenz im Projektmanagement

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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... 7
Tabellenverzeichnis ... 8
Glossar ... 9
1
Einleitung ... 11
1.1 Das Unternehmen SBB ... 15
1.1.1 Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ... 16
1.1.2 Die Telecom der SBB ... 16
1.1.3 Die Informatik ... 19
1.1.4 Der Personenverkehr ... 19
1.1.5 Infrastruktur-Projekte ... 20
1.2 Zielsetzung und Fragestellung ... 20
1.3 Abgrenzung der Arbeit ... 20
2
Projektmanagement-Systeme ... 21
2.1 Strategie ­ Projektmanagement-Systeme ... 23
2.1.1 Organisationale Kompetenz im Projektmanagement ... 25
2.1.2 Das zentrale Bewilligungsgremium und sein Genehmigungsverfahren... 26
2.2 Struktur ­ Projektmanagement-Systeme ... 26
2.2.1 Das Projekt Management Office (PMO) ... 26
2.2.2 Das Projektmanagementhandbuch ... 28
2.2.3 Agilität und Agile Methoden ... 29
2.2.4 Grundprinzip der kontinuierlichen Verbesserung ... 33
2.3 Kultur ­ Projektmanagement-Systeme ... 35
2.3.1 Sponsoren für Projekte durch das Top-Management ... 37
2.3.2 Personalentwicklungskonzept für Projektbeteiligte ... 37
2.3.3 Wissensmanagement ... 39
2.4 Technik ­ Informationssysteme für das Projektmanagement ... 39
2.5 Das Projektmanagement-System in anderen SBB Organisationseinheiten ... 40

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2.5.1 Das Projektmanagement-System in der Division IT ... 40
2.5.2 Das Projektmanagement-System für Infrastruktur Projekte ... 43
2.5.3 Das Projektmanagement-System für den Personenverkehr ... 45
3
Einführung und Entwicklung von Projektmanagement-Systemen ... 49
3.1 Die 'Reife` des Projektmanagement-Systems ... 54
3.2 Der soziale und kulturelle Aspekt von Projektmanagement-Systemen ... 58
3.2.1 Das richtige Team für die Projektmanagement-System-Entwicklung zusammen-
stellen ... 60
3.2.2 Der Bedürfnis-orientierte Ansatz von Projektmanagement-System-Entwicklung 60
3.2.3 Das Gewinnen der Mitarbeiter für das Projektmanagement? ... 61
3.3 Chancen bei Projektmanagement-Systemen und deren Weiterentwicklung ... 63
3.4 Herausforderungen bei Projektmanagement-Systemen und deren Weiterentwicklung .. 65
3.4.1 Herausforderungen auf der Ebene der Projektmanagement-Anwender ... 65
3.4.2 Herausforderungen auf Ebene der Projektabwicklung ... 66
3.4.3 Herausforderungen im Umfeld von Projekten ... 66
3.4.4 Herausforderungen des verzögerten Nutzens ... 67
3.5 Standardisierung von Projektmanagement-Systemen ... 67
3.5.1 Vorgehensmodelle ... 69
3.5.2 Umfangsmanagement ... 71
3.5.3 Zeitmanagement ... 73
3.5.4 Ressourcenmanagement ... 75
3.5.5 Kostenmanagement ... 76
3.5.6 Qualitätsmanagement ... 77
3.6 Zentralisierung von Projektmanagement-Systemen ... 78
3.6.1 Etablierung eines Project Management Office (PMO) ... 79
3.6.2 Projektorganisation ... 80
3.6.3 Zentrales PM-Informationssystem ... 80
3.6.4 Zentralisierte Prozesse ... 81

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3.6.5 Zentrales Risikomanagement ... 83
3.6.6 Zentrales Ressourcenmanagement ... 84
3.6.7 Zentrales Projektportfoliomanagement ... 85
3.7 Zusammenfassung Theorieteil ... 86
4
Methodenteil ... 91
4.1 Der Forschungsablauf ... 91
4.2 Methoden der empirischen Sozialforschung ... 93
4.3 Interviewleitfaden und Fragekatalog ... 94
4.4 Durchführung und Datenerhebung ... 98
4.5 Analyse und Auswertungsverfahren ... 100
5
Auswertungsteil ... 102
5.1 Thematik A1: Projektübergreifende Richtlinien für Strukturen und Prozesse ... 102
5.1.1 Kernaussagen zur A1: Projektübergreifende Richtlinien für Strukturen und
Prozess ... 105
5.2 Thematik B1: Soziale und kulturelle Aspekt ... 105
5.2.1 Kernaussage zur Thematik B1: Soziale und kulturelle Aspekte ... 106
5.3 Thematik C1: Entwicklung von Projektmanagement ... 106
5.3.1 Kernaussage zur Thematik C1: Entwicklung von Projektmanagement ... 107
5.4 Thematik C2: Das Projektmanagement-System in anderen SBB Organisationseinheiten
... 107
5.4.1 Kernaussage zur Thematik C2: Das Projektmanagement-System in anderen SBB
Organisationseinheiten ... 109
6
Diskussion und Konklusion ... 110
6.1 Kernaussagen zur Thematik A1 vs. Theorie ... 110
6.2 Kernaussage zu Thematik B1 vs. Theorie ... 113
6.3 Kernaussage zu Thematik C1 vs. Theorie ... 115
6.4 Kernaussage zu Thematik C2 vs. Theorie ... 116
6.5 Konklusionen vs. Theoretischen Annahmen ... 117
6.6 Beantwortung der zentralen Fragestellung ... 120

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7
Handlungsempfehlungen ... 121
7.1 Empfehlungen zur Organisation ... 121
7.2 Empfehlungen zum Vorgehen ... 122
7.3 Empfehlungen für die PM-Akzeptanz ... 123
7.4 Empfehlung für die Organisatorische Unterstützung ... 125
7.5 PM-System Adaptionen ... 125
8
Fazit und Ausblick ... 126
9
Quellenverzeichnis ... 127
10 Anhang ... 135
Anhang 1: Interview Leitfaden ... 135
Anhang 2: Interview Ergebnisse ... 142
Anhang 3: Exemplarische Rollen und Gremien in einer Multiprojektumgebung ... 177

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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Untersuchte Organisationeinheiten SBB (Quelle: Eigene Darstellung) ... 15
Abbildung 2: Organigramm von TEC (Quelle: Intranet der SBB, 2017) ... 18
Abbildung 3: Projektmanagement-System (Quelle: Eigene Darstellung) ... 23
Abbildung 4: PM-Handbuch (Quelle: Eigene Darstellung angelehnt an Angenheimer, 2012)
... 29
Abbildung 5: Unsere agilen Prinzipien (Quelle: Entnommen aus Intranet SBB Agile
Transformation) ... 30
Abbildung 6: Scrum (Quelle: Entnommen aus Foegen, 2014) ... 32
Abbildung 7: Kanban (Quelle: IT-Agile.de) ... 33
Abbildung 8: KVP (Quelle: Eigene Darstellung) ... 34
Abbildung 9: IT2go, PM2go & AOM2go (Quelle: Intranet der SBB AG Division IT) ... 40
Abbildung 10: PM2go (Quelle: Intranet der SBB AG Division IT) ... 41
Abbildung 11: Phasen und Disziplinen (Quelle: Intranet SBB AG Division IT) ... 42
Abbildung 12: Einstiegsmaske zu MPM (Quelle Intranet SBB) ... 43
Abbildung 13: PM-System von I-PJ Quelle: Intranet SBB ... 44
Abbildung 14: PMO Zürich (I-PJ-ZUE-PMO) (Quelle: Intranet SBB) ... 45
Abbildung 15: Laufende Projekte und finanzielle Verteilung Personenverkehr (Quelle:
Intranet SBB) ... 45
Abbildung 16: PPM ­ Personenverkehr (Quelle: Intranet SBB) ... 47
Abbildung 17: Projektklassifizierung Personenverkehr (Quelle: Richtlinie Einzelprojekt-
management P ­ SBB) ... 47
Abbildung 18: Portfoliomanagement bei Personenverkehr (Quelle: Intranet SBB, 2017). ... 48
Abbildung 19: Entwicklungsprozess PM-System (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung
an OCB Ver. 1.0 IPMA) ... 49
Abbildung 20: Entwicklung des Projektmanagements (Quelle: Ahlemann & Eckl, 2013, S. 25)
... 51
Abbildung 21: Projektmanagement-Navigator (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an
Abb. 2.4 Allemann & Eckl 2013 S. 30) ... 53
Abbildung 22: Drei-Modul-Modell (Quelle: IPMA). ... 56

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Abbildung 23: Psychologisches Modell der PM-Akzeptanz (Quelle: Ahlemann F., & Eckl C.,
S. 46) ... 62
Abbildung 24: Meilensteintrend Analyse Quelle: (Ahlemann & Eckl, 2013, S. 71) ... 74
Abbildung 25: Die zwei Ansätze der Zentralisierung (Quelle: Eigene Darstellung in
Anlehnung an Ahlemann & Eckl, 2013, S. 31) ... 79
Abbildung 26: Teilprozesse der Zentralisierung (Quelle: Eigene Darstellung). ... 81
Abbildung 27: Planungsebenen (Quelle: (Ahlemann & Eckl, 2013, S. 113) ... 84
Abbildung 28: Soziale Wirklichkeit (Quelle: Atteslander, 2010, S. 54) ... 93
Abbildung 29: Neue Organisation PPP (Quelle: Eigene Abbildung) ... 121
Abbildung 30: Entwicklungsprozess PM-System (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung
an OCB Ver. 1.0 IPMA) ... 122
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: In Anlehnung an Gabler Wirtschaftslexikon, 'Personalentwicklung` (Quelle:
online: wirtschaftslexikon.gabler.de) ... 37
Tabelle 2: Reifegradmodelle (Quelle: Eigene Darstellung) ... 54
Tabelle 3: PM-Dokumente (Quelle: (Ahlemann & Eckl, 2013, S. 73) ... 72
Tabelle 4: Leitlinien für Zentralisierte Prozesse (Quelle: Ahlemann F., & Eckl C.,
Strategisches Management, S.108) ... 82
Tabelle 5: Fragenblock 1 zum Themenbereich 1 (Quelle: Eigene Darstellung) ... 94
Tabelle 6: Frageblock 2 zum Themenbereich 2 (Quelle: Eigene Darstellung) ... 96
Tabelle 7: Fragenblock 3 zum Themenbereich 3 (Quelle Eigene Darstellung) ... 98
Tabelle 8: Die Fachexperten (Quelle: Eigene Darstellung) ... 99
Tabelle 9: Themencluster & Thematik (Quelle: Eigene Darstellung) ... 102
Tabelle 10: Exemplarische Rollen und Gremien in einer Multiprojektumgebung (Quelle:
Ahlemann & Eckl, 2013, S. 96-99) ... 177

