Russland. Eine defekte Demokratie?


Hausarbeit, 2017

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wolfgang Merkels Theorie der defekten Demokratie
2.1 Konzept der „embedded democracy“
2.2 Konzept der Defekten Demokratie

3. Das politische System Russlands und dessen Entwicklung nach
3.1 Das Regierungssystem in Russland
3.2 Russland unter Putin und Medwedew

4. Analyse des politischen Regimes Russlands
4.1 Analyse der Teilregime
4.1.1 Wahlregime
4.1.2 Politische Partizipationsrechte
4.1.3 Bürgerliche Freiheitsrechte
4.1.4 Gewaltenteilung & horizontale Verantwortlichkeit
4.1.5 Effektive Regierungsgewalt
4.2 Ergebnis der Analyse

5. Fazit

Literaturverzeichnis.

1. Einleitung

Nachdem im Jahr 1991 die Sowjetunion zusammenbrach wurde im Jahr 1993 eine neue Verfassung unter der Führung Boris Jelzin für die Russische Föderation verabschiedet, somit nahm man an, dass der Beginn einer neuen Ära bevorsteht. Die Bürger können in Freiheit leben und ihre Rechte genießen, sie dürfen aus ihrem Land ausreisen; der Sozialismus wurde besiegt. Mit den, in der Verfassung aus dem Jahre 1993, verfassten Zielen der Demokratie, der Marktwirtschaft und der Menschrechte, deutet alles auf ein demokratisches Land hin, aber entspricht dies der Realität?

Mit Hinblick auf einen aktuellen Fall in Russland, der Inhaftierung des Regisseur Kirill Serebrennikow, dem vorgeworfen wird anderthalb Million Euro staatlicher Gelder veruntreut zu haben, könnte man diese Frage verneinen. Laut eines Artikels der FAZ, vom 27.08.2017, dient die Inhaftierung zur Demonstration der Macht; man könnte annehmen, dass die Grundrechte der russischen Bürger missachtet werden. Darüber hinaus nimmt die FAZ an, dass auch ein unrechtes Vorgehen von seitens des Gerichts ausgeht „Die primäre Aufgabe der russischen Gesetzgebung ist nicht, etwas zu regeln, sondern die Befolgung der Regeln prinzipiell unmöglich zu machen, damit jeder bei Bedarf strafrechtlich verfolgt werden kann. Also wird in vielen Sphären nicht strikt nach Vorschriften gehandelt, immer auf eigenes Risiko. Selbst wenn es in Serebrennikows Theater Unregelmäßigkeiten gab, sind sie nicht der Grund für seine Verfolgung, sondern nur ein Mittel dazu.“ (FAZ, 2017).

In meiner Hausarbeit werde ich mich mit der Frage beschäftigen, ob die Russische Föderation als Demokratie begriffen werden kann. Um dies herauszufinden, werde ich das Konzept der defekten Demokratie von Wolfgang Merkel anwenden. Meine Arbeit ist in zwei Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel werde ich näher auf das Konzept der „Defekten Demokratie“ von Merkel eingehen, mit besonderem Hinblick auf die, von ihm konstruierten, Teilregimen und den Untersuchungsansatz, Defekte in demokratischen Staaten aufzudecken. Im zweiten Kapitel werde ich zuerst auf das politische System Russlands und dessen jüngere Geschichte eingehen, und im Anschluss mit Zuhilfenahme der Berichte von Freedom-House, Bertelsmann Stiftung und Amnesty International aus dem Jahre 2016 die Teilsysteme nach Merkel näher betrachten, um bestimmen zu können, ob es sich bei der Russischen Föderation um eine defekte Demokratie handelt.

