Der Marketingplan für zukunftsfähige Steuerkanzleien

Von Strategie-Entwicklung über den Marketing-Mix bis zum Controlling


Masterarbeit, 2017

71 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhalt

Executive Summary

Status quo: Der gebräuchliche Marketing-Plan

Marketingplan

Grundsätzliches zu Einordnung und Aufbau

Strategische Analyse

Markt- und Kundenanalyse

Wettbewerbsanalyse

Selbstanalyse

Strategie-Entwicklung

SWOT-Analyse

Positionierungsanalyse

Marktsegmentierung

ABC-Analyse

Weitere Modelle zur Strategiebestimmung

Zielsetzung

Marketing-Mix

Produktpolitik

Preispolitik

Kommunikationspolitik

Personalpolitik

Prozess-Politik

Budgetplanung

Marketing-Controlling

Controlling produktpolitischer Entscheidungen

Controlling kommunikationspolitischer Entscheidungen

Balanced Scorecard

Resümee

Literaturverzeichnis

Executive Summary

Bislang agieren kleinere Steuerkanzleien mit wenigen Mitarbeitern regelmäßig ohne eine strategische, am Markt ausgerichtete Planung. Aufträge und Umsätze fallen den Kanzleien aufgrund des geringen Wettbewerbs geradezu in den Schoß. Während die gesetzlichen De- klarationspflichten den Kanzleien beständig Mandate zuführen, sind durch das Steuerberatungsmonopol hohe Einstiegshürden in den Markt errichtet worden. Der Markt wandelt sich jedoch aufgrund der steigenden Anzahl von Steuerberatern und gleichzeitigem Rückgang der Umsätze durch den demografischen Wandel von einem Verkäu- fer- zu einem Käufermarkt.

Dabei wird der Beratungsbedarf wegen technischen Veränderungen (Industrie 4.0) und Globalisierung komplexer und die Erwartungen an den Steuerberater als steuerlichen und wirtschaftlichen An- sprechpartner höher. Steuerberater sollten deshalb Spezialisierun- gen und Kooperationsformen wählen sowie wirtschaftliche Beratung (für Privat- und Unternehmenskunden) anbieten, um diesen Anfor- derungen gesamthaft gerecht werden zu können. Die Umsätze im Bereich der Vorbehaltsaufgaben können auch durch Modernisierung der Prozesse verteidigt werden.

Der Ausbau der vereinbaren Tätigkeiten, z.B. der wirtschaftlichen Beratung, ist eine Möglichkeit, sich im Markt zu differenzieren und bereiter aufzustellen. Für die wirtschaftliche Beratung und weitere vereinbare Tätigkeiten haben Steuerberater durch die Nähe zum Mandanten eine gute Ausgangsposition, dies erfordert aber Zu- satzqualifikationen, welche beispielsweise über den Deutschen Steu- erberaterverband e.V. (DStV) erworben werden können.

Zudem bestehen häufig Defizite im Bereich Personalmarketing und Werbung. Wer hier strukturiert Maßnahmen ergreift, verschafft sich noch einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Die gewählten Marketingmaßnahmen sind mit ausreichend Budget zu versehen und der Marketingplan regelmäßig anzupassen. Über Marketing-Controlling, z.B. durch die Balanced Scorecard, kann die Messung der Zielerreichung erfolgen und das Marketing planvoll ge- steuert werden.

Status quo: Der gebräuchliche Marketing- Plan

Seit Jahrzehnten betreiben kleinere und mittlere Steuerkanzleien ih- ren Dienstleistungsbetrieb überwiegend ohne einen ganzheitlichen Rahmenplan. So liegt in den seltensten Fällen ein klar definiertes Selbstbild in Form von Vision und Mission oder eine explizite Markt- strategie vor, von einem messbaren, an lang- und kurzfristigen Zie- len ausgerichteten Steuerungs- und Kontrollsystem (z.B. Marketing- plan oder Balanced Scorecard) ganz zu schweigen. Nur etwa die Hälfte der Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer geht nach einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Professional Services Firms e.V. im Dienstleistungsmarkt strategisch vor.1

Tägliches Brot in der Steuerberatung ist der „klassische Dreiklang der Vorbehaltsaufgaben“ aus Steuerdeklaration, Durchsetzungsberatung und, den Qualifikationen des Beraters entsprechend, Gestaltung. Dieses Werteversprechen wird oft angesichts des Ausreizens von Fristverlängerungen und Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) mehr schlecht als recht eingelöst.