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Glossar
Abkürzung
Beschreibung
AT
Anlagen & Technologien
ASD
Adaptive Software Development
AOM2go
Framework für das Produktemanagement der IT der SBB
BIH
Bau- und Instandhaltung
BDD
Behavior Driven Development
CEO
Chef Execute Officer
EMBA
Executive Master of Business Administration
ETCS
European Train Control System
FH
Fachhochschule
FN
Fahrplan & Netzdesign
GPM
Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement
I-PJ
Infrastruktur-Projekte
I
Infrastruktur (Division der SBB)
IT
Informations Technologie
IoT
Internet of Things
IPMA
International Projekt Management Association
SBB
Schweizerische Bundesbahnen
öV
öffentlicher Verkehr
MIV
motorisiertem Individualverkehr
SYI
System-Integration
SBBG
Bundesgesetz über die schweizerischen Bundesbahnen
TC
Telecom
TEC
Technik (Engineering Abteilung der Telecom SBB)
TBB
Technischer Betrieb (Betriebs Abteilung der Telecom SBB)
OCB
Organisational Competence Baseline

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OCT
Operation Center Technik
PAM
Programmanagement
P3O
Programm and Project Offices
RBV
Resource-based View
PPT
PowerPoint Folien
PMCD
Project Manager Competency Development
PMI
Project Manager Institute
PPM
Professionelles Projektmanagement
PMS
Projektmanagement-System
PM
Projektmanagement
PM2go
Framework für die Projektbewirtschaftung intern SBB.
P
Personenverkehr (Division der SBB)
PKA
Projekt Kredit Antrag
PMO
Project Management Office
Prince2
Projects in Controlled Environments (Projektmanagementmethode)
SSRN
Social Science Research Network
IT2go
Dachframework von PM2go und AOM2go der IT der SBB
XP
Extreme Programming
FDD
Feature Driven Development
5PP
Fünf Punkte Plan der Telecom der SBB

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1 Einleitung
Die SBB hat erkannt, dass es in der Organisationseinheit Telecom an organisationaler Kom-
petenz im Bereich des Projektmanagement-Systems fehlt. Nicht allein die Programm- und
Projektmanager vermissen bereichsübergreifende, standardisierte Prozesse, Methoden, In-
strumente und Kompetenzen. Durch das Nichtvorhandensein von Portfolio-Management
kann innerhalb der gegebenen Bedingungen keine optimale Mischung der Projekte in Berei-
chen wie Kundenanliegen, strategische Ziele oder verfügbare Ressourcen erreicht werden.
Die passenden Projekte zu finden und auszuwählen, die den größten Beitrag zur Erfüllung
der Ziele der Organisationseinheit der Telecom SBB leisten, ist eine große Herausforderung.
Dass Fehlen eines teilzentralisierten Ressourcenmanagements ist eine weitere Problematik,
die derzeit suboptimal nachhaltige Kapazitätsplanung für die Vorhaben sicherzustellen. Oft
werden neue Vorhaben, Projekte nur ungenügend oder nicht richtig auf ihre strategische
Relevanz und ihre nutzengerechte Durchführbarkeit überprüft.
Des Weiteren wird das Wissen über die Erfolge und Misserfolge von Programmen oder Pro-
jekten nicht einheitlich und für alle zugänglich an einem Ort gesammelt. Es fehlt das einheit-
liche zentrale replizierbare Wissen, wie Projekte durchgeführt werden. Das erschwert die
Wiederholung von Projekterfolg. Der Erfolg ist zu einem großen Teil vom Projektleiter ab-
hängig. So ist die Minimierung von Risiken oder das Vermeiden von bereits gemachten Feh-
lern nur mühsam realisierbar, weil es keine zentrale Wissensdatenbank gibt. Erforderlich ist
aber auch eine Projektmanagementkultur im Sinne eines schwer fassbaren Konglomerats
aus werteethischen, organisatorischen, psychosozialen, personal- und unternehmenspoliti-
schen Gegebenheiten, die den eingesetzten Methoden, Instrumenten und Kompetenzen erst
ihre operative Leistungsfähigkeit verleihen. Neue Anreize sind dort nur minimal vorhanden,
wo neue Projektbeteiligte, Projekt- und Programmleiter schneller sowie effektiver in das Pro-
jektmanagement-System (PM-System) eingebunden sind, bestehende Mitarbeiter gefordert
und gefördert werden sollen.
Zudem gibt es in einem bestimmten Bereich innerhalb der Telecom SBB seit Kurzem gewis-
se neue organisatorische Strukturen. Die Teilbereiche Technik (TEC) und Technischer Be-
trieb (TBB) sind jetzt voneinander getrennt, was durchaus Sinn ergibt. Dennoch muss sich
diese Neustrukturierung erst noch bewähren. Es bestehen offene Fragen in Sache Kompe-
tenzen und Verantwortlichkeiten sowie Abgrenzungen zwischen Systemintegration, Bau und
Instandhaltung und zum Operation Center Technik OCT etc.
Sehr häufig werden Projekte, nicht nur bei der Telecom SBB, über organisatorische Grenzen
hinweg abgewickelt. Kunden, Lieferanten und Partner übernehmen Teile des jeweiligen Pro-
jektes und können zu diesem Zeitpunkt nur suboptimal koordiniert werden. Stark indiziert

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und angetrieben von der Abteilung Programm Management Telecom (PAM) werden jetzt
bereits bestimmte Verbesserungsvorhaben geplant oder schon realisiert. Mit dem Ziel der
Weiterentwicklung des bestehenden PM-Systems werden neue Prozesse definiert. In den
Bereichen Governance, Methodik und Tools, Dokumentenmanagement, Wissenstransfer,
übergreifende Ressourcen planen, einheitliches Controlling, Kompetenz- und Entwicklungs-
matrix im Projektmanagement, Durchlässigkeit PMO => Projektleitung => Programmleitung
und PM-Weiterbildungen sind Maßnahmen geplant oder befinden sich teilweise schon in der
Umsetzungsphase.
Der Markt verlangt, dass neue Technologien, ob Hard- oder Software, unaufhaltsam in im-
mer kürzeren Zeiten weiterentwickelt und neu eingeführt werden. Der Termin und Kosten-
druck steigt unabdingbar. Fakt ist, dass sich das Daten- und Sprachverkehrsvolumen jeweils
alle 18­24 Monate verdoppelt. Zusammen mit der zunehmenden Vernetzung führt dies zu
einer steigenden technischen Komplexität. Ohne Maßnahmen, so die Prognose, wird sich
die Anzahl der Verspätungsminuten der Bahn in den nächsten zwei bis drei Jahren mindes-
tens verdoppeln. Die Herausforderung ist also, trotz der Zunahme des System-Volumens
und der geforderten hohen Verfügbarkeit der Telecom-Services, die Kosten pro Service wei-
ter zu senken. Die Folgen von eventuellen Reduktionsszenarien werden im Rahmen des
5PP strukturiert erarbeitet. Die Telecom SBB hat also auch zum Ziel: die Steigerung der Effi-
zienz durch Industrialisierung, deutliche Verbesserung der Kundenorientierung gegenüber
Partnern und Leistungsempfängern, Erhöhung der Service-Transparenz sowie die Nutzung
von Nebengeschäften, um Stückkosten zu senken. Und die Telecom SBB muss die Füh-
rungskultur verändern.
Dies alles ruft Performance-Steigerung auf den Plan. Dabei sind nicht nur das Projekt- und
Portfolio-Management besonders gefordert, sondern auch das Top-Management sowie das
mittlere Kader. Denn erst wo die nötigen Rahmenbedingungen und Methoden vorgelebt wer-
den, ist eine solche Transition effizient und effektiv möglich. Für Programme und Projekte
sicherer, kostengünstiger und agiler umzusetzen werden nicht nur die richtigen Werkzeuge
und Ressourcen zur richtigen Zeit am richtigen Ort benötigt. Es erfordert auch das Wissen,
wie diese effizient und effektiv eingesetzt werden können. Ebenso unabdingbar kann ver-
mehrt zu den Herausforderungen der Telecom gezählt werden, einen verstärkten Bezug von
Vorhaben zur Strategie herzustellen. Die Transparenz im Multiprojektmanagement könnte
gesteigert werden.
Die Relevanz für die Abteilung Telecom der SBB liegt in der Untersu-
chung des bestehenden PM-Systems, dem Vergleich mit Best-Practices, dem Definieren von
Verbesserungszielen sowie in der Etablierung von einheitlichen Projektmanagement-
Methoden und -Richtlinien. In Sache Projektmanagement muss das Rad für die Abteilung
Telecom SBB nicht neu erfunden werden. Es ist ratsam zu prüfen, inwieweit eine Adoption

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oder Entlehnungen von etablierten, praxiserprobten PM-Systemen und von Methoden ande-
rer Organisationseinheiten bzw. Divisionen der SBB für die Telecom Sinn machen. Im Weite-
ren kommt dazu, dass die SBB mit ihrem Programm Agile Transformation einen Kulturwan-
del anstrebt, um schneller, schlanker und zielgerichteter auf Kundenwünsche einzugehen.
Agilität wird bei der SBB auch gelebt. Das Motto dabei ist, dass insgesamt mehr Beweglich-
keit erreicht werden muss, um der Dynamik im Kontext der Digitalisierung und dem Kosten-
druck gerechter zu werden. Demzufolge stehen dem einzelnen Mitarbeiter verschiedene
Schulungsangebote für diese Thematik zur Verfügung. In dieser Studie werden als Neben-
ziel die relevanten Kernpunkte ausgearbeitet, um eine Antwort darauf zu finden, inwieweit
die Telecom SBB auf das Boot der Agilität aufspringen will. Wann bei welchen Vorhaben
agile Prozesse und Methoden für die Telecom SBB Sinn machen und bei welchen eben nicht
ist zu prüfen.
Kapitelübersicht
Kapitel 1: Einleitung
Anhand des Phänomens wird das Thema vorgestellt und die Problemstellung geschildert. Es
folgt die Beschreibung und die Darstellung der Relevanz für die Telecom der SBB, eine Ver-
änderung vorzunehmen, um das geschilderte Problem anzugehen. Auf Basis des Phäno-
mens und der Relevanz wird dann die zentrale Fragestellung für diese Arbeit definiert. Die
Einleitung enthält darüber hinaus eine kurze Beschreibung der SBB sowie der Organisati-
onseinheiten, die in dieser Arbeit untersucht werden. Zum Abschluss wird die Abgrenzung
der Arbeit vorgenommen, das Vorgehen und die angewandte Methode erklärt.
Kapitel 2: Theorieteil
Im theoretischen Teil wird aufgezeigt wie sich das Projektmanagement-System definiert und
aus was für relevanten Teilaspekten sowie Elemente es besteht. Dieses Kapitel soll eine
theoretische Antwort darauf geben, was an einem Projektmanagement-System weiterentwi-
ckelt werden kann und mit welchen Chancen sowie Herausforderungen dabei zu rechnen
sind. In der Zusammenfassung des Theorieteils werden dann bestimmte Annahmen über
den Reifegrad, die Akzeptanz und die Entwicklungschancen des Projektmanagement-
Systems bei der Telecom, sowie mögliche Adaptionen von Projektmanagementpraktiken von
anderen Organisationseinheiten aufgestellt.