2. Wolfgang Merkels Theorie der defekten Demokratie

In diesem Kapitel werde ich näher auf das Konzept der defekten Demokratie nach Merkel et al. (2003) eingehen. Zuerst muss jedoch auf darauf eingegangen werden, was Merkel unter Demokratie bzw. einer funktionierenden Demokratie versteht. Er versteht den Begriff der Demokratie als ein Konstrukt der Volksouveränität, der Freiheit und der Herrschaftskontrolle und dem Prinzipien der politischer Gleichheit (Merkel et al. 2003: S. 40). „‚Demokratie’ […] soll definiert sein als ein Set institutioneller Minima, das erstens eine vertikale Dimension demokratischer Herrschaft bezeichnet, nämlich vertikale Machtkontrolle, universelles aktives und passives Wahlrecht und die effektive Gewährleistung der damit verbundenen grundlegenden politischen Partizipationsrechte; zweitens eine horizontale Dimension, also Herrschaftskontrolle im Rahmen der gewaltenteiligen Organisation der Staatsgewalt und der rechtsstaatlichen Herrschaftsausübung; drittens eine transversale Dimension, also die effektive Zuordnung der Regierungsgewalt zu den demokratisch legitimierten Herrschaftsträgern.“ (Merkel et al. 2003: S.47).

2.1 Konzept der „embedded democracy“

Laut Merkel ist eine gesunde Demokratien doppelt eingebettet: ersten intern, indem die fünf interdependenten und independenten Teilregime ihren Bestand sichern und zweitens extern, indem diese eingebettet und vor externen und internen Schocks geschützt sind (vgl. Merkel 2010: S. 30); er bezeichnet solche als eine mehrdimensionale politische Ordnung. Die fünf Teilregime, auf die ich noch näher eingehen werde, sichern somit eine funktionierende Demokratie und stellen hierfür die Voraussetzung dar. Die fünf Teilregime bestehen aus dem „Wahlregime“, den Regimen des „Politische Partizipationsrechte“, „Bürgerliche Freiheitsrechte“, „Gewaltenteilung und horizontale Verantwortlichkeit“ und „ Effektive Regierungsgewalt“.

Das Wahlregime nimmt laut Merkel eine zentrale Rolle ein, denn Wahlen sind der sichtbarste Ausdruck der Volkssouveränität (vgl. Merkel 2010: 32). In Anlehnung an Dahl (Dahl 1998: 37) führt Merkel vier Kriterien auf: das aktive und passive, universelle Wahlrecht, die gewählten Mandatsträger und freie und faire Wahlen. Die drei Ausgangspunkte der „embedded democracy“ (Freiheit, Gleichheit und Kontrolle) werden innerhalb dieses Teilregimes verwirklicht.

Das zweite Teilregime „Politische Partizipationsrechte“ beinhaltet zwei Kriterien, erstens die Assoziationsfreiheit und zweitens die Meinungs- und Presse- und Informationsfreiheit. Durch dieses Teilregime wird unter anderem die politische Pluralität gefördert und somit die Konkurrenz um Herrschaftspositionen angeregt. Ebenso muss gesichert sein, dass „..sowohl die Verbreitung als auch der Empfang von Informationen und Nachrichten … keinen politisch motivierten Restriktionen unterliegen“ (Merkel 2010: 32). Die wechselseitige Wirkung der ersten beiden Teilregime fördert ein responsives Regieren, somit wird eine vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und - kontrolle gebildet (Vgl. ebd.: 32).

Das dritte Teilregime „Bürgerliche Freiheitsrechte“ wird mit den Kriterien Justizrecht und individuelles Schutzrecht definiert, die den Schutz der Bürger gegenüber dem Staat sichern sollen. Alle Bürger sollen den gleichen Zugang zum Recht haben und vor dem Gesetz gleich behandelt werden (Vgl. Merkel 2003: 85). Die Rechtsstaatlichkeit wirkt als „“Querverstrebung“ für ... institutionelle Minima.“ (Merkel 2003: 53).

Die Judikative bildet eine wichtige Voraussetzung für das vierte Teilregime „Gewaltenteilung und horizontale Verantwortlichkeit“, insofern diese funktioniert, „die eine rechtliche Kontrolle … exekutiver und legislativer Akte erlaubt“ (Merkel et al 2003: 54). Diese Kontrolle ist gegeben, wenn Herrschaftsstrukturen pluralistisch sind und wechselseitige Kontrollen zwischen Legislative, Judikative und Exekutive stattfinden.

Als fünftes und letztes Teilregime führt Merkel die „Effektive Regierungsgewalt“ auf, wobei geprüft werden muss, „ob die zentralen politischen Entscheidungen tatsächlich von öffentlich kontrollierten Vertretern im Rahmen der hierfür ausgewiesenen Institutionen und entsprechend der gesetzten normativen Regeln getroffen werden“ (Merkel et al 2003: 91- 92). Merkel weist darauf hin, dass Eliten und Machtgruppen keinerlei Verfügungsgewalt über bestimmte Politikbereiche besitzen dürfen, sondern allein nur demokratisch gewählten Vertretern.

