"Blokada". Eine Analyse von Sergey Loznicas Dokumentation der Leningrader Blockade


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Blokada - Der Film
2.1 Filmbeschreibung
2.2 Das öffenltiche Leben in Leningrad

3. Filmzusammensetzung
3.1 Anordnung der Szenen
3.2 Auswahl der Szenen
3.2.1 Aussagekraft
3.2.2 Emotionen des Publikums

4. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Blokada (2005)

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auf der ganzen Welt, insbesondere auf dem europäischen Kontinent und in den einzelnen Ländern der Kriegsschauplätze seine Spuren. Eines der größten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht war unzweifelhaft die Blockade Leningrads, welche vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 - also erschreckende 872 Tage - andauerte und schätzungsweise eine Millionen Menschen das Leben kostete, entweder durch militärische Angriffe der Deutschen Wehrmacht oder durch Folgen der Blockade, wie zum Beispiel das Sterben an der Hungersnot oder das Erfrieren in den Wintermonaten.1

Leningrad war eins der wichtigsten wirtschaftlichen Zentren der Sowjetunion und hatte zu Beginn des deutschen Überfalls noch eine Bevölkerungsanzahl von ca. 3,5 Millionen Menschen. Nach dem Einschluss durch die Deutschen im Süden der Stadt bis hin zur Südküste des Ladogasees und durch die Finnen im Norden kam es schon schnell zu Versorgungsengpässen in den ersten Wintermonaten der Blockade. Anfangs waren für die Zivilbevölkerung noch ausreichend Essens- und Energievorräte vorhanden, die aber vor allem im Winter 1941/42 zur Neige gingen. Hinzu kam, dass die Priorität auf die Industriebetriebe gesetzt wurde, um die noch vorhandene Energieressourcen dort einzusetzen. Im Winter 1941 hatten etliche Wohnhäuser keinen Strom und keinen Wasseranschluss mehr, außerdem wurden schon zu diesem Zeitpunkt Essensrationen verteilt. Das Leid der Stadtbewohner war vor allem in dieser Phase der Blockade sehr groß.

Genau auf diese Thematik wird in der folgenden Arbeit, anhand des Kompilationsfilmes „Blokada“ von Sergej Loznica aus dem Jahr 2005, eingegangen. Der knapp 50 minütige Schwarzweißfilm zeigt verschiedene originale Kameraaufnahmen des öffentlichen Lebens in der belagerten Stadt, die aus dem Archiv der Leningrader Dokumentarfilmarchiv stammen, sei es den Beschuss durch die Wehrmacht, die daraufhin zerstörten Gebäude, das Dahinsterben auf der Straße, das Ausschöpfen des Schmelzwassers aus den zugefrorenen Straßen, die Frauenarbeit oder die Hinrichtung deutscher Soldaten.2

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit erfolgt eine kurze Darstellung des öffentlichen Lebens in Leningrad, die durch Beispiele aus dem Film bekräftigt werden. Anschließend folgt der wesentliche Teil dieses Textes, und zwar wieso Sergej Loznica gerade diese Anordnung der Wochenschauaufnahmen für seinen im Verhältnis gesehen sehr kurzen Film ausgewählt hat, obwohl ihm über 6 Stunden Filmmaterial aus der Belagerungszeit zur Verfügung stand und welche Essenz hinter diesen Szenen steckt.3

2. Blokada - Der Film

2.1 Filmbeschreibung

Als eine „universal menschliche Tragödie“ bezeichnet der Produzent Sergej Loznica, in einem Interview mit der Zeitschrift Osteuropa, das“ konkret historische Ereignis“ der Blockade während des Zweiten Weltkriegs, welches er auf seine eigene Art und Weise reflektieren wollte, um es nicht in Vergesslichkeit geraten zu lassen.4 Seine Intention war es die übliche russische Betrachtungsweise der Leningrader Blockade kritisch aufzuarbeiten, um einen neutralen und authentischen Einblick in das Leben der Stadt zu ermöglichen. Sämtliche Aufnahmen wurden unter freiem Himmel und im öffentlichen Raum, aber im Blockadering, der den Rahmen des Films bildet, aufgenommen. Der Zuschauer soll durch Bild- und Tonselektion nahe an das Geschehen gerückt werden, um ihm zu ermöglichen sich als ein Teil der Stadtbevölkerung zu fühlen. Um dies zu erreichen wurden vorwiegend Totalaufnahmen ausgewählt, die einen endpersonalisierten Charakter schaffen. Im Großen und Ganzen steht das Kollektiv im Vordergrund, nämlich die Bevölkerung, auf die sich der Filmzusammenschnitt fokussiert, um einer heroisierenden Darstellung der Blockade konträr zu begegnen. Allerdings ist dies nicht hundertprozentig gelungen. Stellenweise werden dann doch einzelne Personen hervorgehoben, die dann doch einen Hauch von Heroismus auf die Leningrader Bevölkerung projizieren, z.B. als in einer Szene (14:15 Min.) ein Kind sekundenlang beim Aufräumen eines bombardierten Gebäudes hilft.

Auch wenn auf den ersten Blick kein roter Faden im Film zu erkennen ist, so ist bei genauerem Hinsehen doch ein Anordnungsprinzip vorhanden. Denn ein roter Faden ist vorhanden, auch wenn er auf den Und zwar wandelt sich im Laufe des Films das Bildnis des Lebens zum Tod hin ab - Loznica in Osteuropa: „Der Film zeigt, wie das Leben immer weniger und der Tod immer mehr wird“.5 Darauf wird im späteren Teil dieser Arbeit näher eingegangen.