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Kapitel 3: Methodenteil
Grundsätzlich orientiert sich diese Masterarbeit an den von Atteslander (2019, S.21) be-
schriebenen fünf Phasen des Forschungsablaufes. Aufgrund der zentralen Fragestellung
erfolgt die Datenerhebung anhand qualitativer Interviews. Es wird die Methode des teilstruk-
turierten Befragens mittels persönlicher Interviews gewählt. In den persönlichen Interviews
werden ausgewählte Mitarbeiter der SBB und ein Mitarbeiter von Bernmobil, sogenannte
Fachexperten, zu Ihren Erfahrungen mit der Anwendung sowie mit der Einführung und Wei-
terentwicklung von PM-Systemen, Projektmanagement und ihrer Anwendung befragt.
Kapitel 4: Auswertungsteil
Die durchgeführten Interviews mit ausgewählten Experten sind protokolliert und transkribiert.
Die aus den Interviews erhaltenen Antworten werden in diesem Kapitel dargestellt und Kern-
aussagen herauskristallisiert.
Kapitel 5: Diskussion und Konklusion
Die aus der Datenerhebung gewonnen Kernaussagen werden in diesem Kapitel systema-
tisch mit den zuvor aufgestellten Annahmen aus Kapitel 2 der theoretischen Auseinanderset-
zung diskutiert und verglichen. Aus der Diskussion ergeben sich Konklusionen, die Antwor-
ten auf die Kernfragestellung der Arbeit liefern.
Kapitel 6: Handlungsempfehlungen
In diesem Kapitel werden Handlungsempfehlungen, die auf Grundlagen der Konklusionen
und den Antworten auf die Kernfragestellung basieren, vor- und dargestellt. Sie sollen auf-
zeigen, welchen Chancen und Risiken bestehen bei einer mögliche Entwicklungen des PM-
Systems der Telecom der SBB.
Kapitel 7: Fazit und Ausblick
Im letzten Kapitel werden die gewählten Vorgehensweisen und Methoden kritisch hinterfragt.
Des Weiteren wird eine kurze Erläuterung zu den Handlungsempfehlungen und Schritten
abgegeben, die jetzt realisiert werden sollen.

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1.1 Das Unternehmen SBB
In den folgenden Kapiteln werden die für diese Studie ausgewählten Organisationseinheiten
der SBB vorgestellt. Es sind die Organisationseinheiten innerhalb der SBB, in denen das
Projektmanagement gelebt wird. Im Rahmen dieser Masterarbeit werden im Speziellen die
vorhandenen Projektemanagement-Systeme oder Teilaspekte davon untersucht. Ziel ist es
festzustellen, welche Prozesse, Methoden und Systeme sich gegebenenfalls für die Entwick-
lung des Projektmanagement-Systems der Telecom adaptieren lassen. Geforscht wird in
Organisationseinheiten wie Infrastruktur-Projekte I-PJ, in der die großen Infrastrukturvorha-
ben der SBB ihre Umsetzung finden, dort wo die Projektierung und Realisierung der Bahnhö-
fe, Tunnel, Brücken, Bahntechnik (Signal- und Leittechnik, Fahrstrom- und Fahrbahnanla-
gen) stattfindet.
So hat auch
die SBB IT Abteilung (IT), die anspruchsvolle Informationstech-
nologie-Lösungen aus einer Hand für die SBB und ihre Kunden entwickelt, an der Untersu-
chung teilgenommen. Auch das PM-System des Personenverkehrs der SBB wird untersucht.
Abbildung 1: Untersuchte Organisationeinheiten SBB (Quelle: Eigene Darstellung)

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1.1.1 Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)
Die Schweizerischen Bundesbahnen, kurz SBB, sind die staatliche Eisenbahngesellschaft
der Schweiz mit Sitz in der Bundesstadt Bern. Rechtsform: öff.-rechtl. Aktiengesellschaft
(gem. Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG). Andras Meyer führt
das Unternehmen seit 2007 als CEO. Die Anzahl der Mitarbeiter beträgt ca. 33000. Die SBB
hat im Jahr 2015 einen Umsatz von 8,786 Mrd. CHF generiert (SBB Konzern Unterneh-
menspräsentation, PPT ­ Folien, SBB AG).
1.1.2 Die Telecom der SBB
Für den Betrieb eines gesamtschweizerischen Schienennetzes für den Güter- und Perso-
nenverkehr ist der Einsatz sehr leistungsfähiger und zuverlässiger Telekommunikationssys-
teme von großer Bedeutung, hängen doch sowohl die kundennahen und bahnbetrieblichen
als auch die administrativen Abläufe schweizweit von leistungs- und funktionsfähigen Infor-
matik- und Telekommunikationsmitteln ab. Diese hochtechnologischen Systeme mit ihren
kurzen Lebenszyklen stellen hohe Ansprüche an Konzeption, Architektur sowie die Integrati-
on in den laufenden Betrieb der Bahn. Das digitale Zeitalter schreitet mit der Industrialisie-
rung 4.0 voran. Es entstehen neue Chancen und Herausforderungen an Telecom- und IT-
Services. Dies bedingt Transaktionen mit großen Investitionen für den Um- und Ausbau der
bestehenden Telecom Anlagen. Nicht nur in neue und bessere Infrastrukturen und Services
wird investiert, sondern auch in qualifiziert aus- und weitergebildetes Personal. Das Erzielen
der bestmöglichen Ergebnisse mit den Ressourcen bedingt überlegte Erneuerungen und
gezielter Anpassung, Verbesserung und Standardisierung von Prozessen, Tools und Hilfs-
mitteln (Intranet SBB, Telecom, Webpublikation 2017, SBB AG).
Im Interview mit Arne Benox, Chef Telecom der SBB, am Dienstag 14.03.2017 in Ostermun-
digen wurden folgende Fragen im Hinblick auf Vision, Ausbau von Drittgeschäften und die
Herausforderungen der Telecom gestellt:
F: Was für eine Vision hat die Telecom?
A: ,,Unsere Vision steht stark im Zeichen der Digitalisierung und Automation der Fahrplaner-
stellung, des Bahnbetriebs sowie der Zugsteuerung, also Zeichen des Programms Bahn 4.0.
Die Vision von Telecom ist, die strategischen Ziele der SBB tatkräftig zu unterstützen, das ist
unsere Hauptaufgabe." (3)
F: ,,In dem Programm Bahn 4.0 werden ja Möglichkeiten von zunehmender Fernsteuerung
der Züge, der Ausbau der Kapazität im Datenfunk, die hochverfügbare Ortung der Züge im
Gleisfeld und netzweiter Rollout der ETCS Führerstandsignalisierung vorangetrieben. Dies
passiert ja alles für die SBB und letztlich für den Bahnkunden. Wie sieht der Ausbau dann in

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Richtung Drittgeschäften aus, also unsere Infrastruktur Fremdkunden zur Verfügung zu stel-
len?"
A: ,,Das Geschäft mit Dritten wird nur soweit ausgebaut mit der Bedingung dass keine zu-
sätzlichen Aufwände entstehen. Man denke nur an die ganzen Auflagen für Carrier, das
Aufwand-Nutzen-Verhältnis wäre da einfach zu groß. Die Telecom will sich also nicht in
Richtung eines Telekom-Anbieters wie Swisscom oder Sunrise entwickeln und diese letztlich
noch Konkurrenzierung, nein unser Kerngeschäft ist Bahnfahren und dies zu unterstützen ist
unsere Aufgabe." (3)
F: ,,Danke, dass führt mich zur der nächsten und letzten Frage. Welche Herausforderungen
stehen in nächster Zeit für die Telecom an?"
A: ,,Unsere Herausforderungen sind die Herausforderungen der SBB, wie das Ansteigen an
Konkurrenz, wie beispielsweise durch die niedrigen Fahrpreise von Fernbussen, erste Kon-
zessionen wurden in der Schweiz schon vergeben. Eine weitere Herausforderung ist, dass
die Stellewerke vermehrt automatisiert werden sollen. Und dann ist das große Thema IoT
(Internet of Things). Da müssen wir mit verstärkten Anforderungen an die Security rechnen.
Im Weiteren sind unsere Technologien eher konservativ und dienen dem Werteerhalt und
sind stark auf Sicherheit ausgelegt. Wir sind also nicht in der Lage, wie die beispielsweise
die Automobilbranche, mit hoher Innovationskraft auf einen Hybridmotor zu setzen. Die Bahn
fährt mit Strom." (3)
Der Termin und Kostendruck steigt unabdingbar. Fakt ist, dass sich das Daten- und Sprach-
verkehrsvolumen jeweils alle 18­24 Monate verdoppelt. Zusammen mit der zunehmenden
Vernetzung führt dies zu einer steigenden technischen Komplexität. Ohne Maßnahmen, so
die Prognose, wird sich die Anzahl der Verspätungsminuten der Bahn in den nächsten zwei
bis drei Jahren mindestens verdoppeln. Die Herausforderung ist also, trotz der Zunahme des
System-Volumens und der geforderten hohen Verfügbarkeit der Telecom-Services, die Kos-
ten pro Service weiter zu senken.
Die Folgen von eventuellen Reduktionsszenarien werden im Rahmen des 5PP strukturiert
erarbeitet. Die Telecom SBB hat also auch zum Ziel: die Steigerung der Effizienz durch In-
dustrialisierung, deutliche Verbesserung der Kundenorientierung gegenüber Partnern und
Leistungsempfängern, Erhöhung der Service-Transparenz sowie die Nutzung von Nebenge-
schäften, um Stückkosten zu senken. Und die Telecom SBB muss die Führungskultur ver-
ändern (vgl. Der Fünf Punkte Plan Telecom ­ 5PP, PPT Folien, 2017, SBB AG).