Steuerkanzleien agieren noch nicht als professionelle Know-How- Träger, die ihre Mandanten Werte schaffend aktiv begleiten, sondern beschränken sich auf die reaktiven, vergangenheitsorientierten Buchführungs- und Deklarationsfunktionen. So erhalten Mandanten in der Regel weder ein über die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) hinausgehendes rechtzeitiges Erfolgs-Reporting, das einen echten Mehrwert als Informationsquelle für unternehmerische Ent- scheidungen darstellt. Noch werden ihnen zur Sicherung und Ver- besserung ihres unternehmerischen Erfolgs aktiv steuerliche, recht- liche und wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten angeboten. So wird man den individuellen Bedürfnissen des Mandanten, seinem Er- folgsstreben und auftretenden Problemsituationen nicht gerecht.2 Wirtschaftliche Zusatzleistungen werden bislang erst dann (reaktiv) erbracht, wenn es nicht mehr vermeidbar ist. Dabei werden Lösun- gen von Fall zu Fall von Kanzleiinhabern oder Partnern erbracht. Es kann in der Regel nicht auf spezialisierte Kompetenzteams zurück- gegriffen werden, in denen Know-How gebündelt und in einheitlichen Prozessen angewendet wird. Die Erweiterung des Dienstleistungs- portfolios um wirtschaftliche Beratung wurde bereits seit knapp 20 Jahren empfohlen,3 wird aber heute aufgrund der sich zuspitzenden Zwangssituation zu einem unbestreitbaren Wettbewerbsfaktor. Hier- durch können es Kanzleien auch endlich schaffen, im Einklang mit dem Leitbild des steuerberatenden Berufs der Bundessteuerberater- kammer zu agieren: „ Wir begleiten unsere Mandanten als unabh ä n- gige und kompetente Ratgeber bei allen steuerlichen und wirtschaft- lichen Fragestellungen mit dem Ziel, deren Interessen als Unterneh- mer, Institutionen oder Privatpersonen optimal zu vertreten sowie deren wirtschaftlichen Erfolg zu f ö rdern und zu sichern. “ 4

Zur wirksamen Kommunikation mit bestehenden und potentiellen Kunden fehlt es häufig an professionellen Kommunikationsprozes- sen. So fällt es schwer, über persönliche Empfehlungen hinausge- hende Neumandate zu gewinnen. Bestandsmandanten werden un- bewusste Bedürfnisse aufgrund fehlender Kommunikation durch den Steuerberater nicht deutlich. Voraussetzung für ein attraktives Wer- teversprechen ist allerdings, dass dieses auch belegt und geliefert werden kann. Hierzu ist selbstverständlich frühzeitig die entspre- chende Kompetenz und ein Wertschöpfungsmodell aufzubauen.5

Personal wird bislang noch weit verbreitet eher nach Gutsherrenart geführt und umworben. So sind sich die Steuerberater in einer STAXErhebung von 2012 bereits einig, dass ein Umdenken in Richtung attraktive Arbeitsbedingungen erfolgen muss, Entwicklungsperspektiven geboten, Aus- und Fortbildung systematisch durchgeführt und Personalmarketing genutzt werden muss. Auch die Attraktivität als Arbeitgeber wird an Bedeutung gewinnen.6