Das wohl prägnanteste Kennzeichen dieses Montagefilms ist der Ton bzw. der Nicht-Ton. Denn in nahezu allen Szenen wird der Zuschauer ohne Sprache oder Off-Kommentar in der Stadt alleine gelassen, um gänzlich mit der Atmosphäre inmitten des Blockaderings verschmelzen zu können, so dass jene ihre „eigenen Schlüsse ziehen können“6. Dieses angewandte, recht ausgefallene Stilmittel wird durch eine vorsichtig rekonstruierte Geräuschkulisse in manchen Sequenzen noch einmal unterstützt, um so die Atmosphäre dieser vergangenen Zeit verstärkt wahrnehmbar zu machen, welche eine menschliche Tragödie und ein unerschütterlichen Lebenswillen umfasst.7

Damit der neutrale Beobachter noch intensiver den Eindruck gewinnt „physisch mitten im Bild“8 zu stehen und tatsächlich in die Zeit der Blockade versetzt zu werden, sind überwiegend langsame Szenen zu bestaunen, sprich Ausschnitte die gemächliche Bewegungsabläufe beinhalten. Ergänzt wird die Trägheit des Werks durch gezielt gesetzte „Atempausen“ zwischen einzelnen Montagestücken9, die im „Durchschnitt 8-9 Sekunden, teilweise noch länger“10, andauern (im Film zu sehen beispielsweise ab 10:38 Min. andauernd bis 10:45 Min.), die gleichermaßen dem Zweck dienen, das eben Gesehene auf den Zuschauer wirken zu lassen. Die behäbigen Bewegungen des gefilmten Alltags spiegeln authentisch die Folgen der Blockade wieder, die das öffentliche Leben in Leningrad erleiden musste.

2.2 Das öffentliche Leben in Leningrad

Der Dokumentarfilm liefert einen sehr guten Einblick in den Alltag der Stadt. Mit seinem Konstrukt von Leben zu Tod spiegelt er das Leid der Stadtbewohner analog wieder. Geprägt ist das Bild der Blockade vor allem von Hunger, Tod und zerstörten Gebäuden. Alle diese drei Aspekte werden in „Blokada“ dargestellt. Zu Beginn des Films werden Abwehrgeschütze justiert (1:35 Min.) und Sperrballons in den Himmel steigen lassen (4:38 Min.). Diese frühen Filmszenen zeigen die Vorbereitungen der Stadt Leningrad auf den anstehenden Angriff der Deutschen Wehrmacht, von dem die erste Phase der Blockadezeit geprägt war. Während den Herbstmonaten verlief der Alltag der Bevölkerung annähernd wie in den Monaten vor der Blockade ab, es herrschte reger Verkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel (Busse und Straßenbahnen) fuhren noch. Im November 1942, also 2 Monate nach Blockadebeginn, kam es zu einschneidenden Veränderungen. Leningrad konnte sich schon nicht mehr selbst versorgen und kurz darauf erfolgte der Zusammenbruch der innerstädtischen Infrastruktur.11

[...]


1 Vgl. Sapper, Manfred/ Weichsel, Volker: Völkermord mit Ansage - Leerstelle der Erinnerung. In: Osteuropa Jg. 61 8-9 (2011). S. 5-6.

2 Vgl. Radetzkaja, Olga: Die Geschichte bleibt unverstanden - Sergej Loznica über den Krieg in seinem Werk. In: Osteuropa Jg. 61, 8-9 (2011). S. 323-328, hier S. 325.

3 Vgl. Aldoshina, Tatiana: Blockade. Noch ein Einblick. 2007. URL: http://www.tvkultura.ru/news.html?id=136 888 (Aufruf am 05.03.2012).

4 Vgl. Radetzkaja, Olga: Die Geschichte bleibt unverstanden - Sergej Loznica über den Krieg in seinem Werk. In: Osteuropa Jg. 61, 8-9 (2011). S. 323-328, hier S. 326.

5 Ebd., Radetzkaja, S. 326.

6 Vgl. Aldoshina, Blockade, (Aufruf am 05.03.2012).

7 Vgl. Binder, Eva: Leningrads Heldentaten - Die filmische Verarbeitung der Blockade. In: Osteuropa Jg. 61, 8-9 (2011). S. 309-322, hier S. 322.

8 Vgl. Radetzkaja, Die Geschichte bleibt unverstanden, S. 325.

9 Vgl. Binder, Leningrads Heldentaten, S. 322.

10 Vgl. Shavlovsky, Konstantin: Die Provinz der Apokalypse. 2006. URL:http://lenta.ru/articles/2006/04/27/lozni tsa/ (Aufruf am 02.03.2012).

11 Vgl. Ganzenmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941-1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. Paderborn 2005, hier S. 171.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
"Blokada". Eine Analyse von Sergey Loznicas Dokumentation der Leningrader Blockade
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V377097
ISBN (eBook)
9783668547681
ISBN (Buch)
9783668547698
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blokada, Leningrader Blockade, Sergej Loznica, Zweiter Weltkrieg
Arbeit zitieren
Pascal Böß (Autor:in), 2011, "Blokada". Eine Analyse von Sergey Loznicas Dokumentation der Leningrader Blockade, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377097

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