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Wo das Programm- und Projektmanagement bei Telecom gelebt wird
In folgenden Organisationseinheiten wird Programm- und Projektmanagement heute in be-
stimmter Form gelebt:
Technik ­ System-Integration (I-AT-TC-TEC-SYI)
Programmmanagement (I-AT-TC-TEC-PAM)
Bau- und Instandhaltung (I-AT-TC-BIH)
System-Integration der Abteilung Technik (TEC)
Die Projektleiter bei System-Integration sind verantwortlich für die technische Projektleitung,
Steuerung und Planung oder Unterstützen bei hoch technologischen Investitionsprojekten.
Sie führen neue Technologien ein, erweitern bestehende Bahn- und Geschäftskommunikati-
on oder Datennetz-Systeme. Als technische Projektleiter organisieren die Fachprojektleiter
komplexe, Technologie-übergreifende Investitionsprojekte und tragen die Verantwortung für
die Interkompatibilität in den Bereichen Phase Design, Plan und Build bis zur Übergabe an
den Betrieb. Mit starkem Bezug zur technischen Architektur und zum Engineering werden
rechtzeitig alle technischen Informationen für relevante Vorhaben sichergestellt. In beraten-
der Funktion werden dort grundlegende Entscheidungen im Kontext mit Systemabgrenzung
und Interaktion herbeigeführt. Im Weiteren findet dort auch die Unterstützung der Architektur
bei der Erstellung und Abstimmung der jeweiligen Architekturrichtlinien statt (vgl. Intranet
SBB, Abteilung Technik, Webpublikation 2017, SBB AG).
Abbildung 2: Organigramm von TEC (Quelle: Intranet der SBB, 2017)

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Programmmanagement
Das Programmmanagement hat die internen Ziele: strategische, plattformübergreifende Pro-
gramme sowie Projekte im Telekommunikationsnetz umzusetzen sowie diese in den Betrieb
zu überführen. Im Programmmanagement findet die Planung und Verantwortung für die
schweizweiten Rollouts der notwendigen Telecom Technologien statt. Im Weiteren ist im
Programmmanagement ein eigenes Projekt Management Office PMO angesiedelt. Es unter-
stützt dank fundierter Erfahrungen im Projektcontrolling und projektbegleitender Prozesse
sowohl die Programme als auch das Anlagemanagement Telecom (vgl. Intranet SBB, Abtei-
lung Programmmanagement, Webpublikation 2017, SBB AG).
Bau- und Instandhaltung
Die Bau- und Instandhaltung führt vor allem Projekte im Auftrag von Telecom, Kundenanla-
gen & Facility Management sowie Infrastruktur-Projekte. Darüber hinaus wartet die Organi-
sationseinheit aber auch Elektro- sowie Telecom-Anlagen und behebt Störungen im Auftrag
von Technischer Betrieb (I-AT-TC-TBB) sowie dem Technischen Betrieb in den Betriebsregi-
onen (TEB). Projektmanagement findet dort oft für die sogenannte Fläche statt, also kleinere
oder größere Vorhaben wie z. B. Rolloutprojekte, die zumeist die ganze oder Teile der
Schweiz betreffen (vgl. Intranet SBB, Bau und Instandhaltung, Webpublikation 2017. SBB
AG).
1.1.3 Die Informatik
Die IT koordiniert und steuert die nachhaltige und harmonische Entwicklung der konzernwei-
ten Informationstechnologie-Landschaft, erbringt für verschiedene Auftraggeber verlässliche
Leistungen im Interesse der SBB Kunden. Die Spezialisten entwickeln IT-Lösungen nach
Maß und nutzen konzernweite Synergien bezüglich des Einsatzes. Des Weiteren entwickeln
sie die IT-Strategie und koordinieren das IT-Innovationsportfolio (vgl. Intranet SBB, Informa-
tik, Webpublikation 2017, SBB AG).
1.1.4 Der Personenverkehr
Mit über 14000 Mitarbeitern ist der Personenverkehr die größte Division der SBB. Sie be-
steht aus den Geschäftsbereichen Verkehr, Regionen, Vertrieb und Services, Operating,
Verkehrsmanagement, Finanzen, Human Resources, Unternehmensentwicklung sowie Öf-
fentliche Sicherheit. Leiterin ist Jeannine Pilloud. Spannende Fakten zum Personenverkehr
der SBB: über eine Million Fahrgäste täglich, die Schweiz ist Europameisterin im Zugfahren
und mit 2277 Kilometern Weltmeisterin bei der durchschnittlich gefahrenen Distanz pro Ein-
wohnerin bzw. Einwohner. Pro Tag sind 8625 Personenzüge im Streckennetz der SBB un-
terwegs (vgl. Intranet SBB, Personenverkehr, Webpublikation 2017. SBB AG).

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1.1.5 Infrastruktur-Projekte
Die Organisationseinheit Infrastruktur-Projekte (I-PJ) ist das Projektmanagement- und Engi-
neering-Unternehmen der Division Infrastruktur innerhalb der SBB. Dort werden Projekte von
der Idee bis zur Inbetriebnahme umgesetzte. Die Kunden sind Anlagen & Technologie (AT),
Fahrplan & Netzdesign (FN) sowie IM, P, Cargo, Tochtergesellschaften, externe Bahnunter-
nehmen, Kantone und Gemeinden. Infrastruktur-Projekte projektiert und realisiert zusammen
mit Partnern Bahnanlagen wie Bahnhöfe, Tunnels, Brücken, Bahntechnik (Signal- und Leit-
technik, Fahrstrom- und Fahrbahnanlagen) etc. Zudem werden Grobstudien, Expertisen,
Zweitmeinungen, Beratungen und Projekte für Dritte angeboten (vgl. Intranet SBB, Infra-
struktur-Projekte, Webpublikation 2017, SBB AG).
1.2 Zielsetzung und Fragestellung
Ziel dieser Masterarbeit, die sich an der Praxis orientiert und wissenschaftlich abgestützt
wird, ist es, Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, die aus den Gegenüberstellungen der im
Theorieteil aufgestellten Annahmen mit den Aussagen der empirischen Datenerhebung ab-
gleitet werden. Aus den in der Untersuchung zu ermittelnden Vorteilen und Herausforderun-
gen für das Projektmanagement-System der Telecom SBB ergibt sich für diese Masterarbeit
folgende Kernfrage.
Welche Chancen werden für die Weiterentwicklung des Projektmanagement-Systems
der Telecom SBB erkannt?
1.3 Abgrenzung der Arbeit
Diese Masterarbeit konzentriert sich auf die Analyse von bestimmten Organisationseinheiten
der SBB wie die Telecom, die Projektabteilung des Bereichs Infrastruktur (I-PJ), die Division
IT und den Personenverkehr. Alle Projektmanagement-Systeme, die außerhalb dieser Orga-
nisationseinheiten liegen, werden in dieser Arbeit nicht untersucht. Im Weiteren konzentriert
sich die Arbeit auf die Standardisierung und Zentralisierung von Projektmanagement-
Systemen. Weiterführende Phasen der Professionalisierung von PM-Systemen werden auf-
grund des Zeitaspekts und des Blickwinkels dieser Arbeit nicht eingegangen.

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2 Projektmanagement-Systeme
Definition: Ein Projektmanagement-System (PM-System) besteht aus wesentlichen strategi-
schen, strukturellen, technischen und kulturellen Komponenten, die erst in ihrer optimalen
aufeinander abgestimmten Konstellation ein effizientes System bilden (Pfetzing & Rohde,
2014, S. 465). Der Projektmanagement Verband (IPMA) definiert wie folgt: ,,[...]Projekterfolg
ist nicht nur eine Frage der Kompetenz einzelner Projektmanager, sondern eines professio-
nellen Zusammenspiels des Ganzen zwischen Projektmanagement-Kompetenz des Mana-
gements der Organisation, Kompetenzen ausgewählter Projektmanager und der PM-
Kompetenz und Ergebnisse in ausgewählten Projekten und Programmen[...]." (GPM, 2014,
S. 23).
Die heutigen Erkenntnisse aus der Forschung sprechen im Kontext mit Projektmanagement-
Systemen oft von einer sogenannten organisationalen Kompetenz. Darunter wird die kollek-
tive Fähigkeit bzw. das kollektive Vermögen zur Bewältigung von Zielen in einer gegebenen
Umwelt verstanden. Die organisationale Kompetenz ergibt sich demnach auf der geschickten
Kombination individueller Kompetenzen. Zum Vergleich wird dabei laut Wagner (2011) in der
betriebswirtschaftlichen Forschung von Resource-based View auf Unternehmen gesprochen.
Dies bedeutet, dass Unternehmen sich von der einseitigen Ausrichtung am Absatzmarkt ent-
fernen und somit vermehrt auf die internen Stärken der Ressourcen sowie Kompetenzen
berufen. Unter Rückgriff auf Edith Penrose, die bereits 1959 in ,,The Theory of the Growth of
the Firm" Erfolg auf die Qualität interner Ressourcen zurückführt, wurde die Idee eines Re-
source-based View (RBV) reanimiert. Im RBV werden also zwei Ansätze vereint: Zum einen
werden strategische Vorteile von Unternehmen darauf zurückgeführt, dass sie über andere,
strategisch wertvollere Ressourcen verfügen; zum anderen darauf, dass sie ihre Ressourcen
besser als ihre Konkurrenz nutzen können (Jeffrey Pfeffer, Gerald R. Salancik, 1978). Orga-
nisationale Kompetenz im Projektmanagement ist also die Fähigkeit einer Organisation, ihre
Ziele durch die geschickte Kombination bzw. den Einsatz verfügbarer individueller, strategi-
scher, struktureller und kultureller Kompetenzen sowie von Vermögenswerten im Rahmen
der Projektarbeit zu erreichen (Wagner R., 2011, S.102).
Pfetzing und Rohde (2011) definieren ein Projektmanagement-System als die Gesamtheit
aller eigens für die Projektarbeit installierten Stellen, Techniken, Dokumentationen, Qualifika-
tions- und Unterstützungsmaßnahmen. Im Weiteren erklären die Autoren, dass ein PM-
System das eigentliche Qualitätsmanagement-System für die Bearbeitung von Projekten ist.
Dieses beinhaltet gültige Strukturen und Regeln für das Projektmanagement, die in einer
hierarchisch aufgebauten Dokumentation (Handbuch, Verfahrens- und Arbeitsanweisungen,
Gesetzte, Normen und Arbeitspapiere) beschrieben sind.