Steuerberatern fehlt es teilweise an einer entsprechenden unterneh- merischen Denkhaltung, bei der sämtliche Aktivitäten an den Man- danten und deren Bedürfnissen ausgerichtet werden. Die Gründe, warum die steuerberatenden Berufe auch als „eine der letzten Bran- chen ohne Marketing“ bezeichnet werden, sind vielfältig. Dies liegt zum einen an den hohen Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber und dem weit verbreiteten Irrglauben, dass Werbung etwas standes- widriges sei. Dabei wird übersehen, dass effektives Marketing das Bedürfnis bestehender und potentieller Mandanten hinsichtlich des Erreichens ihrer eigenen Ziele erfüllt. Zum anderen werden Maßnah- men für Neuakquisitionen häufig nicht als notwendig erachtet, da Mandate regelmäßig über viele Jahre in einer Kanzlei bleiben. Neue Mandate erhalten viele Kanzleien bislang auch kontinuierlich durch Kooperationen. Größere Kanzleien andererseits halten sich oft für bereits bekannt genug. Auch wird fahrlässiger Weise neben dem Ta- gesgeschäft wenig Zeit und Budget für Marketing-Aktivitäten aufge- wendet.7

Marketingplan

Grundsätzliches zu Einordnung und Aufbau

Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, im Rahmen eines Marketingplans Chancen und Risiken der Markt- und Wettbewerbssituation strukturiert herauszuarbeiten, sich Stärken und Schwächen bewusst zu werden sowie durch entsprechende Marketingaktivitäten (Marketing-Mix) und deren kontinuierliche Verbesserung Wettbewerbsvorteile zu erzielen und das eigene Marktpotenzial zu erreichen. Weiterhin ist ein schriftlicher Marketingplan auch für Ratinggespräche mit Banken unerlässlich.

Marketing in Steuerkanzleien umfasst nach Weiland die Verwertung vorhandener Leistungspotenziale zur Erstellung und Präsentation der interaktiven Beratungs-Dienstleistungen in Form von Steuererklä- rungen, Schriftsätzen, Gutachten etc. und deren Anbieten im Wirt- schaftsgefüge. Die Leistungspotenziale einer Steuerkanzlei bestehen dabei aus Mitarbeitern, Know-How und den technischen Ausstattun- gen (Hard- und Software).8

Im Folgenden werden die Bestandteile als Orientierung für den Inhaber einer kleinen oder mittelgroßen Steuerkanzlei (bis zu 20 Mitarbeiter) unter Berücksichtigung aktueller typischer Marktgegebenheiten und -einflüsse modellhaft und in Beispielen dargestellt und Ideen für den Marketing-Mix angeboten.

Ein Marketingplan besteht im Groben aus den Elementen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Elemente eines Marketingplans

Die Durchführung einer möglichst zutreffenden Situationsanalyse für das eigene Unternehmen oder Gründungsprofil sowie die darauf be- ruhende Ausrichtung von Strategien und Maßnahmen ist naturge- mäß immer gegenwarts- bis zukunftsorientiert. Die Kanzlei kann sich so zum einen frühzeitig auf sich abzeichnende Entwicklungen vorbe- reiten. Eine zutreffende Analyse kann jedoch schon nach kurzer Zeit überholt sein. Die vergangenheitsorientierte Erfolgskontrolle schließ- lich bietet deshalb die Chance, durch Soll-Ist-Abweichungen Fehler festzustellen, aus ihnen schnell zu lernen und den Marketingplan an- zupassen.9

Wie ein Marketingplan auszusehen hat wird in der Literatur meist unterschiedlich beschrieben. Zwar sind die Bestandteile immer gleich, manche Autoren legen jedoch zuerst ein auf Kernkompeten- zen basierendes Zielsystem fest, schließen eine Situationsanalyse an und bauen darauf dann die Strategie auf.10 Andere hingegen lassen auf die Analyse Zielsetzung und Strategie-Festlegung folgen.11,12 Begründet wird der zuerst genannte Ansatz beispielsweise damit, dass ein an der Nachfrage orientierter „Outside-In-Ansatz“ nach M.