2.2 Konzept der defekten Demokratie

Laut Merkel wird die Gesamtlogik der rechtstaatlichen Demokratie verändert, wenn ein oder mehrerer Teilregime beschädigt werden, sodass man hierbei von einer defekten Demokratie reden kann (Vgl. Merkel 2010: 37). Nach dem Konzept der defekten Demokratie nach Merkel, sind „defekte Demokratien Herrschaftssysteme, die sich durch das Vorhandensein eines weitgehend funktionierenden demokratischen Wahlregimes zur Regelung eines Herrschaftszugangs auszeichnen, aber durch Störungen in der Funktionslogik eines oder mehrerer der übrigen Teilregime die komplementären Stützen verlieren, die in einer funktionierenden Demokratie zur Sicherung von Freiheit, Gleichheit und Kontrolle unabdingbar sind“ (Merkel et al. 2003:66). Je nachdem welches Teilregime beschädigt ist, wir das Land, das scheinbar eine defekte Demokratie aufweist, in einer der vier, von Merkel ausgearbeiteten, reduzierten Subtypen eingeteilt. Merkel unterteilt diese in „Exklusive Demokratie“, „Enklavendemokratie“, „Illiberale Demokratie“ und „Delegative Demokratie“. Die Grenzlinie zur Autokratie ist allerdings überschritten wenn massive Verletzungen (Folter, Massenverhaftung, willkürliche Exekutionen) im Teilregime „Bürgerliche Freiheitsrechte“ zu beobachten sind (Vgl. Merkel et al 2003: 87).

Wenn Einschränkungen im Wahlsystem zu beobachten sind, oder wenn „ein nennenswerter Teil der erwachsenen Bürgschaft vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen sind“ (Merkel 2003: 70) liegt die „Exklusive Demokratie“ vor. Diese liegt ebenfalls vor, wenn das Partizipationsrecht begrenzt wird oder politische Freiheitsrechte verletzt werden. Somit liegt dieser Subtyp vor, wenn das Teilregime „Wahlregime“ und/ oder „Politische Partizipation“ einen Defekt aufweist.

Eine „Illiberale Demokratie“ liegt vor, wenn Menschen- und Freiheitsrechte verletzt werden und somit im Teilregime „Bürgerliche Freiheitsrechte“ ein Defekt zu beobachten ist.

Falls die Regierung auf die Justiz Einfluss nimmt oder auch das Parlament umgeht, liegt ein Schaden im Teilregime „Gewaltenteilung und horizontale Verantwortlichkeit“ vor. Wenn also ein Ungleichgewicht in der Gewaltenkontrolle vorliegt, redet man von einer „Delegative(n) Demokratie“.

Man unterteilt in eine „Enkavendemokratie“, wenn nichtgewählte Akteure eine gewissen Einfluss auf die Politik haben oder auch eine Vetomacht besitzen, denn „In rechtsstaatlichen Demokratien liegt die Herrschaftsausübung ausschließlich bei den in allgemeinen und fairen Wahlen bestimmten Repräsentanten“ (Merkel et al 2003: 71). Hierbei handelt es sich um eine Beschädigung des Teilregimes „Effektive Regierungsgewalt“.

Laut Merkel et al. (2003: 73) gilt Chile als einziges Land, in dem ein reiner „Subtyp“ vorkommt. Dieser Fall kommt sehr selten vor, denn die Subtypen werden als eine Art „reine Typen“ verstanden, die in der Realität meist als „Mischform“ vorkommen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Russland. Eine defekte Demokratie?
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Vergleich politischer Systeme
Note
2,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V377181
ISBN (eBook)
9783668546929
ISBN (Buch)
9783668546936
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Demokratie, Russland, Vergleichende Politik, Demokratiemessung, Wolfgang Merkel, Autokratie, Politische Theorie, Politikwissenschaft, russische Förderation, Vergleich politischer Systeme, Freedom House, Bertelsmann Index
Arbeit zitieren
Laura Stephan (Autor:in), 2017, Russland. Eine defekte Demokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377181

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