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Nach Angemeier (2009) ist ein Projektmanagement-System mit einem Qualitäts- oder Konfi-
gurationsmanagement-System vergleichbar. In der DIN 69901:2009-01 'Projektmanagement
­ Projektmanagementsysteme` im Teil 5: Begriffe wird ein Projektmanagementsystem als
,,System von Richtlinien, organisatorischen Strukturen, Prozessen und Methoden zur Pla-
nung, Überwachung und Steuerung von Projekten" definiert. Der Teil 1 der Norm beschreibt
ausführlich die Eigenschaften und Elemente von Projektmanagementsystemen. Der Zweck
eines PM-Systems ist, Projekte erfolgreich und möglichst effizient durchzuführen. Durch ei-
nen geeigneten Auditierungsprozess muss sichergestellt werden, dass sie kontinuierlich ver-
bessert werden. In der DIN 69901:2009 werden als wesentliche Eigenschaften eines PM-
Systems Flexibilität, d. h. Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Bedingungen, Universalität,
d. h. möglichst vielseitige Anwendbarkeit, Modularität, die Möglichkeit, nur einzelne Bestand-
teile zu verwenden, Kompatibilität, Schnittstellen zu anderen Systemen zu haben, Transpa-
renz, also Nachvollziehbarkeit von Abläufen und Zusammenhängen für alle Beteiligten her-
zustellen und Prävention, d. h. proaktive Prozesse haben Vorrang vor reaktiven Prozessen,
aufgezählt.
Nach dem heutigen Verständnis besteht ein PM-System also aus der Summe eines komple-
xen und richtigen Zusammenspiels der Systeme: Organisation, Individuum und Programm-
oder Projektmanagement. Erst mit dem richtigen Konzept können diese Systeme richtig auf-
einander abgestimmt werden, um letztlich ihre gebündelte Kraft für das Erreichen der Unter-
nehmensziele einsetzten zu können. Dies ist also zusammengefasst organisationale Kompe-
tenz im Projektmanagement. Nun stellt sich die weitere Frage, woraus dann ein PM-System
besteht, welches sind die einzelnen Komponenten? Das nächste Kapitel wird diese Frage
erläutern.

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Abbildung 3: Projektmanagement-System (Quelle: Eigene Darstellung)
Das PM-System umfasst also die Gesamtheit aller eigens für die Projketarbeit installierten
Stellen und Techniken, Dokumentationen, Qualifikationen und Untersützungsmassnahmen
des Projektmanagements und der gesammten Organsiation. Um die relevanten Objekte
(Dimensionen, Elemente) zu gliedern und dieser Studie einen roten Faden für den Leser zu
ermöglichen, bietet sich zur Orientierung eine Darstellung an, die Übersicht vermittelt. Die [->
Abb. 3] zeigt die Dimensionen und die Elemente des gesamten PM-Systems.
2.1 Strategie ­ Projektmanagement-Systeme
Das strategische Vorbereiten von Projekten und Projektportfolios kann als Tätigkeiten für
eine Projektmanagement-Strategie bezeichnet werden. Die Projektmanagement-Strategie
wird von der Unternehmensstrategie abgeleitet. Diese enthält bedeutende Regeln, um Ge-
nehmigungen im Hinblick darauf freizugeben, welche Projekte vor anderen Projekten durch-
geführt werden sollen (vgl. Pfetzing & Rohde, 2014, S. 465).

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Ahlemann und Eckl (2013) beschreiben, dass in der Fachliteratur in diesem Zusammenhang
oft der Begriff 'Strategisches Projektmanagement` auftaucht. Dieser Begriff ist zwar in keiner
Richtlinie definiert, wird aber in der Fachliteratur verwendet, um die Unternehmensperspekti-
ve in Bezug auf das Projektmanagement zu bezeichnen. 'Strategisches Projektmanagement`
ist weitgehend gleichbedeutend mit 'Enterprise Project Governance` oder 'Governance of
Project Management`. Wird der Begriff 'Enterprise Project Governance` näher untersucht,
umfasst er zusammengefasst die Regeln, die Organisation und die Managementprozesse,
mit denen die Unternehmensführung über die Projekte des Unternehmens entscheidet. Der
Begriff 'Enterprise Project Government` (EPG) ist in der Veröffentlichung 'Enterprise Project
Governance` von Dinsmore und Rocha (2012) definiert und geprägt. Die Kernaussage des
Konzeptes von Dinsmore und Rocha ist die Ausrichtung des Projektportfolios auf die Unter-
nehmensstrategie und umgekehrt. Sie wird als die Umsetzung der Unternehmensstrategie
mit Hilfe eines richtig zusammengestellten Projektportfolios beschrieben. Um dieses Ziel zu
erreichen, berufen sich die Autoren auf bekannte Vorgehensweisen wie die 'Strategy Map`
nach Kaplan und Norton, den 'Logical Framework Approach` (Logframe) oder die Verwen-
dung eines 'Business Cases`. Dinsmore und Rocha (2012) sehen die Notwendigkeit für ein
unternehmensweites Risikomanagement als wesentliches Argument für die Einführung der
'Enterprise Project Governance` an. Weil Projekte eine der größten Risikoquellen für Unter-
nehmen darstellen, müssen sie auch durch die Unternehmensführung überwacht und ge-
steuert werden. Die britische Association for Project Management (2011) hat den Begriff
'Enterprise Project Governance` (EPG) geprägt. Er ist gleichbedeutend mit dem Begriff
'Governance of Project Management` (GoPM) von Dinsmore und Rocha (2012).
G. Angermeier (2013) erklärt, dass 'Enterprise Project Governance` (EPG) als auch 'Gover-
nance of Project Management` (GoPM) die Schnittmenge von Unternehmensführung (bzw.
'Corporate Governance`) und den mit Projekten verbundenen Disziplinen Projektmanage-
ment, Programm-Management sowie Projektportfoliomanagement beschreiben. GoPM und
EPG entsprechen somit den bisher mit Begriffen wie z. B. 'Strategisches Projektmanage-
ment`, 'Management by Projects` oder auch 'Enterprise Project Management` bezeichneten
Konzepten. Es gelten grundsätzlich dieselben Überlegungen für 'Enterprise Project Gover-
nance` wie für den gleichbedeutenden Begriff 'Governance of Project Management`. G. An-
germeier meint weiter, dass es interessant sei, dass Harold Kerzners in 'Value-Driven Pro-
ject Management` zu denselben Schlussfolgerungen kommt (vgl. Kerzner & Harald, 2009, S.
124).
Nach Angermeier (2013) gehen Kerzner und Harald nicht den Umweg über das Pro-
jektportfoliomanagement, sondern stellt direkt die Verknüpfung von Projekten mit dem durch
sie für das Unternehmen erzeugten Wert her. Das verbindende Element ist bei Kerzner, ge-
nau wie bei der Projektmanagementmethode PRINCE2, der 'Business Case` für das Projekt.

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2.1.1 Organisationale Kompetenz im Projektmanagement
Wenn Projektmanagement-Systeme eingeführt oder entwickelt werden sollen, ist es zweck-
mäßig, sich in diesem Zusammenhang bewusst zu machen, dass die Projektmanagement-
Disziplin sich in den letzten Jahren bedeutend weiterentwickelt hat. Gut ausgebildete Ma-
nagement-Fachleute führen unter Anwendung von modernen Methoden und individuellen
Kompetenzen Programme und Projekte durch. Organisationen haben ihre Mitarbeiter ge-
schult und anspruchsvolle PM-Werkzeuge entwickelt. Trotzdem erreichen immer noch zahl-
reiche Vorhaben nicht die vereinbarten Ziele. Für den Erfolg von Projekten und Programmen
ist also mehr erforderlich, als ein effizientes Management von einzelnen Projekten.
Nach aktuellen Studien haben die Anforderungen der Projektarbeit an Management und
Führungskräfte im gleichen Zeitraum stark zugenommen. Es ist also ein Umdenken im Kon-
text des steigenden Anteils von Projekten und derer Auswirkungen auf die Organisationen
gefordert (vgl. Rump & Schabel, 2010, S. 16-19).
Laut M. Gessler (2009) definiert die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM)
den Begriff der Kompetenz in ihrem Ausbildungswerk wie folgt: ,,Kompetenz meint einerseits
formal die Zuständigkeit und Befugnis einer Person innerhalb einer Organisation und ande-
rerseits die Fähigkeit ('Wissen`, 'Können`, 'Erfahrung`) sowie Einstellung einer Person." Die
International Project Management Association IPMA (2006) definiert Kompetenz relativ ein-
fach: ,,Competence is the demonstrated ability to apply knowledge and/or skills, and, where
relevant, demonstrated personal attributes." Beim Project Management Institute (PMI) wird
sie im 'Project Manager Competency Development (PMCD) Framework` (PMI, 2002, S.12)
wie folgt definiert: ,,When applied to project management, competence is the demonstrated
ability to perform activities within a project environment that lead to expected outcomes
based on defined and accepted standards." Bei allen Begriffsdefinitionen lässt sich feststel-
len, dass Qualifizierung und Zertifizierung im Projektmanagement bisher immer nur auf der
Ebene von Personen stattfindet.
Eine weitere interessante Definition findet sich im Projektmanagement-Lexikon: ,,Sach- und
Fachverstand, den ein Individuum, eine Personengruppe oder eine Organisation, ein Wirt-
schaftszweig oder eine Gesellschaft auf einem bestimmten Gebiet oder in definierten Berei-
chen besitzt" (Motzel, 2006, S. 100). Anhand dieser Definition werden neue Perspektiven
deutlich. Es wird damit also auch einer Gruppe, Organisationen, Wirtschaftszweigen sowie
der Gesellschaft eine Kompetenz zugeschrieben.
,,Unter Organisationaler Kompetenz kann u. a. die kollektive Fähigkeit bzw. das kollektive
Vermögen zur Bewältigung von Zielen in einer gegebenen Umwelt verstanden werden"
(Eberl M., 2009, S. 32). Die IPMA beispielsweise liefert 2014 in ihrer Organisational Compe-