E. Porter nicht zielführend sei. Stattdessen wird der „Inside-Out-An- satz“ nach Hamel/Prahalad empfohlen, da die eigene Kernkompe- tenz(en) den Kundennutzen bestimmen würden. Dabei wird jedoch verkannt, dass Ziele sinnvollerweise erst nach einer vollständigen Situationsanalyse festgelegt werden können.

Die Ziele eines Marketingplans sind an dem Akronym „SMART“ zu messen, d.h. sie sollten spezifisch (S), messbar (M), ambitioniert

(A), realistisch (R) und terminlich einzuhalten (T) sein.13 Um die Ziele innerhalb der beiden Pole „ambitioniert“ und „realistisch“ zu positionieren, müssen zuerst alle Einflussfaktoren, der Wettbewerb und die eigenen Ressourcen und Potenziale verstanden und erkannt sein. Darauf aufbauend können Strategien formuliert werden, die die Frage beantworten, mit welchen Dienstleistungen in Differenzierung zu den Wettbewerbern welche Mandanten angesprochen werden sol- len. Erst wenn die Identifizierung einer möglichen Erfolgsstrategie erfolgt ist (z.B. Diversifikation in die wirtschaftliche Beratung oder Einführung einer Social-Media-Strategie), macht es Sinn dement- sprechend Ziele zu setzen und zu quantifizieren (z.B. eine Vision zu formulieren, für Existenzgründer und Kleinunternehmer in allen steuerlichen, finanziellen und unternehmerischen Fragestellungen erster Ansprechpartner zu sein). Der Verfasser empfiehlt deshalb grundsätzlich den o.g. Aufbau und richtet sich für den Marketingplan einer zukunftsfähigen Steuerkanzlei nach diesen Ausführungen.

Ein Marketingplan muss sich aber je nach den gegebenen Heraus- forderungen einer Kanzlei oder eines Unternehmens sowie dessen Zielen stark unterscheiden dürfen.14 So können und sollten die In- halte, Schwerpunkte, der Zeithorizont und Umfang in der Praxis ganz individuell festgelegt werden. Entscheidend ist, dass überhaupt ein klares marktorientiertes Konzept für den Leistungserstellungs- und Vermarktungsprozess verfolgt wird, auch wenn der Plan vielleicht nur fünf Seiten umfasst.

Strategische Analyse

Nachdem zuerst Markt und Kunden hinsichtlich ihrer Eigenheiten und Trends untersucht werden und anschließend Stärken und Schwächen des Wettbewerbs sowie des eigenen Profils gesammelt werden, flie- ßen die Ergebnisse in eine SWOT-Analyse und die Segmentierung ein.

Markt- und Kundenanalyse

Die folgende Analyse ist neben der primären und sekundären Markt- forschung auf gemeinsame Brainstormings oder Workshops zu ba- sieren.

Methodik

In der Marktanalyse können zunächst die bestimmenden Einflussfak- toren und Trends des weiteren Umfelds beschrieben werden. Dies erfolgt anhand der PEST-Analyse oder einer passenden Variation (PESTLE/PESTELI/STEEP(LED)). Die Buchstaben stehen, mit inhalt- lichen Überschneidungen, als Akronym für die politischen (political), wirtschaftlichen (economic), sozialen (social), technologischen (technological), rechtlichen (legal), umweltbezogenen (environmen- tal), moralischen (ethical), demographischen (demographic) und brancheninternen Einflussfaktoren (industry analysis). Die einzelnen Bedeutungen dürften sich dem Leser weitgehend von selbst erschlie- ßen.