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tence Baseline (OCB) eine neue weitere wichtige Dimension: das Konzept der organisationa-
len Kompetenz für das Management von Projekten.
2.1.2 Das zentrale Bewilligungsgremium und sein Genehmigungsverfahren
Das zentrale Bewilligungsgremium (Decision Committee) ist mit seinem übergreifenden Ge-
nehmigungsverfahren die oberste Entscheidungsinstanz für Projekte. Diese Instanz prüft alle
eingehenden Projektanträge und entscheidet darüber, ob sie genehmigt werden sollen oder
eben nicht. Das Bewilligungsgremium setzt die Prioritäten der Projekt-Dringlichkeit, holt Stel-
lungsnahmen ein, entscheidet über die notwendigen Ressourcen, über die Zusammenset-
zung des Lenkungsausschusses und greift bei größeren Planabweichungen ein. In halbjähr-
lichen Entscheidungsmeetings werden Investitionsbudgets sowie Ressourcen für das Pro-
jektportfolio freigegeben. Das Bewilligungsgremium verantwortet die Bereinigung von Kon-
flikten zwischen den verschiedenen Projekten, die nicht durch die Lenkungsausschüsse ge-
klärt werden können (vgl. Pfetzinger & Rohde, 2019, S.55).
Der führende Schweizer Fachverband im Projektmanagement spm (2014) erklärt, dass sich
eine wichtige Schlüsselfunktion, die beim Management von Projekten, Programmen und
Portfolios zu berücksichtigen ist, in der projektorientierten Governance finden lässt. Diese
umfasst die Bereiche der Festlegung von Regeln und Richtlinien für das Management ­ z. B.
die Auswahl von Methoden, Prozessen und Tools sowie Strukturen für Berichtwesen und
Entscheidungsfindungen. Die Rolle der Governance kann von einem Seniormanager oder
einem Lenkungsgremium übernommen werden (vgl. GPM, 2014, S. 27).
2.2 Struktur ­ Projektmanagement-Systeme
In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Elemente der Dimension Struktur im Pro-
jektmanagement-System vorgestellt.
2.2.1 Das Projekt Management Office (PMO)
Laut Angemeier (2014) ist der Auffassung, wenn vom Tatbestand der Projektzentralsierung
ausgegangen wird, sei von einer auf Dauer angelegten Organisationeinheit die Rede, die für
die Erstellung, Umsetzung und Weiterentwicklung des Projektmanagement-Systems eines
Unternehmens zuständig ist. Damit wird das Projekt Management Office (PMO) definiert.
Zusätzlich können je nach Unternehmung weitere Befugnisse und Verantworltichkeiten für
das Projektportfoliomanagement und das Programmmanagement des Unternehmens zu den
Aufgaben des PMO gehören. Es finden sich dazu Definitionen in der DIN 69909, in der
fünften Ausgabe des PMBOK (R) Guides des Projekt Management Instituts (PMI), aber auch
in der Best-Practice-Richtlinie Portfolio, Programme and Projekt Offices (P3O) von Axelos
Ltd. Eine einheitliche Definition für den Begriff existiert zurzeit nicht. Auch in der Praxis gibt

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es keine einheitlichen PMO-Zuständigkeiten und -Befugnisse. Die PMOs unterschiedlicher
Unternehmungen können daher völlig voneinander abweichen.
Ahlemann und Eckl (2013) sowie Angermeier (2014)
machen die übereinstimmenden
Aussagen, dass durch das PMO die Verwaltung des Projketportfolios sowie die Steuerung
der dazugehörigen Prozesse übernommen werden kann. Ahlemann und Eckl (2013) meinen,
dass zu den gundlegeneden Aufgaben des PMO sowohl das Informationsmanagement als
auch das Sammeln, Erfassen und Aufbereiten projektrelevanter Informationen sowie das
Standartisieren und das Betreiben eins projektbezogenen Berichtswesens, das
Ressourcenmanagement, die Verwaltung des Ressourcenpools sowie die Zuweisung von
Ressourcen zu den einzelnen Projekten gehören. Nach Dinsmore und Rocha (2011) ist das
PMO ein wichtiger Aspekt im Bereich des unternehmensweiten Risikomanagements. Das
PMO kann die Risiken einzelner Projekte bewerten und das Gesamtrisiko des
Projektportfolios analysieren. In dem Prozess der Projektinitiierung werden Ideen
gesammlet, geprüft und bewertet, bevor entschieden wird, wann und ob das Projekt
durchgeführt wird. Dies kann eine weitere Aufgabe eines PMO sein. Mit dem
Portfoliomanagement koordiniert das PMO häufig die Prozesse der Projekt-Priorisierung und
-Budgetierung. Darüber hinaus findet eine fortlaufende Überwachung des Portfolios statt. Im
sogenannten Methodenmanagement konzipiert das PMO die Projektmanagement-
Methoden, führt sie ein und festigt ihre Anwendung im Unternehmen. Dazu gehört die Über-
wachung der Anwendung und kontinuierliche Optimierung der Methoden. Es gibt eine weite-
re Komponente der Projektmanagement-Beratung, die in der Obhut des PMO sein sollte:
Das PMO kann bei Bedarf Organisationseinheiten oder einzelne Personen bezüglich der
Anwendung des Projektmanagements beraten. Die Beratung kann insbesondere dann erfor-
derlich sein, wenn ein Projekt großen Risiken ausgesetzt ist oder aber in eine Schieflage
gerät. Eine weitere sehr wichtige Aufgabe der PMO ist das Training der Projektmanagement-
Anwender sowie deren Ausbildung. Diese Aufgabe besteht darin, allgemeine Kompetenz
und Kenntnisse der spezifischen Projektmanagement-Standards der Organisation zu vermit-
teln (vgl. Ahlemann & Eckl, 2013, S. 89­93).
Die Swiss Project Management Association (spm) versteht und bringt in ihrer Swiss Organi-
sational Competence Baseline folgendes zum Ausdruck: Ein PMO ist eine bestimmte Abtei-
lung in einer permanenten Organisationseinheit, in der Projekte und Programme verwaltet
werden. Das PMO unterstützt die Durchführung von Projekten und Programmen. Die Haupt-
aufgaben des PMO bestehen üblicherweise in der Einrichtung von Regeln und Richtlinien
(z.B. Prozesse, Methoden und Tools) für Manager der Projekte und Programme und richtet
und sammelt relevante Informationen aus den Projekten, um diese in Berichten für Füh-

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rungsgremien zusammenzufassen. Endlich können Projekt Offices oder ein Programm Office
das Projekt- bzw. Programm-Managementteam direkt unterstützen.
Ende November 2014 diskutieren die fast 400 Teilnehmer des 'PMO Tag` der GPM in 15
Referaten und Workshops über die Strategie von, Erfahrungswerte mit und Nachrichten zu
Project Management Offices. Besondere Aufmerksamkeit finden dabei die erstmals vorge-
stellten Ergebnisse einer umfassenden empirischen Studie zu Project Management Offices.
Die Teilnehmer diskutieren Trends und Entwicklungen zum Thema Project Management
Office. Vom 'agilen PMO` mit kurzfristigem Nutzen ist ebenso die Rede wie von verschiede-
nen Typen und Ausprägungen der PMOs sowie von Coaching-Aufgaben, denen sich PMO-
Leiter vermehrt gegenübersehen. Eine Herausforderung, über die gesprochen wird, ist wie
beispielsweise der Spagat zwischen Überwachung des Projektmanagements und dem Ser-
vice für die Programm- oder Projektleiter gemeistert werden kann. Ein Teilnehmer: ,,[...] Zum
einen müssen wir die Einhaltung der Prozesse einfordern, zum anderen wollen wir PM-
Dienstleistungen anbieten [...]." Ein anderer Teilnehmer meint: ,,[...] Wir müssen in zwei Rich-
tungen Akzeptanz schaffen, einerseits zum Top-Management, andererseits zu Projektleitern
[...]" (vgl. projektManagement aktuell, 2015, S. 43ff).
2.2.2 Das Projektmanagementhandbuch
Nach DIN 69901-5 ist ein Projektmanagementhandbuch (auch: PM-Handbuch) eine Zusam-
menstellung der im vorgehenden Kapitel 2.2.1 genannten Regelungen und Richtlinien, die
innerhalb einer Organisation generell für die Planung und Durchführung von Projekten gel-
ten. Im Gegensatz dazu beschreibt ein Projekthandbuch alle erforderlichen Standards für ein
spezifisches Projekt. Das PM-System eines Unternehmens ist in dessen Projektmanage-
menthandbuch dokumentiert. Wesentliche Bestandteile eines Projektmanagementhandbuch
Buches sind:

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Abbildung 4: PM-Handbuch (Quelle: Eigene Darstellung angelehnt an Angenheimer, 2012)
2.2.3 Agilität und Agile Methoden
In dem folgenden Kapitel wird speziell auf Agile Methoden eingegangen. Wenn eine Organi-
sation die Fähigkeiten besitzt, flexibel, proaktiv, antizipativ und anpassungsfähig in Zeiten
des Wandels und Unsicherheiten zu agieren, wird ein Merkmal des Managements beschrie-
ben, das sich als Agilität bezeichnen lässt. Das Konzept kommt aus dem Bereich der Pro-
duktion und wird von bekannten Forschern wie Rosabeth Moss Kanter und Tom Peters als
Quelle für einen Wettbewerbsvorteil genannt. Herkömmliche Organisationsstrukturen sind
entweder prozessorientiert oder projektorientiert aufgestellt (Deutsche Gesellschaft für Quali-
tät, 2016). Wenn ein solches Unternehmen sich in einem turbulenten, unbeständigen
Markumfeld bewegt, kann es sein, dass diese Organisationsstrukturen aufgrund ihrer Hierar-
chie möglicherweise mit dem Wandel nicht mithalten können. Agilität heißt also diese Struk-
turen aufbrechen, um sich schneller und wendiger auf dem Markt bewegen zu können.
,,[...] Für ein Unternehmen bedeutet Agilität die Fähigkeit, in einer Wettbewerbsumgebung
gewinnbringend zu operieren, die charakterisiert ist durch ständig aber unvorhersehbar sich
verändernde Kundenwünsche [...]" (Goldman, 1996, S.56).
Im Kontext der Digitalisierung ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit eine Markt-
Dynamik präsent, die deutlich zeigt: So schnell sich neue Trends und Technologien entwi-
ckeln, so rasch verändern sich auch die Erwartungen und Ansprüche der Kunden. Gleichzei-
tig drängen neue, branchenfremde Wettbewerbsteilnehmer aggressiv in den Markt der SBB.
Das Unternehmen muss daher in der Lage sein, dynamischer auf Marktentwicklungen zu

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reagieren, neue Produkte rascher einzuführen und innovative Lösungen am Markt zu testen.
Kurz gesagt: Die SBB muss insgesamt beweglicher werden. Das Zauberwort heißt ,,Agilität",
der damit einhergehenden Kulturwandel agile Transformation. Um als Organisation bewegli-
cher zu werden, muss sich die Art und Weise der Zusammenarbeit verändern. Um diesen
Erkenntnissen begegnen zu können, hat die SBB am 1. Januar 2017 unter der Leitung von
Stefano Trentini ein Programm gestartet, das sich 'Agile Transformation` nennt. Dieses Pro-
gramm soll die Rahmenbedingungen für die anstehende Veränderung schaffen. Der organi-
satorische Lösungsansatz, um dieser Herausforderung zu begegnen heißt 'Organization of
Various Speeds`. Der Ansatz verfolgt das Ziel, einem Unternehmen einerseits die notwendi-
ge Flexibilität zu verleihen und Veränderungen gewinnbringend umzusetzen, ohne anderer-
seits die hohe Qualität und Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Dazu arbeiten sollen wir ver-
mehrt in unterschiedlichen Modi arbeiten. Der sogenannte Modus 1 fokussiert Sicherheit und
Stabilität, der Modus 2 Geschwindigkeit und Innovation. Die SBB-weite Umsetzung des Pro-
gramms beginnt bei der IT, dort wo der größte Mehrwert für Agile Methoden in der Produkte-
entwicklung erreicht werden kann. Auch in den Divisionen und Konzernbereichen werden
Initiativen zur Förderung der agilen Transformation gestartet. Mit 'Agile Transformation` sol-
len die Effizienz- und Effektivitätsgewinne im Projektgeschäft gesteigert sowie eine höhere
Liefertreue und eine signifikant bessere Time-to-Market zugunsten der Auftragsgeber er-
reicht werden. Durch die agile Softwareentwicklung und geshorten Vorhaben im Vergleich zu
konventionellen Liefermodellen resultieren ab 2020 Kosteneinsparungen von 22,6 Mio. CHF.
Um die Kultur in die gewünschte Richtung weiterzuentwickeln, stützt sich die SBB dabei auf
die agilen Prinzipien:
Abbildung 5: Unsere agilen Prinzipien (Quelle: Entnommen aus Intranet SBB Agile Transformation)

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Um Agilität umsetzen, hat die SBB die verschiedensten Agile Methoden entwickelt, die in der
Softwareentwicklung oder Produktion ihren Ursprung haben. Auf Zwei relevante Methoden
wie SCRUM und KANBAN, die zurzeit neben anderen Methoden bei der SBB angewendet
werden, wird folgend kurz eingegangen.
SCRUM
Die Methode Scrum ist ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, dass
im Besonderen zur agilen Softwareentwicklung eingesetzt wird. Ursprünglich hat es die
Softwaretechnik entwickelt, es ist aber von dieser unabhängig. SCRUM wird in der Zwi-
schenzeit in vielen anderen Bereichen eingesetzt (Scrum Alliance, 2013).
Scrum ist sehr einfach gehalten und besteht aus nur wenigen Regeln. Diese beinhalten fünf
Aktivitäten, drei Artefakte und drei Rollen, die den Core ausmachen. Die Regeln sind im so-
genannten Agile Atlas oder im Leitfaden
Scrum Guide
beschrieben (vgl. Improuv., 2013,
Sutherland & Schwaber, 2016). Um Srum tatsächlich umsetzten zu können, muss das Scrum
Framework durch Techniken für die Umsetzung der Aktivitäten, Artefakte und Rollen konkre-
tisiert werden. Der Core, also auf Deutsch der Kern, von Scrum ist von den Umsetzungs-
techniken bewusst getrennt, um große Freiheiten bei der individuellen Ausgestaltung zu ge-
währleisten und um die zentralen Elemente und Wirkungsmechanismen klar definieren zu
können.
Der empirische, inkrementelle und iterative Ansatz von Scrum ist auf die Erfahrung, zurück-
zuführen, dass es schwierig ist die Komplexität von Entwicklungsprojekte in einem vollum-
fänglichen Plan erfassen zu können. Es besteht am Anfang große Unklarheiten über die
konkreten Anforderungen und möglichen Lösungsansätze. Dieser Unklarheit kann begegnet
werden, indem Zwischenergebnisse geschaffen werden. Mittels dieser Zwischenergebnisse
lassen sich die noch nicht vorhandenen Anforderungen und Lösungstechniken effizienter
finden als durch eine abstrakte Analysephase. Aber nicht nur das Produkt wird iterativ und
inkrementell entwickelt, sondern auch die Planung. Der langfristige Plan, in Scrum Produkt
Backlog genannt, wird kontinuierlich verfeinert und verbessert. Der Detailplan (Sprint Back-
log) wird nur für den jeweils nächsten Zyklus (Sprint) erstellt. Somit wird die Projektplanung
auf das Wesentliche fokussiert (vgl. Foegen, 2014, S. 112­113). Die empirische Verbesse-
rung basiert auf folgenden drei Säulen: Transparenz, Überprüfung und Anpassung.

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Abbildung 6: Scrum (Quelle: Entnommen aus Foegen, 2014)
Ziel von Scrum ist die kostengünstige und schnelle Entwicklung hochwertiger Produkte. Zu
Beginn wird eine Vision formuliert. In Scrum werden die Anforderungen in Form von Eigen-
schaften aus der Anwendersicht formuliert. Die Liste dieser Anforderungen ist das Product
Backlog. Diese Anforderungen werden Schrittweise in zwei bis vier Wochen langen Interval-
len, sogenannten Sprints umgesetzt.
Am Ende eines Sprints steht bei Scrum die Lieferung eines fertigen Teilprodukts, das soge-
nannte 'Product Increment`. Das Produktinkrement sollte in einem Reifegrad sein, dass es an
den Kunden ausgeliefert werden kann (
potentially shippable product
). Im Anschluss an den
Zyklus werden Produkt, Anforderungen und Vorgehen überprüft und im nächsten Sprint wei-
terentwickelt (vgl. Gloger, 2011, S. 12).
KANBAN
Das Wort Kanban bedeutet übersetzt `Signalkarte' und kommt aus der Lean Production von
Toyota. Kanban besteht im Wesentlichen aus nur vier Prinzipien und sechs Praktiken und ist
damit äußerst schlank (Lean). Kanban beginnt dort, wo sich ein System gerade befindet und
respektiert die bestehende Organisation, Prozesse und Rollen. Anhand der Prinzipien und
Praktiken wird ein Prozess der kontinuierlichen Verbesserung in Gang gesetzt. Damit soll
eine Arbeitskultur geschaffen werden, die sich von selbst optimal auf die zu erfüllenden Auf-
gaben ausrichtet. Von außen lässt Kanban an den 'Boards` mit farbigen 'Post-ist` erkennen,
die helfen, die Arbeit zu visualisieren und für alle Beteiligten Transparenz über die laufenden

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Tätigkeiten schaffen. Die ,,Boards" bilden die Wertschöpfungskette ab, in der die Menge der
gleichzeitigen Arbeit begrenzt ist (WIP-Limit) und über die der Ablauf gesteuert wird.
Abbildung 7: Kanban (Quelle: IT-Agile.de)
Kanban Schafft schnell hohe Transparenz über die laufenden Arbeiten und Probleme, führt
zu kürzeren Durchlaufzeiten der Arbeitspakete und zu wenig Widerstand bei der Einführung
(Intranet SBB, 2017).
Wo macht die Anwendung von Kanban Sinn?
Grundsätzlich dort, wo es um Input (Anfragen, Aufträge, Requests, Maßnahmen etc.) geht,
der ver- oder bearbeitet werden muss (Wertefluss) und ein Output erzeugt. Kanban kann zur
Steuerung von Arbeit eingesetzt werden, aber auch, um Transparenz in der Frage zu schaf-
fen, ob sie richtig gemacht wird oder etwas verbessert werden kann.
2.2.4 Grundprinzip der kontinuierlichen Verbesserung
Ein wichtiger Faktor ist die kontinuierliche Verbesserung im Sinne der Qualitätssicherung.
Das aktuelle PM-System soll kontinuierlich auf 'Herz und Lunge` geprüft werden. Anhand von
Ist-Soll-Vergleichen können dann die nötigen Maßnahmen für die Weiterentwicklung ableitet
werden. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist eine Denkweise, die mit steti-
gen Verbesserungen in kleinen Schritten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken
will. KVP bezieht sich auf die Produkt-, die Prozess- sowie Servicequalität und wird im Rah-
men von Teamarbeit durch fortwährende kleine Verbesserungsschritte (im Gegensatz zu
Innovationen in Form großer, einschneidender Neuerungen) umgesetzt. KVP ist ein Grund-
prinzip des Qualitätsmanagements und unverzichtbarer Bestandteil der ISO 9001. Das Erar-
beiten von Verbesserungsvorschlägen durch KVP-Teams wird üblicherweise gemeinsam mit
dem Betrieblichen Vorschlagswesen unter dem Begriff Ideenmanagement zusammengefasst
(vgl. EUREKA impulse 3/2001). Am bekanntesten ist wohl die von dem US-amerikanischen
Physiker Walter Andrew Shewhart (1939) definierte Methode Demingkreis, auch Deming-

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Rad,
Shewhart Cycle
oder
PDCA
-Zyklus genannt. Der
PDCA
-Zyklus beschreibt einen iterati-
ven drei- bzw. vierphasigen Prozess für Lernen und Verbesserung.
Abbildung 8: KVP (Quelle: Eigene Darstellung)