Für Steuerkanzleien könnten z.B. folgende Themen relevant sein:

- Politik: Wirtschaftspolitische Maßnahmen, politische Kontinui- tät

- Wirtschaft: Anzahl erfolgreicher Mittelständler, Infrastruktur, Wachstumsraten, Arbeitslosigkeit, disponibles Einkommen

- Soziales: Bevölkerungsentwicklung, Lebensstile, Bildungs- grad/-einrichtungen, Einkommensverteilung, Einstellungen und Werte

- Technologie: Geschwindigkeit der Entwicklung, Forschungs- einrichtungen

Ergänzend zur PEST-Analyse kann auch die Branchenstrukturana- lyse, die eigentlich die Attraktivität einer Branche bestimmen soll, als Struktur für die Situationsanalyse verwendet werden. Nach Por- ter bestimmen fünf Wettbewerbskräfte die Profitabilität einer Bran- che. Diese sind die Verhandlungsstärke von Abnehmern und Liefe- ranten, die Bedrohung durch neue Anbieter und Ersatzprodukte und die Rivalität unter den bestehenden Anbietern. Die Branchenstruk- turanalyse steuert zu den genannten Einflussfaktoren insbesondere die Verhandlungsmacht von Abnehmern und Lieferanten bei. Als Lie- feranten im weiteren Sinne können neben den Infrastrukturanbie- tern (z.B. DATEV eG) auch das Personal gesehen werden.15

Soweit entsprechende quantitative Marktdaten, z.B. von der Steuer- beraterkammer, zur Verfügung stehen, ist nun das Marktvolumen (tatsächlich abgesetzte Menge/Umsätze), sonst im Wege der Schät- zung, und das erwartete Marktwachstum zu beziffern. Wenn die Ab- sätze oder Umsätze der einzelnen Anbieter durch das Marktvolumen dividiert werden, ergeben sich deren Marktanteile. So erhält man ein Gefühl für den Erfolg der einzelnen Kanzleien. Gibt es zum Beispiel viele kleine Anbieter, kann dies ein Indiz sein, dass keine Kanzlei gute Marketing-Ergebnisse erreicht.

Weiterhin kann die Anzahl der Mandanten in der Zielgruppe und deren Preistoleranz festgestellt und bestimmt werden.

Diese Größen bilden später eine Grundlage für übergeordnete ZielKennzahlen wie Umsatzwachstum, aber auch kurzfristige Absatzziele und Planungsgrößen in der Liquiditätsrechnung wie z. B. Abgabepreise und Kosten für Werbung.

Weiterhin sollten nun die Kunden anhand qualitativer Merkmale wie Kundenerwartungen, Kaufgewohnheiten, Vorlieben und kaufent- scheidende Faktoren (welcher Mitarbeiter beauftragt in der Zielbran- che den Steuerberater) für die spätere Segmentierung beschrieben werden.16

Ergebnisse

Bestandteil der Markt- und Kundenanalyse werden insbesondere fol- gende allgemeinen Befunde sein: In vielen deutschen Regionen wird sich die Landflucht stark auswirken. Mittlerweile leben in Deutsch- land 74 % der Bevölkerung in Städten (Stand 2012). Immer mehr Menschen ziehen, besonders aus den strukturschwachen neuen Bun- desländern, in die wirtschaftlichen Wachstumszentren. Die Land- flucht wird weiter zunehmen.17 Insgesamt geht die Zahl der Man- danten aufgrund des demografischen Wandels stetig zurück. So könnte die Bevölkerungszahl in 2050 nur noch 65 Millionen Men- schen betragen.18 Angesichts des deutschlandweiten Bevölkerungs- rückgangs aufgrund der Bevölkerungsalterung und der Wanderungs- bewegungen kann es sich anbieten, Steuerkanzleien in einer Wachs- tumsstadt wie München oder deren Umland zu gründen (oder ge- schäftliche Aktivitäten dorthin zu verlagern), die durch ihre Wirt- schaftsstärke, die Anzahl von Arbeitsplätzen, Bildungseinrichtung sowie Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten eine hohe Lebensqualität bieten. So schätzt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in der Raumordnungsprognose 2035 nach dem letzten Zensus 2011, dass die Bevölkerung der Stadt München zwischen 2012 und 2013 als Spitzenreiterin der Prognose um 22 % wächst und der Nachbar- Landkreis Erding um 19 %, während die Bevölkerung in ostdeutschen Landkreisen um bis zu 32 % zurückgehen soll (Landkreis Spreewald-Lausitz).19