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2.3 Kultur ­ Projektmanagement-Systeme
Wenn von Kultur allgemein gesprochen wird, ist oft die Summe aller gemeinsamen Ansich-
ten, Werte bzw. Überzeugungen gemeint, von denen die Handlungen der Menschen be-
wusst oder unbewusst geleitet werden. Wenn wir das auf die Unternehmenskultur übertra-
gen, wird sie als Gesamtheit aller Normen und Werte definiert, die den Geist und die Persön-
lichkeit eines Unternehmens ausmachen. Gerade im Rahmen von Projekten, bei denen die
Teilnehmer in einer temporären Organisation gemeinsam Ziele anstreben und in Zeiten der
Globalisierung aus verschiedenen Kulturräumen stammen, haben die verschiedenen Denk-
haltungen, Grundannahmen, Einstellungen und Verhaltensweisen auch Auswirkungen auf
die Projekt- sowie Projektmanagement-Kultur. Um die Unternehmenskultur in die gewünsch-
te Richtung lenken zu können, geht es in diesem Zusammenhang oft um den Einfluss und
das Sponsoring von Projekten durch das Top-Management und die sogenannten 'weichen`
Erfolgsfaktoren von Projektwilligkeit. Es geht um die Erkenntnisse aus unterschiedlichen em-
pirischen Untersuchungen, die belegen, dass fehlende Identifikation der Unternehmensfüh-
rung mit Projekten und Widerständen der Betroffenen gegenüber Veränderungen die Haupt-
ursache für gescheiterte Projekte ist. Im Weiteren geht es aber auch um Personalentwick-
lungskonzepte für Projektbeteiligte, die eine bestimmte Verhaltensweise oder Kultur fördern
sollen. Wichtig ist auch, wie der Erfahrungsaustausch der Programm- und Projektleiter un-
tereinander gestaltet wird sowie die Anwendung des Grundprinzips der kontinuierlichen Ver-
besserung, die aktuelle Lage kontinuierlich zu beobachten, nicht nur um die PM-Kultur, son-
dern auch, um das ganze Zusammenspiel des PM-Systems zu entwickeln. Alles dient letzt-
lich der großen Herausforderung, Projekte, also das Unternehmen, die Organisation erfolg-
reicher zu machen.
Ahlemann und Eckl (2013) erklären in ihrem Buch ,,Strategisches Projektmanagement Pra-
xisleitfaden" Fallstudien und Trends: Der soziale und kulturelle Kontext von Projektmanage-
ment wird immer noch allzu oft unterschätzt. Standards und Schulungsprogramme unter-
streichen oft die methodischen und prozessualen Aspekte des Projektmanagements und
widmen den sogenannten 'weichen` Faktoren verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit. Aber
das Verständnis dieser Faktoren ist entscheidend für eine effiziente Einführung oder Erweite-
rung des PM-Systems. In der Literatur sowie in Unternehmungen kursieren die unterschied-
lichsten Meinungen und Erkenntnisse über das, was hier Projektmanagement-Kultur genannt
wird. Schott und Campana (2005) definieren PM-Kultur schon 2005 als ,,[...] ein schwer fass-
bares Konglomerat aus werteethischen, organisatorischen, psychosozialen, personal- und
unternehmenspolitischen Gegebenheiten, welche den Methoden, Instrumente und Kompe-
tenzen erst ihre operative Leistungsfähigkeit verleihen[...]". Berger, Chalupsky und Hartmann
(2013) definiert Unternehmenskultur als ,,[...] die Summe aller Verhaltensweisen, Regeln,

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Normen und Wertvorstellungen innerhalb einer Organisation (System), die mehrheitlich
wahrgenommen werden". Unternehmenskultur soll andererseits nach P. Kruse (2004) die
Aufgabe erfüllen, ,,[...] die individuelle Verhaltensvielfalt zu verringern [...]", damit die Organi-
sation ziel- und zweckorientiert funktioniert. Unternehmenskultur dient also dazu, die Organi-
sation zu stabilisieren und produktiv zu machen (vgl. next practice, 2004). Im Zusammen-
hang mit PM-Kultur meint Coray Christoph (2017), Organisationsentwickler bei I-PJ der SBB,
sinngemäß: 'Die kulturellen Aspekte sind nicht zu unterschätzen. Erstens muss man sich
darüber bewusstwerden, dass man es sowieso nicht allen recht machen kann und zweitens
müssen klare Richtlinien durchgesetzt werden. Im Weiteren muss unbedingt frühzeitig infor-
miert werden. Auf jedenfalls ist die Kulturfrage eine große, nicht zu unterschätzende Heraus-
forderung.` Angermeier (2015) meint sinngemäß Projektkultur wird im Projektmanagement-
Jargon als das Zusammenwirken von Projektmanagementsystemen, Projektmanagement-
Reifegrad und Mitarbeiterzufriedenheit in einer Organisation verstanden. In der Umgangs-
sprache der Projektmanager wird unter 'Projektkultur` meist die Summe der sogenannten
'weichen Faktoren` verstanden, wie z. B. die Wertschätzung der Projektarbeit innerhalb eines
Unternehmens, die Kooperationsbereitschaft zwischen Personen und Abteilungen, die
Kommunikationsfähigkeit und die Konfliktfähigkeit der Projektbeteiligten bis hin zum Selbst-
verständnis des Unternehmens als Projektträger.
Borgert (2016), Diplom-Informatikerin, schreibt in ihrem Artikel mit dem Titel ,,Denkfehler Kul-
turentwicklung" im online Projektmagazin.de: ,,Organisationskultur 'managen` zu wollen, ist
Humbug!" Borgert (2016) beschreibt ihre These, dass Kultur nicht linear gestaltbar sei, also
nicht nach dem Motto ,,[...]wenn ich Faktor X hineingebe, kommt Kultur Y raus[...]." Die Kultur
eines Projekts oder einer Organisation sei zu komplex. Es läge in der Natur der Komplexität,
dass sie sich nicht vollständig erfassen lässt (vgl. Bogert, 2016). Komplexe Systeme sind
also intransparent, sie lassen sich nicht vollständig erfassen oder beschreiben. Im Weiteren
beschreibt sie, dass der Grund dafür sei, dass Organisationen oder ein Projekt ein Wir-
kungsgefüge besitzt, das durch die Vernetzung der Beteiligten entsteht. Menschen, Vor-
schriften, Prozesse, Einflüsse etc. bewirken sich gegenseitig. Dies geschieht häufig nicht
direkt, sondern mit zeitlicher Verzögerung. Es entsteht eine Dynamik. Intransparenz, Vernet-
zung und Dynamik machen es unmöglich, ein solches System vorauszusagen oder gar 'zu
managen`. Gemäß ihrer Aussage lässt sich nicht versprechen, welchen Zustand eine Orga-
nisation zu einem bestimmten Zeitpunkt haben wird. Borgert (2016) ist der Meinung: ,,Es
doch zu tun, ist unseriös und führt, wenn überhaupt, nur zufällig zum Erfolg."

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2.3.1 Sponsoren für Projekte durch das Top-Management
Ein sehr wichtiger Aspekt ist das Sponsoring für Projekte durch das Top-Management. Jörg
Uwer (2003), Dipl.-Kfm. und Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens
conuit GmbH, meint zu einem wesentlichen Grund das Projekte scheitern, gehört eine man-
gelnde Unterstützung durch das Top-Management einer Organisation." Er beschreibt weiter,
dass vor allem bei großen, bedeutenden Projekten auf organisationsinterne Widerstände
gestoßen wird, die den Projektverlauf negativ beeinflussen können. Zuerst seien die projekt-
bezogenen Konflikte zu identifizieren. Unterschiedliche Perspektiven eines Aufsichtsorgans,
des Managements, der Geschäftsleitung oder der Mitarbeiter etc. auf das Projekt werfen
verschiedene Frage- und Problemstellungen auf. Von diesen Stakeholdern des Projektum-
feldes gehen die unterschiedlichen Haltungen und Wechselbeziehungen aus und müssen
deshalb genau analysiert werden. Es kann an Verständnis für das Projekt mangeln. Vielleicht
hat es keine hohe Priorität oder es liegen kulturelle Widerstände vor. Das Projekt ist nicht
notwendig, weil die Organisation bislang auch ohne dieses erfolgreich ist. Oder das Projekt
hat einen negativen finanziellen Einfluss auf die Performance des Unternehmens, da es die
Gewinnsituation zunächst verschlechtert usw. Laut Krüger und Bach (2009) müssen die
Topmanager den Wandlungsprozess vorantreiben und den Programm- und Projektleitern
helfen, Barrieren zu überwinden.
2.3.2 Personalentwicklungskonzept für Projektbeteiligte
Ein Personalentwicklungskonzept konkret für die Mitarbeitergruppe der Projektbeteiligten
zeichnet sich dadurch aus, dass es die strategischen Komponenten der Personalentwicklung
unterstützt und demzufolge die planerischen Aktivitäten, die darauf zielen, die Kompetenzen
der Projektbeteiligten auf die künftigen Anforderungen der Organisation vorzubereiten.
Stock-Homburg (2010) definiert Personalentwicklung als ,,[...] die Maßnahmen zur Vermitt-
lung von Qualifikationen, welche die aktuellen und zukünftigen Leistungen von Führungskräf-
ten und Mitarbeitern steigern (Bildung), sowie Maßnahmen, welche die berufliche Entwick-
lung von Führungskräften und Mitarbeitern unterstützen (Förderung)[...]". Stock-Homburg
(2010) fügt dem hinzu: Zusätzlich wird Personalentwicklung entweder auf bestimmte Klien-
telgruppen bezogen oder die Eingrenzung erfolgt in Bezug auf die Art der Aktivitäten der
Personalentwicklung. Eine andere Definition wird von Peterke (2006) vertreten er meint Per-
sonalentwicklung ist die Aufgabe und Disziplin zur Förderung der Unternehmensentwicklung
durch zielgerichtete Gestaltung von Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsprozessen.
Die Personalentwicklung verfolgt bestimmte Ziele. Die folgende Tabelle 1 führt einige mögli-
che Ziele aus Unternehmens- und Mitarbeitersicht auf.
Tabelle 1: In Anlehnung an Gabler Wirtschaftslexikon, 'Personalentwicklung` (Quelle: online: wirtschaftslexikon.gabler.de)
Ende der Leseprobe aus 178 Seiten

Details

Titel
Ein neues Projektmanagement-System für die Telecom der SBB
Untertitel
Chancen und Herausforderungen für die Schweizerischen Bundesbahnen
Hochschule
Kalaidos Fachhochschule Schweiz
Note
5 (gut)
Autor
Jahr
2017
Seiten
178
Katalognummer
V377687
ISBN (eBook)
9783668619500
ISBN (Buch)
9783668619517
Dateigröße
3950 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
projektmanagement-system, telecom, chancen, herausforderungen, schweizerischen, bundesbahnen
Arbeit zitieren
Stefan Ruchti (Autor:in), 2017, Ein neues Projektmanagement-System für die Telecom der SBB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377687

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