Auch der Beratungsbedarf wird sich inhaltlich ändern. Der wirtschaft- liche und technische Wandel durch die dritte und vierte industrielle Revolution (Informationstechnologie und Internet; Industrie 4.0) führt im Zusammenspiel mit der Globalisierung und der Liberalisie- rung von Handel und Dienstleistungen zu einem steigenden Anpas- sungs- und Innovationsdruck der Unternehmen, z.B. durch immer kürzer werdende Produktlebenszyklen und die Zunahme des Anteils immaterieller Wertschöpfung. Viele kleinere Unternehmen und Mit- telständler sind jedoch nicht in der Lage, die auf sie durch die wach- sende Komplexität zukommenden Probleme und Risiken frühzeitig zu erkennen und zu reagieren, da häufig betriebswirtschaftliche De- fizite vorhanden sind. Hier sind schnelle und effiziente Problemlösun- gen bzw. Entscheidungshilfen gefragt. Dabei sind steuerliche und be- triebswirtschaftliche Problemstellungen gemeinsam zu betrachten.20 Im Zuge der Vernetzung von Menschen, Geräten und Maschinen durch das Internet besteht zunehmend Beratungsbedarf bspw. in den Trend-Themen Entrepreneurisierung (digitale Geschäftsmodelle und Wachstumsunternehmen), Individualisierung von Produkten, Beratung durch intelligente Systeme und Interkulturalisierung. Aber auch die Gewinnung von neuen Mandanten und Personal wird zu- nehmend durch das Internet geprägt. Schließlich wird sich auch durch die fortschreitende Alterung der Gesellschaft und den zuneh- menden Anteil der Bevölkerung, der das Erwerbsalter verlassen hat, der steuerliche und wirtschaftliche Beratungsbedarf teilweise inhalt- lich ändern. Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird sich trotz Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 72 Jahre bis 2050 nahezu halbieren.

Auf regulatorischer Seite ist weiterhin mit einer Vielzahl von Ände- rungen und zunehmender Komplexität zu rechnen. Dies führt zu ei- ner Abnahme der Halbwertszeit des Wissens, abnehmender Rechts- sicherheit und einem steigendem Haftungsrisiko Die Bedeutung ei- ner fundierten Ausbildung und systematische Fortbildung nimmt deshalb zur Sicherung der Beratungsqualität zu. Letztlich sind aber auch Spezialisierungen, Netzwerke und Kooperationen unvermeid- lich, um den steigenden Erwartungen der Mandanten an Leistungs- fähigkeit und Spektrum der Beratung gerecht zu werden. Es ist an- gesichts der zunehmenden Belastung der Finanzverwaltung durch steigende Fallzahlen bzw. den gleichzeitigen Personalrückgang wei- ter damit zu rechnen, dass in den Bereichen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer der Übergang zur Selbstveranlagung kommt.

Als wichtiger Lieferant mit einer hohen Verhandlungsmacht insbesondere gegenüber kleinen und mittleren Kanzleien ist die DATEV eG zu nennen, die über ihre Preisgestaltung einen wichtigen Kostenfaktor bestimmt. Zudem sind die meisten Bewerber mit den DATEVProgrammen vertrauter als mit den wenigen Wettbewerbsprodukten, so dass weniger Einarbeitungszeit anfällt.21

Durch die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstech- nologie werden sich die Geschäftsprozesse bei den Mandantenbetrie- ben, der Verwaltung und in den Steuerkanzleien verändern. Routi- netätigkeiten können von Steuerberatern so schneller und einfacher, teils automatisiert abgewickelt werden. Durch die Informationsmög- lichkeiten des Internets vergrößert sich das Fachwissen des Mandan- ten und reduziert sich das Informationsgefälle zum Steuerberater.22

Wettbewerbsanalyse

In der Wettbewerbsanalyse sind Strategien, Stärken und Schwächen sowie Preise des Konkurrenz-Angebots der relevanten Wettberber festzustellen, um später unter anderem im Rahmen der Positionierung geeignete Wettbewerbsvorteile und Strategien entwickeln zu können. Diese Wettbewerbs-Daten sind ebenfalls zielgruppenspezifisch z.B. regional beschränkt zu sammeln.

Deutschlandweit ergibt sich folgendes Bild des Berufsstands:

Der Steuerberatungsmarkt ist stark fragmentiert. Steuerberater sind zu rund 62 % selbstständig oder überwiegend selbstständig tätig. Rund 27 % arbeiten überwiegend in Anstellung, 4 % überwiegend als freie Mitarbeiter, weitere 4 % überwiegend als Syndikus-Steuer- berater und 3 % in anderen Tätigkeiten oder Konstellationen. Von den selbstständigen Steuerberatern übten gut zwei Drittel ihren Be- ruf in Einzelpraxis aus, gut 20 % in Zusammenschlüssen und knapp 10 % in Steuerberatungsgesellschaften (gerundete Werte, Stand 2012).23

Für Steuerkanzleien bestehen hohe Markteintrittsbarrieren bei den Vorbehaltsaufgaben insbesondere durch die in der Regel erforderli- che erfolgreich abgelegte Steuerberaterprüfung sowie durch die ge- wachsene Reputation bestehender Steuerkanzleien.24 Dennoch ist die Anzahl von Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften ist in den letzten zwölf Jahren kontinuierlich gewachsen. Die Zahl der Steuerberater stieg von 70.088 in 2005, zwar schwächer als zuvor, aber dennoch langsam weiter an (durchschnittlich 1,5 % jährlich) auf rund 84.046 in 2017.25 Die Anzahl der Steuerberatungsgesell- schaften (in den Rechtsformen GmbH, UG, AG, KGaA, KG, OHG und PartG)26 stieg seit 2005 von 6.932 auf 9.652 in 2017 ebenfalls kon- stant leicht an, was einem jährlichen Zuwachs von durchschnittlich 2,7 % entspricht.27 So agieren Steuerberater mittlerweile in einem Käufermarkt, da das Angebot die Nachfrage nach dem weitgehend homogenen Austauschprodukt Steuerberatung größtenteils über- steigt.28

Dennoch dürften sich in den kommenden Jahren zahlreiche Möglich- keiten zur Existenzgründungen bieten, da 51 % der Steuerberater 50 Jahre oder älter ist.29

Im mittelständischen Kanzleiumfeld wird teils durch den Generationenwechsel eine Zunahme an M&A-Aktivität registriert.30 Kooperationen werden mehrheitlich positiv gesehen und hauptsächlich eingegangen, um im Fall fehlender Ressourcen keinen Personalüberhang zu riskieren oder um ein breiteres Leistungsspektrum anbieten zu können. Die Zusammenarbeit erfolgt

- mit anderen Steuerberatern, wenn steuerliche Spezialfragen zu klären sind
- mit Anwälten für Vertragsgestaltungen oder Rechtsberatung
- mit selbstständigen Bilanzbuchhaltern zur Unterstützung in der Buchführung.31

Insgesamt zeichnen sich im Berufsstand strukturell derzeit folgende Trends ab:

1. Zunahme von Steuerberatungsgesellschaften, Zusammen- schlüssen und Franchisen
2. Abnahme der Gesamtanzahl von Steuerkanzleien, wobei Ge- neralistenkanzleien in größere Einheiten aufgehen
3. Spezialisierung der übrigen Einzelkanzleien auf bestimmte Fachthemen oder Branchen
4. Zunehmende Bedeutung von Kooperationen (intra- und inter- disziplinär)32

Die klassischen Steuerkanzleien geraten jedoch auch durch andere Wettbewerber unter Druck. Zum einen werden steuerliche Dienst- leistungen auch von Lohnsteuerhilfevereinen, geprüften Bilanzbuch- haltern und Kontierern, Rechtsanwälten sowie Banken und Versiche- rungen angeboten. Zum anderen wächst das Heer der „Selbstaus- füller“ aufgrund der vorausgefüllten Steuererklärung, und immer besser werdenden EDV-Programmen. Im privaten Umfeld sinken die Umsätze auch hierdurch bedingt (neben dem demografischen Wan- del).33 Darüber hinaus erzielen Online-Anbieter wie felix1.de (ETL- Gruppe), venvie.de und steueragenten.de für private und gewerbli- che Mandanten erste Erfolge aufgrund der Versprechen von mehr Einfachheit und Kosteneffizienz, die aber bislang nur teilweise besser als durch den stationären Markt eingelöst werden können.34

Chance: Vereinbare T ä tigkeiten

Die knappe Mehrheit der Steuerberater (51 %) glaubt, Mandanten für die betriebswirtschaftliche Beratung (u.a. Rechnungswesen, Finanzierung, Existenzgründung) einfach gewinnen zu können. Demgegenüber wird es aufgrund vermeintlich mangelnder Zahlungsbereitschaft und geringen Interesses für schwierig gehalten, finanzwirtschaftliche Auswertungen und Unternehmerberatung (u.a. Prozessberatung) zu vertreiben.35

[...]


1 Deutsche Gesellschaft f ü r Professional Service Firms e.V.: Kundenbindung

2 Lutz, D: Attraktive Steuerkanzlei (Teil 1), S. 2054

3 Kirschbaum, G.: Unternehmensberater (Teil 1), S. 429

4 Bundessteuerberaterkammer: Leitbild

5 Lutz, D: Attraktive Steuerkanzlei (Teil 2), S. 2101 f.

6 Bundessteuerberaterkammer, 2012

7 Kippes, S.: Marketing, S. 1, 2

8 Weiland, H.: Marketing, S. 1141

9 Pelz, W., Marketing, S. VIII

10 Pepels, W., Marketingplan

11 Nagl, A., Marketingplan

12 Pelz, W., Marketing, S. VIII

13 Pepels, W., Marketingplan

14 Nagl, A.: Marketingplan

15 Wollgarten, S.: Kanzleikooperationen, S. 48

16 Pelz, W.: S. IX

17 Bundessteuerberaterkammer: 2020, S. 30

18 Bundesministerium f ü r Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Demografische Wandel

19 Bundesinstitut f ü r Bev ö lkerungsforschung: Bevölkerungsrückgang

20 Kirschbaum, G.: Unternehmensberater (Teil 1), S. 429-430

21 Wollgarten, S.: Kanzleikooperationen, S. 48

22 Bundessteuerberaterkammer: 2020, S. 30, 34, 38, 83-84

23 Bundessteuerberaterkammer: 2020, S. 101, 102

24 Wollgarten, S.: Kanzleikooperationen, S. 45

25 Statista: Steuerberater

26 Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe: Steuerberatungsgesellschaften

27 Statista: Steuerberatungsgesellschaften

28 Wollgarten, S.: Kanzleikooperationen, S. 46

29 Bundessteuerberaterkammer: Berufsstatistik

30 Wollgarten, S.: Kanzleikooperationen, S. 60

31 Rieg, R.: Kooperieren

32 H ü bner, K./H ü bner, G.: Unternehmer, S. 37

33 Bundessteuerberaterkammer: 2020, S. 33, 38, 103

34 Zimmermann, M.: Netz

35 Bundessteuerberaterkammer: 2020, S. 27

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Der Marketingplan für zukunftsfähige Steuerkanzleien
Untertitel
Von Strategie-Entwicklung über den Marketing-Mix bis zum Controlling
Hochschule
Hochschule München
Note
1,8
Autor
Jahr
2017
Seiten
71
Katalognummer
V377628
ISBN (eBook)
9783668550230
ISBN (Buch)
9783668550247
Dateigröße
1022 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Steuerberater, Steuerkanzlei, Marketing, Werbung, Strategie
Arbeit zitieren
Maximilian von Bennigsen (Autor:in), 2017, Der Marketingplan für zukunftsfähige Steuerkanzleien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377628

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